Die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, werden uns in der Politik noch lange fordern. Immer wieder sagen mir Menschen, dass sie sich von der Politik mehr Ehrlichkeit wünschen. Sie glauben nicht, dass ihnen die Wahrheit gesagt wird. Gerade heute war bei einer Diskussion wieder das Verlangen nach politischer Ehrlichkeit.
Ich kann das verstehen. Ich glaube nicht, dass PolitikerInnen in der Flüchtlingspolitik bewusst lügen. Ich glaube aber, dass manchmal nicht alles gesagt wird. Aus Unwissenheit. Aus Angst, dass es falsch verstanden wird. Aus politischem Kalkül, weil man es sich mit diesen und jenen nicht verscherzen will. Oder weil man von etwas anderem ablenken will oder auch noch gar nicht weiß, was man tun soll.
Allerdings gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Manche Menschen wollen auch keine ehrliche Antwort auf ihre Fragen. Das würde nicht zu ihrer Einstellung und Erwartung passen. Sie müssten ein Vorurteil hinterfragen. Sie könnten ihre Meinung nicht weiter vertreten.
Zwei Beispiele:
Deutschlernen
Immer wieder gibt es die Diskussion um die Deutschkurse. Um das Deutschlernen. Da heißt es oft: „Da kommen die her und wollen nicht Deutsch lernen. Wollen nur kassieren, aber nichts dafür tun, nicht mal Deutsch lernen!“ Seit wir in der Stadt die verpflichtenden Deutschkurse für anerkannte Flüchtlinge in der Mindestsicherung haben, kann ich dazu eine ganz ehrliche Antwort geben. Die meisten wollen Deutsch lernen. Sie sind sogar froh, dass sie endlich in einen Kurs gehen, nach dem es auch eine Abschlussprüfung gibt. Manche Österreicher sagen, das ist aber eine Zwangsbeglückung. So kann man keine Sprache lernen, wenn man muss. Finde ich gar nicht. Und ja es gibt eine Handvoll Menschen, die wollen kein Deutsch lernen. Die interessiert das nicht. Ja und da kürzen wir die Mindestsicherung. Und ja, das kann man ganz offen sagen und auch, dass die überwiegende Mehrheit gerne Deutsch lernt. Weil sie wissen, dass sie das brauchen in ihrer neuen Heimat.
Das Gratis-Handy
Immer wieder sagen mir Menschen, dass sie es einen Wahnsinn finden, wenn Flüchtlinge einen Gutschein für ein Handy bekommen. Die Höhe des Gutscheins schwankt zwischen 500 und 800 Euro. Diese Beträge werden mir immer wieder genannt. Diesen Gutschein könne man bei der Caritas bekommen oder auch am Sozialamt. Damit geht man in einen Handyshop und schon hat man das neueste Smartphone. Das ist nicht richtig! Diesen Gutschein gibt es nicht. Das ist ein Märchen. Wenn ich es den Menschen ehrlich sage, dass es nicht stimmt, meinen viele: „Ja, ja, ich weiß schon, du darfst halt nicht sagen, dass es diesen Gutschein gibt. Aber natürlich gibt es den. Weil meine Freundin, Cousine dritten Grades, der Schwager vom Arbeitskollegen meines Bruders und so weiter und sofort haben den schon gesehen!“ Ganz ehrlich: Den Gutschein gibt es trotzdem nicht.
Und wie ist das in der „großen Politik“?
Das waren jetzt zwei Beispiele aus meinem politischen Alltag. In der Stadt Salzburg. In der Bundespolitik und in der Europäischen Union wird manchmal auch nicht alles gesagt. Und das regt nicht nur mich auf. Es wird zwar viel von Grenzen, Zäunen und dem „Reisebüro“ Griechenland gesprochen, aber nicht so viel davon, warum die Menschen kommen. Weil sie keine Hoffnung mehr haben in Syrien, in Afghanistan, in Libyen, im Irak. Weil auch die Länder der EU weniger Geld in die Unicef-Programme zahlen. Damit gibt es in den großen Flüchtlingslagern einfach weniger Essen, fast keine medizinische Versorgung und keine Bildung für die Kinder mehr. Ja deswegen kommen die Menschen. Und wir können Obergrenzen beschließen und Zäune bauen. Das hält die Menschen kurzfristig ab, aber nicht auf Dauer. Und da sagt die Politik nicht viel, was sie mittel- und langfristig machen wollen. Obergrenzen und Zäune sind keine Lösung. Die fehlende Antwort macht die Menschen unsicher, sie spüren, dass da etwas fehlt. Und darum ist die Politik gefragt ehrliche Antworten zu geben, langfristige Pläne zu schmieden und die Menschen über all diese Schritte immer zu informieren. Und wenn die Politiker das machen, dann ist das ehrliche Politik. Wie von den Menschen gewünscht!