In einer Moschee in Afghanistan detoniert eine Bombe. 14 Menschen sterben. Pilger, die in dem Gotteshaus einen religiösen Feiertag begehen wollten. Einen Tag zuvor werden 17 Menschen in Kabul bei einem Bombenanschlag in den Tod gerissen. Männer, Frauen, Väter, Mütter, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern. Sie müssen sterben, weil einige Fanatiker es so wollen. Weil sie sich dazu berufen fühlen. Seit Generationen ist das Land am Hindukusch Kriegsgebiet. 1979 marschieren sowjetische Truppen dort ein. Zehn Jahre später ziehen sie sich aus der „abtrünnigen“, schwer kontrollierbaren Teilrepublik zurück und hinterlassen das Feld der Zerstörung den Mudschaheddin. Von der Außenwelt unberücksichtigt nimmt die Radikalisierung ihren Lauf. Die afghanische Gesellschaft verliert ihre Basis und ihre Mitte. Stattdessen regieren Chaos und Gewalt in den Straßen von Kabul. Gottesfürchtige Krieger, die in pakistanischen Flüchtlingslagern aufgewachsen sind und dort das Kämpfen und den Islam verinnerlicht haben, wollen angeführt von dogmatischen Talibanführern in einem „Heiligen Krieg“ einen Gottesstaat installieren. Bis Anfang der 1990er-Jahre werden die Mudschaheddin zunächst mit fünf Milliarden US-Dollar unterstützt. Sie sollen die Sowjets abschütteln und bekommen dafür Waffen und Munition. Ein Jahrzehnt später bekämpft die US-Regierung die Taliban mit Milliardenbeträgen aus amerikanischen Steuergeldern. Die Appelle der UNO dazwischen finden kein Gehör. Die internationalen humanitären Hilfsmittel sind im Vergleich zu den Militärausgaben Peanuts. Stattdessen verwandelt sich Afghanistan auf der Suche nach Osama Bin Laden und weil seit jeher Öl durch die kaspische Region fließt einmal mehr zum internationalen Kampfschauplatz.

In der syrischen Stadt Aleppo begräbt ein eingestürztes Wohnhaus 25 Menschen unter sich. Syrische Kampfjets haben im Duett mit russischen das Gebäude in Schutt und Asche verwandelt. In den Trümmern werden später die Leichen von Kindern geborgen. Sie sind Opfer eines Bürgerkrieges, der das Land im Nahen Osten in die Steinzeit katapultiert hat. Doch jenseits der Grenze im Irak sieht die Situation nicht wesentlich besser aus. In drei sogenannten Golfkriegen und immer wiederkehrenden Wirtschaftsembargos hat die Bevölkerung über Generationen hinweg das Überleben aber auch das Kämpfen gelernt. Krieg, Zerstörung und Armut haben dem IS-Staat und seiner Miliz den Weg geebnet und einen Nährboden für unendlichen Hass geschaffen.

Der Tod ist in diesen Regionen der Welt ein ständiger Begleiter. Er löscht Leben aus und begräbt die Hoffnung. In der fernen Schweiz verhandeln indes Vertreter von Großmächten über die Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Sie schmieden Allianzen, besprechen ihre taktische Vorgehensweise, entwickeln Strategien mit Bündnispartnern und setzen neue Ziele für ihre politischen und militärischen Missionen. Währenddessen treffen Waffentransporte in Saudi-Arabien ein. Die selbstgesteuerten Raketen, entwickelt in einem westlichen Industriestaat, werden später Häuser im Jemen dem Erdboden gleichmachen und Menschen unter den Trümmern begraben. Diese Menschen werden Opfer einer vermeintlich hochentwickelten Technologie und eines zweifelhaften Fortschritts.

Krieg ist global. Er ist ein lukratives Geschäft und kennt keine Grenzen. Warum sollte er auch? Wer seine Spielregeln bestimmt, kann gut von diesen leben. Ähnlich verhält es sich mit dem Terror. International gesehen ist der Terrorismus, von einem Staat ausgeübt oder einer radikalen Gruppierung, ein Big Business. Ein globaler Wirtschaftszweig, hinter dem bestimmte Interessen und Absichten stecken – irrational, unbegreiflich und menschenverachtend – aber selbst wenn Millionen sterben, profitieren einige wenige von ihrem Tod. Religionen und Ideologien sind den wahren Beweggründen vorgeschoben. In Wirklichkeit geht es um Bereicherung, Machtentfaltung, Ausbeutung, Unterdrückung und Unterwerfung ganzer Bevölkerungen.

Nationalismus kann diesem Terror nichts entgegensetzen. Er ist eine hilflose Antwort, die wiederum Unfrieden stiftet. Nationalismus ist die Triebfeder für kriegerische Auseinandersetzungen. Europa sollte das aus seiner Vergangenheit wissen. Ultra-Nationalisten und Faschisten haben den europäischen Kontinent und die Welt im 20. Jahrhundert in zwei Kriege und in den Untergang geführt. Nationalisten haben nicht nur Neid, Missgunst und Hass geschürt, sondern Millionen Menschen auf dem Gewissen. Sie haben die Massen mit falschen Idealen und Versprechen auf ihre Seite gebracht. Familienväter wurden zu Henkern und Totengräbern, Mütter zu Vollzieherinnen eines Unrechtssystems.

Im 21. Jahrhundert machen Autokraten ihre Grenzen dicht, um Flüchtlinge auszusperren, zensurieren oder verbieten Oppositionsmedien und verletzten Persönlichkeitsrechte der eigenen Bevölkerung. Militärbudgets werden aufgestockt und Sozialleistungen eingespart. Von öffentlicher Seite finanzierte Bürgerwehren sollen Städte und zuweilen das Land sicherer machen. Videokameras in Straßenbahnen sollen Passagiere vor Übergriffen schützen. In politischen und medialen Diskursen bestimmen Bedrohungszenarien die Debatten, gesellschaftliche Probleme werden kaum diskutiert. Bevölkerungsgruppen werden zu Sündenböcken abgestempelt. Neonazis marschieren auf Plätzen und Straßen auf. Unterkünfte von Asylsuchenden brennen.

Rechtspopulistische Politiker scheinen einfache Antworten auf komplexe Fragen zu kennen. Sie befinden sich mit ihren national-chauvinistischen Spinnereien und Phobien im Aufwind und fühlen sich im Glauben bestärkt „ihre“ Bürger beschützen zu können, während sich die Spirale der Gewalt unaufhaltsam weiterdreht, weil die Gier nach der eigenen Macht keine Grenzen kennt und die Welt zu verschlingen droht.

von Sonja Schiff

Kürzlich bin ich in dem wunderbaren Buch „Ein Mann namens Ove“  von Fredrick Backman über ein ganz wunderbares, mir bis dato unbekanntes Wort gestolpert: ZEITOPTIMISMUS.

So lautet der Satz in dem das Wort vorkommt:

„Im Grunde sind alle Menschen Zeitoptimisten. Wir glauben immer, dass wir noch Zeit haben werden, mit anderen Menschen Dinge zu tun. Zeit haben, ihnen Dinge zu sagen. Und dann geschieht etwas, und dann stehen wir plötzlich da und denken Worte wie „wenn“.

Zeitoptimismus.

Irgendwie ein Wort das bei mir erst einmal sacken musste. Das Wort Optimismus ist für mich total positiv besetzt. Ich betrachte mich auch als einen durch und durch optimistischen Menschen und bin sogar stolz drauf dem Leben immer die sonnige Seite abzugewinnen und positiv nach vorne zu blicken.

Sonja 1

Sonja Schiff

Das Wort Zeitoptimismus spießt sich aber irgendwie mit dieser positiven Zuschreibung, also von der Bedeutung her. Ich kann mich nicht entscheiden, ob Zeitoptimismus positiv oder eher negativ ist. Ist ein zeitoptimistischer Mensch ein Narr oder ein Lebenskünstler? Wie würde sich unser Leben ohne Zeitoptimismus anfühlen?

Stell Dir vor Du wärst Dir jede Lebenssekunde Deiner möglichen Endlichkeit bewusst? Du würdest jeden Augenblick darauf warten, dass es JETZT, in 2 Minuten, in einer Stunde oder auch morgen vorbei sein wird? Würden wir dann anders leben? Intensiver? Bewusster? Würden wir dann mehr erkennen, was eigentlich wichtig ist im Leben? Würden wir weiterhin oberflächlichen Konsumräuschen nachhetzen oder würden wir lieber die Stille im Wald erleben wollen, eine Blume betrachten, das Schlüpfen eines Schmetterlings bestaunen? Würden wir weiterhin mit Menschen über das Wetter reden, über Fußball und aktuelle Modetrends? Oder würden wir in den Begegnungen Tiefe erreichen und wesentliche Themen in den Mittelpunkt stellen, wie etwa die Frage, wer wir sind, warum wir leben, welche Welt wir hinterlassen?

Wie würde sich ein Leben als Zeitpessimist anfühlen? Wäre es ein positives Leben? Oder würden wir in permanenter Angst leben, dass es morgen vorbei ist? Würden wir durchs Leben hetzen vor lauter Angst, etwas zu versäumen, etwas nicht mehr erleben zu können?  Würde es so etwas wie Muße noch geben für Zeitpessimisten? Oder Langeweile?

Was ist besser? Zeitoptimismus oder Zeitpessimismus?

Eine Frage, die mich dazu beschäftigt ist, ob wir mit zunehmendem Alter Zeitoptimismus verlieren. Werden wir also, je älter wir werden, immer mehr zu Zeitpessimisten?  Müsste ja eigentlich sein, oder? Je älter wir werden, umso klarer wird doch auch das Ende? Ist man sich im Alter dessen bewusst, dass es morgen vorbei sein kann? Ändert sich dadurch das Leben?

Oder wenn man schwerkrank ist, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange leben wird? Wird man dann Zeitpessimist? Welche Auswirkungen hat das Wissen um ein nahendes Ende auf die Qualität des Lebens? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es Menschen gibt, die sagen, erst durch die schwere Krankheit haben sie gelernt was Leben bedeutet. Erst als sie wussten, dass das Leben bald vorbei ist, haben sie begonnen wirklich zu leben.

Wäre es besser Zeitpessimistin zu sein ein Leben lang? Würden wir dann unser Leben mehr wertschätzen? Würden wir mehr die Kostbarkeit unseres Lebens wahrnehmen? Würden wir vielleicht Leben an sich mehr schätzen?

Oder ist der Zeitoptimismus des Menschen eine Gnade für unsere Welt? Wäre der Mensch am Ende noch egoistischer, noch gieriger als Zeitpessimist? Wären wir als Menschheit noch zerstörender?

Fragen über Fragen über Fragen.

Sonja Schiff, MA ist Gerontologin und Altenpflegeexpertin. Im Oktober 2015 erschien ihr erstes Buch „Was ich von alten Menschen über das Leben lernte“.

Mehr Infos zu Sonja Schiff finden Sie unter: Careconsulting und Vielfalten

 

Seit vielen Jahren mache ich mir meine Überlegungen, wo unsere Gesellschaft hinwandert. Sie sind nicht so positiv, wie uns Mentalcoaches und Lebensberater zu denken anempfehlen. Begonnen hat alles in den späten 80er und frühen 90er Jahren, als Österreich noch nicht bei der EU war, ich aber die internationalen Wirtschaftskongresse bereiste. Es war mir damals schon klar, dass dieses System nicht funktionieren kann, da sich die Katze in den Schwanz beißt. Der Kapitalismus und Neoliberalismus fordern den Menschen immer mehr Konsum ab, der Westen schielte ständig nach neuen Märkten, die man aber nicht aufbaute, sondern nur ausbeuten wollte, man erfand Geräte, die ihr Verfallsdatum schon einprogrammiert haben, man erfand Begehrlichkeiten für den Osten und den Süden der Welt und vergaß auf Solidarität und Brüderlichkeit. Ökologisch betrieb man schon lange Selbstmord und die Konsumschraube konnte ihn nur verstärken. Wenige Menschen horteten und horten Vermögen, die sie nie ausgeben können und die ihnen nichts bringen. Damals schon kam ich mit einer ganzen Wandzeitung von Argumenten aus Brüssel zurück und sagte: Der Crash ist vorprogrammiert!

Jeder gegen jeden

Brita Pilshofer

Brita Pilshofer

Der Neoliberalismus, lean management, Privatisierung von Banken, öffentlichen Betrieben etc. verschafften kurzzeitig Einhalten in diesem chaotischen Treiben, es wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, für Manager, die die richtigen Arbeitsplätze wegrationalisierten und dafür Belohnungen kassierten. Wir stehen immer wieder davor, dass Menschen durch Maschinen und IT ersetzt werden. Sie hatten die „ schönen Arbeitsplätze“ , der Rest wäre obsolet, so wurde mir vor wenigen Tagen noch von höchster politischer Ebene versichert. Ich bezweifle sehr stark, dass wir diese Tendenz weiter verfolgen sollten. Es beißt sich auch hier die Katze in den Schwanz, denn ich kann nicht die Bevölkerung gegen Mindestsicherungsbezieher mobilisieren und gleichzeitig diesen vorher ihre Arbeitsplätze und damit verbunden, ihre Wertschätzung in der Gesellschaft entziehen.

Gestern führte ich ein Gespräch mit einem jungen Sozialdemokraten mit Migrationshintergrund, der sein Engagement für die österreichische Gesellschaft und die europäische mit für ihn einnehmender Offenheit philosophisch begründete- so viel Einsicht und gesellschaftliche Rücksicht würde man von maßgeblichen Politikern erwarten, doch viel zu oft trifft man auf plumpes taktisches Agieren im Sinne von:  „Wie kann ich den politischen Gegner desavouieren, austricksen, ihm die Wähler wegnehmen?“

Das gesellschaftliche Miteinander bleibt auf der Strecke, vitale Themen wie Integration, wirtschaftliche Entwicklung von Regionen etc. verschwindet völlig. Es wäre ja auch selbstlos, an der Gesundung einer  schon kranken Gesellschaft zu arbeiten. So wird aus politischem Kalkül eine Gegend, die das touristische Aushängeschild einer Stadt ist, zum Glasscherbenviertel gemacht, weil man sich erhofft, dem Bürgermeister damit eines auswischen zu können, bei der Erstellung eines Budgets wird gestritten um das Prestige der agierenden Parteien. Wo bleibt das Bekenntnis zum Bürger, zum Mensch, zur Gesellschaft?

Der Adel und Persephone

Heute zum Abschluss dieser zwei kognitiven Einkehrtage traf ich einen Mann aus dem Hochadel, der politisch gesehen auf der anderen Seite der Sozialdemokratie steht, aber große Bedenken für die Entwicklung der Gesellschaft hat. Er sprach von dem System des Hades und der Persephone (Tochter der Mutter Erde, die in der Unterwelt gefangen gehalten wird laut antiker Sage). Er sieht die Menschen immer mehr getrieben zu leeren, gierigen Verhaltensweisen von Konsum und Rausch, bis laut der Lehre des Zen die Welt gesäubert wird vom Wildwuchs und neue Pflänzlein zu setzen begonnen wird. Ein spannendes Gespräch mit einem hochgebildeten Menschen, der ein bisschen Verschwörungstheoretiker ist, aber auf realem und mir nachvollziehbarem weltpolitischen Hintergrund.

Nun wählen wir also wohl CETA nicht ab. Ein neuer Wirbel im Chaos um uns wird beginnen. Wieder ein Stück Vernunft geht den Bach hinunter. Mir schwant nichts Gutes, es sei denn, es finden sich genug Menschen möglichst bald, die guten Willens sind und in allen Positionen des Lebens das Schielen nach billigem Profit und Boni aufgeben und an einer Zukunft, getragen von Bildung, Selbstbeherrschung und Solidarität mitwirken und die auch den Mut haben, sich zu artikulieren.

von Gabriele Rothuber

Bausteine in der Prävention / dem Schutz vor sexuellem Missbrauch

1. Was hat Selbstwertstärkung mit Kinderschutz zu tun?

Es wird davon ausgegangen, dass Kinder, die sich sicher, stark und frei fühlen – also selbstbewusste Kinder – weniger häufig Opfer von sexuellem Missbrauch werden bzw. sich nach einem Übergriff schneller Hilfe holen können. Deshalb hat die Stärkung des Selbstwertes einen hohen Stellenwert in der Prävention von sexuellem Missbrauch, der zu rund 95 % im nahen sozialen Umfeld von Kindern stattfindet.

Was können Eltern tun, um das Selbstwertgefühl ihres Kindes zu stärken?

  1. Anerkennung und ganz ehrlich gemeintes Lob sind der einfachste, schnellste und beste Weg, um das Selbstwertgefühl eines Menschen zu stärken!

Hierbei unterscheidet man zwischen „Seinsgeliebt“ und „Tunsgeliebt“:

„Seinsgeliebt“ meint, dem Kind immer wieder zu vermitteln, dass man es liebt, einfach um seiner selbst willen – „Ich liebe dich, weil du bei uns bist!“

„Tunsgeliebt“ beinhaltet anerkennende und lobende Worte für bestimmtes Verhalten: Dafür, dass es so schön malen kann, dass es so gerne singt, dass es den Tisch so liebevoll deckt…… Versuchen Sie auch, Ihr Kind zu loben, wenn ihm einmal etwas nicht gelungen ist – nämlich dafür, dass es den Versuch unternommen hat und den Mut hatte, ein Risiko einzugehen.

2. Vertrauen Sie Ihrem Kind, indem Sie es nicht übermäßig behüten und einengen und ihm altersgemäße Freiräume gewähren. „Ich vertraue dir!“ kann als kleine Zauberformel wahre Wunder wirken!

3. Geben Sie Ihrem Kind Handlungskompetenzen: das gilt für einen Besuch in einem Einkaufszentrum („Was kannst du tun, wenn wir uns verlieren?“) ebenso für jede andere Situation: „Du darfst dir immer Hilfe holen!“ Besprechen Sie im Vorfeld mit Ihrem Kind prekäre Situationen – und was es in diesen tun kann.

Kinder so annehmen wie sie sind, mit all ihren Besonder- und Eigenheiten, stärkt das Selbstvertrauen und die Bindung.

Kinderbücher zum Thema Selbstwert

von Thomas Höllerer

Es war vergangenen Freitag im Vereinszentrum der Homosexuellen Initiative (HOSI) in der Gabelsbergerstraße und es war der Vorabend vom HOSI Fest. Ich und einige Kolleg*innen waren gerade schwer mit den Vorbereitungen dieses großen Events beschäftigt und natürlich ging es wie immer etwas hektisch zu, damit für den nächsten Tag alles vorbereitet ist. Also fuhr ich mit einem Kollegen noch zum Großhandel, um Einkäufe zu erledigen und erst dort merkte ich das Missgeschick: Ich hatte meine teure Tasche samt mehreren Kreditkarten, Bankomatkarten, Buchhaltungsbelegen, iPad sowie Bargeld auf der äußeren Fensterbank des Vereinszentrums stehen lassen. Ich rief sofort in der HOSI an, doch die Tasche war weg! Der Schock war groß und beim Gedanken an den materiellen Verlust und den zeitlichen Aufwand, der auf mich zukommen würde, wurde ich wütend, frustriert und traurig.

Serag, der ehrliche Finder

Natürlich gingen wir von einem Diebstahl aus, welcher in der stark frequentierten Straße absolut im Bereich des Möglichen liegt. Wir fuhren sofort zurück in die Stadt, suchten erfolglos die Gegend um das Vereinszentrum ab und ich erstattete Anzeige bei der Polizei in Gnigl. Wieder im Vereinslokal bemerkten wir einen Mann, der durch die Glastür schaute, schließlich hereinkam und mich fragte, ob ich etwas verloren hätte. Es war ein syrischer Mann namens Serag A., der die einsame Tasche bemerkte und zur Polizeiwache am Bahnhof gebracht hatte. Meine Erleichterung war riesig und ich bekam die Tasche samt vollständigem Inhalt wieder. Hätte dieser Mann nicht so ehrlich und couragiert gehandelt, wären diese Wertsachen womöglich für immer verschwunden. Ich bedanke mich hiermit nochmal herzlich bei Serag und möchte durch dieses Erlebnis auch dazu aufrufen, mehr über schnell gefasste Vorurteile und Hetze gegenüber Menschen mit ausländischen Wurzeln nachzudenken.

Seit fast zwei Jahren bin ich Nichtraucherin. In Österreich. Warum erzähl ich das? Vor zwei Wochen habe ich mich auf einen Tratsch mit einem befreundeten Arzt getroffen. Bekas arbeitet in einer Einrichtung, die sich besonders um Menschen mit Herzinfarkten oder Schlaganfällen kümmert. Darunter sind auch viele Raucher und er versucht ihnen einen Weg aus der Sucht zu zeigen. Und er hat mich gefragt:“Rauchst du immer noch nicht? Oder hast eh wieder angefangen?“ Und ich habe voller Stolz erzählt, dass ich meinen besonderen Weg noch immer gehe und das erfolgreich. Da meinte er: „Weißt du, dass deine Methode auch anderen helfen kann. Sprich darüber!“ Ich habe lange hin- und her überlegt, ob ich dazu schreiben will. Ja, ich will von meinem Weg aus der Nikotinsucht erzählen, vielleicht hilft es ja wirklich dem einen oder der anderen.

Meine Methode

Seit Studienzeiten habe ich viel geraucht. Im Durchschnitt sicher eine Packung am Tag, manchmal auch mehr. Und ich hatte eigentlich nie das Bedürfnis aufzuhören. Obwohl ich wusste, wie schlecht das Rauchen für die Gesundheit ist. Aber der Genuss war mir einfach wichtiger.

Vor nicht ganz zwei Jahren hatte ich meine übliche Wintererkältung, Husten, Schnupfen, Heiserkeit. In diesen zwei bis drei Tagen der jährlichen Erkältung habe ich nie geraucht. Auch damals nicht. Dann war die Erkältung vorbei und meinem Wiedereinstieg ins Raucherleben stand nichts mehr im Wege. Aber irgendwie habe ich mir gedacht, eigentlich freut es mich jetzt nicht. Die letzten Tage ging es gut ohne Zigaretten und ich mag jetzt nicht rauchen. Dann  habe ich mir eine Gewissensfrage gestellt und folgenden Dialog mit mir selbst geführt:

ni4„Willst du jetzt mit dem Rauchen aufhören? Für immer?“

„Ich will jetzt nicht rauchen. Aber für immer? Nie wieder eine Zigarette rauchen?“

„Ja, nie wieder eine Zigarette, wenn du einen Tee am Bosporus trinkst. Ja, nie wieder eine Zigarette, wenn du völlig begeistert aus einem Popkonzert in der Münchner Olympiahalle kommst. Nie wieder.“

„Nein, das will ich nicht. Ich will nicht zu rauchen aufhören. Aber ich rauche erst wieder, wenn ich nach Istanbul fliege, in 8 Wochen.“

So war es dann. Ich habe 8 Wochen nicht geraucht. Ich bin nach Istanbul geflogen. Ich habe mich an den Bosporus gesetzt, habe einen Tee bestellt und mir eine Zigarette angezündet. Köstlich, entspannend, schön. So habe ich es die vier Tage in Istanbul gehalten. Und in mir ist der Entschluss gereift, Nichtraucherin und gleichzeitig Raucherin zu sein. In Österreich will ich keine Zigarette rauchen. Aber im Ausland. Ha! Da denken jetzt sicher einige. Nichts leichter als das! Wenn man in Salzburg wohnt, fährt man halt öfters nach Freilassing. Nein, das mache ich nicht. Ins Ausland fahren heißt mindestens einen Tag dort sein. Und so halte ich es seit fast zwei Jahren. Ohne Probleme. Ich rauche im Ausland, sobald ich österreichischen Boden betrete, mag ich keine Zigaretten mehr.

Bin ich jetzt gesünder?

Meine letzte Zigarette habe ich Im August in Deutschland geraucht. Meine nächste Zigarette rauche ich am Montag, wenn ich im Libanon bin. So einfach ist das und so gut. Ich genieße es in Österreich nicht mehr daran denken zu müssen:

Habe ich eh genug Zigaretten dabei? Kann man in diesem Restaurant rauchen? Wo ist mein Feuerzeug?

Das ist mir alles völlig egal. Und im Ausland zelebriere ich es. Und ich fühle mich sehr gut dabei. Im Jahr rauche ich alles zusammen vielleicht drei bis vier Wochen. Den Rest der Zeit bin ich rauchfrei, habe auch während stressiger Situationen kein Bedürfnis nach Zigaretten. Ich esse auch nicht mehr Schokolade. Aber ich schnaufe die Stiegen nicht mehr hoch wie eine 70jährige Frau, meine Haut ist schöner geworden. Und insgesamt fühle ich mich stärker, gesünder, wohler.

Und diesen Weg werde ich weiter gehen. Wenn der eine oder die andere auch diesen Weg einschlagen will, um von dieser täglichen Nikotinsucht wegzukommen, dann freut mich das von Herzen. Und mein lieber Freund Bekas hat mich zu Recht motiviert meinen Umgang mit der Zigarettensucht zu erzählen.