Liebe Anja ,
Ich darf Dir berichten und Dich herzlich einladen, nach München zur Eröffnung der Ausstellung Familien-Archive zu kommen, die ich im Kunstpavillon im alten botanischen Garten für Sie kuratiert habe. Die Idee, familiäre Narrative einander gegenüber zu stellen haben wir diesmal erweitert. Es geht hier nicht mehr um zwei, nein es wird um fünf Familiensysteme gehen. Fünf Künstlerinnen und Künstler versuchen in einer raumgreifenden Rauminstallation etwas ganz besonderes. Wir verflechten Orte, Begriffe, Redewendungen und Fotografien aus fünf äusserst unterschiedlichen Familiengeschichten in einer Weise ineinander, die einen Blick auf ein grösseres Ganzes offnen wird, das jedoch nicht versucht die jeweilige Spezifik aufzulösen, sondern einem tieferen Verständnis für die Verflechtungen des Jetzt mit dem Vergangenen Raum zu geben.

Im November werde ich anlässlich der runden Jahrestage 100 Jahre nach dem Ende des ersten Weltkriegs und 80 Jahre nach dem Novemberpogrom, den die Nazis euphemistisch „Kristallnacht“ nannten gemeinsam mit Shimon Lev und der Bürgerinitative „Verlorene Nachbarschaft“ im November die Ausstellung Two Family Archives im Centro Cultural Kirchner in Buenos Aires zeigen. Solltest Du gerade zufällig in Argentinien weilen, würde es mich natürlich freuen, Dich dort begrüssen zu dürfen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Du Zeit findest,  zu einem dieser Anlässe zu kommen.

Alles Liebe
Friedemann

Mehr Infos: www.twofamilyarchives.com

Das schreibt Richard an seine Frau 1938. Friedemann Derschmidt beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit der Erbschaft der Vergangenheit. Nicht die öffentliche Geschichtsschreibung hat Derschmidt im Fokus. Ihn interessiert die Geschichte, die in der Familie weitergegeben wird. Welche Auswirkungen hat sie auf unser Leben heute? 

Am Donnerstag, 2. Februar, gibt es die Möglichkeit Derschmidt, Autor von „Sag du es deinem Kinde“, zu hören und mit ihm zu diskutieren.

Sag du es deinem Kinde

Für das dem Buch zugrunde liegende Projekt „Reichel komplex“ ist es von großer Wichtigkeit zu verstehen, dass die Nazis nicht wie eine Horde Wahnsinniger aus dem Nichts kamen und wieder darin verschwanden. Sie waren auch keine von außen auftauchenden „Anderen“, sondern kamen aus der Mitte der Gesellschaft: Die eigenen Väter und Mütter, Großeltern, Tanten und Onkel waren „die Nazis“. Wenn man einen Schritt zurücktut und mit diesem größeren Blickwinkel auch das 19. Jahrhundert mit betrachtet, kann man am konkreten Beispiel dieser bürgerlichen Großfamilie gut aufzeigen, wie sich die vielen, oft sehr unseligen Wechselwirkungen zwischen Nationalismus, Jugendbewegung, Alpinismus, Turnbewegung, Burschenschaft, Erneuerungs- und Reinheitsfantasien und allem voran moderner Wissenschaft (Stichwort Eugenik) usw. ergeben haben müssen. Die spezifische Familie Derschmidts ist diesbezüglich alles andere als besonders einzigartig.

Interesse?

Donnerstag, 2. Februar um 19 Uhr in der Academybar in der Franz Josef Straße!

In einer Moschee in Afghanistan detoniert eine Bombe. 14 Menschen sterben. Pilger, die in dem Gotteshaus einen religiösen Feiertag begehen wollten. Einen Tag zuvor werden 17 Menschen in Kabul bei einem Bombenanschlag in den Tod gerissen. Männer, Frauen, Väter, Mütter, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern. Sie müssen sterben, weil einige Fanatiker es so wollen. Weil sie sich dazu berufen fühlen. Seit Generationen ist das Land am Hindukusch Kriegsgebiet. 1979 marschieren sowjetische Truppen dort ein. Zehn Jahre später ziehen sie sich aus der „abtrünnigen“, schwer kontrollierbaren Teilrepublik zurück und hinterlassen das Feld der Zerstörung den Mudschaheddin. Von der Außenwelt unberücksichtigt nimmt die Radikalisierung ihren Lauf. Die afghanische Gesellschaft verliert ihre Basis und ihre Mitte. Stattdessen regieren Chaos und Gewalt in den Straßen von Kabul. Gottesfürchtige Krieger, die in pakistanischen Flüchtlingslagern aufgewachsen sind und dort das Kämpfen und den Islam verinnerlicht haben, wollen angeführt von dogmatischen Talibanführern in einem „Heiligen Krieg“ einen Gottesstaat installieren. Bis Anfang der 1990er-Jahre werden die Mudschaheddin zunächst mit fünf Milliarden US-Dollar unterstützt. Sie sollen die Sowjets abschütteln und bekommen dafür Waffen und Munition. Ein Jahrzehnt später bekämpft die US-Regierung die Taliban mit Milliardenbeträgen aus amerikanischen Steuergeldern. Die Appelle der UNO dazwischen finden kein Gehör. Die internationalen humanitären Hilfsmittel sind im Vergleich zu den Militärausgaben Peanuts. Stattdessen verwandelt sich Afghanistan auf der Suche nach Osama Bin Laden und weil seit jeher Öl durch die kaspische Region fließt einmal mehr zum internationalen Kampfschauplatz.

In der syrischen Stadt Aleppo begräbt ein eingestürztes Wohnhaus 25 Menschen unter sich. Syrische Kampfjets haben im Duett mit russischen das Gebäude in Schutt und Asche verwandelt. In den Trümmern werden später die Leichen von Kindern geborgen. Sie sind Opfer eines Bürgerkrieges, der das Land im Nahen Osten in die Steinzeit katapultiert hat. Doch jenseits der Grenze im Irak sieht die Situation nicht wesentlich besser aus. In drei sogenannten Golfkriegen und immer wiederkehrenden Wirtschaftsembargos hat die Bevölkerung über Generationen hinweg das Überleben aber auch das Kämpfen gelernt. Krieg, Zerstörung und Armut haben dem IS-Staat und seiner Miliz den Weg geebnet und einen Nährboden für unendlichen Hass geschaffen.

Der Tod ist in diesen Regionen der Welt ein ständiger Begleiter. Er löscht Leben aus und begräbt die Hoffnung. In der fernen Schweiz verhandeln indes Vertreter von Großmächten über die Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Sie schmieden Allianzen, besprechen ihre taktische Vorgehensweise, entwickeln Strategien mit Bündnispartnern und setzen neue Ziele für ihre politischen und militärischen Missionen. Währenddessen treffen Waffentransporte in Saudi-Arabien ein. Die selbstgesteuerten Raketen, entwickelt in einem westlichen Industriestaat, werden später Häuser im Jemen dem Erdboden gleichmachen und Menschen unter den Trümmern begraben. Diese Menschen werden Opfer einer vermeintlich hochentwickelten Technologie und eines zweifelhaften Fortschritts.

Krieg ist global. Er ist ein lukratives Geschäft und kennt keine Grenzen. Warum sollte er auch? Wer seine Spielregeln bestimmt, kann gut von diesen leben. Ähnlich verhält es sich mit dem Terror. International gesehen ist der Terrorismus, von einem Staat ausgeübt oder einer radikalen Gruppierung, ein Big Business. Ein globaler Wirtschaftszweig, hinter dem bestimmte Interessen und Absichten stecken – irrational, unbegreiflich und menschenverachtend – aber selbst wenn Millionen sterben, profitieren einige wenige von ihrem Tod. Religionen und Ideologien sind den wahren Beweggründen vorgeschoben. In Wirklichkeit geht es um Bereicherung, Machtentfaltung, Ausbeutung, Unterdrückung und Unterwerfung ganzer Bevölkerungen.

Nationalismus kann diesem Terror nichts entgegensetzen. Er ist eine hilflose Antwort, die wiederum Unfrieden stiftet. Nationalismus ist die Triebfeder für kriegerische Auseinandersetzungen. Europa sollte das aus seiner Vergangenheit wissen. Ultra-Nationalisten und Faschisten haben den europäischen Kontinent und die Welt im 20. Jahrhundert in zwei Kriege und in den Untergang geführt. Nationalisten haben nicht nur Neid, Missgunst und Hass geschürt, sondern Millionen Menschen auf dem Gewissen. Sie haben die Massen mit falschen Idealen und Versprechen auf ihre Seite gebracht. Familienväter wurden zu Henkern und Totengräbern, Mütter zu Vollzieherinnen eines Unrechtssystems.

Im 21. Jahrhundert machen Autokraten ihre Grenzen dicht, um Flüchtlinge auszusperren, zensurieren oder verbieten Oppositionsmedien und verletzten Persönlichkeitsrechte der eigenen Bevölkerung. Militärbudgets werden aufgestockt und Sozialleistungen eingespart. Von öffentlicher Seite finanzierte Bürgerwehren sollen Städte und zuweilen das Land sicherer machen. Videokameras in Straßenbahnen sollen Passagiere vor Übergriffen schützen. In politischen und medialen Diskursen bestimmen Bedrohungszenarien die Debatten, gesellschaftliche Probleme werden kaum diskutiert. Bevölkerungsgruppen werden zu Sündenböcken abgestempelt. Neonazis marschieren auf Plätzen und Straßen auf. Unterkünfte von Asylsuchenden brennen.

Rechtspopulistische Politiker scheinen einfache Antworten auf komplexe Fragen zu kennen. Sie befinden sich mit ihren national-chauvinistischen Spinnereien und Phobien im Aufwind und fühlen sich im Glauben bestärkt „ihre“ Bürger beschützen zu können, während sich die Spirale der Gewalt unaufhaltsam weiterdreht, weil die Gier nach der eigenen Macht keine Grenzen kennt und die Welt zu verschlingen droht.

Letzte Woche war ich in Kärnten in einer wunderbaren kleinen Kirche. Sternberg heißt sie, sie liegt ganz malerisch auf einem kleinen Berg und man hat einen wunderbaren Rundumblick. In der Vorhalle der Kirche haben mich dann Gedanken an den Krieg eingeholt. Viele Grabtafeln dort sind Erinnerungen an die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege. Gefallen in Russland, Griechenland oder Frankreich.

Da ist die Rede von Heimat und fremder Erde. Von der Liebe zur Heimat und vom Wiedersehen im Himmel. Vom Schuss in die Brust, vom Heldentod und vom vergossenen Blut. Auf manchen Tafeln trösten sich die Hinterbliebenen damit, dass es sinnvoll ist für die Heimat zu sterben, natürlich als Held. Und heut wird immer noch gestorben. Natürlich auch der Heldentod, in Syrien und anderen islamischen Ländern heißt das Märtyrertod. Denn kein Krieg ohne Tote. Kein Krieg ohne Mütter, Väter, Brüder, Schwestern, Ehefrauen, Ehemänner und Söhne und Töchter, deren Herzen schwer sind vor Trauer. Was schreiben die Menschen in Syrien zur Erinnerung? Die Trauer ist sicher die gleiche, die Worte ähnlich.

Ich weiß für mich, wenn ich die Tafeln lese: Krieg ist sinnlos!

Aber lest selbst, was darauf steht:

 

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Der Sammelband zur Salzburger Fußballtagung erscheint an diesem Mittwoch. Eine Woche darauf, am 8. Juni ab 19 Uhr, erfolgt in der Academy Bar die offizielle Präsentation in Anwesenheit einiger Autoren.

Der Fußball und seine historische Bedeutung ist wie die Sportgeschichte allgemein ein Stiefkind der Geschichtsforschung im deutschsprachigen Raum. Also haben sich im September 2014 fußballaffine Historiker aus dem In- und Ausland zusammengetan und die Salzburger Fußballtagung veranstaltet. Es wurden über verschiedene Themen referiert. Sie reichten unter anderem von den Anfängen des runden Leders in den einzelnen Bundesländern unseres Landes bis hin zur Instrumentalisierung im Dritten Reich und dem Verschwinden jüdischer Vereine. Außerdem wurden aktuelle, soziokulturelle Aspekte sowie Gender- und Identitätsfragen im Fußballsport diskutiert.

Nun ist der Sammelband zur Salzburger Fußballtagung 2014 erschienen. Er trägt den Namen Zwischen Provinz und Metropole. Fußball in Österreich. Aus Salzburger Sicht besonders interessant sind Themen wie die kritische Auseinandersetzung der Übernahme von Austria Salzburg durch Red Bull und die daraus resultierende Neugründung der Violetten oder auch eine geschichtliche Nachbetrachtung jener Salzburger Vereine, die vor langer Zeit verschwunden sind. Dazu zählen etwa der SK Olympia Salzburg oder der SK Nordstern Salzburg. Aber auch der katholische Fußball in Oberösterreich und Salzburg in der Zwischenkriegszeit findet in diesem Buch seinen Platz.

Die offizielle Präsentation des Sammelbands findet am

Mittwoch, dem 8. Juni 2016, um 19:00 Uhr
in der Academy Bar
Franz-Josef-Straße 4
5020 Salzburg

statt.

Die anwesenden Autoren freuen sich über Euer Kommen!

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Lidija Ratkovic Suceska vor „ihrer Tafel“

Nach jahrelangen Verhandlungen trat 1966 das Anwerbeabkommen zwischen Jugoslawien und Österreich in Kraft. Schon zu Beginn der 1960er Jahre gab es viele jugoslawische Gastarbeiter, nach der Unterzeichnung des Abkommens kamen noch mehr nach Österreich, um hier Arbeit zu finden. Auch nach Salzburg. Universität und Stadt Salzburg würdigen diesen Teil der Salzburger Geschichte mit der Wissensbrücke. Noch bis Ende August sind auf dem Makartsteg Tafeln, die von der Geschichte der jugoslawischen Zuwanderung erzählen. Welche Menschen sind gekommen? Wie hat sich ihr Leben entwickelt, was machen die Enkeln der ersten „Gastarbeitergeneration“? Heute gibt es Jugoslawien nicht mehr, die Menschen von damals sind jetzt Kroaten, Serbinnen, Kosovaren oder Bosnier, viele auch Österreicher mit Migrationshintergrund. Sie haben wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg Salzburg beigetragen, im Bau, Gewerbebetrieben und im Tourismus. Ihre Kinder und Enkelkinder sind jetzt oft schon selbstständige Unternehmer, Ärztinnen oder Beamte. Sie haben in Österreich eine Heimat gefunden, aber sie lassen auch die Verbindung auf den Balkan nicht abreißen. Sie leben oft in zwei Welten, was manche als Manko andere als Bereicherung sehen. Für Österreich und für Salzburg sind sie die größte Einwanderergruppe der letzten Generationen. Sie sind ein Teil Österreichs und Salzburgs und auch ein Teil unserer Geschichte. Zu sehen am Makartsteg in Salzburg.


Eine persönliche Anmerkung sei mir erlaubt: Nachdem ich 20 Jahre Deutschkurse für Migrantinnen machen durfte und viele meiner Schülerinnen aus „Jugoslawien“ kamen, geht mir einfach das Herz auf, wenn ich über den Makartsteg gehe und die historische Ausstellung sehe. Wie oft habe ich erlebt, dass die Frauen es schwer hatten in Österreich Fuß zu fassen, aufgenommen und angenommen zu werden. Aber: Wer in den Geschichtsbüchern eines Landes steht ist Teil des Landes- angekommen, aufgenommen und angenommen!

Wissensbrücke 2014