„Ein letztes Mal marschiert die Salzburger Militärmusik auf, um Bundespräsident Heinz Fischer anlässlich der Festspieleröffnung zu begrüßen“, so die Ansage in der Sendung „Salzburg heute“, an diesem Sommertag im Juli 2015. In Salzburg gab es Demonstrationen und lautstarkes Aufbegehren gegen die Einsparungen bei der Militärmusik – denn die geplante Dezimierung sei de facto deren Abschaffung. Zu zwölft könne man nun einmal den Radetzkymarsch nicht blasen. Wenn diese Einsparungspläne alle Wirklichkeit würden, man stelle sich vor, dann, ja dann würde der berühmte Radetzkymarsch nur mehr einmal jährlich erklingen, und da nur als Zugabe*.

Das sind die echten Sorgen des Bundesheers in Österreich. Ja, sie murren, weil Ausrüstung und Gerät unzureichend sind, die Verpflegung miserabel und wenn die Übungen jemals Ernstfall würden, frage nicht. Aber demonstrieren, Medieninteresse, öffentliche Diskussion – das gibt es nur bei den Einsparungsplänen für die „Musi“.

I love you, Österreichisches Bundesheer. Denn Soldaten, die in die Tuba blasen, Soldatinnen, die den Trommelwirbel intonieren und Generäle, die den Taktstock schwingen, haben eines gemeinsam: so lange sie das tun, so lange sie nur das tun wollen, so lange sie den Radetzkymarsch blasen, ja: so lange können sie nicht schießen. „Bella gerant alii, tu felix Austria ….cane.“ – „Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich …musiziere“, so könnten wir das berühmte Zitat über die Heiratspolitik der Habsburger anpassen („tu felix Austria nube“ , „heirate“ heißt es eigentlich). Können wir statt der nächsten Schlacht bitte den Radetzkymarsch nochmal hören? „Datadám Datadám Datadám Damdám Dadadámdadám…oder: „Wann da Hund mit da Wurscht umman Eckstoa springt…“ peace 2

*Der Radetzky-Marsch (Armeemarsch II, 145) ist ein von Johann Strauss (Vater) komponierter und dem Feldmarschall Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz gewidmeter Marsch. Seine für Österreich-Ungarn symbolische Bedeutung hat er, weil Joseph Roth seinen Roman über den Untergang der Doppelmonarchie Radetzkymarsch nannte (aus Wikipedia). Der Marsch erklingt alljährlich beim Neujahrskonzert als Zugabe; der Dirigent leitet dabei nicht nur die Wiener Philharmoniker an sondern auch die Intensität und Lautstärke des mitklatschenden Publikums.

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So lässt es sich schreiben

Meine Lieben, das Ende naht. Keine Angst, mir geht es gut. Sehr gut sogar. Heute kommt das letzte Kapitel, zur Vollendung des ganzen Dutzend. Ich nutze die laue Sommernacht und habe mich zum Schreiben auf den Balkon drapiert. Dank nur ganz geringem Lüfterl konnte ich auch den Tischkamin befeuern, zwecks Idylle. Zur eigenen Belohnung habe ich mir eine Flasche Champagner geöffnet und frische Tiroler Himbeeren ins Martiniglas gekippt.

Meine treuen Leserinnen und Leser werden sich denken, der alte Zausel ist schon nach einem Glas Champagner abgefüllt und verwechselt Miktion (hängt mit dem Lulu zusammen) mit Migration. Mitnichten, ich bin geeicht, was edle Tropfen anbelangt. Die Erklärung folgt natürlich wieder im Kapitel, wo verrate ich nicht. Man muss schon alles lesen. Ich hab ja quer Beet so gut wie alles erzählt, was meine Erkrankung und Genesung betrifft. Einiges konnte ich nur streifen, hier nun vom Rand ins Detail.

Wenn das Rollwagerl nicht rollt

nam2Begonnen habe ich meine Erzählungen ja mit der eingeschränkten Mobilität. Das ganz marode Kapitel ist gänzlich erzählt, ich greife noch mal das Fortkommen mit dem Roll-wagerl auf. Die meisten Menschen kennen mich als gutmütigen Menschen, der sehr lange die Contenance behält und ruhig vor sich hinlächelt, auch bei ärgeren Sachen. Was aber nicht heißt, ich wäre grenzdebil! Das Schieben eines Rollstuhls auf hiesigen Wegen ist wahrlich eine Tortur. Wenn mal fünf Meter eben dahinzurollen ist, freue ich mich wie ein kleines Kind beim Geburtstag. Straßenübergänge und die folgenden Randsteine sind nur mit äußerster Vorsicht zu benützen. Um nicht als bloßer Geschichtenerzähler zu gelten, den man milde übers Haupthaar streichelnd belächeln kann, biete ich mich und mein Gefährt gerne zu Demonstrationsfahrten an. So eine hatte ich vor etwa drei Wochen. Der Vizebürgermeister kontaktierte mich, um über die Barrierefreiheit der Gemeinde zu erfahren. Gerne nahm ich das an, gestartet haben wir die Tour durch unsere schöne Gemeinde nach dem Mittagessen beim Dorfwirt. Hierzu wurde ich dankenswerter Weise eingeladen, hätte aber nicht sein müssen. Es muss nicht immer alles gratis sein. Äh ja, der Sprudel zeigt Wirkung. Beim Palaver im Gastgarten erzählte ich grob umrissen meinen kränklichen Werdegang und die bisherigen Probleme. Gestärkt von der guten Küche ging es los. Schon nach ein paar Metern erkannte er den Wahrheitsgehalt meiner Aussagen. Was ja auch nicht zu bezweifeln war, ich war schließlich Versicherungsvertreter! Da wie gesagt so gut wie kein Trottoir eben ist, kam ich nur in Schlangenlinien voran. Gerne ließ ich mich auch schieben, zur Demonstration. Das ganze Sammelsurium wurde abgedeckt.

Mit am Schlimmsten im Ort ist der Zebrastreifen an der Hauptstraße mit dem meisten Verkehr. Da ist an einer Seite der Randstein so hoch, dass man ohne Hilfe fast nicht hochkommt. Ich bin ja jetzt jung, huch der zweite Fehler, aber wenn da mal ne schwache Oma oder ein schwacher Opa die Straße im Rollwagerl queren möchte, die werden von den nichtzeithabenden Autofahrern hemmungslos niedergehupt beim Anstehen am Straßenrand. All das haben wir fotografisch festgehalten. Auch er hat erkannt, dass vieles dem aufrecht gehenden Menschen nicht auffällt. Ging mir ja auch so. Solch eine Tour sollten viele machen, am besten sogar in einem Leihrollstuhl. Nicht nur die Lokalpolitiker, auch die Planer und Architekten. In meinem Fitnessstudio wurde die Behindertenkeramik dermaßen eng ausgeführt, ich komm da gerade noch zurecht, aber auch nur, weil ich schon gut bei Kräften bin.

Wenn es mal schneit

Auf mich zugekommen ist der Vizebürgermeister wohl auch, weil er noch in Erinnerung hatte, dass ich im Winter knapp zwei Wochen nicht aus dem Haus gekommen bin, weil die Straße und der Gehweg vom Anwesen weg so gut wie nicht geräumt wurde. Ich kam nur außer Haus, wenn ich vom Roten Kreuz mit dem Mercedes abgeholt wurde. Mehrmals rief ich in der Gemeinde an, nichts geschah, weil sich niemand zuständig fühlte. Die Straße in der ich wohne, benannt nach dem Kaiserdarsteller aus der Sissi-Trilogie, ist die Karlheinz Böhm Straße, die darauf folgende ist die Friedensstraße. Beides sind scheinbar Privatstraßen. In der Sissi-Darsteller Straße sind zwei Häuser nach dem betreubar und betreutes Wohnen Prinzip. Selbst wenn die Gemeinde sich da außen vor fühlt, denke ich, es obliegt ihr trotzdem für freie Wege zu sorgen, notfalls mit Rechnungsstellung an die Hausbetreuer. Es ist schon frustrierend, wenn man sich endlich durchgerungen hat und den Rat des Therapeuten befolgt, ins Fitnessstudio zu rollen und man CAM00173[1]kann dann nicht. Furchtbar! Es fällt ja nicht nur der dringend benötigte Kraftaufbau weg, man kommt ja auch nicht dazu, mit gesenktem Kopf perfekt unauffällig in der Umkleide zu lugen. Was denn? Wie gesagt, die Libido kam ja schon zurück. Beim Räumthema schaltete sich der Vizebürgermeister ein und drohte, ich würde mich an die Presse wenden. Was gar nicht so abwegig war, ich war kurz davor. Tags darauf war alles picobello.

Die 80/20 Busfahrer

Zurückkommen möchte ich auch noch mal auf die Busfahrerei. Es ist wirklich erschreckend, was man sich da alles bieten lassen muss. Hier gehört dringend eine umfangreiche Schulung her, wie man mit Menschen umgeht. Nicht nur mit Behinderten im Rollwagerl, sondern im Allgemeinen. Mir ist es wirklich ein Rätsel, wie man nur so drauf sein kann. Wer nicht gerne Kontakt mit Menschen hat, soll sich vielleicht um eine Arbeit in einem Lager oder wo auch immer bewerben. Natürlich weiß ich auch, dass es unmögliche Fahrgäste gibt. Nur wie komme ich dazu, dass ich den Grant vom Fahrer abbekomme. Oft kommt es mir auch vor, manche haben Angst, dass wenn sie den Rollstuhl anfassen, sie umgehend auch behindert werden. Man muss mir ja nicht mit überbordender Freundlichkeit kommen, aber mit einer gewissen Grundfreundlichkeit.

Sehr auffallend ist der Unterschied bei der Herkunft der Fahrer. Die mit sogenanntem Migrationshintergrund haben eine Freundlichkeitsquote von 80 % und sogenannte Hiesige von 20 %. Ha! Hier haben wir die versprochene Erklärung. Dieses Verhältnis lässt tief blicken. Die Handvoll Chauffeusen sind durchweg freundlich und hilfsbereit. nam1Vielleicht sollte man bei den Schulungen dem Fahrpersonal nahelegen, dass sie sich einfach mal vorstellen sollen, sie säßen auch in einem Rollstuhl und welche Behandlung sie sich da wünschen würden. Andererseits, braucht man für Benehmen als Erwachsener wirklich eine Schulung?

So meine Lieben, nun ist´s soweit, die Leiden sind erzählt und ich schließe hiermit meine Erzählungen. Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick gewähren, wie so eine Krebserkrankung das Leben verändert. Alles Liebe und Gute da draußen, Gruß und Kuss an alle.

Euer Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe

zu Kapitel 11

Der Genozid in Bosnien und die Serbin, die für Gerechtigkeit einstand

von Adis Šerifović

Meine Tante und meine Mutter[1]

Meine Tante und meine Mutter

Sie eilt durch die leeren, aber gefährlichen Straßen von Brčko, eine Stadt im Nordosten Bosniens. Die Schuhe klackern am Boden, sie versucht sich unauffällig zu verhalten. In der Hand hat sie eine Liste mit Namen, Adressen und Wertgegenständen, die den jeweiligen Personen gehören. Langsam und bedacht öffnet sie eine „Kapija“, eine Gartentür, die in die „Avlija“, in den Garten führt.

Der Soldat beim Haus fragt sie nach ihrem Ausweis. Sie zeigt ihm ihren Ausweis aus der Jugendzeit. Der Soldat fragt nach, ob sie einen neueren hätte. Sie verneint. Sie darf passieren und das Haus betreten. Menschen sind im Haus und plündern – jeder nimmt mit, was er tragen kann. Doch Mirjana hat eine Liste. Die Liste der Verwandten ihres Mannes mit dem teuren Schmuck, der im Haus versteckt ist. Sie sucht, findet, packt ihn ein, damit sie ihn später diesen Verwandten zurückbringen kann. Danach eilt sie wieder aus dem Haus. Die Liste ist lang – sie hat noch viel zu tun. Und überall das gleiche Prozedere. Überall mit der gleichen Gefahr: Als „Verräterin“ enttarnt zu werden.

Wer ist die „Verräterin“?

Mirjana und ihre Mutter, meine Oma[1]

Meine Mutter Mirjana und ihre Mutter

Mirjana Šerifović ist meine Mutter. Sie ist 1961 im damaligen Jugoslawien, heutigen Bosnien, geboren, Mutter von zwei Kindern, serbisch-orthodoxe Christin und meine persönliche Heldin. Warum?

Meine Mutter war nicht wie die gewöhnlichen Menschen in Bosnien, die sich aufgrund ihrer ethnischen und/oder religiösen Herkunft zu unterscheiden versuchten. Sie heiratete in den 80er Jahren den bosnischen Muslim Mirza, meinen Vater. Ein Eheschluss der Liebe und des Vertrauens, obwohl meine Großeltern sie unter enormen Druck setzen, diesen „Fehler“ nicht zu tun. „Sie ist doch eine Serbin“, hörte er. „Er ist ein Muslim!“, wurde ihr vorgeworfen. Den Vorwurf hinter dieser Aussage verstand meine Mutter nie. Sie entschied sich für die Liebe und damit auch für eine schwierige Zukunft, was ihr zu dem Zeitpunkt nicht bewusst war.

muslimische Großmutter mit serbisch-orthodoxer Oma[1]

Meine muslimische und meine serbisch-orthodoxe Oma

Anfang der 90er Jahre beginnen die Unruhen in Jugoslawien. Im Fernsehen wird von einer Spaltung des Landes, Krieg und Vertreibung gesprochen. Ethnische Konflikte entstehen im Land und die mächtige jugoslawische Armee schreitet durch das Land – kontrolliert durch Serbien mit dem Traum für ein „Großserbien“ – angeführt von Slobodan Milošević und Radovan Karadžić.

Panzer stehen im Mai 1992 vor Brčko. Meine Eltern feiern gerade den ersten Mai mit ihren Familien. Dieser Tag ist geprägt von der ethnischen Mischung der Familie. Mein Cousin betritt den Garten und spricht vom Krieg. Die Armee steht vor der Stadt – alle sollen sich in Sicherheit bringen. Die Bekannten, Verwandten und Freunde verlassen unser Zuhause in der Stadt.

 

 Die Flucht

Mein serbisch-orthodoxer Onkel mit meiner Mutter und meinem katholischen Onkel[1]

Mein serbisch-orthodoxer Onkel mit meiner Mutter und meinem katholischen Onkel

„Ich hatte erst verstanden, dass wir gehen mussten, als ich die Tür unseres Hauses zum Garten aufmachte und kleine Staubwölkchen am Boden sah, die ständig auftauchten und keine Kinder mehr auf den Straßen hörte“, erzählte meine Mutter. Später erfuhr sie, dass das Sniper waren die sich auf die hohen Außengebäude platzierten, um zu zielen.

Meine Mutter und mein Vater lebten mit mir und meiner Schwester in dem Haus unserer (muslimischen) Großeltern. Diese wurden vertrieben und wie fast alle unsere muslimischen Verwandten mussten sie das Haus den Soldaten übergeben. Mein Vater wurde verhaftet und mit anderen muslimischen Männern in die Sporthalle der Stadt gebracht. „Früher spielte ich hier in der Volleyballmanschaft – heute bin ich ein Gefangener“, erinnert er sich nur ungern. „Das schlimmste war, wie Arkan vor mir stand und mich anschaute.“ Arkan – einer der bekanntesten Kriegsverbrecher, Vergewaltiger und Folterer im Krieg in Bosnien, der mit seiner Masse von männlichen Hooligans das Land unsicher machte, tausende Menschen auf dem Gewissen hat und bekannt war für die gewalttätigen und unmenschlichen Vergewaltigungen von jungen muslimischen Mädchen und Frauen.

Mirjana flüchtete ebenso. Obwohl sie nicht in Gefahr war. Sie konnte mit ihrer Schwester in der Stadt bleiben und wäre beschützt gewesen – weil sie serbisch-orthodox war. Doch sie entschied sich anders und begleitete meine Großmutter und meinen Großvater mit uns Kindern. Sie kamen in ein Lager und wussten nicht, was mit ihnen passieren sollte.

Papa, Mama, mein muslimischer Großvater Kemal und ich in Bosnien[1]

Papa, Mama, mein muslimischer Großvater Kemal und ich in Bosnien

Meine Mutter sprach mit vielen Verwandten, die ihr ganzes Hab und Gut, Erinnerungsstücke und Schmuck Zuhause lassen mussten. Sie schrieb sich die Adressen von den Frauen auf und folgte ihren Auftrag, in ihre Häuser zu gehen, um ihre Gegenstände zu holen, die ihnen gehörten. Meine Mutter machte sich auf um die Dinge zu retten, die den Menschen am Herzen lagen. Problematisch konnte nur ihr Nachname werden: Šerifović. Typisch muslimisch – natürlich, den hatte sie ja auch von meinem Vater angenommen. Doch glücklicherweise fand sie ihren alten Ausweis aus der Jugendzeit, wo ihr serbischer Mädchenname abzulesen war. Sie konnte sich bei allen Militärstützpunkten in der Stadt als Serbin ausweisen, ohne aufzufallen.

Österreich – alles neu aufbauen

1992 flüchteten wir nach Österreich und meine Eltern versuchten alles neu aufzubauen. Ohne Deutschkenntnisse, gezwungen ihr Land zu verlassen und ohne zu wissen, es jemals wieder betreten zu dürfen. Und was ist aus den Verwandten geworden, die zurückblieben? Was ist mit den Großeltern, die alt und krank sind? Was passiert mit ihren Geschwistern?

Wie haben sie es geschafft, diese Verzweiflung, dieses Leid, diese Traumata zu verarbeiten und mir und meiner älteren Schwester ein Leben zu ermöglichen, wie jedem anderen Kind in Österreich. Sie waren zielstrebig und leistungsorientiert. Ich durfte nur mit einem Einser nach Hause kommen – alles andere war inakzeptabel. Meine Eltern arbeiteten viel und hart.

Weihnachten mit Weihnachtsbaum - Mama, meine Schwester Adisa und ich[1]

Weihnachten mit Weihnachtsbaum – Mama, meine Schwester Adisa und ich

Doch was uns besonders machte im Vergleich zu anderen Kindern, war die Tatsache, dass wir von klein auf mit verschiedenen Religionen aufwuchsen. Wir feierten das muslimische Bajram genauso daheim mit Geschenken und einer Party, wie Weihnachten und Ostern. Aus Respekt vor den islamischen Riten trug meine Mama Kopftuch wenn es ein muslimisches Begräbnis gab. Wir färbten Eier und machten Baklava. Wir küssten die Hand unseres Vaters zum muslimischen Festtag und schmückten den Weihnachtsbaum mit der Mama. Das war natürlich für uns Kinder toll, da wir zu allen Anlässen Geschenke bekamen und so mit der Selbstverständlichkeit aufwachsen durften, dass der Mensch im Vordergrund steht – unabhängig von seiner Religion. Und diese Erfahrung prägt mich bis heute und ist für mich ein Beweis, dass „es“ geht. Wir können alle friedlich zusammenleben ohne auf unsere religiöse Praxis verzichten zu müssen, ohne eine rechte Propaganda, die uns versucht zu spalten und ohne ein politisches Klima, das ausschließlich die Unterschiede unterstreicht und die Gemeinsamkeiten außer Acht lässt.

 

Meine Mutter, eine Heldin.

Meine Mutter wird diesen Artikel nie zu lesen bekommen. Nach den ganzen Traumata und dem schwierigen Arbeitsbedingungen und Leben in Österreich erkrankte sie an Rheuma, begleitet von einer langjährigen Depression. Sie erkrankte an einer Lungenentzündung, danach folgte ein Schlaganfall und später die Diagnose Lungenkrebs. Halbseitig gelähmt, das Gehirn versagte, das Sprach- und Erinnerungsvermögen schwand dahin.

Am 11. August 2014 erlag sie ihrer schweren Krankheit in der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg. Sie wurde in Bosnien begraben, jedoch weigerte sich der serbisch-orthodoxe Pfarrer sie zu beerdigen, da sie sich nie taufen lassen wollte, obwohl sie sich als Christin bezeichnete. Genauso wenig wollte der Vorsitzende der islamischen Glaubensgemeinschaft in Brčko das Begräbnis begleiten, da sie sich nie öffentlich dem Islam bekannt hatte. Wie so oft mussten wir uns selbst organisieren. Meine Mutter wurde am islamischen Friedhof beigesetzt, die Cousine meines Vaters hielt eine beeindruckende Rede über das Leben und die frohe und selbstbestimmte Lebensart meiner Mutter. Alles geschah im engsten Kreise der Familie und Freunde.

Meine Mutter ist eine Heldin für mich, weil sie genau das tat, was sie für richtig empfand: Weder ihre Herkunft, andere Meinungen noch die großen Lebensgefahren konnten sie davon abhalten.

Adis

Adis Šerifović

Für Menschenrechte und ein friedliches Zusammenleben lebte sie. Es gäbe so viel über sie zu erzählen. Sie war verantwortlich für einen Aufstand im muslimischen Flüchtlingslager, da eine Frau dort in Panik ausbrach, als sie erfuhr, dass meine Mutter Serbin war. Meine Mutter wurde aus dem Flüchtlingsbus in Bosnien gezerrt und stand mit der Waffe am Kopf vor einem serbischen Soldaten. Davor hatte er mehrere Menschen vor ihren Augen ermordet und verschonte sie, weil er uns Kinder sah wie wir um ihr Leben bangten. Doch sie hat sich durchgesetzt um ihren Weg der Gerechtigkeit zu leben – auch wenn ihr Leben auf dem Spiel stand.

Wir brauchen in unserer Gesellschaft mehr Menschen wie meine Mutter.

Viele kennen diese Schokoschnitte mit Bananen, ich lasse sie weg und geb dem Kuchen durch die säuerliche Marmelade eine besondere Mischung aus süß und sauer, die sich herrlich vereint.

Das braucht man:

Für den Teig:

5 Eier, 1/8 l Öl, 1/8 l kaltes Wasser, 25 dag Staubzucker, 30 dag Mehl, 1 Pkg. Backpulver, 3-4 EL Kakao

Für die Creme:

sch21/4 l Milch, 1 Pkg. Vanillepudding, 18 dag Staubzucker, 17 dag Butter, 4 EL Rum,  1 Pkg. Qimiq Classic Vanille (250g)

Den Pudding kochen und unter ständigem Rühren erkalten lassen. Butter flaumig rühren, Rum, Pudding und Vanille Qimiq dazu.

Für die Glasur:

15 dag Kochschokolade, 15 dag Butter

gemeinsam zergehen lassen, aber nicht kochen

und natürlich Ribiselmarmelade!

 Und so geht’s:

Eier schaumig rühren, Öl, kaltes Wasser, Staubzucker dazu geben und gut verrühren.  Mehl vermischt mit Backpulver und Kakao (am besten darüber sieben) unterrühren. Teig auf ein befettetes und bemehltes Backblech geben. Bei 180 Grad gut 30-40 Minuten backen, am Blech auskühlen lassen und anschließend mit Ribiselmarmelade bestreichen. Darüber die Creme streichen und mit Schokoladeglasur verzieren.

Dieser Blechkuchen hält sich gekühlt sehr lange, sofern er nicht gleich vertilgt wird :)

Da jetzt alle Märkte viel Obst anbieten, werde ich beim nächsten Mal einen Streifzug durch die Schranne machen und schauen, was mich verführt und euch davon berichten.

von Georg Djundja

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afghanische Spezialität von Flüchtlingen gekocht

Diese Woche luden die Bewohner des Flüchtlingsheims in der Laufenstraße die gesamte Nachbarschaft zu einem gemütlichen Gartenfest ein.

Berührungsängste abbauen – Gemeinsamkeiten finden – als Nachbarn zusammenleben. Diese drei Punkte standen dabei im Vordergrund.

Denn die Skepsis der AnrainerInnen war natürlich gegeben, als im April 30 junge Männer in das Mehrparteienhaus einzogen. Unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Tagesabläufe und unterschiedliche Gewohnheiten bedingten von Beginn an viele Gespräche mit den AnrainerInnen. Eine gute Integration in die Nachbarschaft kann nur dann gelingen, wenn ALLE an einem Strang ziehen. Daher war es den Betreiberorganisationen – Samariterbund Salzburg und Jugend am Werk – von Beginn an wichtig, in regelmäßigem Austausch zwischen den NachbarInnen, den BetreuerInnen sowie den Flüchtlingen zu stehen.

So konnten auch unterschiedliche Auffassungen von Mülltrennung sowie Lautstärke bei offenen Fenstern zu späterer Abendstunde zum Wohle beider Seiten geklärt werden.

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In jeder Kultur ist Süßes ein perfekter Abschluss für ein gutes Essen

Den Höhepunkt dieses MITEINANDERS stellte das Fest im Garten des Flüchtlingshauses dar. Die Bäume waren mit bunten Ballons geschmückt. Die zahlreichen Besucherinnen und Besucher wurden von unseren Herren mit somalischen, afghanischen und syrischen Köstlichkeiten kulinarisch verwöhnt und in zahlreichen guten Gesprächen konnten unsere Nachbarn die Flüchtlinge noch näher kennenlernen – die Veranstaltung war ein Riesenerfolg!

Im Zuge der Festlichkeit wurden von den Halleiner Jusos im Rahmen derer Aktion „Kauf+1“ im Halleiner Interspar gesammelten Sachspenden an unsere Flüchtlinge überreicht – die Freude über diese Unterstützung war natürlich riesengroß! Wir bedanken uns im Namen unserer Flüchtlinge recht herzlich diese tolle Hilfe!

Vielen Dank auch an die Betreuerinnen im Flüchtlingsheim – welche mit ihrem persönlichen Engagement zum Gelingen des Zusammenlebens von ÖsterreicherInnen und Flüchtlingen als Nachbarn beitragen. Ein Dank an die NachbarInnen, welche mit ihrem Zugehen auf die Flüchtlinge zum MITEINANDER beitragen.

Ein großes Dankeschön gilt an diesem Abend natürlich unseren Flüchtlingen! Herzlichen Dank für die tolle Bewirtung – ihr habt uns allen einen wirklich tollen Abend beschert!

Dear refugees, thank you for this wonderful evening and the good tasting food! Thank you for everything guys! We´re looking forward to the next happening like this! Weiters bedanken wir uns bei unseren Nachbarn für den Besuch und die wirklich großartige Unterstützung!

von Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe

nam2Ich hab ja nun schon einiges von meinem Weg der Krebserkrankung und dem durch die Therapie dieser erzählt. Da ich ja mittlerweile im fünften Jahr und im fortgeschrittenen Alter (ich dulde Widerspruch) bin, fallen mir immer wieder mehr oder weniger spannende Episoden ein. Den Grad der Spannung überlasse ich gerne der geneigten Leserschaft. Die Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden.

Meinen jahrelangen Begleiter zum Ablassen des Lulu namens suprapubischer Katheter, hab ich ja schon in Bild und Text vorgestellt. Letztes Jahr im Frühjahr bekam ich ihn endlich raus. Was er mir zurückgelassen hat, waren Keime. Diese entwickelten sich mit der Zeit zu Taubenei großen Harnsteinen. Ich hatte mal mein Schlafzimmer in Taubenblau streichen lassen, das gefiel mir sehr gut. Die besagten Steine allerdings nicht. Man kann sich das scheint’s so vorstellen, dass die eingeführten Keime sich wie Schneebälle entwickelten. Nach Entnahme des Zapfhahnes (diese Bezeichnung ist nicht so Zungenbrecherisch) dachte ich mir, es geht zackig aufwärts. Zusammenzwicken üben beim Lulu-Druck und eine Baustelle ist weniger. Ha, von wegen! Der Wille war da, nur die Harnsteine eben auch. Bei Erschütterungen, wie zum Beispiel auf der Ladefläche des Rot-Kreuz Transporters, hatte ich immer das Gefühl, jetzt kommt es gleich. Und das, obwohl ich vor Abfahrt zu Hause vorsichtshalber alles rauspresste. Ebenso erging es mir, wenn ich per Muskelkraft meinen Rollstuhl über Kopfsteinpflaster schob. Kaum einen Meter drüber gerattert, war schon der Druck da. Also bremste ich mein Vehikel bis zum Stillstand ab und tat so, als würde mich die umliegende Architektur interessieren.

Raus mit den Harnsteinen

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Edler Staub von Harnsteinen

Bei meinen regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wurde mir ein niedergelassener Urologe in der Stadt empfohlen. Diesen suchte ich im Juli heim. Ein wahrlich gewissenhafter Mann. Ich erzählte ihm meine Geschichte und den quasi ständigen Lulu-Druck. Beim Ultraschall stellten wir die besagten, taubeneigroßen Harnsteine fest. Die erkannte sogar ich auf dem Ultraschallbild. Ich erschrak und dachte, ich wär Lieutenant Ripley mit Aliens in mir. Aber die Steine waren erschreckend genug. Die lösten bei Erschütterung den Harndrang aus. Dank meiner Zusatzversicherung konnte mich der Privatdozent gleich am Wochenende darauf operieren. Ich checkte an einem Freitag im Diakonissen Krankenhaus in ein Einzelzimmer ein und am Nachmittag wurde ich operiert. Die Operation war für eine Stunde geplant, es wurden zwei daraus. Zum Glück war ich unter Vollnarkose. Mein armes, geliebtes Dödi wurde dermaßen malträtiert, dass es immer noch beleidigt ist. Der Arzt kam nach meinem Erwachen zu mir aufs Zimmer und erzählte mir von der geglückten Operation. Er fuhr mit einer Zange, die an einem langen Metallrohr befestigt ist, über 80 (in Worten ACHTZIG) mal durch die Eichel und die Harnröhre in die Blase ein und zertrümmerte damit die Harnsteine. Bei dieser Erzählung war ich einer Ohnmacht nahe. Die zertrümmerten Steine wurden rausgespült und ich bekam davon was in einer Plastikdose. Somit sind wir beim heutigen Titel des Kapitels angelangt. Als Hausierer war ich ja in einer Vielzahl von Wohnungen. In einigen sah ich Behälter mit verschieden farbigen Sand drin. Ich erfuhr, das sind Mitbringsel aus den jeweiligen Strandurlauben. Meine zertrümmerten Harnsteine sehen auch so aus. Wie der Sand am Strand von Ipanema! Vielleicht sollte ich meinen mühsam erworbenen Sand in ein Kristallglasgefäß von Riedel oder Nachtmann füllen. Mal schauen, was die da so anbieten. Vielleicht gibt es ja was runtergezeichnet.

Aus dem Krankenhaus wurde ich am Mittwoch entlassen. Einzelzimmer war zwar toll und angenehm, nur wurde ich rund um die Uhr gespült. Sprich, drei Schläucherl wurden über das ohnehin schon geschmähte Dödi in die Blase eingeführt. Sah grauenhaft aus. Ich hab ein Bild davon, das mag aber sicher niemand sehen. Thrombosestrümpfe bis oben hin und die Verkabelung. Furchtbar! Außerdem lud an diesem Wochenende meine uralte Freundin Ingeborg zum Geburttagsschmaus in ein Lokal. Und ich konnte nicht dabei sein.

Reinlichkeitsrituale

ip2Danach konnte ich mit dem Üben des Zusammenzwickens richtig beginnen. Allerdings war ich geistig noch ein Hosenpiesler geblieben. Sprich, ich hatte Angst, dass etwas passiert. Somit bin ich weiterhin mit den letztens beschriebenen Einlagen im Hoserl zum Sport oder in die Stadt gefahren. Auch erwähnte ich schon, dass das ganz nett nach Erektion aussah. Allerdings schwitzte ich auch entsprechend im Schritt. Und das mir! Wo ich doch immer schon auf Reinlichkeit großen Wert lege. Beim Einzug in die schattige Pinie bekam ich einen Duschsessel verschrieben und geliefert. Nach langer Zeit der Katzenwäsche endlich wieder Reinlichkeit nach meinen Vorstellungen. Dank Ruhestand kann ich mir hierbei Zeit lassen. Ich brauche so um die 20 Minuten. Manchen Mitmenschen fällt meine glatte Haut auf. Diese bekam ich durch tägliches Schruppen. Nach dem Shampoonieren des großflächigen Körpers mit einem Frottee-Waschlappen, schruppe ich mich von oben bis unten mit einer langstieligen Qualitätsbürste ab. Rosshaar wird meist angeboten, vertrage ich aber nicht. Hengsthaar geht ganz wunderbar! Für die Fussi hab ich eine kleine Bürste mit denselben Qualitäten erworben. Die Schrubberei ist wahrlich gut für die Haut, auch für die Sensibilisierung meines Nervenkostüms. Zusätzlich mache ich seit einiger Zeit Heiß/Kalt-Güsse. Begonnen hab ich die von den Oberschenkeln runter zu den Füßen und wieder rauf. Mit an einem Bügel festhalten. Mittlerweile mache ich die Güsse von unterhalb der Brust runter und wieder rauf, ohne anhalten. Das ganze nennt man auch Kneipp-Kur, benannt nach dem berühmten Pfarrer Kneipp. Früher wussten sie schon, was gut für den Körper ist. Und da ich das ganze am Schluss meiner Reinigung mache, ist es ein wunderbar erfrischter Start in den Tag.

Über Gebühr mein Wortkontingent hier im Blog ausnützend, schließe ich für heute dieses Kapitel. Auch mit dem Hinweis auf das nächste Kapitel. Als älterer Herr (Widerspruch!) bin ich ein Freund alter Ausdrucksweisen. Mit dem nächsten Kapitel, dem zwölften und somit dem vollen Dutzend, schließe ich diese Reihe ab. Mal schauen, was das nächste Thema werden wird.

zu Kapitel 10