warum ich mich doch nicht mit peter sloterdijk angelegt habe.

der dokumentar-regisseur werner boote filmt die auswüchse von mikroplastik, konsumwahn und überwachung. er sagte bei seinem salzburg-besuch vor ein paar wochen, dass „das alles nicht mehr tragbar sei“. wieso nicht?, fragte ich.

ich denke seither darüber nach, ob, wann und wie ich mich engagiere. und noch viel öfter, wann ich es sein lasse. es dämmert mir jetzt.

nicht immun genug?

und zwar: ich war am pfingstmontag bei einer diskussion über immunität mit peter sloterdijk, peter weibel und ein paar anderen in der galerie ropac. die belesenen männer sprachen über immunität und ihre biologische funktion, ihre abwehr-rolle in theologie, philosophie, kunst und im profanen alltag.

immunität sei überlebensbedingung, eine wichtige grenze, sie schütze uns und dahinter erst könnten wir uns voll entfalten.

Peter Sloterdijk„halt, das greift viel zu kurz!“, wollte ich sagen. immunität ist auch die voraussetzung für alles schöne! jeder innige kuss, der genuss von gereiftem roquefort, kunstschaffen entgegen aller widerstände: das geht nur mit immunität. sie ermöglicht austausch, verbindung und beziehung erst, versteht ihr? es gab keine publikums-runde. also schnell heim mit meinen notizen, wild entschlossen zu einem saftigen kommentar: „du legst dich mit peter sloterdijk an? na klar, denn das geht gar nicht!“

untragbar? ich fürchte, nicht.

zuhause angekommen, bärenhunger, erstmal regionales bio-gemüse kochen und essen. dann kurze siesta am sofa, bevor die tastatur heiß läuft. und dann? nix mehr. voller bauch, beine hoch und gute musik. und schon war die revolution wieder abgesagt.

wenn ich also nicht mal in größtem unmut mickrige 350 wörter schreibe, weil ich mich satt und zufrieden fühle; was werde ich dann für ein mikroplastik-verbot tun? außer teure frei-von-zahnpasta kaufen? und wie viele andere werde ich motivieren? und ihr, die ihr das lest?

in „plastic planet“ kündigt boote an: „sie werden nie wieder aus einer plastik-flasche trinken“. nach dem film war ich davon überzeugt. dann hab‘ ich es doch gemacht. nicht nur in süd-ost-asien, wo es nix anderes gab. hier auch.

„das alles“ ist noch lange tragbar. ich schäme mich dafür, dass ich mitspiele.

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Oft auf der Autobahn zu sehen….

War ja nicht anders zu erwarten. Unser Frauenbüro der Stadt Salzburg startet eine kleine Kampagne, wo wir fordern sexistische Werbung zu unterlassen. Und natürlich gibt es schon die ersten Aufreger, dass wir das ja nur verbieten, weil wir selbst nicht so schön, jung und gut gebaut sind. Zugegeben, die meisten von uns sind keine Supermodels, ja nicht mal Models. Sondern ganz normale Frauen und Männer. So wie die meisten der Kritiker und – innen auch. Unglaublich aber wahr ist, dass den meisten von uns natürlich auch schöne Menschen gefallen, die können auch nackt sein! Ob das jetzt die berühmte Geburt der Venus von Botticelli ist oder auch ein tolles Portraitbild von Rankin. Das ist sehr schön. Und in der Werbung? Wie ist es da mit Schönheit? Und Sexiness? Mit Nacktheit? Kein Problem finden ich und die meisten anderen auch. Wenn das Produkt damit zu tun hat! Ein Duschgel mit jemand Angezogenen zu bewerben, wär irgendwie blöd. Einen Bikini oder eine Badehose in Abendkleid und Anzug zu präsentieren wäre widersinnig. Nackte Haut ist da völlig ok.

Was aber eine LKW-Waschanlage mit nackter Haut zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Oder ein Frauenpo der für eine Wettfirma wirbt, die wiederum auf die Fußball-Europameisterschaft zielt und nicht darauf, welcher der knackigste Frauenpo der EM ist. Ist ja die EM der Männer. Und genau um das geht es. Sexistisch ist es unter anderem mit nackter Haut und sexy Posen für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu werben, die damit gar nix zu tun hat. Völlig normal ist es, wenn das nackte, halbnackte oder sexy Model (ob männlich oder weiblich) und das Produkt in einem Zusammenhang stehen.

Darum sexistische Werbung NEIN, Sexy Werbung OK.

In Deutschland heißt die Kampagne übrigens Pink Stinks!

Ja ihr habt richtig gehört. Ich habe den Dunkelbraunen Kugelspringer gesucht. Wie das? Vor einigen Tag habe ich eine kitzekleine Notiz in einer Zeitung gelesen: Der Dunkelbraune Kugelspringer ist das Insekt des Jahres 2016. Aha! Heute bei einer Tasse Tee im Garten habe ich das Insekt 2016 gegoogelt. Der Kugelspringer ist nicht vom Aussterben betroffen, im Gegenteil er ist überall – millionenfach. Seine Durchschnittsgröße ist 4 Millimeter, er gehört zur Art der Springschwänze, grast gerne Bäume ab, ist auch in der Erde zuhause und am liebsten hat er regnerisches Wetter. Ha! Das ist meine Chance heute. Es ist regnerisch und meine Neugierde ist geweckt. Mit Handy und Kniekissen ausgestattet geht es auf die Suche.

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Ich beginne im Radieschenbeet. Aber außer den Keimlingen ist nichts zu sehen. Und die wachsen sehr brav. Hübsch sind sie mit dem roten Stängel wie sie sich durch die Erde drücken.

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Also doch den Apfelbaum untersuchen. Der Kugelspringer mag besonders gerne Algen und Flechten und die hat der Apfelbaum zur Genüge. Ganz konzentriert halte ich Ausschau. Nichts. Aber ich schaue mir erstmals die Flechten, Algen und Moose auf dem Baum an. Sehr schön die Farben und die Gestalt.

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Wieder zurück auf dem Kniekissen probier ich es beim Ameisenhaufen zwischen dem Olivenkraut und dem Salbei. Die Ameisen sind fleißig unterwegs, auch ein paar andere Käfer und Asseln laufen durch die Szenerie, aber vom Kugelspringer keine Spur.

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Weiter geht es zum Blackbox-Gardening Beet. Das heißt so, weil da nicht eingegriffen wird. Es wuchert so vor sich hin, Disteln, Löwenzahn, Hirtentäschel, die typischen Garten(un)kräuter. Halt was seh ich da. Eine winzige Spinne hat ihr Netz über die Erde gespannt. Ich kann es nur sehen, weil es noch feucht ist und glitzert. Ohne vorherigen Regen hätte ich es nicht entdeckt. Daneben die Gräser mit Regentropfen verschönert.

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Als nächstes probier ich es bei der Hecke. Zwischen dem Rindenmulch wächst schon wieder frisches Unkraut nach. Das heißt wieder Arbeit nächste Woche. Aber weit und breit kein Kugelspringer.

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Ok ich versuch es einfach hinter dem Kompost. Dort erwartet mich eine Weinbergschnecke. Sie gehört zu den guten Schnecken, sie frisst nämlich nur welke Pflanzen. So mögen wir Gärtnerinnen die Schnecken. Und schön ist sie auch im Gegensatz zu den ekelhaften Nacktschnecken. Aber wieder kein Kugelspringer.

Wer jetzt endlich wissen will, wie der Kugelspringer ausschaut und was es sonst noch Wissenswertes über ihn gibt, dem ist folgender Link zu empfehlen:

Naturschutzbund

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Grafik aus dem SPIEGEL 2015

Irgendwann find ich ihn den Dunkelbraunen Kugelspringer, einige Millionen müssten im Schrebergarten leben. Aber die Suche hat mich auf noch etwas neugierig gemacht. Auf die ganzen kleinen Lebewesen, die wir normal nicht wahrnehmen. Die aber auch unsere Aufmerksamkeit und auch unseren Respekt verdienen. Denn ohne sie wäre die Erde wohl unfruchtbar und wir nicht da. Ich werde jetzt öfter das Kniekissen bemühen und mir genau anschauen, was sich im Schrebergarten so tummelt!

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Sofort bereit für ein Selfie mit mir: Bundeskanzler Christian Kern

Bundesparteitage sind entweder die Fortsetzung des Gewohnten oder ein Aufbruch. Heute war ein Tag des Aufbruchs. Christian Kern ist zum neuen Parteichef gewählt worden, mit 96,8%. Mit einer Rede in fast Spielfilmlänge macht er seine Ziele für die Partei und für das Land klar. Er bereitete die SPÖ auf den Weg in die sozialdemokratische Zukunft vor. Mit klaren Ansagen, neuen alten Schwerpunkten und mutmachenden Worten. Und er sprach von einem vielfältigen Miteinander. Raus aus den Hinterzimmern und rein ins Leben, so hab ich das verstanden. Die Partei braucht mehr als sich selbst, es braucht viele Menschen und jeder einzelne von uns ist aufgerufen Menschen für eine sozialdemokratische Zukunft zu begeistern. Aber nicht überheblich „raus zu den Leuten“, der Bundeskanzler stellt klar: Wir sind die Leute! Kern ist ein Mann aus der Wirtschaft aber keiner, der den Lobbyismus für einzelne Gruppen in den Vordergrund stellt. Er stellt die richtigen Fragen nach dem Wert der Arbeit, der Besteuerung von Vermögen, dem Stellenwert der Freiwilligenarbeit, der amoralischen Steuerflucht, den Chancen der Digitalisierung, der globalen Verantwortung und sieht private und öffentliche Hand auf Augenhöhe.

Kern wirbt für Europa, das ist auch der Teil der Rede, wo er dem ehemaligen Bundeskanzler Faymann dankt und bekennt, dass er nach fünf Wochen im Amt weiß, wie schwierig es ist selbst in dieser Position etwas zu bewirken. Immer wieder blitzt seine Demut vor dem Amt und der Aufgabe zwischen den Zeilen durch. Das bringt ihm viel Sympathie, es gibt viel Zwischenapplaus für ihn.

Wie soll aber das Werben um Hirn und Herz der Menschen gelingen? Mit einer Politik, die das Beste im Menschen fördert. Nicht Hass und Ausgrenzung sondern Respekt und Zusammenarbeit müssen die Basis des Handelns sein. Wenn die einen über Digitalisierung quengeln, sieht Kern darin Chancen. Der Sozialstaat wird täglich totgeredet, Kern sieht ihn als Basis für ein solidarisches Miteinander. Bei Steuerflucht hilft kein augenzwinkerndes Wegschauen, sondern das konsequente Durchsetzen des Rechts.

Christian Kern begeistert mich, motiviert mich und stärkt mich für die gemeinsame Arbeit für die Zukunft. Und viele hunderte Delegierte und Gäste im Messezentrum Wien auch. Das soll mindestens ein 10- Jahresprogramm sein und Kern läutet am Schluss seiner Rede den Countdown ein:

 „Ich verlasse mich auf euch. Wir sind die Partei der Zukunft. Auf geht’s Freunde!

Dafür gibt es minutenlangen Applaus und jetzt müssen wir es gemeinsam umsetzen!

Heute früh der Schock – Brexit ist gewünscht. Von einer knappen Mehrheit der Briten. Der Pfund stürzt ab, diverse Finanzmärkte schwanken. Der Nationalismus scheint wieder einen Wachstumsschub zu bekommen. Großbritannien wird nach diversen Verhandlungen die Europäische Union verlassen. Das wird noch einige Zeit dauern, es ist ja das erste Mal, dass ein Land die EU verlässt. Ich glaube, dass die Queen bald Gespräche mit dem 13. Premierminister führen wird.

Die Briten haben sich entschieden, ein Rosenkrieg sollte vermieden werden. Die EU als Verlassene sollte tunlichst nicht in den Schmollwinkel und so weiter tun wie bisher. Was uns die britische Abstimmung gezeigt hat ist, dass eine EU des Verstandes nicht ausreicht, um geschätzt und unterstützt zu werden. Ich gehe so weit zu sagen, dass es auch eine EU der Herzen braucht. Menschen identifizieren sich nicht nur über überzeugende Argumente aus der Wirtschaft. Menschen wollen etwas fühlen. Zugehörigkeit, Freude, Stolz, Vertrauen, Motivation. Diese Gefühle zu wecken darf nicht den Nationalisten überlassen werden. Die Europäische Union, wir alle, die wir ein einiges Europa wollen, müssen nicht nur den Verstand sprechen lassen. Lassen wir auch unser Herz sprechen:

:) für offene Grenzen
:) für kulturelle und sprachliche Vielfalt
:) für Chancen für junge Menschen in ganz Europa
:) für grenzenüberschreitende Solidarität
:) für europäische Lösungen bei aktuellen Problemen
:) für Freundschaften zwischen Nord, Süd, Ost und West
:) für eine Zukunft des Miteinanders
:) für Frieden zwischen den Völkern

Das ist meine EU!

von Gabriele Rothuber

Alex Jürgen war schon mal sehr medienpräsent: 2006, als  mit dem Film „Tintenfischalarm“ von Elisabeth Scharang die eigene Geschichte als öffentlich gemacht wurde.

Und seit einigen Tagen ist Alex Jürgen in allen Medien, nicht nur österreichweit: Alex möchte als erster Mensch in Österreich den Geschlechtseintrag  im Geburtenbuch auf „inter“, „anderes“, „X“ oder eine ähnliche Bezeichnung berichtigen.

Alex Jürgen ist intergeschlechtlich. Intergeschlechtliche Menschen passen nicht in die starre Zweigeschlechternorm, sie haben Anteile beider Normgeschlechter oder ihre Geschlechtsmerkmale (Genitalien / Keimdrüsen / Hormone / Chromosomen) weichen von der medizinisch definierten Norm ab.

Es wird davon ausgegangen, dass rund 1,7 % der Bevölkerung intergeschlechtlich ist – das sind in etwa so viele wie Rothaarige. Und trotzdem ist dies nach wie vor ein extremes Tabu in unserer Gesellschaft, das so weit geht, dass Neugeborene mit intergeschlechtlichen  Genitalien medizinisch einer Norm „angepasst“ werden. Ihre Genitalien werden verändert, um eines der beiden „Kästchen“ männlich oder weiblich ankreuzen zu können. Dabei wäre dies nicht nötig und würde den betroffenen Menschen ein Leben ohne Fortpflanzungsfähigkeit (bei Entnahme gesunder, hormonproduzierender Keimdrüsen), ohne Verlust sexueller Empfindsamkeit (etwa bei der Amputation einer „zu großen“ Klitoris oder eines „Micropenis“) und ohne Posttraumatischen Belastungsstörungen durch traumatisierende Eingriffe in ihre gesunden Körper ersparen.

Noch müssen Eltern und Mediziner*innen nach der Geburt eines Kindes entscheiden, welchem Geschlecht es zuzuordnen ist. Hierzu muss jedoch kein Kinderkörper verändert werden! Kinder sollen so aufwachsen dürfen, wie sie sind: „Babies are born in a perfect way“. Sie können später – aufgeklärt, informiert – immer noch entscheiden, daran etwas zu verändern.

Die auch heute noch in 21 EU-Mitgliedsstaaten durchgeführten OPs an einwilligungsunfähigen Kleinkindern sind eine Verletzung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit. Im Völkerrecht gelten medizinisch nicht notwendige OPs, die ohne Einverständnis vorgenommen werden, als inhuman, grausam und erniedrigend.

Das Gerichtsurteil, das Alex Jürgen anstrebt, trägt wesentlich zur Enttabuisierung der Realität bei, dass es nicht nur die beiden Normgeschlechter gibt.

Dieser Gerichtsfall wird wegweisend für die Zukunft intergeschlechtlicher Menschen.

Der Film „Tintenfischalarm“ ist in der Mediathek der HOSI Salzburg entlehnbar.

Mehr Infos:

Hosi

Vimoe

Plattform Intersex

Bild: thinkoutsideyourbox