Im Libanon arbeiten 300.000 Menschen aus Asien und Afrika als Hausmädchen, Tankwart, Reinigungskraft oder Wächter. Meist illegal, unterbezahlt, ohne Rechte. Man nennt sie auch moderne Sklaven.

Wir sitzen bei Mestawet zu Hause. Sie kommt aus Äthiopien, ist 31 oder 32 Jahre alt. So genau weiß sie das nicht. Seit 10 Jahren ist sie im Libanon. Damals haben ihr Freunde gesagt, dass sie hier gutes Geld verdienen kann. Damit kann sie ihre Familie unterstützen, denkt sie hoffnungsvoll. Ihr erster Arbeitgeber meinte: „Ein Sandwich am Tag reicht für dich. Du bist nicht zum essen hier, du bist hier um zu arbeiten.“ Neben ihr sitzt Dina, ein aufgewecktes Mädchen, keine drei Jahre alt. Den Vater kennt sie nicht, es war der Taxifahrer damals, sie konnte sich nicht wehren. Aber das Kind wollte sie nicht abtreiben.

Eine Chance für Dina

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Trotz bitterer Armut ist das Zimmer von Mestawet und Dina liebevoll dekoriert

Dina geht jetzt in den Kindergarten von Beth Aleph. Das Projekt in Beirut wird unterstützt von der Caritas Salzburg. 107 Kinder spielen und lernen hier. Die meisten sind Kinder von Arbeitsmigrantinnen wie Mestawet. Aber auch syrische Flüchtlingskinder sind hier. Dina und die anderen bekommen die Chance auf Bildung. Die Sozialarbeiterinnen von Beth Aleph helfen den Menschen ihre Kinder registrieren zu lassen, damit sie später eine reguläre Schule besuchen können. „Ich wünsche mir ein sauberes Haus und eine Zukunft für Dina. Sie soll nicht so leben müssen wie ich. Nach Äthiopien zurück kann ich nicht. Meine Familie weiß nichts von Dina.“, erzählt Mestawet. Mestawet und Dina leben in einem kleinen Zimmer in Beirut. Ärmlich ausgestattet, vielleicht 12 Quadratmeter. Die Küche und das Bad, es sind Verschläge am Gang, teilt sie sich mit zwei anderen afrikanischen Frauen, die ein ähnliches Schicksal haben.

Sehnsucht Europa

Oft haben die Frauen Probleme mit den Nachbarn. „Erst gestern versuchte ein Nachbar die Tür einzutreten. Wir Frauen sind mit den Kindern allein. Gott sei Dank ist die Polizei schnell gekommen. Aber ich habe Angst. Auch um meine kleine Dina.“, sagt Mestawet. „Der Sonntagsgottesdienst der äthiopisch-christlichen Kirche ist fixer Bestandteil in ihre Woche. „Dafür nehme ich den langen Fußmarsch in einen anderen Stadtteil Beiruts gerne in Kauf. Denn hier kann ich andere treffen, wir sind eine gute Gemeinschaft, wir halten zusammen. Aber am liebsten möchte ich nach Europa. Dort hätte meine Dina Chancen für ihre Zukunft.“, wünscht sie sich.

Wie soll man sich auf den Besuch informeller Flüchtlingslager vorbereiten? Darüber lesen wir alle, sehen die Bilder im Fernsehen. Aber was ist die Realität? Wie geht es den Menschen wirklich? Wie schaut es dort aus? Wie riecht es? Gibt es Wasser? Strom? Wie organisieren die Menschen ihren Alltag? Wie kommen die Flüchtlinge dort hinein? Und gibt es eine Hoffnung auch wieder rauszukommen? Viele Fragen. Ich habe viele Antworten gefunden.

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Die Bekaa-Ebene im Libanon

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Ramsi aBojzid, Leiter der Caritas in der Bekaa-Ebene

Wir fahren nach Zahle , eigentlich bekannt für seinen Weinanbau, in der Bekaa-Ebene im Libanon. Dort hat die Caritas einen Stützpunkt und betreut Menschen in mehreren informellen Flüchtlingslagern. Der Caritasleiter für die Bekaa-Ebene, Ramsi aBojzid, empfängt uns in seinem Büro. Er ist Jurist, war Manager und ist seiner Berufung gefolgt in einer NGO zu arbeiten. Über ein Jahr macht er den Job. „Unsere Mission ist helfen. Unabhängig von der Religion oder Herkunft der Menschen. Unsere größte Schwierigkeit ist es, dass wir jeden Tag entscheiden müssen, wer Hilfe bekommt. Es ist nie genug für alle da.“

Ein besonders großes Problem ist die medizinische Versorgung. Wenn Menschen körperlich oder geistig erkranken, ist die Situation noch unerträglicher. Besonders für Kinder und Alte. Dazu kommen Rahmenbedingungen, die die Zukunft der Flüchtlingskinder, die im Libanon auf die Welt kommen fast hoffnungslos machen. Sie können nicht registriert werden. Der libanesische Staat tut das nicht. Nach Syrien können nur die allerwenigsten zurück, um ein Baby registrieren zu lassen. Aktuell sind es um die 300.000 Kinder im Libanon, deren Existenz im besten Fall durch eine Krankenhausbestätigung nachgewiesen ist. Alle anderen sind illegal. Kein regulärer Schulbesuch, keine Identifikation, keine richtige Arbeit oder Heirat ohne Papiere. Das heißt, keine Zukunft als Mensch des 21. Jahrhunderts.

Offiziell gibt es knapp eine Million registrierte Flüchtlinge im Libanon, doppelt so viele sind hier. In einem Land mit 4,5 Millionen Einwohnern. Unvorstellbare Realität.

Die Schawis sind die Chefs

Aber warum kommen so viele in den Libanon? Schon vor dem aktuellen Krieg gab es viele syrische Saisonarbeiter, besonders in der Landwirtschaft und am Bau. In der Bekaa-Ebene haben viele dieser Menschen von ihren alten Arbeitgebern gegen gutes Geld Land gepachtet. 30.000 Dollar zahlen sie für ein Grundstück.

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Das erste Lager, das wir in Zahle besuchen

Hier entstehen die informellen Lager, die die Menschen selbst bauen und die nicht etwa von der UNHCR errichtet werden. Schawis heißen diese Pächter, die anderen Flüchtlingen wiederum ermöglichen Zelte zu errichten. Für ein Zelt kassieren sie bis zu 1000 Dollar im Jahr. Die Schawis sind die Lagerchefs. Sie sorgen für Strom und Wasser. Sie vermitteln Saisonarbeit, dafür kassieren sie einen Teil des Lohns. 4-5 Dollar verdienen die Menschen am Tag in der Landwirtschaft. 1-2Dollar davon gehören dem Schawis. Es sind vor allem die Frauen, die raus müssen zur Arbeit. Auch der kleine Lagerladen gehört dem Schawis, hier gibt es Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel.

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Unser Besuch ist eine willkommene Abwechslung für die Kinder

Mit diesem neuen Wissen fahren wir zum ersten Lager. Als wir ankommen bildet sich innerhalb von Sekunden eine Traube von Kindern. Da stehen wir nun, mitten unter ihnen. In einem Lager mit Zelten aus Plastikplanen über die Stromleitungen laufen. Die Wege dazwischen staubig. Ein Vertreter des Schawis kommt. Wir setzen uns mit ihm zusammen, stellen Fragen über Fragen. Ein Caritasmitarbeiter übersetzt.

Die größte Sorge der Menschen hier ist, wie sie sich auf den Winter vorbereiten können. In der Bekaa-Ebene kann es bis zu minus 10 Grad haben. Sie brauchen Decken, warme Kleidung, kleine Öfen und Heizmaterial.
Im Zelt einer Familie


Wir dürfen uns ein Zelt anschauen. Es ist kein gutes Gefühl, ich fühle mich unwohl. Frauen und Kinder sitzen am Boden. Ich gehe wieder raus. Ein Junge folgt mir. Er nimmt mich an der Hand und sagt „mutfak.“ Das verstehe ich. „Küche“ Das Zelt hat Nebenzelte. Zwei Schlafräume, ein kleiner Waschraum. Eine Miniküche. Stolz zeigt er mir den Kühlschrank, der nicht funktioniert. Darin sind Essen und ein paar Medikamente. Für Grippe erklärt er mir. Ich gebe ihm zu verstehen, dass er ein sehr höflicher und gastfreundlicher Junge ist.

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Freundlich verabschieden uns die Kinder – es gibt auch einen Luftkuss

Wir verlassen das Lager nicht ohne noch viele Bilder mit den Kindern gemacht zu haben. Jedes von ihnen will auf jedes Bild.

Keine Gebetsräume in den Flüchtlingslagern

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Der Gehilfe des Schawis führt uns durch das Lager

Das zweite Lager ist wesentlich schlechter. Es gibt nicht für jeden Strom. Das Wasser muss beim Wasserlastwagen gekauft werden, der jeden Tag vorbei kommt. Auch hier gehen wir mit dem Gehilfen des Schawis durchs Lager. Aus einem Lautsprecher tönen religiöse Gesänge. Es ist eines der ganz wenigen Lager, das auch einen kleinen Gebetsplatz hat. Das ist den guten Beziehungen des Schawis zu den Behörden geschuldet. Ansonsten verbietet der libanesische Staat Gebetsräume und kleine Moscheen, sie fürchten die Freitagspredigten, die die Menschen radikalisieren könnten. Oft werden informelle Lager auch um einige hundert Meter verlegt, weil die Armeeposten in der Nähe angegriffen werden könnten. Auch dieses Lager wurde verlegt.

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Wie ist es erst bei Regen hier im Flüchtlingslager?

Die Wege zwischen den Zelten sind uneben. Vor manchen Zelten steht eine Feuerschale, hier wird Wasser erhitzt. Bei einer unbeaufsichtigten Feuerstelle liegen glühende Kartonteile herum. Der Gehilfe schreit die Menschen aus dem Zelt heraus, deutet auf die glühenden Kartons, zertritt sie energisch. Es ist ein größeres Lager.

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Ein Schluck Kaffee für alle – Gastfreundschaft auch in größer Armut

Wir werden ins Empfangszelt gebeten und bekommen einen Kaffee serviert. Der Schawis-Helfer schenkt abwechselnd in zwei Tassen je einen kleinen Schluck starken Kaffees ein. Diese Zeremonie kenne ich aus der Südosttürkei. Und wieder stellen wir viele Fragen. „Möchten Sie weg aus dem Libanon? Nach Europa?“ Seine Antwort verblüfft uns:“Ich hätte für die ganze Familie eine Ausreise der UNHCR für Kanada bekommen. Ich, meine Frau und die 13 Kinder. Das wollte ich nicht. Dort habe ich keine Kontrolle über meine Familie. Mein Cousin ist schon dort. Er musste in Kanada für vier Tage ins Gefängnis, weil er eines seiner Kinder geschlagen hat.“

„Die Hoffnung, dass es besser wird, treibt uns an. Jeden Tag!“

Es wird uns klar, dass die Menschen sich auf längere Zeit im Libanon einrichten. Ihr Leben ist davon bestimmt, das Überleben für den nächsten Tag zu sichern. Die Caritas unterstützt in diesem Lager vor allem die Kinder, sie sorgt für den Transport in verschiedene Schulen, wo Flüchtlingskinder Unterricht bekommen. Dazu gibt es Nahrungsmittelspenden und manchmal eine kleine Geldsumme für die Familien.

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Stolz zeigt das kleine Mädchen ihr Bild in einer Publikation der Caritas Salzburg. Mit Hilfe von Spenden aus Salzburg kann sie eine Schule besuchen.

Ohne die Hilfsorganisationen wäre ein Überleben für den Großteil der Flüchtlinge nicht möglich. Sie sorgen dafür, dass es eine fragile Stabilität gibt. Ansonsten würde im Libanon das Chaos ausbrechen.

Wir haben zwei Lager gesehen von unzähligen, die es in der Bekaa-Ebene gibt. Mir wird klar, dass hier auch ein Teil der Zukunft Europas bestimmt wird. Wenn der Libanon zusammenbricht, dann steht Europa vor einer Herausforderung, die das Jahr 2015 nur als kleines Vorspiel erscheinen lässt. Es liegt auch in unserer Hand, dies zu verhindern. Oder um es mit den Worten eines Caritasmitarbeiters zu sagen: „Die Hoffnung, dass es besser wird, treibt uns an. Jeden Tag!“

Wir sollten alle unseren Beitrag leisten, dass der Funken der Hoffnung weiterglüht.

Vorbereitet war ich auf diese Reise in den Libanon, mit altem Wissen, mit Internetrecherche und Filmen. Mit Bildern im Kopf. Aber dann ist es doch ganz anders als erwartet.

Die Fahrt vom Beiruter Flughafen ins Zentrum der Stadt erinnerte mich an vielen Stellen an Istanbul vor 20 Jahren. Hochhäuser, Bauruinen, viele Kräne, Müll an den Straßenrändern. Zwischen den hohen Häusern immer wieder notdürftig erbaute Hütten. Glitzernde Geschäfte, dann wieder Verschläge, wo jemand Autoreifen oder Gemüse verkauft. Armut, überzuckert mit Handywerbung.

Beirut Zentrum

Beirut – das fast menschenleere Zentrum

Im Zentrum meinte unsere Gastgeberin, Marie Ghia, beginnen wir mit einem Kaffee in einem schönem Lokal: “ Die anderen Seiten des Libanon seht ihr die nächsten Tage noch oft genug.“

Beirut Zentrum

Beirut: Römische Ausgrabungen zwischen Moschee und Kirchen

Beim anschließenden Rundgang durch das Zentrum folgt einem auf Schritt und Tritt die Geschichte. Die ganz alte mit römischen Ausgrabungen und die jüngste mit dem Grab des ermordeten Präsidenten Hariri und seinen Leibwächtern. Stefan Maier, Projektkoordinator der Caritas, erzählte von den Archiologen, die die Zerstörungen des Krieges nutzen, um das ganz alte Beirut sichtbar zu machen.

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Wenn das mal hält! Römische Ausgrabungen in Beirut

Die große Ausgrabung aus der Römerzeit befindet sich zwischen Moschee, Kirchen und dem Parlament. Sie gleicht einer ungesicherten Baustelle, ich habe das Gefühl, dass die gelagerten Platten, Steine und Werkzeuge jederzeit wieder einstürzen können.

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Das Grab des ermordeten Präsidenten Hariri in Beirut

Immer wieder lautes Glockengeläut. Bei mehr als zehn christlichen Konfessionen mit je eigenen Kirchen kein Wunder. Dazwischen ruft der Muezzin. Wir sehen fast keine anderen Menschen, für ein Stadtzentrum ist das gespenstisch. Beim Grab des Präsidenten Hariri neben dem zentralen Platz sind wir ganz alleine. Trotz des Militärs, deren Posten, die wichtigen Gebäude sichern, habe ich nie ein Gefühl der Unsicherheit. Das liegt sicher auch daran, dass einem ständig die dicksten Wägen von Porsche, Toyota, Mercedes und BMW unterkommen. Mit so einem teuren Auto sprengt sich wohl keiner in die Luft, geht es mir durch den Kopf. Aber nicht nur die Autos sind dick in Beirut, auch die Lippen der Frauen. Was dem libanesischen Mann sein Auto, ist der libanesischen Frau ihr Aussehen. Große Augen, schmale Nase, dicke sexy Oberlippe, perfekter Body. Auto wie Körper dürften nicht so billig zu bekommen sein. Für mich schauen alle SUVs und alle Lippen gleich aus.

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Die katholisch-orthodoxe Kirche hoch über Beirut

Wir fahren weiter zu einer katholisch-orthodoxen Kirche hoch über Beirut und passieren dabei einige christliche Patriarchate, armenisch orthodox, griechisch katholisch und andere, ich bin schon ganz durcheinander. Dort kann ich eine Kerze anzünden und kurz innehalten.

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Die Wallfahrt zur Maria vom Libanon ist beliebt

Weiter geht es zu einem Marienheiligtum in Harissa. Die Statue schaut über Beirut aufs Meer hinaus. Es sind viele Menschen da, um zu beten oder auch nur den Ausblick zu genießen.

Dann fahren wir die Berge hinauf, bis wir in Broumanna ankommen. Luftkurort Beiruts. Und ein Sitz der Barmherzigen Schwestern. Dort wohnen wir, in einem alten drusischen Palast. Gemeinsam mit den Kindern von St. Vincent und den Schwestern.

Der Libanon hat uns gut aufgenommen.

Konnten nach der sexuellen Revolution noch Tabus gebrochen werden? Ja – das Bühnen-Musical The Rocky Horror Show bewies das Anfang der 70er Jahre. Männer in Frauenkleidern gab es auf Bühnen und in Filmen zwar immer – doch nur in harmlosen Verwechslungskomödien. Ein sexuell aktiver bisexueller Transvestit war allerdings eine völlig neue Kategorie. Dennoch erreichte diese Art Provokation eine sehr breite Masse. The Rocky Horror Picture Show von 1975 ist daher sowohl für die Babyboomer-Generation sowie für die Generation X ewiger Kult. Egal wie schlecht andere Filme mit Tim Curry sind – er wird für Rocky Horror-Fans der einzig wahre laszive, anziehend-abstoßende Dr. Frank-N-Furter bleiben.

Der Fernsehsender Fox hat dieses Jahr eine Neuauflage des Klassikers gewagt. Warum auch nicht?

Transsexuell vs Transvestit

Was könnte die Neuauflage also Neues bieten? Hauptsächlich Laverne Cox – sie ist die erste offen lebende transsexuelle Darstellerin und LGBT-Aktivistin, die einem breiteren Publikum bekannt ist – und zwar aus der hocherfolgreichen Netflix-Serie Orange Is The New Black [Anm.: empfehlenswert]. Kann die Neuauflage der Rocky Horror Picture Show mit Laverne Cox in der Hauptrolle provozieren? Ich hatte mich auf den Fernsehabend gefreut. Doch schon nach den ersten Minuten stellte ich fest: Hier wirkt nichts frisch, frech oder auch nur annähernd anrüchig oder provokant. Alleine der Frank-N-Furter-Look ist nicht mit dem von Tim Curry zu vergleichen – das skurrile Make-up und das trashige Outfit haben viel zum Kult-Status der Figur beigetragen. Und, sorry, Ms Cox: I did not „shiver with antici… … … … [oh well – say it already, dammit] …pation“. Niemand wird an dieser Stelle Tim Curry je das Wasser reichen können.

Transsexualität könnte für Rocky Horror durchaus als Steigerung zu Transvestismus angesehen werden und zu einer geeigneten Adaption des Stoffs für die heutige Zeit anregen. Warum ist das nicht passiert? Seit den 70er Jahren sind viele Tabus gebrochen worden. Cross-Dresser oder Trans-Personen führen heute viel öfter kein verstecktes Leben mehr und sind längst auch in unserer alltäglichen Wahrnehmung angekommen. Das große Manko bei Laverne Cox war letztlich, dass sie durch und durch die Frau spielt, die sie heute auch tatsächlich ist. Ich meine damit, dass ihr Frank-N-Furter es an Ambivalenz fehlt. Sie setzt in der Rolle zwar auch ihre männliche Stimme ein, doch äußerlich dringt kein Fünkchen einer männlichen Ausstrahlung durch. Kostüm und Makeup lassen das nicht zu – anders als in Orange Is The New Black, wo ihr Gesicht nicht völlig hochglanzlackiert ist. Wo in Rocky Horror das Kostüm die richtigen Stellen quetscht und puscht, verrät ihr Gefängnisoutfit in Orange trotz der Brüste noch verbliebene Hinweise ihres biologischen Geschlechts, wie Taille oder Schultern. Die Kostüm- und Maskenbildner der Rocky Horror-Neuauflage haben es einfach zu gut gemeint.

[Seht euch hier den Trailer an oder scrollt runter und lest weiter]

 

Colour Boosting vs Talent

The Rocky Horror Picture Show – Let’s Do The Time Warp Again hätte dennoch noch ein unterhaltsamer Film werden können. Woran es fehlte, war sexuelle Spannung. Das liegt nicht nur an Laverne Cox‘ Darstellung von Dr. Frank-N-Furter. Das dröge Paar Brad und Janet wird mit einer neuen Welt und einer völlig anderen Lebensart konfrontiert, die beiden machen neue, aufregende sexuelle Erfahrungen und bleiben am Ende doch farblos und uninteressant. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Ach ja, von wem wurden Brad und Janet in der modernen Fassung nochmal gespielt? Egal, es werden keine Weltkarrieren daraus werden, wie seinerzeit die von Susan Sarandon.

Der Tiefpunkt bei den Besetzungen war für mich Reeve Carney als Riff Raff ohne Buckel. Ok, Buckel ist nicht notwendig, aber Riff Raff ist als Charakter ein verschlagener, abstoßender Kretin. Reeve Carney ist geschminkt und trägt Perücke, bleibt aber fade und uncharismatisch, wie immer. Er bringt nichts davon mit, wodurch er als gruseliger Widerling überzeugen könnte.

Einzige Überraschung: Adam Lambert als Eddie! Wer hätte das gedacht? Eine Rolle anzunehmen, die vor ihm Meat Loaf mit viel Körper- und Stimmvolumen ausgefüllt hat, war mutig. Doch Adam Lambert hat die Show für ein paar Minuten so richtig gerockt und zeigte außerdem, dass in ihm ein richtiger Comedian steckt.

Zu Tim Currys Rolle als Erzähler möchte ich nicht viel sagen. Nur so viel: Jeder muss sein Geld verdienen, daher verstehe ich, weshalb er sich für das Projekt zur Verfügung gestellt hat. Er soll uns allen aber lieber als Frank-N-Furter in Erinnerung bleiben.

Whatever happened to Fay Who?

Bleibt noch ein Thema. The Rocky Horror Picture Show ist auch eine nostalgische Hommage an die klassischen Horror B-Movies der 1930er bis 50er Jahre. Waren diese in den 70er und 80er Jahren noch fixer Bestandteil des Fernsehprogramms, hat ein junges Publikum von heute keinen Bezug mehr dazu. Schon allein deshalb ist die Neuauflage der Rocky Horror Picture Show völlig aus der Zeit gefallen. Und seien wir ehrlich: Bei allem Kult. Wenn man heute die Ur-Version der Rocky Horror Picture Show ansieht, dann tut man es ebenfalls aus purer Nostalgie. Eine nostalgische Hommage an diesen Klassiker aus den 1970er Jahren wäre im Jahr 2016 sicher interessanter gewesen.

 

The Rocky Horror Picture Show – Let’s Do The Time Warp Again (2016) lief in den USA am 20. Oktober 2016 auf Fox

Meine Bewertung auf IMDB: 4 Punkte
Insgesamt hat diese Neuauflage des kultigen Rocky Horror Musicals nicht viel mehr zu bieten als aktuell bekanntere Gesichter und sattere Farben, damit die bunten Kostüme und Make-ups gut rüberkommen. Es fehlt die Seele.

Heute früh drehte ich eine Runde in der Stadt, damit ich meinen Schrittzähler beschäftige. Ich weiß nicht bei wie vielen Plakaten ich schon vorbei gekommen war ohne bewusst auf die verschiedenen Werbungen hinzusehen. Bis mir das Plakat der Caritas in die Augen sprang:

Das Wir ist größer als das Ich und die Liebe ist größer als der Hass

Bumm. Das hat gesessen. Einen Tag vor meiner Reise mit der Caritas in den Libanon. Stimmt das, was die Caritas hier plakatiert? Sofort fallen mir die aktuellen Bilder ein, die die letzten Wochen die Nachrichten bestimmen. Das syrische Aleppo ist unter Dauerbeschuss. Da ist kein Wir und auch keine Liebe. Das ist Krieg, Blut, Tränen, Gewalt und Tod. Aber es braucht keinen Krieg. Denn wenn ich so manche Online-Kommentare zu Nachrichten über Flüchtlinge lese, merke ich wenig von einem Miteinander. Da herrschen oft nur Egoismus und blanker Hass.

Wo sind Liebe und das Wir?

Sie sind da, aber wir schauen viel zu wenig hin, weil wir dem Negativen und dem Schlechten einfach zu viel Platz in unserem Alltag und in unserem Leben einräumen.  Wir müssen uns viel mehr für das Positive öffnen, unsere Augen, unsere Ohren und unser Herz. Und uns einsetzen für andere. Da sein, Hoffnung geben, zuhören, unter die Arme greifen. Dann ist der Hass wirklich viel kleiner als die Liebe und das Wir größer als das Ich.

So heißt ein wunderbarer, wohlriechender Männerduft von Chanel. Den meine ich aber nicht in meinem kleinen Beitrag. Ich meine schon die Menschen, die einfach nur egoistisch sind.

Wenn das Wetter passt, roll ich mit meinem neuen, Glaciersilberfarbenen Rollwagerl außer Haus. Meist zum Training ins Fitnessstudio oder einfach nur zum Einholen oder in die Stadt zum Leuteschauen.

Wohlgelaunt rolle ich aus der Wohnungstür. Zuvor geb ich meist meinem Saugroboter namens Reckless das Kommando „Fass“, damit ich ein sauberes Parkett vorfinde, wenn ich nach des Tages Mühen nach Hause komme. Von meinem Mitbewohner in der schattigen Pinie hab ich unlängst berichtet. Er fährt einfach bewusst schwarz. Sollen doch die anderen zahlenden Fahrgäste den Betrieb finanzieren.

Rollstuhl vor Kinderwagen – ist leider so

Rollstuhl vor Kinderwagen – ist leider so

Aber besagter Zausel ist nicht der Einzige, der einem Rollifahrer die Laune vermiesen kann. Mir kommt vor, dass Mütter mit Kinderwagen in der Hierarchie ganz oben stehen. So auch heute. Ich kam gerade noch pünktlich zur Haltestelle. Unter den verschiedensten Wartenden stand auch eine junge Mutter mit Kinderwagerl. Der 28er Bus fährt vor, ich winke wie immer und der Bus bleibt auf Höhe der Rollstuhlrampe vor mir stehen. Die Türen gehen auf und bis der Fahrer kommt, möchte besagte Mutter mit dem Kinderwagerl schon rein, obwohl sie sieht, dass ich davor stehe und die Stellfläche sehr klein ist. Erst auf meinen Hinweis hin, dass ich doch bitte zuvor rein möchte und muss, zog sie mit finsterer Mine ihren Kinderwagen zurück. Durch die kleine Stellfläche passt nur der Rollstuhl hin, dieser Platz ist für Rollstuhlfahrer reserviert. Auch deshalb, weil man sich dort an Bügeln festhalten oder auch anschnallen kann. Mit einem Kinderwagen muss man sich leider im Durchgang platzieren. Wäre die Mutter samt Kinderwagen vor mir rein, hätte sie wieder raus müssen, damit mich der Fahrer reinschieben kann. Dann wäre nicht nur ihre Laune mies, sondern auch die vom Fahrer, weil ihm dadurch noch mehr Zeit verloren geht. Ich weiß, man sitzt nur im Rollstuhl, damit man anderen auf die Nerven gehen kann und viel Platz in den Öffis braucht. Ich mag nicht immer erst diskutieren müssen, warum ich zuerst in den Wagen muss.

Überquellende Eimer für Papierhandtücher – auch das müsste nicht sein

Überquellende Eimer für Papierhandtücher – auch das müsste nicht sein

Meine Erlebnisse im Bus könnte ich hier auf zartbitter in mindestens 12 Kapitel niederschreiben, ähnlich wie schon meine Krankheitsgeschichte hier drinnen unter dem Titel [Lest hier Teil 1 von „Die Leiden des jungen Christian N.“ ] Wie schon erwähnt, roll ich meist zwecks Training außer Haus. So auch heute. Das Training verlief gut, man kann sogar von sehr gut sprechen. Nach getaner Körperarbeit roll ich zuerst zum Computer, der zeigt mir meine Trainingsleistung auf. Danach in die Umkleide. Angezogen und dezent umgesehen (nach unverhüllten – ach ich sag’s direkt – nackigen, trainierten Körpern) zwecks Inspiration, rolle ich vorm endgültigen Auschecken noch zur Herrenkeramik, um meine gepflegten Handerl gründlich zu waschen. Und jedes Mal ist es dasselbe: der Mülleimer für die Papiertücher nach dem Händewaschen quillt über. Gut, viele gehen nach dem Lulu direkt ohne Händewaschen raus, aber einige waschen sich die Bratzerl doch. Soweit brav. Nur: Warum haben scheinbar alle Ekel davor, die benützten Tücher direkt und tief in den Eimer zu stecken? Sind da wilde Tiere drin? Der erste fängt an mit dem Tücherl einfach auf den Behälter fallen zu lassen und die paar Hansel danach machen es auch so. Nach kurzer Zeit sieht es furchtbar aus. Aber gemeckert wird gleich, wenn es so aussieht. Die Perle kann auch nicht im Viertelstunden-Rhythmus in die Herrenkeramik staksen und die Papiertücher runterdrücken. Typisch selbstgerechte Egoisten. Sollen es doch die anderen machen.

Falschparker am Behindertenparkplatz – ein besonderes Ärgernis. Vor allem, wenn man dann noch beschimpft wird

Falschparker am Behindertenparkplatz – ein besonderes Ärgernis. Vor allem, wenn man dann noch beschimpft wird

Dass ich mich bei JEDEM Besuch im Studio über Falschparker ärgern muss, die davor unberechtigt auf den Behindertenparkplätzen parken, muss ich nicht mehr erwähnen. Ab und an kann man manchen Mitmenschen ein schlechtes Gewissen abringen, in der Hoffnung, dass sie es zukünftig nicht mehr machen. Meine bisher schlimmsten Erlebnisse hierbei waren im letzten Jahr ein deutscher Geländewagenfahrer, der halb auf dem Fußgängerweg und halb auf dem Behindertenplatz stand. Er stieg mit seinen zwei Kindern aus, ging die Treppe rauf und wollte ins Geschäft. Ich sprach ihn freundlich, aber bestimmt an, dass es die angebrachten Verbotsschilder wohl auch in Deutschland gibt. Daraufhin brüllte er sofort los und drohte mir Prügel an, wenn ich mich nicht um meine Angelegenheiten kümmere. Ein tolles Vorbild für die Kinder. Und vor nicht langer Zeit eine äußerst ordinäre Person, die mir beim Wegfahren den Stinkefinger zeigte. Über dieses Weibsstück berichtete ich letztens [lest hier den Bericht].

Warum sind viele Menschen so? Ich verstehe es nicht. In unseren Breitengraden geht es uns doch gut. Ich weiß, jeder hat sein Packerl zu tragen. Aber wenn jeder ein bisserl auf andere schaut, dann geht’s allen gleich besser.