Das Antifaschismus-Mahnmal auf dem Bahnhofsvorplatz erinnnert an alle NS-Opfer und mahnt vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Das Antifaschismus-Mahnmal auf dem Bahnhofsvorplatz erinnnert an alle NS-Opfer und mahnt vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Dichtes Schneetreiben, ein Taubenschwarm, grauer Beton, darunter eine Menschentraube. Sie sind gekommen, um der Befreiung von Auschwitz und der Opfer zu gedenken. Aber gleichzeitig, um zu mahnen. Davor, dass Verbrechen an der Menschlichkeit, wie jene vor über 70 Jahren nie wieder passieren. Am 27. Jänner 1945 öffnete Anatoli Schapiro das Tor zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Der ukrainische Jude und Soldat der „Ersten Ukrainischen Front“ der Roten Armee öffnete damit das Tor zu unvorstellbarem Leid, zu menschlichen Abgründen, die mit dem Menschsein nichts mehr gemein haben und zu der brutalsten Ausformung systematischer Ausrottung von Menschenleben.

Exakt 70 Jahre später stehen nun prominente und weniger prominente Salzburger, Historiker, Journalisten, Politiker, Vertreter des KZ-Verbands und anderen Initiativen vor dem Antifaschismus-Mahnmal auf dem Südtiroler Platz und verlegen dort weitere Stolpersteine zum Gedenken an ermordete Salzburger. Jenem Platz, von wo aus im Frühsommer 1942 die ersten Wagons nach Auschwitz rollten. Gefüllt war der Todeszug mit Frauen aus dem Widerstand. Sie waren die ersten Salzburger Opfer des nationalsozialistischen Genozid, die in das Vernichtungslager transportiert wurden. Zu diesen Widerstandskämpferinnen gesellten sich bis Kriegsende Jüdinnen und Juden, psychisch Kranke, Behinderte, Homosexuelle, politisch Andersdenkende, Sinti und Roma, Künstlerinnen und Künstler, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sowie andere verfolgte Gruppen. Sie alle standen auf den Todeslisten der Nationalsozialisten. Unter ihnen waren selbst Säuglinge, Kleinkinder und alte Greise. Das Alter spielte keine Rolle. Entscheidend war, dass diese Menschen im Sinne der NS-Ideologie nicht in das Konzept der „Volksgemeinschaft“ passten.

 Historiker Gert Kerschbaumer beim Auschwitz-Gedenktag in Salzburg vor dem Antifaschismus-Mahnmal; Alle Bilder: Andreas Praher

Historiker Gert Kerschbaumer beim Auschwitz-Gedenktag in Salzburg vor dem Antifaschismus-Mahnmal; Alle Bilder: Andreas Praher

Allein 1,1 Millionen Juden fanden in Auschwitz den Tod. Sie starben in den Gaskammern, durch Erschießen, Hunger, Krankheit, Folter oder im Verlauf medizinischer Versuche. Tausende mussten noch kurz vor der Befreiung den Todesmarsch antreten. Die meisten von ihnen überlebten diesen nicht. Erfroren auf dem Weg oder von der SS erschlagen und am Wegrand liegen gelassen. Der Salzburger Historiker Gerd Kerschbaumer betont, dass wir bis heute nicht alle Schicksale der Opfer kennen. Jene, die als befreit gelten, sind womöglich ebenso ermordet worden. Es gibt nur die Akten der Täter, die uns als Beweise für den systematischen Massenmord dienen. Das führt uns wieder nach Salzburg. Auch hier sind Morde von der Gestapo verschleiert worden. Oft bleibt also nur die traurige Gewissheit vom Tod eines Opfers, aber keine eindeutige Spur zum Täter.

Busseweise werden heute Touristen aus dem nahe gelegenen Krakau zu dem Ort des Terrors gekarrt. Die verschiedenen Touranbieter haben ihre Fühler bereits in der Hotellobby ausgestreckt. Die potenziellen Besucher brauchen nicht mehr den Weg zum Fremdenverkehrsbüro suchen, um einen Trip nach Auschwitz zu buchen. Selbst die Abfahrt verläuft planmäßig und der Zustieg zur düsteren Touristenattraktion erfolgt direkt vor der jeweiligen Unterkunft. 1,5 Millionen Besucher zählte die Holocaust-Gedenkstätte 2014. Ihr Ziel, breites Bewusstsein zu schaffen, scheint damit erreicht. Auch wenn manche das ehemalige Vernichtungslager zur Pilgerstätte von Schaulustigen verkommen sehen.

Zum Gedenken an Salzburger NS-Opfer wurden auf dem Südtiroler Platz vor dem Hauptbahnhof unmittelbar vor dem Anifaschismus-Mahnmal weitere Stolpersteine verlegt.

Zum Gedenken an Salzburger NS-Opfer wurden auf dem Südtiroler Platz vor dem Hauptbahnhof unmittelbar vor dem Anifaschismus-Mahnmal weitere Stolpersteine verlegt.

In Salzburg scheint dieses breite Bewusstsein in den vergangenen Monaten zumindest stark beschädigt worden zu sein. Stolpersteine, die an NS-Opfer erinnern, wurden beschmiert, ein Mahnmal zerstört, die jüdische Synagoge tätlich angegriffen. Doch die Stadt wehrt sich und setzt ein provokantes sowie mutiges Zeichen dagegen. Ausgerechnet eine der zentralen Losungen der Neonazi-Szene dient der Initiative „#88 gegen rechts!“ als Aufhänger. Eben weil die Zahl 88 zweimal den achten Buchstaben im Alphabet symbolisiert und  HH stellvertretend für „Heil Hitler!“ steht aber auch „Weil die Zahl niemanden gehört“, wie Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer betont. Ein einschlägiger Code wird damit umgedeutet. Damit wird aus Mahnen, aktives Handeln. Nicht nur gegen das Vergessen, sondern auch gegen rechtsextrem motivierte Taten. Dass Salzburg dieses Handeln mehr denn je braucht, zeigen die jüngsten Vorfälle. Denn die Verbrechen von Auschwitz sind zwar über sieben Jahrzehnte her, aber Hakenkreuze auf Hausmauern verdeutlichen wie die Gegenwart von der Vergangenheit eingeholt wird und aus Vandalenakten ein umsichgreifendes Treiben werden kann.

Mehr Infos zur Initiative unter www.facebook.com/88gegenrechts

 

Unsere Gastronomie ist weltweit spitze. Zumindest liest man das des Öfteren – in Jubel-Aussendungen der österreichischen Tourismus- und Gastronomiewirtschaft. Auch die angeblich weltberühmte österreichische Gastfreundlichkeit wird weiterhin gepriesen. Diese erreicht regelmäßig dann ihre Grenzen, wenn man beginnt Fragen zu stellen. Wer aber als allergiegeplagter Mensch gutes Essen wirklich genießen will, muss einfach wissen, was genau serviert wird.

Die Allergen-Verordnung der EU ist daher für mich als Allergiker ein echter Segen. Und ich bin mir sicher, es stimmen mir viele zu, denen es gleich geht. Denn: Ab jetzt muss in jeder Speisekarte genau drinstehen, welche Allergie auslösenden Stoffe in den Speisen enthalten sind.

Es geht auch ohne Karotten und Nüsse – aber sicher sein, konnte ich mir bisher nie

Es geht auch ohne Karotten und Nüsse – anderen Menschen bekommen die Sojakeimlinge dafür nicht

Gäste- oder Wirtesterben?
Manche Tourismusverbände befürchten durch den Zusatzaufwand ein Wirtesterben. Das ist vielleicht ein wenig überzogen. Aber viele Gastronominnen und Gastronomen sind vom Nutzen der Allergen-Verordnung noch nicht überzeugt. Als ich letzte Woche im Ö1 Mittagsjournal einen Beitrag über eine Schulung für diese Berufsgruppe hörte, war der Enthusiasmus der Befragten noch sehr gebremst. Sehr drollig fand ich einen Wirten, der meinte: „Bei uns ist noch keiner dran gestorben.“ Ob das ein guter Werbeslogan ist? „Am Verzehr unserer Gerichte ist noch keiner gestorben.“ Da fragt man sich doch unweigerlich: Aber ging’s den Gästen nach dem Essen richtig gut?

Ich habe gar nicht so viele Allergien, nur manche Rohkost und Nüsse – dafür muss ich bei diesen Dingen besonders aufpassen. Ich hab mir diese Allergien nicht ausgesucht und ich bilde sie mir nicht ein. Das wurde mir nämlich auch schon unterstellt. Nur: Asthma, Erstickungsanfälle, Übelkeit, Gesichtsfarbe zwischen bleich und lila wechselnd und Durchfall kann man wohl kaum durch Autosuggestion herbeiphantasieren.

Nicht selten kommen Käseplatten über und über mit Walnuss-Kernen bestreut, die in der Karte nicht erwähnt sind. Und: Nein, man kann die nicht einfach wegheben und damit alles in Ordnung bringen. Auf gemischten Salaten sind oft raue Mengen roher Karotten drübergeraspelt (je mehr Fertig-Kartoffelsalat, desto mehr Karottenraspeln, stelle ich fest).

Nascher rein – Allergiker raus? Jetzt nicht mehr

Nascher rein – Allergiker raus? Jetzt nicht mehr

Der lästige Kund‘
Dem Service-Personal falle ich deshalb mit meinen Fragen oft etwas lästig, denn sehr oft weiß es nicht Bescheid, was alles in den Gerichten enthalten ist. Manchmal bekomme ich eine leichte Ungeduld mit mir zu spüren und das Angebot, sich in der Küche zu erkundigen, wird von einem Seufzen begleitet. Auch wenn es bei Hochbetrieb sicher ein zusätzlicher Aufwand ist: immer noch besser als wenn ich nach einigen Bissen publikumswirksam zu röcheln beginne.

Den meisten Menschen mit Lebensmittelallergien bringt die Allergie-Verordnung viel Gutes. In Zukunft genügt ein Blick in die Karte und sie wissen genau, was sie bestellen können. Meist wird vom Buchstaben-Code berichtet, der eine erlaubte Art der Kennzeichnung ist (in anderen Ländern sind es Zahlen). Das wird sicher etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber die Betroffenen werden bald lernen, auf welche Buchstaben sie achten müssen.

Tu felix Austria!
Die typisch österreichische Lösung sieht auch vor, dass die Allergene nicht unbedingt in der Speisekarte angeführt sein müssen. Es ist auch erlaubt, dass das Service-Personal die Gäste darüber informiert, welche Allergene in den Speisen enthalten sind. Eine gute Lösung, wenn das Personal gut geschult und freundlich ist. Persönlich kompetent erklärt, kann sich die österreichische Gastronomie damit einen echten Pluspunkt bei der Gastfreundlichkeit verdienen.

Das bei jeder Neuerung herbeigeunkte Wirtesterben wird auch diesmal sicher ausbleiben. Und dem Wirten aus dem Ö1-Interview wird hoffentlich von seinem Essen auch in Zukunft kein Gast wegsterben. Durch die Allergie-Verordnung ist das sogar wahrscheinlicher.

Hier findet ihr eine Liste der Allergene, die gekennzeichnet werden müssen

(Alle Fotos: Robert Gisshammer)

Als Kind der 1970er und 80er Jahre ist mir der Kalte Krieg eigentlich noch sehr nahe. Ich bin damit aufgewachsen, dass es eine Mauer gibt. Eine Welt da drüben und eine freie Welt. Und ja es gab noch die Dritte Welt, aber die wurde nie als bedrohlich wahrgenommen. Bedrohlich am Kalten Krieg waren die ganzen Atomwaffen, die jederzeit losgehen konnten. Ich erinnere mich noch gut, als unsere Nachbarn ein Haus bauten und im Keller einen atomsicheren Bunker einrichteten. Das war einerseits sehr spannend für uns Kinder, andererseits lag immer eine unbestimmte Gefahr in der Luft. Ich erinnere mich auch noch gut, als wir in der Schule gar nicht mehr nachkamen die ganzen Sowjetchefs zu lernen, weil sie ständig im Amt verstarben: Breschnew, Andropow, Tschernenko, Gromyko. Und dann endlich Gorbatschow, alle atmeten 1989 erleichtert auf, als die Mauer fiel.

Die Atomwaffen gibt es übrigens immer noch. Und seit Monaten baut sich eine düstere Stimmung auf. Seit einigen Wochen wird wieder über einen Kalten Krieg gesprochen. Und langsam kommt auch dieses Gefühl aus der Kindheit und Jugend wieder hoch. Da werden Gebiete besetzt und Sanktionen verhängt. Es gibt ständig politische Gipfeltreffen, die zu keinem Ergebnis führen.

Und jetzt als Politikerin und Historikerin frage ich mich: Lernen wir nicht aus der Geschichte, muss sich immer etwas wiederholen? Können wir nicht vernünftig und respektvoll miteinander umgehen? Wollen wir wirklich den Frieden aufs Spiel setzen? Wollen wir wirklich wieder einen Kalten Krieg?

Abgedroschen aber wahr ist das Sprichwort: „Wenn einer eine Reise tut! dann…“ ja was dann?
Ich war jetzt vier Tage in Rumänien, mit einer Gruppe, die etwas erfahren wollte, was viele Menschen in Europa, in Österreich in Salzburg beschäftigt. Ja, warum kommen denn die Bettlerinnen und Bettler zu uns? Setzen sich auf die Straße und wollen Geld von uns. Es gibt viele Meinungen dazu, Vorurteile, Wissen und Nichtwissen. Ich möchte meine Erfahrung einbringen, die ich in den 4 Tagen in Rumänien machen durfte. Wir haben viele Programmpunkte gehabt und ich will fünf davon herausnehmen und davon berichten. Ich will kein Urteil abgeben, kein Vorurteil widerlegen noch bestätigen. Ich will versuchen einfach zu schildern, was ich gesehen, gehört und gefühlt habe. Und ich will versuchen nicht zu werten.

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Am Rande des Dorfes – die Romasiedlung

Die Romasiedlung
Wir fahren durch eine Romasiedlung. Es sind mehr Hütten als Häuser. Daneben Verschläge. Überall sind Kinder, Frauen, Männer, Hühner, Kühe, auch ein Schwein. Die Menschen winken, einige deuten uns, wir sollen Geld da lassen. Das Wetter ist sonnig, fast fühlt man sich versetzt in einen Roman von Ebner Eschenbach aus dem 19. Jahrhundert. Außen die dörfliche Idylle, dahinter der Kampf ums Überleben. Ich stelle mir kurz vor, wie es hier wohl aussieht, wenn es regnet, wenn es Winter ist. Kann man die Straße dann überhaupt noch befahren? Wie wird es warm in den Hütten? Das Schwein ist dann sicher geschlachtet, auch ein Teil der Hühner.

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Im Altenheim in Sebes

Sebes – es geht doch
Der Vizebürgermeister und die Leiterin der Sozialabteilung empfangen uns im Saal des Rathauses. Sie schildern, was sie machen. Wie viele oder besser wie wenig Gelder sie zur Verfügung haben, um soziale Maßnahmen in der Stadt zu setzen. Wir spüren, es ist ihnen ernst. Sie wollen in ihrer Stadt das Bestmöglichste tun. Sie wollen nicht nur die wenigen Gelder an einzelne Personen verteilen, sie wollen nachhaltig was tun. Eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung, geführt von der Diakonie, ist so eine nachhaltige Maßnahme, in der auch Gelder der Stadt stecken. Die Menschen hier erleben einen Tagesablauf, der ihnen Sinn gibt, sie stellen etwas her, sie erfahren Respekt. Sie sind ein bisschen Teil der Gesellschaft. Im Altenheim von Sebes sehe ich das große Bemühen um ein menschenwürdiges Leben für die alten Männer und Frauen. Über Stufen geht es in die Zimmer, zwei bis vier Personen sind hier untergebracht. Ein niedriges Bett, ein Kasten, ein Nachttisch. Bei den Frauen stehen hier Plastikblumen, Heiligenbildchen und Fotos von früheren Zeiten. Bei den Männern steht fast nichts. Über Stufen geht es in die Duschen, auf die Toiletten. Die Küche ist EU-konform. Nirosta, HCCP – geprüft, ein Raum für das Gemüse, ein Raum für das Fleisch. Der Veranstaltungsraum ist im ersten Stock über beschwerliche Treppen hinauf. Die Direktorin sagt, dass dieser Raum ins Erdgeschoss verlegt wird, das ist die nächste Maßnahme. Im Garten Apfelbäume voll mit Früchten, dazwischen Bänke. Es ist alles sehr sauber, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken sehr freundlich, sehr bemüht. Die alten Menschen sitzen auch draußen, rauchen, schauen in die Sonne, haben sich in ihr Schicksal ergeben.

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Das Kinderheim

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Mittagsruhe

Das stille Kinderheim
Wir fahren in ein staatliches Kinderheim. Wir sind zu fünft. Knapp 200 Kinder wohnen hier. Am Tor macht uns der Sicherheitsmann auf. Fünf mehrstöckige Blöcke, ein paar einstöckige Häuser und dazwischen viel Fläche. Ein Teil davon ist mit vielen Blumen bepflanzt. Ein paar Spielgeräte und ein kleiner Fußballplatz. Alles verlassen, leer. Die Direktorin empfängt uns. Wir gehen gleich zu den Blöcken, hier wohnen die Kinder. Sie sagt es ist gerade Schlafenszeit, von zwei bis vier Uhr. Wir betreten einen Block. Im Erdgeschoss ein paar Zimmer, voll mit Spielsachen, vor allem Plüschtieren. Die Wände sind leer, keine Bilder, keine Poster. An jeder Tür hängt eine Liste mit etwa 20 Namen, es ist jeweils der Gruppenraum. Wir gehen in den ersten Stock. Hier sind die Schlafräume für je drei bis vier Kinder. Und hier liegen sie auch. Auf jeder Matratze ist eine Plastikhülle, darauf ein verrutschtes Leintuch. Die Kinder liegen in den Betten. Manche schauen uns an, nicht schlaftrunken, sondern eher weggetreten. Eigentlich sehen sie uns nicht. Die Direktorin öffnet den Kleiderkasten, zeigt uns die ordentlich gestapelten Kleidungsstücke. An den Wänden nichts, kein Bild, kein Poster, nur die weiße Wand. Es gibt auch keine Nachttischchen. Nur die Betten und der Kasten. Und die Kinder drinnen mit ihren vier, fünf, sechs Jahren.
Im nächsten Block kommen wir zu den älteren Kindern, eigentlich sind sie schon Jugendliche. Unten wieder die Gruppenräume. In einem sitzen aufgefädelt auf zwei alten Sofas sieben Mädchen und starren in den Fernseher. Sie schenken uns einen kurzen Blick, erwidern das Hallo aber nicht. Sofort richtet sich ihr Blick wieder auf den Fernseher. Im nächsten Raum spielen zwei Mädchen, Schwestern wie die Direktorin erklärt, Mensch ärgere dich nicht. Wir unterhalten uns mit wenigen englischen Worten mit ihnen. Nicht nur ich habe das Gefühl, dass sie für uns Mensch ärgere dich nicht spielen. In den oberen Stockwerken die Schlafräume, Betten, zwei Kästen, sauber aufgeräumt und einige Plüschtiere. Keine Bilder, keine Poster, nichts was darauf hinweist, dass hier junge Mädchen wohnen. Jetzt gehen wir mit der Direktorin in die Bibliothek und das Musikzimmer. Bildung ist wichtig erklärt sie uns. Im Bücherkasten verstauben die Druckwerke. Im Musikzimmer stapeln sich neben alten Sachen eingepackte Gitarren.
kh1Wir gehen weiter zum Speisesaal. Daneben ist die Küche, EU-konform wie uns die Direktorin erklärt, natürlich Nirosta und HCCP-geprüft. Im Raum mit der Abwasch sind fein säuberlich die Blechteller gestapelt. Wir sind am Ende unseres Rundgangs und gehen wieder über den Hof. Dort steht eine Erzieherin mit einem Küberl voller blauer Zuckerl. Die Direktorin erklärt uns, dass es immer um vier Uhr nachmittags eine Süßigkeit für die Kinder gibt. In diesem Moment kommen sechs Kinder aus einem Block, stellen sich in einer Reihe an und empfangen aus der Hand der Erzieherin jeweils ein Zuckerl. Wir bedanken uns für die Führung und machen uns wieder auf den Weg. Wir stellen fest, dass wir von den zweihundert Kindern nicht einen Laut, kein Lachen und keinen Schrei gehört haben.

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Nirosta und HCCP-geprüft – die Küchen in allen Einrichtungen

Im staatlichen Behindertenheim
Am letzten Tag fahren wir nach einem interessanten Gespräch mit dem Stadtrat von Sibiu in einen Ort eine Viertelstunde entfernt von dort. Wir kommen an, der Sicherheitsmann öffnet das Tor für uns. Langsam fahren wir zum Parkplatz. Aus mehreren Gebäuden kommen uns Menschen entgegen. Neugierig, lächelnd, einige abwartend. Als wir alle ausgestiegen sind, sind wir schon umringt von ihnen. Sie geben uns die Hand, manche berühren uns an der Kleidung, an der Schulter, an den Armen. Einige schmiegen sich an uns und reden drauf los. Sie sagen ihre Namen, schnell macht ein Wort die Runde: Austria. Die Direktorin, eine Frau, die Management studiert hat und ihre Pflegedienstleiterin führen uns durch die einzelnen Wohnhäuser. Im Erdgeschoss der Wohnraum mit Tisch, Stühlen und dem Fernseher. Daneben sind eine Dusche, ein Waschbecken und ein WC. Oben sind die Schlafräume. Wir gehen weiter in ein größeres Haus, hier sind Menschen, die nicht so agil sind. Manche schauen durch uns durch, andere wippen hin und her. Immer wieder kommen aber auch jene, die uns begrüßt haben, berühren uns wieder und wieder und immer wieder die Frage: Austria? Die Direktorin lädt uns in das Verwaltungsgebäude, damit wir reden können. Bei Kaffee, Wasser und Keksen stellen wir unsere Fragen. Wie kommen die Menschen hierher? Viele sind aus Behinderteneinrichtungen für Kinder und müssen mit 18 Jahren ins Heim für Erwachsene. Wie sieht der Tagesablauf aus? Um sieben Uhr aufstehen, frühstücken, Beschäftigungstherapie, um 10 Uhr gibt es eine medizinische Abklärung, Jause, Freizeit, Therapie, Mittagessen, medizinische Abklärung, Freizeit, Essen, medizinische Abklärung, Abendessen, Freizeit, schlafen. Was ist ihr pädagogisches Konzept hier? Wir sprechen mit ihnen, wie mit Kindern und zu den Pflegerinnen sagen sie Mama. Was wünschen sie sich für die Zukunft? Wir wollen neue Fenster, einige Dächer müssen repariert werden und die Wasserleitung muss endlich funktionieren.

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Fröhliche Kinder im Reussdörfchen

Das Reussdörfchen oder „Sie wollen doch“
Kinder sind die Hoffnung für die Zukunft. Kinder wollen lernen und gleichzeitig unbeschwert sein. Auch Kinder aus Romafamilien. Eine pensionierte Lehrerin sieht das so und hat gehandelt. Sie hat einen Kinderbauernhof in der Nähe von Sibiu aufgebaut. Kinder aus der Stadt und Kinder aus dem Dorf sollten hier Betreuung und Unterstützung finden, lernen, lachen, leben. Die Kinder sollten eine Chance für ihre Zukunft bekommen. Auch wenn viele, wie sie sagt, meinen, die Roma wollen nicht, dass ihre Kinder lernen. Sie hat ein Haus im Reussdörfchen, einer Ansiedlung von Sachsen, zum Kinderbauernhof umgewandelt. Sie sagt, Bildung ist der Schlüssel für ein menschenwürdiges Leben. Und sie sagt, dass sie die Kinder und ihre Familien dort abholt, wo sie sind. Wir kommen auf den Bauernhof, ein altes Haus, hergerichtet mit dem Charme der 1950er Jahre. Ein schöner Garten, viele Kinder, die schon ungeduldig auf uns warten, weil es Mittagessenzeit ist. Wir erleben fröhliche, selbstbewusste Kinder, die uns einen Tanz zeigen. Sie sind ein bisschen nervös, aber auch stolz. Sie haben großen Erfolg bei uns, wir sind begeistert, sehen in glückliche Kinderaugen, unterhalten uns mit Händen und Füßen. Die pensionierte Lehrerin entlässt uns mit den Worten“Steckt die EU-Gelder nicht in die Büros, sondern in die Bildung der Kinder“

Und jetzt?
Ich habe versucht möglichst objektiv meine Eindrücke von fünf der mehr als zehn Stationen in Siebenbürgen zu schildern. Am Anfang habe ich geschrieben, dass ich nicht werten will. Aber ich will versuchen aus dem Gesehenen, Erlebten und Gefühlten ein Resümee zu ziehen, das auch in der Gruppe so diskutiert wurde:
Ausgang und Grund unserer Reise war die Situation um und mit den Bettlerinnen und Bettlern in Salzburg? Viele von ihnen sind Roma. Die Plattform „Armut hat Platz“ aus Salzburg, unter der Federführung der Diakonie hat diese Reise organisiert. Damit wir nicht nur über ein Land und seine Leute reden, sondern mit ihnen, vor Ort. Tja und was ist jetzt das Resümee?
reuss1Es gibt nicht das eine Problem und es gibt nicht die eine Lösung. Wir sehen einen Bruchteil der extremen Armut auf unseren Straßen. Im Land selbst ist die Armut der Roma eine Armut neben vielen anderen. Es fehlt an so vielen Ecken und Enden, dass die Kommunen und Landkreise einfach überfordert sind mit den Defiziten, die es gibt. Wir haben Politiker und Verwaltungsbeamte kennengelernt, die es besser machen wollen, sich bemühen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir haben welche kennengelernt, die die Situation einfach hinnehmen. Aber wir haben auch gesehen, dass eine Gruppe von Menschen am schwersten zu kämpfen hat, weil sie schon über Jahrhunderte nicht Teil der Gesellschaft waren, sondern immer am Rande der Gesellschaft gelebt haben. Und es wird noch Jahrzehnte brauchen die Situation der Roma zu verbessern. Bis dahin werden sie sich auf den Weg machen zu Orten, wo sie glauben, dass sie ihre Situation verbessern können. Keine Grenze, kein Gesetz kann Menschen davon abhalten dem letzten Zipfelchen Hoffnung zu folgen, auch wenn das eine Straße in Salzburg ist. Aber was kann ich, was können wir tun? Das was die alte Pädagogin aus Reussdörfchen gesagt hat, der Schlüssel ist die Bildung der Kinder und eines hat sie noch gemeint:

„Wir müssen es einfach tun, jeder von uns ist dazu aufgerufen!“

Der Nahostkonflikt flammt immer wieder auf und für viele erschliesst sich diese lang andauernde Entwicklung nicht mehr im Ganzen. Dieses Video erklärt die Hintergründe kurz und bündig:

Video von explain-it.tv

fsrAuch die Salzburger Festspiele reihen sich ein in den Reigen des Gedenkens an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren. Unzählige Publikationen, Ausstellungen und Veranstaltungen rufen diesen unsäglichen Krieg wieder in Erinnerung. Viele Historiker und Historikerinnen haben neue Perspektiven in die Diskussion und in das Erinnern gebracht. Einer der meist debattierten Historiker war heute der Festspielredner, Professor Christopher Clark.

Es ist auch bei ihm die Rede von Parallelen zu heute. Damals, so meint er, waren die raschen Änderungen im internationalen System ausschlaggebend für die Vielschichtigkeit der Ereignisse. Auch aktuell haben wir Krisen, wie in der Ukraine, im Nahen Osten, in Libyen, in Asien. Aber was wir im Unterschied zu 1914 haben sind supranationale Institutionen, die in Konflikten vermitteln können. Und in Europa haben wir die Europäische Union. Clarks Blick als Australier tut gut. Wir diskutieren die EU oft nur auf Glühbirnen- und Gurkenniveau. Er sieht in der Europäischen Union eine weltweit einmalige Wirtschafts- und Friedensordnung. Dessen müssen wir Menschen in Europa uns wieder viel stärker bewusst sein. Die EU kann ein Modell sein für die ganze Welt, sie ist eine der größten Errungenschaften der Geschichte der Menschheit, so Clark. Die Katastrophe von 1914 ist eine Mahnung, wie furchtbar die Ereignisse sein können, wenn die Politik versagt.

Im Gegensatz zu 1914, meine ich, leben wir in Europa allerdings nicht mehr in Nationen und Imperien, die von einigen Wenigen beherrscht werden. Wir haben Demokratie und damit hat jeder Einzelne von uns die Verantwortung für ein friedvolles Miteinander einzutreten.

Und um mit Bertha von Suttner zu sprechen:

„Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen – nein: unserer Enkelkinder!“

Die Rede von Professor Christopher Clark hier:

http://www.salzburgerfestspiele.at/blog/entryid/472