Cicero sagte einst: Amicitia est idem velle et idem nolle. Freundschaft ist das gleiche zu wollen und nicht zu wollen.
Wie sieht das in der heutigen Neidgesellschaft aus? Ist irgendjemand noch bereit seinen „Freund“ das wollen zu lassen was der sich wünscht? Man muss ihn doch disziplinieren, man kann ihn doch nicht gewähren lassen, das zu erreichen, was ihn glücklich macht.Warum? Weil man, beeinflusst von Medien und besonders social media genau weiß, was gut und was schlecht ist, selbst wenn der Trend am nächsten Tag wieder schwenkt.

HEUTE darf man kein Fleisch essen, keinen Wein trinken, nur Tofu essen und Mineralwasser aus der Flasche trinken.Jeder, der zuwider handelt, wird sofort gemaßregelt und geächtet.

MORGEN wird man dann draufkommen, dass Fleisch gesund ist, Wein eine Stunde Sport ersetzt und Plastikflaschen Krebs erzeugen. Wehe einer der Freunde ist der Zeit voraus oder besitzt die Leichtigkeit des Seins, die ihn drüberstehen lässt- er wird gemieden und es wird mit Fingern auf ihn gezeigt, bestenfalls werden die Augen gerollt.

Man ist sehr schnell bereit, ihn zum Fall für den Psychiater zu stempeln, denn jeder/ jede kann heutzutage auf Google oder Facebook lesen, was abnormal und normal ist und dass Leute, die Gin trinken, Psychopathen sind.Als ich aus einer schwierigen familiären Situation nach meiner Rückkehr aus Brasilien Bäume umarmte, weil man das dort nach indianischen Erbe so tut, um Kraft zu gewinnen, wurde von Leuten, deren weitestes Reiseziel Rimini und Porrec war, behauptet, ich hätte meinen Verstand verloren.

HEUTE gibt man Kurse im Wald, wie man Bäume richtig umarmt.
Jeder ist sein eigener arbiter elegantiarum- sein eigener Sittenwächter, das alleinige Ziel ist es, sich überlegen zu fühlen.Fühlen sich denn die meisten so unterbuttert, dass sie das brauchen?
Politisch findet das auch Niederschlag, Leute mit Allmachtphantasien werden zu Leadern gewählt, obwohl sie maximal das Verhalten von egoistischen Kindern haben.
Eine sehr gefährliche Entwicklung!

Unlängst war ich zum Sonntagsbrunch bei der Freundin einer Freundin eingeladen. Meine Freundin selbst kam erst zwei Stunden später und ihre Freundin hatte ich erst einmal vorher gesehen. Es waren ca. zehn andere Leute bei dem Brunch – alles Frauen. Und ich kannte keine einzige davon. Der einzige „Neue“ zu sein ist immer irgendwie komisch. Alle der Anwesenden einzeln durchgehen, Hände schütteln, sich vorstellen, erzählen, was man so im Leben so macht, interessiert und offen sein. Nicht vergessen, ein bisschen Charme und Humor versprühen. Bloß nicht schüchtern oder distanziert wirken. Und: Namen merken. Letzteres fällt mir besonders schwer.

Die ganze Runde saß im Wohnzimmer auf Sofas, Stühlen und auf dem Boden. Es gab die ganze Zeit über eine große gemeinsame Unterhaltung, an der immer alle beteiligt waren. Irgendwie hat so etwas Seltenheitswert. Meistens bilden sich ja kleine Zweier- und Dreier-Gespräche.

Eine Frage, die man sich zu selten stellt

Es war eine ziemlich eingeschworene Damenrunde, die sich regelmäßig trifft. Obwohl alle einander gut kannten, stellte eine der Frauen eine Frage in den Raum: „Wie viele echte Freundschaften habt ihr eigentlich in den letzten 10 Jahren geschlossen?“

Es ging ausdrücklich nicht um eine leidenschaftlose Diskussionspflichtübung darüber, wie unsere vielen Facebook-Freunde gar keine richtigen Freunde seien. Da wird niemand widersprechen.

Alle Anwesenden waren so zwischen 40 und Mitte 50 und alle sahen einander vorerst etwas ratlos an – fast betreten, hatte ich den Eindruck. Es schien, als hätte niemand im Alter von über 30 Jahren richtig gute neue Freunde gefunden.

Wie kommt das? Können wir uns nur in unserer Schul- und Studienzeit oder vielleicht als junge Erwachsene auf andere Menschen so einlassen, dass wir gute Freundschaften aufbauen? Ist es vielleicht doch nicht nur oberflächliche Vergnügungssucht, wenn man im Jugendlichenalter viel ausgeht oder einfach viel Zeit mit anderen verplaudert? Vielleicht haben wir auch nur zu wenig Zeit, wenn einmal die Verantwortung im Beruf wächst und viele eine Familie gegründet haben.

Ein starkes Band

Die Frage ist mir seither oft durch den Kopf gegangen. Ich für mich habe festgestellt: Vielleicht sind meine Jugendfreunde nicht die einzigen Freundschaften, aber wir sind enger zusammengeschweißt – ob durchs gemeinsame Ausgehen, Lernen, Durchkauen von Problemen, vom Stress mit den Eltern über sämtliche Liebesdramen.

Irgendwann später bin ich wohl ein wenig zurückhaltender geworden, wenn es darum ging, ganz persönliche Dinge zu erzählen. Die guten Freunde aus der Jugend dürfen auch rein körperlich näher an mich heran. So richtig fest abgebusselt und geknuddelt werden die neueren Freunde nicht.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr stelle ich aber fest, dass ich sehr wohl im Erwachsenenalter meinen Freundeskreis erweitert habe – auch in den letzten 10 Jahren. Komisch: Warum konnte ich das nicht gleich beantworten, als bei dem Brunch die Frage in den Raum gestellt wurde? Ob die anderen wohl auch erst so nach und nach beim Nachdenken draufgekommen sind, wie viele neuere Freundschaften ihr Leben bereichern?

Warum alte Freunde so besonders sind

Ich habe beim Nachdenken, aber noch etwas Wichtiges festgestellt: Die Freundinnen und Freunde aus meiner Jugendzeit sind deswegen so einzigartig, weil ich mich ganz plötzlich jünger fühle, wenn ich sie sehe – keinen Tag älter als 25, behaupte ich mal. Und auch meine Freunde werden auf mich auch immer jung wirken. Trotz so mancher Fältchen und der jährlich mehr werdenden grauen Haare.

Was mich und uns von zartbitter interessiert: Wann habt ihr zuletzt neue, echte Freundinnen und Freunde gefunden?

 

[Beitragsbild: Marco Giumelli, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode]

Spinnt sie jetzt? Denkt ihr vielleicht. Weihnachtszeit das ganze Jahr? Nicht so wie ihr denkt. Also nicht unbedingt Weihnachtskommerz das ganze Jahr, auch nicht Glühwein, Keksebacken, Ihr Kinderlein kommet –Dauerbeschallung.

Ich meine diese friedvolle Stimmung, die in der analogen und digitalen Welt meist herrscht. Natürlich gibt es die schlimmen Nachrichten weiter, Flugzeugabsturz, Mordversuch an einem Obdachlosen, Krieg in Syrien. Da ändert sich nichts in der Welt, auch nicht zu Weihnachten. Was ich meine ist diese friedvolle Stimmung zwischen den Menschen, die man kennt. Auf Facebook, Twitter und WhatsApp werden fast nur Nettigkeiten ausgetauscht. Die Bilder zeigen Christbäume, Geschenke, gutes Essen und man schreibt sich gegenseitig viele charmante Sachen. Seit zwei Tagen machen unzählige Menschen bei diesem Facebook-Kettenbrief mit, bei dem man ein stärkendes Wort für 2017 in der Chronik des anderen hinterlässt. Da schreiben Menschen, die bei dem Wort Kettenbrief normal einen Schreikrampf kriegen. Und auch beim Weihnachtsspaziergang trifft man Menschen, die man nur flüchtig kennt, aber umso liebenswürdiger grüßt man sich und wünscht sich frohe Festtage.

Irgendwie ist alles ein bisschen unaufgeregter, nachdenklicher und respektvoller. Diese besondere Stimmung würde ich mir über die Weihnachtszeit hinaus wünschen. Nächstes Jahr und immer.

In Ruhe? Gestern eher nicht! Gestern hatte ich einen Boilertag! Mal kalt, mal warm, dann wieder kalt und so weiter.

Am vorgestrigen Tag war ich ja von früh bis spät unterwegs, inklusive zwei Mal vegetarisch essen. Durch die Fülle der Eindrücke und der vielen Bewegung, schlief ich wie ein Stein und stand morgens etwas später auf.

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Das neue Rollwagerl der Marke Ottobock ohne Krückenhalterung!

Der Start in den Tag war angenehm, das Frühstück auf dem Balkon wie immer lecker. Der Rollstuhlmechaniker avisierte sich zwischen 10 und 11 Uhr für die Lieferung des neuen Rollwagerls. Er kam im genannten Zeitraum und brachte das schöne neue Teil. Aber leider ohne die bestellten Halterungen für meine zwei Krücken! Mann, wie nervig! Jetzt musste ich schon über Gebühr auf das Wagerl warten und dann fehlt das wichtige Zubehör! Brauch ich doch die Dinger, um zwischendurch mobiler zu sein. Um zum Beispiel kurze Strecken zu gehen oder Treppen zu überwinden. Also, der erste kalte Schauer für den Tag!

 

Rechtzeitig rollte ich mittags mit den Krücken zwischen mein Hüftgold und der Rollstuhllehne geklemmt zur Bushaltestelle, musste ich doch wieder zur Physiotherapiestunde in den Mirabellgarten. Der Bus kam an und einer der freundlichsten Fahrer kutschierte den Mercedes. Er öffnete wie immer lächelnd die Tür, klappte die Rampe leise runter und schob mich sogleich in den Bus. Kaum drinnen, bemerkte er “Hast Du einen neuen Rollstuhl? Schön!“ Ich war total erstaunt, sieht der Rolli doch nicht soooo viel anders aus wie der alte niedergerittene!

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Geschafft ist der Aufstieg auf den Rosenhügel!!

Pünktlich kam ich am Mirabellplatz an, mein entzückender Therapeut empfing mich schon lächelnd an der Ampel. Das Krückentraining verlief wieder ein Stück besser als das letzte Mal. Ist der Aufstieg zum Rosenhügel doch sehr steil! Er musste diesmal gar nicht mehr an meinem Hintern stabilisierend eingreifen. Auch irgendwie blöd, vielleicht sollte ich das nächste Mal wieder ein wenig straucheln!

Die Stunde verging wie im Flug und wir verabredeten uns wieder für übernächste Woche. Nächste Woche kann er leider nicht. Heul!

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Diese Postfiliale ist nicht barrierefrei aber das Personal ist zumindest hilfsbereit

Bevor ich mich in einen Obus begab um ins Fitnessstudio zu fahren, rollte ich noch zur nächstgelegenen Postfiliale. Ich musste nach langer Zeit wieder mal einen Brief aufgeben, ein Einschreiben. Die Post ist seit ein paar Jahren in der Bawag-Bankfiliale am Max Ott Platz situiert, vis a vis vom wunderbaren Jugendstilhaus meines letzten Arbeitgebers, der Wiener Städtischen Versicherung, die Mutter der Vienna Insurance Group. Detailliert beschrieben, gell?

Ich rollte froh gelaunt rein und was sah ich? Ein schönes Foyer mit angrenzenden Bankschaltern und eine breite Treppe rauf zur Postfiliale! Ohne Rampe! Wieder einmal ein Architektur-Desaster, wie kann man so etwas planen? Ruck Zuck war meine gute Laune dahin! Leicht echauffiert fragte ich eine Bankangestellte, ob es einen weiteren Zugang zur Post gäbe. Sie verneinte, erklärte mir aber den Weg zu einer anderen Post. Sehr witzig, vor allem bei den schiefen Gehsteigen vor den alten Häusern! Ich sagte, dass es das wohl nicht sein kann…ein relativ frisch renoviertes Haus und nicht an unsereins gedacht! Die besagte Bankangestellte sah mein leichtes Zornesrosa in meinem Antlitz und bot mir an, sie würde den Brief für mich rauf tragen und für mich aufgeben. Das nahm ich dankend an. Es gibt sie noch, die hilfsbereiten Menschen! Somit hatte ich einmal kalt und einmal warm in einer Situation!

Nun aber raus und zur Bushaltestelle. Dort kam nach kurzer Wartezeit ein Obus der Linie 3, einer der ganz neuen Fahrzeuge. Auch hier wieder ein ganz toller Fahrer! Noch dazu jung, sehr gut aussehend und sehr freundlich! Stöhn! Das nächste “warme“ Erlebnis! :)

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Blöder kann man unberechtigt nicht zwei (!) Behindertenparkplätze verstellen – für meinen Hinweis bekam ich einen wütenden Stinkefinger gezeigt!

Beim Fitnessstudio angekommen verschnaufte ich wie immer vorm Eingang auf der Empore. Wie gesagt, kurz verschnaufen und auch noch ein kurzer Blick ins Telefon zwecks Mail und Facebook. Könnte ja wer geschrieben haben! Natürlich spähte ich auch kurz über den Parkplatz. Und was sah ich da? Ein noch nie so dämlich geparktes Auto auf den Behindertenparkplätzen! Ja, Mehrzahl! Der Wagen stand nämlich direkt auf dem Mittelstreifen, so dass mit der Karre gleich zwei Parkplätze belegt wurden! Natürlich ohne Ausweis drinnen! Ich rang mit mir, ob ich nicht warten soll um zu sehen, wer denn das sei. Während meines Telefonchecks kam eine mittelälterliche, leicht übergewichtige Frau aus dem Haus, tänzelte die Treppe runter und öffnete mit Fernbedienung just die Türe dieses Wagens! Tänzelnd wie gesagt, also nicht behindert! Ich rief ihr nach “Geht’s noch? Mit einem Auto zwei Behindertenparkplätze belegen ohne Behinderung!“ Beim Auto angekommen, drehte sie sich um, warf mir einen bösen Blick zu und schwang sich rasch ins Auto. Durch das schon erwähnte Übergewicht schwappte der Skoda kurz und sie fuhr forsch los und zeigte mir dabei wütend den Stinkefinger!!! Häh, sie macht einen Fehler und beleidigt mich noch? Selten dämliches Weibsstück! Mal wieder ein kalter Guss an meinem Boilertag!

Das Training verlief hingegen gut, stemmte ich doch zum ersten Mal bei der Beinpresse 100 Kilo! J Weiter ging es zur Massage beim lieben Pedro, 45 wohltuende Minuten in den schönen Händen eines entzückenden Halbspaniers! Das richtete mich wieder auf (als Ganzes bitteschön, nicht was schon wieder gedacht wird!). Also wieder ein warmer Guss! :)

Als vorletztes schönes Erlebnis war dann noch mal eines mit einem Busfahrer. Am Bahnhof kam ich pünktlich nach dem wohlverdienten Eis zur Busleiste, der 25er Bus rollte gerade ein und dann durch bis zum Anfang der Busleiste. Bis ich nach vorne kam, fuhr der wieder los! Gut dachte ich mir, nimmst halt den nächsten und schaust noch Leute. Und siehe da…der Fahrer sah mich im Rückspiegel, fuhr noch mal rechts ran und schob mich rein. Sehr lieb!

Last but not least gab es zuhause wieder mal ein leckeres Wiener Schnitzel mit Pommes Frites und Rotwein!

Also, man sieht…nix ist´s mit Ruhe!

von Michael König

Schopenhauer hat Unrecht. Nachbetrachtungen zu einem Rehaaufenthalt

Ich widerspreche Arthur Schopenhauer. Sein aus heutiger Sicht verstörend falscher Aphorismus zum Thema Gesundheit ist aus Gesundheitsbroschüren, Referatstiteln und einschlägigen Buchpublikationen nicht mehr wegzukriegen. In einem Salzburger Kurort proklamiert dieser Satz mitten am Dorfplatz das Gesundheitsmotto der Gemeinde, eingefräst in eine rostbraune Eisenstele. Schopenhauer war einst zur Kur hier. Vielleicht deswegen diese Verneigung. Täglich gehen viele Menschen an dieser Stele vorbei, die teilweise seit Jahrzehnten mit schweren chronischen Erkrankungen leben. Sie müssen diesen Satz eigentlich als Affront empfinden.

 

Ich bin in den letzten Wochen mit vielen dieser Menschen immer wieder ins Gespräch gekommen. An ihren Geschichten beeindruckt vor allem eines: Auch wenn Sie teils an schweren neurologischen Erkrankungen leiden oder mit schweren Bewegungsbeeinträchtigungen zurechtkommen müssen: Ihr Leben ist deswegen nicht nichts. Im Gegenteil: Sie haben sich nicht aufgegeben. Sie stehen kraftvoll im Leben, sie organisieren sich ihr Leben trotz und mit ihrer Erkrankung. Sie haben gelernt, dass das Leben auch mit einer Erkrankung lebenswert ist und Möglichkeiten bietet. Sie sind an ihren Erkrankungen gewachsen. Manche haben sich durchgekämpft und sind nicht zerbrochen an ihren schweren Beeinträchtigungen.

Der kranke Mensch ist mehr als seine Erkrankung

Niemals ist der gesamte Mensch, sein gesamter physischer Organismus, sein gesamtes emotionales und geistiges Erleben in einer Totalität von einer Erkrankung betroffen, wie es das Schophenhauer-Zitat aussagt. Auch wenn es Erkrankungsbilder gibt, die den gesamten Menschen, seine Persönlichkeit und sein gesamtes Leben erheblich beeinflussen können oder im Extremfall wachkomatöser Kranker auf ein basales Lebensniveau reduzieren, das kaum mehr als seine physiologischen Lebensfunktionen umfasst: Ein kranker Mensch ist mehr als seine Erkrankung. Viel mehr.

Wir kennen in unserer Sprache keinen Plural für Gesundheit. Ich plädiere für die Einführung dieses Plurals. Es gibt 1000 Erkrankungen und es gibt 1000 Gesundheiten. Wir leiden vielleicht an einer Erkrankung, oder an zwei oder an mehreren, aber gleichzeitig leben wir mit vielen Gesundheiten. Schon unterlegt meine Word-Änderungs-Funktion dieses nicht existente Wort mit einer roten Wellenlänge. Ich sollte an Microsoft schreiben. „Ab heute denken und sprechen wir mit dem Bewusstsein der Existenz von Gesundheiten“. Genau deswegen ist das Leben lebenswert, weil wir vielleicht neben der einen Erkrankungen ganz viele Gesundheiten haben. Perspektivenwechsel für das Leben.

Sprache kann stigmatisieren

Hören wir auf, Menschen auf ihre Erkrankung, ihr Defizit, ihre Not zu reduzieren. Sprache formt Wirklichkeit. Reden wir nicht in tendenziell stigmatisierender Weise von „den Kranken“, „den Dementen“, „den Behinderten“, „den Bettlern“ und irgendwann vielleicht auch nicht mehr von „den Flüchtlingen“. Es mag situativ nötig sein, einen Menschen mit einem Wort zu attribuieren, das im allgemeinen Verständnis als Defizit, als Stigma, als Negativum abgespeichert ist. Eine Erkrankung kann nun mal unerfreulicher Teil des Lebens eines Menschen sein. Reden wir aber in diesem Fall besser immer von Menschen, die mit einer Demenz leben (und lachen, lieben, atmen, denken), Menschen, die mit einer Behinderung leben und Menschen, die betteln. Und von Menschen, die geflüchtet sind.

Mein Resümee nach einer wohlbekömmlichen dreiwöchigen Rehabilitation:

Gesundheit ist nicht alles, aber mit mehr Gesundheit

ist so vieles im Leben mit dem Nektar der Dankbarkeit überzogen.

„Steh auf und lauf“ titelt der aktuelle SPIEGEL. Aber mit der Bewegung ist das so eine Sache. Da gibt es nämlich den

http://www.spiegel.de/spiegel//index-11673.html

Spiegel 39/2016

inneren Schweinehund. Und der ist wirklich hartnäckig. Ganz ehrlich, eine Sportskanone war ich nie. Ich hatte eigentlich immer viel mehr Vorsätze als dann wirkliche sportliche Betätigung. Aber seit einigen Monaten ist es anders. Mit dem neuen Handy hab ich jetzt einen Schrittzähler. Ja, da werden jetzt wieder einige sagen, dass der ja nicht genau zählt.

Jeder Schritt zählt

Das ist mir völlig wurscht. Er zählt zumindest Bewegung. Und Stockwerke und Kilometer. Das spornt mich an. Ich gehe so viel wie möglich zu Fuß. Den Lift nehme ich nur mehr fürs Runterfahren. Rauf geht es jetzt immer über die Treppe. Mein Tagesziel sind 10.000 Schritte. Die erreich ich natürlich nicht jeden Tag. Aber manchmal fehlt nur ein kleines Stückerl, so wie heute. Da sind es nur mehr knapp 2000 Schritte bis zum Tagesziel. Nach dem Bloggen leg ich mich jetzt nicht aufs Sofa, sondern dreh noch einmal eine Runde.

Was macht der innere Schweinehund?

Das mache ich seit 29. Juni so. Und was soll ich sagen, 555 Kilometer habe ich zurückgelegt. Mein Handy hat 740.109 Schritte gezählt. Und ich fühle mich gut dabei. Vier Stockwerke raufzugehen sind echt keine Herausforderung mehr und auf die erste gezählte Million Schritte freuen mich wie aufs Christkind. Da schenk ich mir zur Belohnung eine wunderbare Schwarzwälder Kirsch Torte. Und wisst ihr was noch passiert ist? Der innere Schweinehund geht ganz brav jeden einzelnen Schritt mit.