Heute habe ich meine Handy-Aktivitäten der letzten fünf Tage Revue passieren lassen.
Statistisch gesehen waren es unzählige Mails, die ich geschrieben habe, einige Imo-Nachrichten in den Iran, ein paar SMS und genau fünf Anrufe, die ich selber getätigt habe, zwei davon privat. Ich bekam Anrufe für die Firma, Mails,ungezählte WhatsApp Nachrichten im Telegrammstil mit vielen Emojis, Fotos und Witze ohne Zusatz und genau drei private Anrufe.

Ist das die Zukunft unserer Konversationen?

Warum habe ich selbst nicht öfter jemanden angerufen? Die meisten heben ja nicht einmal mehr ab und rufen auch nicht zurück. Sie reagieren maximal auf WhatsApp Nachrichten und senden als Antwort oft nur Emojis. Als Zusatz bei ihren Profilen findet man: Ich bin im Kino oder Ich bin so cool oder Keine Anrufe, nur WhatsApp.
Wir sehen uns kaum mehr, jeder hastet eilig durch die Straßen, von einer Aufgabe zur nächsten. Im Kaffeehaus sitzen in einem Raum drei Leute an möglichst weit voneinander entfernten Tischen, jeder das Gesicht in einer Zeitung vergraben. Man kommt wortlos, man geht wortlos, kaum einer grüßt. Früher grüßte man selbst wenn man einen Bus betrat.
Wir reden nicht mehr miteinander und wenn, dann möglichst knapp das Nötigste. Viele Missverständnisse entstehen, WhatsApp Nachrichten klingen häufig unfreundlich wenn sie ganz ohne Emojis kommen.

Kulturtechnik Sprache

Ich fürchte um unsere Sprachfähigkeit, die wichtigste Kulturtechnik der Menschen. Sie wird oft nur noch verwendet um Aggressionen abzubauen. Ruhige, klärende Gespräche werden zwar in unterschiedlichsten Facebookartikeln mit dem Zusatz:14 Fehler, die man beim Streit vermeiden sollte…20 Sätze, die Männer hören wollen etc. vorgeschlagen. Doch dies ist eine rein mechanische Vorgangsweise ohne Einfühlsamkeit und Gefühl, der reinen Manipulation dienend.
Politische Sprache ist oft nur mehr eine leere Hülse ohne Aussagekraft. Man könnte ja sonst festgenagelt werden und müsste am nächsten Tag widerrufen.
Bald werden als Botschaften wohl nur mehr zornige Emojis geschickt werden und vor Wahlen Herzchen. Ist es wirklich nur der Zeitmangel und die Unsicherheit, die uns so wortkarg machen oder nicht vielmehr die Leere unserer Herzen in einer Kultur, deren Sinnfrage nur mehr der Schein statt das Sein beantwortet?

Es gibt so Menschen, die einem bei einem Gespräch so nebenbei etwas sagen, das einen nicht mehr los lässt. Simon Kranzer von der Fachhochschule ist so ein Mensch.

Heute hatte ich einen Termin mit ihm, es ging um Digitalisierung und Pädagogik im Kindergarten. Und dann sagt Simon so in einem Nebensatz:“ Vor kurzen war ja der Stichtag, dass die jetzt geborenen Menschen gar keinen Führerschein mehr machen müssen.“

„Wie, was, warum?“platze ich gleich heraus. „Naja in 18 Jahren fahren die Autos eh so rum, da braucht keiner mehr einen Führerschein“, meint Simon.

Simon Kranzer

Logisch, haben wir ja oft genug gelesen und gehört, dass die selbstfahrenden Autos kommen. Aber der Nebensatz von Simon hat mir dann doch zu denken gegeben. Wer hätte sich vor 18 Jahren vorstellen können, dass unsere Welt nur mehr mit Computer und Datenaustausch funktioniert? Also ich erinnere mich gut an 1999, mein erstes etwas klobiges Handy und das Modem unter meinem Schreibtisch, das furchtbare Geräusche von sich gab, wenn ich mich einloggte um eine Stunde im Internet zu verbringen. Mehr war nicht drin damals, war doch noch etwas teuer.

Es wird Zeit aufzuhören, wie viel Digitalisierung unseren Kindern zumutbar ist und den guten alten Zeiten nachzutrauern, als das Leben noch nicht von einem Smartphone begleitet wurde. Es ist Zeit, dass wir unsere Kinder in die Digitalisierung begleiten und zwar so, dass sie nicht nur Konsumenten sind, sondern wissen, wie sie aktiv die Welt des Digitalen mitbestimmen können. Ich glaube Simon hat recht, die jetzt geborenen Menschen brauchen keinen Führerschein mehr für ein Auto. Aber was sie brauchen ist unsere aktive Begleitung in ein Leben in einer digitalisierten Welt.

von Leonie Reschreiter

Seit beinahe 9 Jahren ist die Halleinerin Margarethe Wagner halbseitig gelähmt. Ihr Tagesablauf ist davon geprägt, sich in einem Rollstuhl fortzubewegen. Einen Tag lang habe ich sie und ihren treuen Gefährten, den Partnerhund Balu, begleitet.

Balu ist nicht nur Margarethes Freund und Helfer, er gibt ihrem Tag einen Rhythmus. Früh morgens steht sie auf und fährt mit ihm eine große Runde durch die Halleiner Altstadt spazieren. Heute hat sie sich außerdem mit ihrer „Seelenverwandten“ Gabi Weickl verabredet.

Für RollstuhlfahrerInnen reicht eine zu hoher Gehsteig oder ein Graben in der Straße, um nicht mehr weiter zu kommen. Auch wenn Margarethe einen elektrischen Rollstuhl hat, stellt bereits eine zehn Zentimeter hohe Kante ein unüberwindbares Hindernis dar. „Im Winter ist es noch viel schlimmer, dann muss ich mir eine Schneeschaufel mitnehmen. Wenn ich feststecke, frage ich Leute, die mir dann den Weg freischippen. Anders geht es nicht“, erzählt sie mir. Auch wenn sie die Wege kennt, die sie problemlos befahren kann, stört es sie dennoch, dass von den Geschäftsleuten und PolitikerInnen der Stadt Hallein so wenig Rücksicht genommen wird.

 

Einkaufen mit Rollstuhl – oft gar nicht so einfach. Und nicht alle Begegnungen sind freundlich

Nach dem Hundespaziergang wird für das Frühstück eingekauft. Während Balu am Eingang wartet, gehen Margarethe und Gabi Brot, Käse und Aufstriche holen. Auch das ist eine Herausforderung, denn die wichtigsten Produkte befinden sich in der Augenhöhe von stehenden Menschen und sind so zu hoch für Margarethe. Die Frau zuckt mit den Schultern, „Entweder ich bin mit Gabi unterwegs oder ich hole mir eine Bedienung, die mir heruntergeben muss, was ich brauche.“

Als ich gemeinsam mit der Rollstuhlfahrerin durch das Geschäft gehe, bemerke ich die verächtlichen Blicke einer Frau. Eine andere, der wir helfen wollen ein Produkt zu finden, beschimpft Margarethe. Diese seufzt: „Entweder ich schlucke oder ich rege mich über alles auf. Auch wenn es mir schwer fällt, will ich mir meinen Tag nicht versauen lassen.“ Beim Hinein- und Hinausfahren aus dem Geschäft piepst der Alarm. „Das passiert immer, weil ich meinen Rollstuhl klauen will“, lacht sie. Trotz aller Schwierigkeiten hat sie sich ihren Humor bewahrt.

Ihre Wohnung befindet sich etwas außerhalb der Halleiner Altstadt im sechsten Stock eines Wohnblocks. Es gibt einen Lift, aber wie sie erzählt, funktioniert dieser öfter nicht. Manchmal stecke sie bis zu einer Stunde fest und komme gar nicht außer Haus. „Ich bin praktisch eingesperrt. Wobei man sagen muss, dass ich generell eine Stunde früher aufbreche und mit Verzögerungen rechne. Oft ist die die Bus-Rampe kaputt oder Busfahrer fahren ohne mich los“, beschreibt sie mir die Situation.

Nach der Tour durch die Stadt macht Balu gern ein Schläfchen

In der kleinen Wohnung werden Margarethe, Gabi und ich von einer Katze, einer Hündin und einem Hasen begrüßt. Die Tiere sind ihre Freunde und immer für sie da. Vom Stadtspaziergang ist Balu müde und legt sich schlafen. Er achtet im Freien auf jede Bewegung seines Frauchens und ist sofort parat, sollte sie ihn brauchen. Abends wird Margarethe noch einmal eine Spazierrunde mit ihm gehen. Ihr Tagesablauf verläuft meistens gleich. Mit ihrer körperlichen Situation hat sie sich abgefunden. Womit sie sich nicht abgefunden hat, ist die gesellschaftliche Situation, in der sich Menschen mit Behinderung befinden.