Mir ist klar, dass viele Menschen bei diesem Geständnis den Kopf schütteln. Wie kann man etwas lieben, das in der Schule oft ein Fach der Qual war. Unmögliche Namen lernen, sich Jahreszahlen merken, die man nach dem Test gleich wieder vergisst und Völker erforschen, die es schon lange nicht mehr gibt. Ja, so kann Geschichte auch sein. Die Geschichte, die ich liebe, beinhaltet aber viel mehr.

Karthago im heutigen Tunesien

 

Mein Zugang ist ein anderer. Geschichte ist für mich Zusammenhänge erkennen und verstehen warum die Welt so ist, wie sie ist. Vor zwei Wochen, war wieder so ein Moment. Erstmals  in meinem Leben stand ich in Karthago  zwischen all den Ruinen. In der Schule haben wir von den Phöniziern, Hannibal und den Punischen Kriegen gelernt, das war es dann. Aber Karthago lehrt mich viel mehr. Als damalige Großstadt im Norden Afrikas, gegründet vor ca. 2800 Jahren, gehörten die Stadt und ihre BewohnerInnen selbstverständlich zum Mittelmeerraum, dort wo die Römer, Ägypter, Griechen und andere Völkerschaften siedelten. Über die Jahrhunderte waren der Handel  von Waren, kriegerische Auseinandersetzungen und der Austausch von Wissen selbstverständlich. In dieser Zeit bildeten sich auch die Begriffe Asien, Afrika und Europa heraus. So nannten die Römer ihre Provinz in Tunesien „Africa“, ohne damit einen Kontinent zu bezeichnen und eine Grenze zu Europa zu definieren. Asien, ein alter assyrischer Begriff mit der Bedeutung „Sonnenaufgang“ bezeichnete das heutige Kleinasien.  Europa ist der Name einer phönizischen Königstochter und bezeichnet nach Herodot einfach die Landmasse nördlich des Mittelmeers.

Was lerne ich daraus? Vor mehr als 2000 Jahren war der Mittelmeerraum eine selbstverständliche Einheit. Es gab noch keine Flugzeuge, Telefonie oder Internet. Trotzdem waren die Grenzen im Kopf wahrscheinlich noch offener als heute. Wir können innerhalb kürzester Zeit mit fast allen Menschen auf diesem Planeten in Kontakt treten, wir sind innerhalb 24 Stunden an fast jedem Punkt der Erde. Aber wir haben Grenzen im Kopf, die uns als jetzt selbstverständlich erscheinen und die wir als „ewig“ hinnehmen. Aber die Geschichte lehrt uns, dass dies nicht immer so war und darum nicht immer so bleiben muss.

Spanien braucht Milliarden Euros, Griechenland hat schon ein paar hundert bekommen, Italien weiß ich grad nicht und Portugal und Irland und und und… Ich gebe zu, ich verstehe es nicht mehr. Und ich bin überzeugt, dass ich damit nicht alleine bin. Meine große Befürchtung ist allerdings, dass es auch vielen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ähnlich geht. Indes werden sie es kaum zugeben. Das spüren wir aber alle, darum trauen wir den ganzen Rettungsschirmen und- paketen nicht mehr. Viele von uns haben sich schon geistig von den vielen ESM – Diskussionen und Stabilitätspakten verabschiedet.

Aber das ist der falsche Weg. Da die meisten von uns keine FinanzexpertInnen sind, glauben wir nichts zu einer Lösung beitragen zu können. Vielleicht braucht es doch mehr als das Finanzexpertentum, um das Ruder herum zu reißen. Wo sind die PhilosophInnen, die SoziologInnen, die GeisteswissenschafterInnen, die eine Grundsatzdiskussion über unser Finanzsystem und unsere Gesellschaft  führen. Nicht die Definition des Geldes muss im Mittelpunkt stehen, sondern jene Werte, die eine Gesellschaft zukunftsfähig machen. Dazu gehören Gerechtigkeit, Solidarität, Mitmenschlichkeit und Demokratie.

Derzeit sind wir scheint’s jenen Mächten ausgeliefert, deren Denken und Handeln nur um den schnöden Mammom kreisen. Aber jeder einzelne von uns soll darüber nachdenken, was wir außer Geld noch vom Zusammenleben erwarten. Wollen wir weiter wie das Kaninchen vor der Finanzmarktschlange erstarren? Oder wollen wir jene Menschen im Großen und im Kleinen unterstützen, die über Alternativen nachdenken? So wie die Occupy-Bewegung, Attac oder die Engagierten in diversen alternativen Wirtschaftsforen. Ich denke, einen Versuch ist es wert!