Zwei lehrreiche Tage in der Gesellschaftspolitik
Seit vielen Jahren mache ich mir meine Überlegungen, wo unsere Gesellschaft hinwandert. Sie sind nicht so positiv, wie uns Mentalcoaches und Lebensberater zu denken anempfehlen. Begonnen hat alles in den späten 80er und frühen 90er Jahren, als Österreich noch nicht bei der EU war, ich aber die internationalen Wirtschaftskongresse bereiste. Es war mir damals schon klar, dass dieses System nicht funktionieren kann, da sich die Katze in den Schwanz beißt. Der Kapitalismus und Neoliberalismus fordern den Menschen immer mehr Konsum ab, der Westen schielte ständig nach neuen Märkten, die man aber nicht aufbaute, sondern nur ausbeuten wollte, man erfand Geräte, die ihr Verfallsdatum schon einprogrammiert haben, man erfand Begehrlichkeiten für den Osten und den Süden der Welt und vergaß auf Solidarität und Brüderlichkeit. Ökologisch betrieb man schon lange Selbstmord und die Konsumschraube konnte ihn nur verstärken. Wenige Menschen horteten und horten Vermögen, die sie nie ausgeben können und die ihnen nichts bringen. Damals schon kam ich mit einer ganzen Wandzeitung von Argumenten aus Brüssel zurück und sagte: Der Crash ist vorprogrammiert!
Jeder gegen jeden
Der Neoliberalismus, lean management, Privatisierung von Banken, öffentlichen Betrieben etc. verschafften kurzzeitig Einhalten in diesem chaotischen Treiben, es wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, für Manager, die die richtigen Arbeitsplätze wegrationalisierten und dafür Belohnungen kassierten. Wir stehen immer wieder davor, dass Menschen durch Maschinen und IT ersetzt werden. Sie hatten die „ schönen Arbeitsplätze“ , der Rest wäre obsolet, so wurde mir vor wenigen Tagen noch von höchster politischer Ebene versichert. Ich bezweifle sehr stark, dass wir diese Tendenz weiter verfolgen sollten. Es beißt sich auch hier die Katze in den Schwanz, denn ich kann nicht die Bevölkerung gegen Mindestsicherungsbezieher mobilisieren und gleichzeitig diesen vorher ihre Arbeitsplätze und damit verbunden, ihre Wertschätzung in der Gesellschaft entziehen.
Gestern führte ich ein Gespräch mit einem jungen Sozialdemokraten mit Migrationshintergrund, der sein Engagement für die österreichische Gesellschaft und die europäische mit für ihn einnehmender Offenheit philosophisch begründete- so viel Einsicht und gesellschaftliche Rücksicht würde man von maßgeblichen Politikern erwarten, doch viel zu oft trifft man auf plumpes taktisches Agieren im Sinne von: „Wie kann ich den politischen Gegner desavouieren, austricksen, ihm die Wähler wegnehmen?“
Das gesellschaftliche Miteinander bleibt auf der Strecke, vitale Themen wie Integration, wirtschaftliche Entwicklung von Regionen etc. verschwindet völlig. Es wäre ja auch selbstlos, an der Gesundung einer schon kranken Gesellschaft zu arbeiten. So wird aus politischem Kalkül eine Gegend, die das touristische Aushängeschild einer Stadt ist, zum Glasscherbenviertel gemacht, weil man sich erhofft, dem Bürgermeister damit eines auswischen zu können, bei der Erstellung eines Budgets wird gestritten um das Prestige der agierenden Parteien. Wo bleibt das Bekenntnis zum Bürger, zum Mensch, zur Gesellschaft?
Der Adel und Persephone
Heute zum Abschluss dieser zwei kognitiven Einkehrtage traf ich einen Mann aus dem Hochadel, der politisch gesehen auf der anderen Seite der Sozialdemokratie steht, aber große Bedenken für die Entwicklung der Gesellschaft hat. Er sprach von dem System des Hades und der Persephone (Tochter der Mutter Erde, die in der Unterwelt gefangen gehalten wird laut antiker Sage). Er sieht die Menschen immer mehr getrieben zu leeren, gierigen Verhaltensweisen von Konsum und Rausch, bis laut der Lehre des Zen die Welt gesäubert wird vom Wildwuchs und neue Pflänzlein zu setzen begonnen wird. Ein spannendes Gespräch mit einem hochgebildeten Menschen, der ein bisschen Verschwörungstheoretiker ist, aber auf realem und mir nachvollziehbarem weltpolitischen Hintergrund.
Nun wählen wir also wohl CETA nicht ab. Ein neuer Wirbel im Chaos um uns wird beginnen. Wieder ein Stück Vernunft geht den Bach hinunter. Mir schwant nichts Gutes, es sei denn, es finden sich genug Menschen möglichst bald, die guten Willens sind und in allen Positionen des Lebens das Schielen nach billigem Profit und Boni aufgeben und an einer Zukunft, getragen von Bildung, Selbstbeherrschung und Solidarität mitwirken und die auch den Mut haben, sich zu artikulieren.