Ein Forschungsteam der Universität Salzburg geht den Lebensgeschichten von Migranten nach und sucht dafür persönliche Schriftstücke wie Briefe, Tagebücher und andere Aufzeichnungen. Die Dokumente sollen gesammelt, archiviert und ausgewertet werden.

„Zehn Tage dauerte die stürmische Überfahrt. In New York wurden wir von Schneestürmen empfangen“, schreibt Peter Radacher in seinen Erinnerungen über den Start in sein neues Arbeitsleben in den USA. Der gelernte Elektrikergehilfe und staatlich geprüfte Skilehrer aus dem Pinzgau ergriff Ende der 1930er-Jahre die Chance, den Skilauf in den Rocky Mountains zu lehren und zu verbreiten. Als Saisonnier fand er eine Anstellung in einer Skischule in Sun Valley im US-Bundesstaat Idaho. Einen Winter lang, bis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, verbrachte Peter Radacher in den Rockies ehe er im Frühjahr 1939 wieder das Dampfschiff der Hapag-Linie nach Europa bestieg. Ähnlich diesem Fall fanden Tausende Österreicherinnen und Österreicher im nahen und fernen Ausland eine neue Heimat – manchmal für immer, manchmal aber auch nur auf Zeit. Oft auf der Suche nach Arbeit, einer Ausbildung oder der Liebe wegen, aber auch gezwungenermaßen. Ihre Erlebnisse notierten sie in Tagebüchern oder teilten sie per Brief den Daheimgebliebenen mit.
Um diese Geschichten zu bewahren, startet ein Forschungsteam der Universität Salzburg ein für Österreich einzigartiges Forschungsprojekt, bei dem biografische Schriftstücke zur Migrationsgeschichte ab dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart gesammelt, archiviert und ausgewertet werden sollen. Studierende des Fachbereichs Geschichte suchen dafür Briefe, Tagebücher und persönliche Aufzeichnungen und bitten die Bevölkerung um Mithilfe.

Wer Dokumente zuhause hat, kann sich an Vizerektorin Sylvia Hahn oder Andreas Praher vom Fachbereich Geschichte wenden. Die gesammelten Dokumente werden gescannt, digitalisiert und wieder zurückgegeben und auf Wunsch auch anonymisiert. Die künftige Quellensammlung soll in einem weiteren Schritt der Wissenschaft und einer interessierten Öffentlichkeit für weitere Forschungen zur Verfügung stehen.

Kontakt:
Dr. Sylvia Hahn
Vizerektorin für Internationale Beziehungen und Kommunikation
Kapitelgasse 4, 5020 Salzburg
+43/662/8044-2440
sylvia.hahn@sbg.ac.at

Mag. Andreas Praher
Senior Scientist
Fachbereich Geschichte
Rudolfskai 42, 5020 Salzburg
+43/662/8044-4776
andreas.praher@sbg.ac.at

 

von Friedemann Derschmidt

pb3

in Papua Neu Guinea 2004

Das Projekt permanent breakfast ist so etwas wie mein lediges Kind, das erwachsen geworden ist und sich bei mir meldet, weil es Geburtstag hat. In den letzten 20 Jahren ist aus dem immerwährenden Frühstück im öffentlichen Raum eine globale Bewegung geworden, deren Dimension in Österreich so gar nicht wahrgenommen worden ist.

pb5

In Tokyo 2005

 

 

 

permanent breakfast hat sich auf vielfältige Weise global verbreitet und vielen Menschen große Handlungsspielräume eröffnet. Ob vom Stadtlabor Zürich  in der Schweiz, dem dänischen Urban Morgenmad oder der Stadt Zerbst in Anhalt, wo das Projekt Anhaltendes Frühstück  eine ganze Stadt erfasst hat oder in Bochum oder Kaiserslautern, Frankfurt und Berlin, bis zu mindestens drei hochaktiven Gruppen in Spanien deren größte Desayuno con Viandantes in Valencia bis heute unglaubliche breakfast Events macht, über die ebenso aktive Gruppe Desayuno Calle in Puerto Rico – die Anzahl der bekannten Frühstücke ist riesig, die Dunkelziffer ist enorm!

pb4

In Puerto Rico 2009

Die Befrühstückung des öffentlichen Raumes bietet Potential. Ursula Hofbauer hat in ihrem Text von der Erlaubniskultur permanent breakfast als Lackmustest bezeichnet für die Offenheit einer Gesellschaft: „Wer darf was im öffentlichen Raum“ oder „Wem gehört die Stadt“. In Zeiten des immer enger werdenden gesellschaftspolitischen Spielraumes gilt es, unseren Raum – den öffentlichen Raum – in Schutz zu nehmen. Wir alle sind der Souverän in dieser Demokratie, uns gehört der öffentliche Raum – wir fragen nicht um Erlaubnis, wir nehmen Platz!  Bereits 2002 haben wir auf dem Wiener Heldenplatz im Rahmen des permanent breakfast – „geschlossene Gesellschaft“ ironisch auf die Gefahr der „Verinnerösterreicherung“ hingewiesen. Leider erscheint dies heute aktueller denn je!

Daher lade ich euch herzlich ein, am Sonntag, den 1. Mai ab 11 Uhr mit Tisch, Stuhl und Frühstück zum permanent breakfast auf den Wiener Heldenplatz zu kommen.

Angela

Mama war voll hysterisch. Mein Bruder hat in der Sandkiste gespielt, sie konnte aber nicht raus, weil es ja zu gefährlich war. Bis heute noch ist das eine Geschichte in der Familie. Und alle Fenster zu und es hat dauernd geregnet. Keine Schwammerl, erst Jahre später Entwarnung! Cashewnüsse isst sie bis heute nicht meine Mutter.

Anja

aja

Anja

Als die ersten Nachrichten andeuteten, dass was ganz Schlimmes passiert sei, hat unsere Mutter meinem Bruder und mir verboten in die Schule zu gehen. Wir durften nicht raus. Und danach gab es nie wieder die frische Milch von den Kühen unseres Nachbarn. Meine Eltern fuhren extra nach Salzburg Milch kaufen, weil es hieß, dass der Salzburger Milchhof ganz streng kontrolliert. Und Schwammerl, die meine Großeltern im Lungau an „ihren“ Geheimplätzen brockten, kamen Jahre nicht mehr auf den Tisch.

Christian

Da war ich 13 Jahre. War kein großes Thema im Internat. Nur eines weiß ich noch: die Bauern können das Gras nicht mehr verwenden und die Milch ist verseucht. Das war’s.

Eva

eva

Eva

1986 war ich zehn Jahre alt, ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dem Wort Reaktorunfall etwas anfangen konnte. Ich erinnere mich nur, dass es geheißen hat, wir dürfen keine Milch mehr trinken und keine Schwammerl essen. Letzteres war mir ziemlich egal, ich mochte sowieso keine Schwammerl. Und dann waren da noch diese gelben Jod-Tabletten in der Schule. Ansonsten ging mein Kinder-Leben weiter wie bisher. Was uns aber auffiel waren Gruppen von Kindern und Jugendlichen im heimischen Freibad. Das seien die „Tschernobyl-Kinder“ wurde schnell herum geflüstert. Sie schauten nicht viel anders aus als wir, aber irgendwie fielen sie auf diese „Tschernobyl-Kinder“. Sie kamen jeden Sommer, mehrere Jahre hindurch, die „Tschernobyl-Kinder“. Gesprochen habe ich nie mit ihnen, aber sie taten mir leid, weil sie ohne Eltern da waren.

2004 war ich in der Ukraine, im „Tschernobyl-Museum“ in Kiew. Eine beeindruckende Ausstellung mit vielen Zeitzeugnissen, schockierend. 2015 kommt mein Kind in die Schule, wir müssen einen Zettel unterschreiben, dass wir mit der Gabe von Jod-Tabletten einverstanden sind im Fall eines Atomunfalls.

Ich hoffe, wir brauchen sie nie!

Gabriele

Ich weiß noch, dass die Bauern in meinem Dorf die Milch durch den Kaffeefilter laufen ließen, um die Strahlung raus zu filtern. Ich war 16 und mehr/sehr mit mir selbst beschäftigt. Aber dass das Bullshit war, hab auch ich gecheckt.

Gertrud

gertrud

Gertrud

Damals war ich 21 Jahre jung und hatte kaum Sinn für die Katastrophen des Lebens, hatte anderes im Kopf, einen Urlaub geplant. Und dann die Meldung – Es hat einen Atomunfall gegeben! Nur 1000 km entfernt. Die Wolke ist über uns.

Alles ist verseucht! Der Garten, aus dem wir viel Gemüse und Obst bezogen, der Wald, den ich so liebte, die Schwammerl, die dort wachsen würden, wir, einfach alles! Unsichtbar, nicht zu fühlen, zu erkennen, zu erschmecken… und doch da. Das fand ich ganz und gar unvorstellbar und unheimlich.

Monika

Ich selbst war 22 und hatte vor einem halben Jahr meinen Mann kennengelernt. Wir wussten, dass wir miteinander durch dieses Leben gehen wollen und wir hatten so viele Träume. Die schienen mit einem Mal alle geplatzt zu sein. Die Basis hatte sich geändert und das ohne unser Zutun. Machte es noch Sinn in eine Welt, in der die Sandkisten nicht benutzt und der Rasen nicht mit bloßen Füssen durchwatet werden darf Kinder zu setzen? Würden wir jemals wieder Schwammerl aus unseren Wäldern essen können? Und was ist mit unserem Gemüsegarten? Alles wegschmeißen? Die meisten Halbwertszeiten der giftigen Stoffe, die sich da gerade über Salzburg entleerten, würden wir nicht Mal erleben.

Phasenweise beneidete ich meine Großmutter, obwohl sie beide Kriege erlebt hatte. Ich wusste nicht was schlimmer ist. Weltuntergangsstimmung eben.

Und wie bei so vielen Katastrophen gewöhnt Mensch sich daran, spätestens dann, wenn die nächste Katastrophe über uns hereinbricht. (Damals war es Aids.) Der Mensch ist anpassungsfähig, was bleibt auch anderes übrig. Heute scheint das alles weit weit weg, aber das nächste Atomkraftwerk ist nah. Doch das vergessen wir im Alltag nur allzu gerne.

Peter

Bild Peter001

Peter

Im Frühling 1986 herrschte bei uns zuhause große Freude. Die Ziegen hatten wieder Junge bekommen. Mama Peggy – eine echte Pinzgauer Ziege – und der alte Leo hatten wieder ganze Arbeit geleistet. Sie waren wirklich ein eingespieltes Team im Zeugen und Gebären. Immer, wenn ich konnte, verbrachte ich meine freie Zeit bei den Jungen. Sie waren so lieb, unbeholfen und kuschelig. Ja und besonders neugierig. Alles wurde angeknabbert… In den ersten Tagen des Monats Mai kam Ambros Aichhorn – der unkonventionellste Biologielehrer aller Zeiten – zu uns auf den Bauernhof, um die außergewöhnlichen Hörner unseres Leos zu begutachten. Sie glichen nämlich jenen eines Steinbocks. Diese Tage waren herrlich: Strahlender Sonnenschein, die Vegetation in voller Blüte und die Natur zeigte ihre unvergleichliche Pracht. In diese Schönheit sickerte langsam die Kunde von der entsetzlichen Katastrophe in Tschernobyl durch. Sie kam uns auch deshalb so nahe, weil sich Österreich in der klimatisch bevorzugten Route der Strahlungsentwicklung befand. Über uns das ominöse Strahlenband. Plötzlich wollte sich niemand mehr im Freien aufhalten. Trotz des wunderbaren Wetters. Unsere Kühe und Ziegen mussten dennoch von etwas leben. Wir fütterten natürlich das Gras von der Wiese. Die Ziegen holten sich so wie so das, was ihnen mundete. Was denn sonst? Wirtschaftlich war es katastrophal, denn wir durften keine Milch mehr liefern. So verfütterten wir sie den jungen Kälbern und Schweinen. Diese freuten sich für die köstliche Nahrung. Noch Jahre später sagte meine Mutter: „Das beste und feinste Fleisch hatten wir im Jahr 1986.“ In diesem Jahr lernte ich die Begriffe Atomkraftwerk, Cäsium und Halbwertszeit eindringlich kennen. Sicher mit einem klar negativen Beigeschmack. Das Besondere in dieser Zeit war diese ominöse Bedrohung, die weder körperlich noch optisch spürbar war und dennoch total präsent und gegenwärtig gewesen ist. Eines ist ganz klar: Bis heute bin ich absolut stolz darauf, dass in Österreich kein Atomkraftwerk in Betrieb genommen wurde.

Robert G.

robert

Robert

April 1986 – da stand ich kurz vor der Matura. Natürlich waren wir schon alle betroffen. Natürlich wussten wir, dass es sich um eine Katastrophe handelte. Aber das war in der UdSSR. Die war weit weg. Durch den eisernen Vorhang irgendwie weiter weg als die heutige Ukraine. Wie gefährlich konnte also die Strahlung hier in Salzburg schon sein? Außerdem hatten wir alle nur unsere Maturaprüfungen im Kopf.

Was sich mir am stärksten eingeprägt hat: In der Schule war es Schülern strikt verboten, Straßenschuhe zu tragen. Wegen der Strahlung. Die Lehrkräfte hingegen spazierten nach wie vor ruhig in Straßenschuhen herum. Darüber haben wir uns aufgeregt. Weniger, weil wir glaubten, wir würden jetzt total verstrahlt wegen der Lehrer, sondern weil es einfach ungerecht war. Wir waren immerhin Maturanten.
Ansonsten erinnere ich mich, dass wir vier Wochen Maturavorbereitungszeit hatten. Ein Tag war schöner als der andere. Schon am zweiten Tag hatte ich sämtliche Bedenken wegen der Strahlung vergessen. Ich wollte raus. Den ganzen Tag in der Sonne verbringen. Noch nie zuvor war ich so braun. Und noch nie zuvor waren meine Haare so ausgebleicht. Ich hoffe, das war nur von der Sonneneinstrahlung.

Robert H.

13081711_10206743021160050_101784560_n

Robert

Ich war damals erst 8 Jahre. Kann mich erinnern, dass es ein schöner sonniger Tag war, Ich spielte mit meinen Freunden draußen… Plötzlich kam meine Mutter und schickte alle nach Hause. Keiner von uns verstand, was los war. Wir waren ja im schönen Mühlviertel nur 1200 km von Tschernobyl entfernt. Wir durften danach das Gemüse aus unserem Garten zuhause nicht essen. Meine Mutter vernichtete alles, was an Gemüse gewachsen war. Eine eigenartige Stimmung war es schon. Auch wenn ich damals als Kind nicht wirklich verstanden habe, was passiert ist.
 

Sabine

sabine

Sabine

Es hat geheißen, man soll nicht mehr raus. Aber wir mussten ja raus. Zur Ausbildung zur Arbeit. Nur die Vermieterin war völlig hysterisch, die hatte einen Sohn mit 10 Jahren. Die hatte Panik.

Yvonne

Nicht mehr im Sandkasten spielen dürfen. Der Bruder war erst eineinhalb Jahre. Ich habe lange nicht mehr im Regen gespielt, von da an gab’s keine gebackenen Parasol mehr, allerdings musste man auch keinen Salat mehr essen! Erdäpfö schon!

Eines steht für mich fest. Der Souverän ist das Volk. Wir haben gewählt.

Diese zwei gehen als Kandidaten für den Bundespräsidenten in die Stichwahl:

Norbert Hofer und Alexander van der Bellen.

Für mich ist klar: Meine Stimme gehört Alexander van der Bellen. Und ich vertraue darauf, dass viele Menschen auch so handeln und in der Stichwahl van der Bellen unterstützen.

Ich wähle: Zukunft, Respekt, Offenheit, Miteinander, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit.

Wer noch?

Bild: Facebook-Seite Alexander van der Bellen

Als im 17. Jahrhundert sich viele Menschen in den Ruin stürzten, lag das an der Tulpe. Sie war Spekulationsobjekt an der Amsterdamer Börse. Die seltensten Tulpenzwiebeln erzielten die höchsten Preise. Importiert wurden die Tulpen aus dem Osmanischen Reich. Am Hof des Sultans waren sie eine beliebte Gartenpflanze. Ihren Ursprung hatten sie in Persien. Im 16. Jahrhundert kamen die Blumen mit Botschaftern und Händlern nach Europa. Die größten Fans hatte die Tulpe in den Niederlanden. Auch nach dem Börsencrash 1637 blieb die Tulpe mit Holland verbunden. Und heute ist sie neben dem Käse, den Windmühlen und der königlichen Farbe Orange DAS Symbol für Holland.


Im Frühling sind wir wohl alle ein bisschen tulpenverrückt. Denn die Tulpe verzaubert uns mit ihren unzähligen Farben und Mustern. Und sie verspricht, dass die warmen Tage nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Tulpe duckt sich nicht. Sie steht stolz im Beet. Ein herrlicher, farbenprächtiger Anblick.


Und die Tulpe ist eine zuverlässige Pflanze. Am besten setzt man die Zwiebeln im August oder September. Und dann lässt man sich ab Ende März überraschen, was da wohl aufblüht. Nach der Blüte, schneidet man den verwelkten Blütenkopf weg, lässt aber die Blätter stehen. Die Tulpe sammelt nun Kraft für das nächste Jahr. Die Blätter zieht die Tulpe bis Juni in die Erde ein. Die verwelkten Blätter, die über der Erde bleiben, entfernt man dann einfach.


Wenn man Tulpen für die Vase schneidet, dann ist es wichtig, die Vase nicht bis zum Rand mit Wasser zu füllen. Eine Handbreit genügt und man füllt immer wieder ein bisschen nach. Wenn man der Tulpe immer frisches Wasser gibt, dann verblüht sie schneller.

Tulpen sind giftige Pflanzen, also nicht zu essen für Mensch und Tier. Dafür erfreut sie uns verlässlich  mit ihrer Schönheit und kündet von Frühling und Sommer. Darum Tulpen!

von Michael König

Liebe Bewohnerinnen und Bewohner unseres Flüchtlingsquartiers, liebe Besucher, liebe Nachbarn, geschätzte Mitmenschen!

m3Als Geschäftsführer des Diakoniewerkes Salzburg begrüße ich Sie am heutigen „Nachmittag der offenen Tür“ zur offiziellen Eröffnung unseres Flüchtlingsquartiers Kasern.

Wir haben in den letzten Monaten hier an diesem Ort mit Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer ein vorübergehendes zuhause für Menschen geschaffen, die die Erfahrung von Terror, Krieg, Verfolgung, und Todesdrohungen in die Flucht getrieben haben.

Wir haben die Wahl, auf jene Menschen zuzugehen, anstatt uns von ihnen abzuschotten. Dann werden aus anonymen Fremden und Flüchtlingen Frauen und Männer, Mütter, Väter und Kinder, die einen Namen und eine Geschichte haben. Dann werden wir ihr Leid und ihre Hoffnungen spüren und unsere Ängste vor diesen Menschen werden nachlassen.

Noch niemals in der Geschichte ist Integration gelungen, wenn man vor jenen Menschen, die es zu integrieren gilt, die Rollläden herunter gelassen hat. „Begegnung statt Abschottung“, das ist der Leitgedanke für dieses Flüchtlingsquartier. Wir sind Nachbarn. Alle. Wir entscheiden, ob und wie wir diesen geflüchteten Menschen Nachbarn und Nächster sein können und sein wollen. Wir entscheiden, ob wir sie auf einem Stück ihres Weges in ein neues Leben begleiten können. Hier und jetzt ist tatkräftige Mitmenschlichkeit gefragt.

Dabei ist eine Wachsamkeit für unsere Werte und für die Grenzen unserer Toleranz nötig. Geschätzte Bewohner unseres Flüchtlingsquartiers, die Wahrung der Menschenrechte und der Würde jedes Menschen, die Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft – mit Behinderten, Alten, Kranken, Obdachlosen, Bettlern und Flüchtlingen, der respektvoller Umgang zwischen Frauen und Männern in Blicken, Worten und Taten, das gewaltlose Austragen von Konflikten, der Respekt vor anderen Kulturen und Religionen, sofern sie sich zur Gewaltlosigkeit bekennen, die Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung, – das alles sind zentrale Werte unserer Gesellschaft, die Sie in vielfältigen Begegnungen kennenlernen mögen.

m1Viele freiwillige Helferinnen und Helfer werden Sie unterstützen, unsere Sprache, unsere Werte und unsere Kultur kennenzulernen. Nehmen Sie unsere ausgestreckte Hand und werden Sie zu unseren Nachbarn. Nehmen auch Sie Ihr Hereinwachsen in unsere Gesellschaft selbst aktiv in die Hand und kommen auch Sie auf uns zu!

Die Existenzberechtigung von Religionen und Konfessionen im 21. Jahrhundert liegt darin, dass sie zur Quelle von Völkerverständigung, von Friedensstiftung und praktischer Humanität werden. Daher wollen wir mit dem anschließend nun folgenden religionsverbindenden Gebet ein Zeichen setzen zur Verständigung und zum Brückenbauen zwischen Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen.

gehalten am 19.04. 2016 beim Tag der offenen Tür in der Flüchtlingsunterkunft Straniakstraße

Fotos: Diakoniewerk