wie mir die regierung meine lieben weggenommen hat. ein offener brief.

sehr geehrter herr bundeskanzler, sehr geehrte mitglieder der österreichischen bundesregierung,

auf seite neun ihres regierungsprogramms steht:

„Die Familie als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft“

dann habe ich also keine familie. als lediges kind, den vater nie kennengelernt, 1973 geboren: da gab es nie „frau und mann mit gemeinsamen kindern“. meine mutter hat er sitzen lassen, sie hat sich im gastgewerbe durchgekämpft. in einer tourismusregion in der obersteiermark, ein freier tag pro woche.

aufgewachsen bin ich bei omi und meinem stiefopa. omi hatte sich in 1940er jahren mit fünf kindern scheiden lassen. ganz genau weiss ich nicht, warum. eine frau, die sich das zu dieser zeit getraut hat, mit fünf kindern in einem kleinen obersteirischen ort, hatte sicher gute gründe. jedenfalls: keine familie.

kriegsjahre

als omi 1937 ihr erstes kind, meine mutter, geboren hat, ist im nachbarzimmer eine schwester an lungenentzündung gestorben. eingefangen beim wäsche schwemmen im winter, im kalten bach. omis vater war witwer, er hatte wieder geheiratet. ein bauer konnte damals nicht allein bleiben. keine familie.

omi hat sich und die kinder durch den krieg gebracht, während ihr erster mann im krieg war. sie hat vielen geholfen, die in graz ausgebombt waren.

mein stiefopa war kriegsversehrter, mit 16 jahren noch eingezogen. sie haben ihm den rechten arm weggeschossen. trotzdem ist er nebenberuflich „ins holz“ gegangen und hat durch einen verirrten splitter auch noch ein auge verloren. er hat mir die ziffern gelernt, und die druckbuchstaben in der zeitung.

aufbaujahre

omi und opa haben vor allem eins: viel gearbeitet. sie haben noch einen sohn bekommen und eine frühstückspension gebaut. zehn betten, kein geschirrspüler. opa war eisenbahner und hat bei den bergbahnen zusätzlich gearbeitet, war engagiert in vereinen. mit einem arm. und einem auge.

sie haben den wirtschaftlichen aufschwung dieser republik mitgetragen und gut für uns gesorgt – mit ziemlich wenig geld. keine familie.

(c) chris lang

erziehung

aus allen kindern und enkelkindern ist was geworden. wir haben die ausbildung bekommen, die gerade möglich war. nur meine cousine und ich konnten die matura machen. genau nach ihrem hauptschulabschluss wurde dank bruno kreisky die nächstgelegene bürgerschule zum öffentlichen gymnasium. ein glück, sonst wär‘ weit und breit nix gewesen. sie ist dann auf die pädak. studieren konnte nur ich.

wir alle arbeiten viel und gut. einige sind oder waren selbständig. die in pension sind, arbeiten ehrenamtlich oder unterstützen die jungen. wir fördern mit unseren ausgaben und steuern den wohlstand der gesellschaft. wenige familien dabei.

daheim haben wir anstand und respekt gelernt. „bitte“, „danke“ und „so gehört sich das“.  und zivilcourage. omi war keine 1,50 groß, aber einmal hat sie auf der grazer messe fünf jungs zusammengeschimpft, die einen anderen gegen einen zaun zusammengeschlagen haben. die sind so was von abgezogen.

(c) alexandra schmidt

fast alle sind reiselustig und neugierig auf andere. einige haben woanders gearbeitet, in italien, der schweiz, in der karibik, in georgien – ich in england und frankreich. wir haben die sprachen gelernt und tun es noch – auch die unter uns ohne matura.

zwei sind viel zu jung verunglückt. es gab‘ manchen argen streit.

weit verstreut daheim

jetzt sind wir weit verstreut, einer wohnt im burgenland und arbeitet in wien, andere sind im salzkammergut, in augsburg, in den usa. ich lebe in salzburg. einer ist wochentags in berlin und schart am wochenende hier mit seiner frau die söhne, schwiegertöchter und enkel um sich.

darunter einige familien in ihrem sinn. hoffentlich passiert nix.

ein anderer war in teilzeit-karenz, ein paar haben eine patchwork-familie, dort sind alle kinder wie die eigenen. manche sind geschieden. eine hat mit 69 nochmal geheiratet.
keine familien.

wir helfen zusammen. mit rat, tat, zeit und geld. in einer social media gruppe teilen wir die schönen augenblicke und manchen traurigen moment. wer zu alt für ein smartphone ist, sieht bei den jüngeren die lieben worte und fotos. wir schreiben uns noch ansichtskarten. und briefe.

(c) privat

und wir feiern. so einmal im jahr kommen alle zusammen und dann ist die hütte voller leben und lachen. schauen sie sich die fotos an.

was ist familie?

ich wünsche ihnen, jedem einzelnen mitglied dieser bundesregierung, von herzen: eine gelingende beziehung, gesunde kinder, die sich gut entwickeln. dass sie glücklich werden. dass niemand schlimm erkrankt oder allzu früh stirbt.

die wahrscheinlichkeit dafür beträgt in österreich zwar nicht mal 60 prozent. aber man kann ja nie wissen.

mir selber wäre am liebsten eine welt voller vielfalt. mit ganzen männern und echten frauen und vielen dazwischen. mit kindern, deren eltern nicht in die rosa-hellblau-falle tappen. für die alles möglich ist. gleich, welcher herkunft. wo familie mehr ist als ihre definition.

denn mir haben sie damit meine familie abgesprochen. dafür sollten sie sich was schämen. ihre einengende, ausgrenzende definition verletzt mich zutiefst. als ob wir minderwertig wären. im gegenteil: ich finde, wir sind eine der besten, ehrenwertesten familien, die es gibt. denn auf jedes einzelne mitglied bin ich stolz. darauf, was alle aus ihren möglichkeiten gemacht haben. auch wenn sie das anders sehen.

(c) alexandra Schmidt

about things, that matter.

das allermeiste in meinem leben – in jedem leben – ist intergalaktisch extrem unerheblich. das ist manchmal tröstlich, manchmal beruhigend und manchmal sehr resignativ, wenn nicht sogar fatalistisch.

bleibt die frage nach den dingen, die doch etwas ausmachem. die etwas bedeuten – und vor allem: für wen?

robert pimm lässt in seinem neuen roman „blood summit“ seine hauptfigur helen diese frage aufwerfen. sie lebt eigentlich nach „balfour’s dictum that nothing mattered very much and few things mattered at all“ (p. 11).

ihr haben wir es im roman zu verdanken, dass sie einen terrorakt und seine folgen anders beurteilt. dass sie, obwohl sie genug mit ihren eigenen problemen zu tun hat, handelt. weil dinge eben doch eine bedeutung haben. zwar nicht grundsätzlich an sich, aber für einen bestimmten menschen oder eine bestimmte gruppe von menschen. wer einen guten thriller zu schätzen weiß, hier ist er: „blood summit“ by robert pimm.

(c) robert pimm

wer mehr über die frage „what matters – to me?“ nachdenken möchte, hier ist, was ich darüber denke:

für mich ist von bedeutung:

  • gut essen, gut trinken, gute luft atmen
  • menschen, freundschaften, familie, ein team
  • wer auf reisen meinen weg kreuzt
  • männer, kunstschaffende, busfahrerinnen, weinmacher, schreibende, swing tänzer, du.
  • eine große, schwere arbeit gut erledigen.
  • zu berühren und berührt zu werden. mit worten, mit gedanken, von kunst, beim tanzen, in einer umarmung, von einem kuss.
  • sich um leute zu scheren. zu sorgen, zu kümmern. darum, was sie brauchen, was sie stärkt. kann ich heute den tag für jemand zu einem besonderen tag machen? auf geht’s, nur zu.

(c) alexandra schmidt

das alles ist intergalaktisch extrem unerheblich. höchstwahrscheinlich. ganz genau wissen wir es nicht. vielleicht kann ein wimpernschlag eine galaxie zum einstürzen bringen…

ich passe zur sicherheit auf mit wimpernschlägen. und sonst auch. ich will sein wie helen. handeln. sich einsetzen. nicht wegschauen, wenn unrecht geschieht.

wärmste leseempfehlung: „blood summit“ von robert pimm.

als e-book für den kindle und als paperback hier auf amazon.

 

plastikfasten macht spaß und spart geld.

im vorjahr zur fastenzeit hab‘ ich hier beschrieben, wie ich plastikfaste. und hier bilanz gezogen. heuer starte ich neu durch – vieles in meinem alltag ist inzwischen komplett plastikfrei.

so geht’s weiter: möglichst wenig plastik kaufen. möglichst wenig plastik wegschmeißen – das ist das ärgste: wie viel plastik-leichen in meinem haushalt schlummern und bitte nie in irgendeinen kreislauf zurückkehren dürfen. schaut mal eure kunststoff-schüsselndurch. habt ihr auch ein paar mit kratzern vom salatbesteck? aua. das abgekratzte hat irgendwer gegessen.

wascht ihr die im geschirrspüler? und dann sind sie nicht mehr so bunt? oje. wisst ihr, was da im kanal gelandet ist? ich auch nicht, aber gut ist es sicher nicht. aber einfach alles in den müll und aus den augen, aus dem sinn, das gilt nicht. verflixt.

einkaufen – aber nicht im supermarkt

meine wichtigste regel: nix im supermarkt kaufen. erst gar nicht reingehen.  ich lebe in salzburg und habe das vitalkisterl mit gemüse der saison vom fahrradboten alle zwei wochen vor der  tür und den wochenmarkt „schranne“ auf meinem arbeitsweg. mein immenser joghurt-verbrauch passt perfekt zu den 750g-pfand-gläsern vom sams-bauer dort.

keine plastikflaschen mehr?

keine plastik-flaschen mehr. ähm, fast keine. am lustigsten bin ich wohl in den hotels dieser welt anzusehen, in denen ich abends den wasserkocher einschalte und morgens kalten tee  in meine edelstahl-trinkflasche fülle. so habe ich kroatien, das halbe rhone-tal und amsterdam plastikfalschenfrei bereist. in rom kommt gutes wasser aus der leitung, in frankfurt und  im nördlichen rhonetal auch. in marokko musste ich passen.

meine rettich-suppe mit kokosmilch, der erdäpfel-vogerlsalat, das lauch-kürbis-gemüse mit berber-gewürz und der salat aus gebratenem fenchel und orangenfilets kommen einmal auf den tisch und dann in gläsern mit in die arbeit oder in den zug. im ganzen jahr ist mir nur eins runtergefallen. ausgerechnet das mit der besten tomatensuppe ever. shit happens auch plastikfrei.

daheim nur mehr stoffservietten.  es dauert eh, bis eine 60-grad-wäsche beinander ist. meine eigene stoffserviette verwende ich bis – nun, bis sie ausgewechselt werden muss.

einweg-glas und so

glas braucht bei der herstellung viel energie – ist aber ungiftig. gläser nicht wegwerfen, sondern für proviant verwenden oder lieben menschen geben, die sie voll mit feiner marmelade und würzigem pesto wieder zurückgeben. (daaanke monika, sandra, marina und all die anderen). in meinem fall geb‘ ich zu: das einweg-glas von den vielen flaschen wein – so viel fällt nicht so bald wo an. ins altglas damit, nicht in den restmüll. mehr zum wein hier, bei mir als weinfreundin.

weinflaschen (c) mira turba

ja gläser mitschleppen wiegt schwerer. na, wozu ist das ganze fitness-training gut, wenn nicht zum leichter schwerer tragen? eben.

und die kosmetik?

kosmetik hab‘ ich weitestgehend umgestellt. da hilft der eine oder andere gute artikel in „der spiegel“ oder der blick in den echten. die wissenschaft weiß: teure cremes wirken nicht besser als billige. eigentlich reicht zum eincremen das kokos-öl im glasl. seit der marokko-reise schmiere ich arganöl, der reinste luxus. aus dem libanon hab ich so viel aleppo-seife mitgebracht, ich brauch‘  in diesem leben kein duschgel mehr kaufen. tu ich aber manchmal, weil’s so gut riecht, arghhh. dann wenigstens eine bio-marke.

bio-kosmetik (c) alexandra schmidt

ich reise viel und fliege oft. ein flugzeug ist zwar nicht aus plastik, aber dieses jahr will ich zumindest bei den langen strecken emissions-ausgleich zahlen.

luft nach oben habe ich bei putzmitteln. das wurmt mich, weil eine ecke weiter hat die frau von grün reinigungs- und waschmittel zum selber abfüllen. tu ich aber nicht immer – die logistik. von der küchenrolle kann ich mich auch nicht trennen – immerhin kaufe ich nur die aus recycling-papier.

und ja: mein leben  kommt billiger. echt jetzt. sobald man gute quellen hat und einfach grundsätzlich nicht in supermärkte geht, kauft man weniger und nichts, was  werbewirksam vor der nase hängt.

nachhaltig ist oft eine grüne lüge

vieles dort hat jetzt den zusatz „nachhaltig“. das weckt falsche eindrücke – meist ist nicht viel dahinter. der neue werner boote film „the green lie – die grüne lüge“ zeigt das greenwashing vieler konzerne und wie der nachhaltigkeits-begriff vor allem werbewirksam aber ohne inhalt ist.

demnächst preisverdächtig auf der berlinale und ab 9.märz in den österreichischen kinos. mit ein paar guten argumenten mehr. für’s plastik fasten, für’s regional einkaufen und für’s selber denken. hier geht’s zum trailer,  hier zur facebook-seite.

 

liebe mami,

du wirst am montag, den 18. dezember 2017 runde 80 jahre alt. du schaust super aus, du bist gut beinander, wir zwei verbringen viel zeit zusammen und heute ist fast die ganze familie gekommen, um dich zu feiern. schön, dass ihr alle da seid.

family (c) alexandra schmidt

rund um das geburtstagsfest hab‘ ich auch viel über das älter werden nachgedacht. und mich gefragt, was ich eigentlich noch will, im leben.

für mich sind es zeiten, wo sich bei freundinnen, die auch deine töchter sein könnten, der krebs festkrallt. wo liebe freunde auf einmal was anders als liebe freunde sind und besonders jetzt:

wo die familie groß zusammenkommt, weil ihre älteste schwester, tante, großtante, urgroßtante, cousine, und vor allem: meine mami 80 wird.

more family (c) alexandra schmidt

ich will:

  • immer genug champagner im kühlschrank haben. und deutschen riesling.
  • so xund sein wie jetzt, und du auch. und alle unsere lieben. oder xünder.
  • so viel spaß mit und in der arbeit, in der freizeit haben wie jetzt – möglichst viel davon mit dir.
  • mit 80 so gut ausschauen wie du. oder besser.
  • noch vieles von der welt sehen. manches davon mit dir.
  • allein leben, und selbstbestimmt. wie du, mami. und trotzdem nicht auf den spaß verzichten.
  • so viele liebe menschen um mich haben wie jetzt, egal ob verwandt oder befreundet. ihr seid die besten. ihr seid die, die mit uns feiern, trinken, reden, uns einladen, uns bekochen, sich bekochen lassen, mit mir swing tanzen, coole dinge aushecken, uns schreiben, uns stärken, uns helfen und uns umarmen.
  • mami und ich wissen: wir haben ein paar mal richtig glück gehabt. dafür bin ich sehr dankbar. dass ich so eine gute arbeit habe und mami und ich so wenig materielle sorgen, dass ist viel wert.
  • ein paar im freundeskreis beneiden mich ein kleines bisschen, materiell. auch ok. aber seid versichert: ich gebe mein letztes hemd für euch, wenn ihr es braucht und wenn ich kann.

hab‘ ich schon gesagt, dass ihr die besten seid? egal, sag‘ ich’s eben nochmal: ihr seid die besten.

mit christl greimeister (c) privat/schmidt

sonst will ich eigentlich nur auf ein paar trinken, die heute nicht dabei sein können: to absent friends.

ah ja, auf den weltfrieden will ich auch trinken können. ähm, also wenn er dann wirklichkeit ist.

und das ist alles.

family früher (c) alexandra schmidt

to absent friends (c) alexandra schmidt

happy birthday, mami. komm‘, wir machen weiter, wie bisher und wie es uns astrid lindgren über pippi langstrumpf angesagt hat: wir bleiben frech und wild und wunderbar.

die torte anscheiden (c) alexandra schmidt

damals mit hilda (c) alexandra schmidt

alexandra als kind (c) alexandra schmidt

frech und wild und wunderbar (c) privat/schmidt

 

 

 

(please scroll down for the english version)
first published on www.summeracademy.at

was ist aus dieser platte geworden?“ spontan kam mir diese frage über die lippen, als tex rubinowitz erzählt, wie er auf dem flohmarkt am wiener naschmarkt mit einer single von „sing, mein sachse, sing“ gestanden ist und wie von einer seite der eine und von der anderen seite der andere angebetete künstler kam. er vermag die spannung zu steigern, was wohl passieren würde, wenn sich die beiden treffen, zufällig, bei seinem one-man-stand mit nur einem produkt.

nun: er hatte die single noch. und bot sie mir an. ich solle was damit machen – ich geh‘ nach dem offiziellen teil zu ihm hin und gebe ihm meine adresse. eine woche später ist die single in der post. aua – jetzt muss ich echt was damit machen – immerhin haben das 100 leute mitgekriegt.

ok. beim flohmarkt vom picknick im park stelle ich mich hin. keine zwei künstler kommen aufeinander zu. ein paar standler schauen kurz auf, dann wieder weg. meine freundin macht ein paar fotos. ich halte es nicht sehr lange durch. ich hab‘ auch keinen bezug zu der platte und dem titel und der zeile aus dem refrain: „…bis nunder nach bulgarschen tu isch die welt beschnarschen…“.

aber ich mache diesen sommer aber zwei mal etwas, was mir dem gefühl, das tex in seiner episode schildert nahekommt: ich stelle mich vors festspielhaus in salzburg mit einem schildchen in der hand, auf dem steht „suche karte“. einmal beim jedermann, einmal bei ariodante, der händel-oper. wenn ich hinkomme, bin ich beide male nicht die erste. die anderen freuen sich nicht über meine ankunft. ich sehe gut aus – ein alter bekannter, den ich kurz zuvor treffe, sagt spontan „du siehst so cool aus – du siehst immer cool aus“. ja, danke –das war das kalkül. ich dachte, wenn jemand eine zweite karte hat, weil wer krank wurde, verlassen oder mit air berlin unterwegs (und damit zu spät), dann hätte diese person vielleicht gern wen neben sich sitzen, die gut aussieht.

weit gefehlt: viele gute karten werden einfach verschenkt oder zu schleuderpreisen weitergegeben – an ältere leute, nicht so gut angezogene und an offensichtlich kunst-studierende. ich gehe jedes mal leer aus – aber spaß hatte ich trotzdem:  so viele sehnsuchtsvolle blicke von männern, die offensichtlich ihre karte lieber weitergeben würden. und nicht vier stunden in der oper sitzen, wenn sie auch einen feinen sommerabend in einem biergarten verbringen könnten.

aber auch viele überlegene blicke von menschen, die eine karte haben – auch ein paar kommentare: „wo haben sie denn ihre karte verloren?“ hahaha.

es überwiegen aber die überheblichen blicke. sie sagen: „das hab‘ ich nicht nötig.“ oder „ich kann mir meine karte selber kaufen.“

am schönsten war aber die alte dame, die fünf minuten vor beginn eine 420-euro karte geschenkt bekommen hat und erleichtert zu mir hergekommen ist: „haben sie auch schon eine? nicht? warten sie, ich bleib‘ noch ein bisschen stehen, vielleicht kann ich ihnen noch helfen.“

wow.

man lernt viel über menschen, wenn man sich eine stunde hinstellt, und wortlos etwas will.

mag wer die geschichte weiterschreiben? tex rubinowitz hat mir erlaubt, die single weiterzugeben…

„..sing, mein sachse, sing“

„what happened to this record?“ is my first spontaneous response , when Tex Rubinowitz told me about how he once was standing on the jumble sale at the vienna naschmarkt with a single of “sing my saxon, sing”. the one came from the one side and from the other side came the other adored artist, the suspense is rising – what would happen if they both meet each other by chance, at a “one-man-stand” with only one product?

well: he still had the record. and offered it to me. I should do something with it – after the official part I go on to him and give him my  address, one week later the single is in my letterbox. ow – now I really have to come up with something – at least 00 people noticed it.

ok. at the jumble sale of “picknick im park” in salzburg I prepare myself. no two artists come across each other. a few sellers take for a short look at me. my friend takes a few pictures. I cannot hold on for a long time. but I do not really have a connection to this record and the titel and the line of this chorus: “…bis nunder nach bulgarschen tu isch die welt beschnarschen…”.

but I will do two things this summer, with the feeling that it comes near to what tex describes in his episode: I present myself in front of the festspielhaus in salzburg with a sign in my hand, which shows: “search ticket”. once at the “jedermann”, once at “ariodante”, one of händel´s opera. every time I arrive, I´m not the only one there. the others are not delighted about me being there. I look awesome – an old friend that I meet a little while before, tells me out of the blue : “You look cool – you always look cool”. yes, thanks – that was the intention . I thought, if someone had a second ticket, because someone got ill, got stood up or booked  with air berlin (and therefore is late), then he would love to have a person sitting next to him that looks awesome.

very wrong: many tickets had been given  as a present or passed at really low prices – to older people, who were not that well dressed and to obvious artsstudents.  I never had success – but anyway I had fun: so many jealous views from men who obviously would rather give their tickets away. and don´t have to sit in the opera for four hours, when they – like I did afterwards – could also spend a nice summerevening in a beer garden.

but also many superior views from people who have a ticket – and a few comments like: “where did you lost your ticket?” hahaha.

the superior views predominate. they said: “I´m not in the need of something like this.” or “I can buy my ticket on my own.”

the best moment was when an old lady, who got a 420-euro ticket as a present five minutes prior to the beginning, came over to me really relieved: “you already have one? not? wait for it, I stay a little, maybe I can help you.”

wow.

you learn so much about people if you silently stand at one place for an hour and wait for something.

does anyone want to continue the story? tex rubinowitz allowed me to pass the single on …

wenn du durch’s ennstal fährst, kommt irgendwann der grimming in deinen blick, minutenlang fährst du an dem langgezogenen berg vorbei. er ist mächtig und voller geschichten. nicht weit von hier war der urgroßvater der autorin kaisertreu. hier starb eine verwandte an lungenentzündung, während ihre schwester im nebenzimmer ihr erstes kind bekam.

wilderer, holzarbeiter, reisende

hier waren die großonkel wilderer und ihre söhne jäger. die männer gingen neben ihren berufen „ins holz“, schwer und gefährlich war die waldarbeit, aber ein guter zuverdienst. wenn sich einer verletzte, desinfizierten sie die wunde mit urin (dieser ist bei gesunden menschen steril).

eine großtante wanderte zuerst nach berlin, dann nach kanada aus. von ihr kamen lange, eng beschriebene briefe auf dünnem luftpostpapier.

holz und grimming

dialekt, inschriften, schnaps

hier sagt man „ die bredn kiina“, wenn man den ungezogenen nachwuchs meint. wer vom vorjahr spricht, sagt „feeecht“, sehr weich, nicht „feacht“ oder „feascht“, wie weiter westlich, wo die täler enger sind und der ton rauer.

neben dem kleinen kirchlein von pürgg liegt ein großvater begraben. innen zeugt eine arabische inschrift von der langen friedlichen koexistenz von menschen muslimischen mit jenen christlichen und jüdischen glaubens im mittelalter, vor allem in andalusien. ein paar haben sich bis hierher gewagt.

damals wie heute gibt es schwarze schafe, braune kühe, blauen enzian, grüne halme im wind, rosa bäume, die nur kurz blühen und rote vogelbeeren – giftig, aber es wird der beste schnaps aus ihnen. wer auf einen „voglbee“ eingeladen wird, genießt höchste anerkennung, wer die einladung ausschlägt, hat sie für immer verwirkt.

auf den almen rund um den grimming haben die großmutter und ihre schwestern als sennerinnen gearbeitet – einst der selbstbestimmteste beruf für frauen. wer angeklopft hat und ein „kooch“ zu essen bekam, der hat ein gericht aus mehl, butter und milch gegessen. als „miasl“ oder „muas“ ist es nicht cremig und mit mehr fett. auf der alm, wenn ein gewitter droht, „is wetta“, da lernst du beten. weil du sonst nichts tun kannst, wenn „da bouch kimmt“ oder „da roa“, wenn der almbach zum reißenden verderben wird, oder ein hang.

wirtschaftsgeschichte

im krieg haben die frauen ihre  kinder „ausg’stift“, auf bauernhöfe, zum arbeiten und damit sie selber arbeiten gehen konnten. eine arbeit war nicht mühevoll sondern eine „große oawat“.

der bau der bundesstraße hat aufschwung und arbeit gebracht und die „fremdenzimmer“ waren auch im sommer belegt, mit den bauarbeitern.

diese bundesstraße war die „gastarbeiterroute“. viele starben auf dem zu langen weg ins damalige jugoslawien oder in die türkei, ihre autos zu voll mit allerlei schätzen, am steuer zu müden menschen.

die ennstaler kinder haben „auto zählen“ gespielt und viele mussten über die straße in die volksschule. wer beim heimgehen die milch vergessen hatte, vom bauern am weg, musste nochmal zurück. es ist fast nie etwas passiert.

das grimmingtor

das grimmingtor geht manchmal auf. wer hineingeht zu den sagenwesen, kommt nicht mehr zurück. es soll schön sein drinnen, voller edelsteine.

wer einen juchaza tut und seinen hut hinter sich über den gipfel schmeißt, den verlässt das glück sieben jahre nicht mehr. aber nur, wenn er nicht zurückschaut.

zum wikipedia-artikel über den grimming.