Modelleisenbahn oshowski

Ein Beitrag von unserem Gastautor Andreas Oshowski:

Die Osterzeit ist die einzige Zeit im Berchtesgadener Land, in der ich mit meinen Jungs die Märklin-Modelleisenbahn aufbauen kann. Ansonsten stehen Skifahren (beim Skiklub Berchtesgaden), Fußballspielen (beim TSV Berchtesgaden), Bergtouren (mit der Katholischen Männerbewegung Salzburg) und ab und zu auch Schule im Vordergrund.

Jetzt haben wir die Gelegenheit wieder genutzt und um eines der beiden Kinderzimmer mit ca. 15 Meter Schienenstrang, dreizehn Weichen, drei Lokomotiven, dreißig Waggons und zwei Bahnhöfen vollzustopfen; sehr zur ‚Freude‘ meiner Frau, die nun (wenn Sie überhaupt noch in dieses Kinderzimmer will) intensive Balancierübungen verrichtet zwischen Güterbahnhof und Abstellgleisen, zwischen Bahnhofshalle und Lokschuppen. Dabei hätten wir ja noch viel mehr zu bieten; ca zwei Drittel der Modellbahnanlage ist noch in Kisten und Kartons verstaut. Wir könnten also auch das zweite Kinderzimmer noch voll Eisenbahn bauen und den Flur und das Wohnzimmer und… Das würde dann wohl das komplette Familienleben inklusive Ehe zum Balanceakt werden lassen.

Die Modelleisenbahn hat mein verstorbener Vater angefangen aufzubauen. Von seinem ersten Lehrlingsgehalt hat er sich im Jahr 1953 einen Schienenkreis, drei Waggons und eine Dampflok gekauft (die Lok fährt heute noch!). Er war selbst Eisenbahner auf einem Stahlwerk. Und so ranken sich viele Geschichten um die Modelleisenbahn, zu jeder Lokomotive gibt es mehrere Erzählungen und schließlich ist schon meine Mutter (also die Großmutter meiner Söhne) durch die Zimmer balanciert.

Einer meiner Söhne fing am zweiten Tag nach dem Aufbau der Modelleisenbahn fürchterlich an zu weinen. Auf unsere Frage hin, was denn geschehen sei, antwortete er, es sei so schlimm, dass er nicht mit Oma und Opa, die zwei Jahre vor seiner Geburt gestorben sind, Eisenbahn spielen kann. Haben wir zu viele Geschichten erzählt? Die Traurigkeit meines Sohnes ist keine gespielte, keine Show. Es ist unseres Erachtens die tief empfundene Trauer eines Kindes, das sich nach seinen Großeltern sehnt, die es nur von Bildern kennt und von denen es ahnt, dass es wundervoll liebende Menschen gewesen sein müssen.

Jetzt steht ein Bild von Oma und Opa zwischen Hauptbahnhof und Bahnhofskiosk und die Züge fahren Ostern entgegen…

 

Berta 1Berta Wagner, 48 Jahre, gelernte Bürokauffrau und studierte Wirtschaftswissenschaftlerin ist leidenschaftliche Sängerin beim Salzburger Volksliedchor

Zartbitter: Berta, du singst für dein Leben gern im Chor. Wie ist es dazu gekommen?

Berta: Mit 5 Jahren habe ich mein erstes Instrument, eine Melodika, gelernt, dann Klavier und Kirchenorgel. So bin ich dann zur Kirchenmusik gekommen. Ich habe dann im Kirchenmusikverein in Schwanenstadt gesungen. Als ich dann nach Salzburg übersiedelt bin, habe ich einen Chor gesucht und bin beim Salzburger Volksliedchor gelandet.

Zartbitter: Was macht das Singen im Chor so besonders?

Berta: Es ist die Gemeinschaft. Die Mitglieder sind aus verschiedensten Kulturen. Die Vielfalt der Sängerinnen, Sänger und der Lieder spricht mich an.

Zartbitter: Was macht das Singen mit dir als Person?

Berta: Es ist Entspannung, Freude, Emotion. Und es sind die Freundschaften und das musikalische Erleben.

Zartbitter: Hast du einen Lieblingssong?

Berta: Ja, von Dietrich Bonhoeffer das Lied „Von guten Mächten“. Das Umfeld, in dem der Text entstanden ist, ist sehr aussagekräftig und passt auch in unsere Zeit.

Zartbitter: Wird heute eigentlich zu wenig gesungen?

Berta: Ja, weil in den Familien nicht mehr gesungen wird. Die Kinder lernen es nicht mehr, obwohl sie es brauchen würden. Der Zugang zum Singen fehlt. Ich wünsche mir, dass das Singen täglicher Bestandteil des Unterrichts ist.

Zartbitter: Hörst du auch Popmusik?

Berta: Natürlich von Elton John bis Heavy Metal. Ich bin in jeder Musikrichtung zu Hause, aber besonders in der Klassik, damit bin ich aufgewachsen.

Zartbitter: Danke Berta. Wir wünschen dir noch viel Freude beim Singen und dass sich deine Begeisterung auf andere überträgt.

Mehr über den Chor hier:  http://www.salzburgervolksliedchor.at/

Und unter diesem Link findet ihr Bertas Lieblingslied, gesungen vom Salzburger Volksliedchor: http://www.salzburgervolksliedchor.at/jubilaeums-cd/

Sofa

Heimkino: Zusammenrücken und Filme genießen

Heimkino. Unter diesem Titel trifft sich hier in Salzburg eine Gruppe von 15 bis 20 Leuten einmal im Monat zum gemeinsamen Filmschauen. Ich kann das nur zur Nachahmung empfehlen.

Der Zirkel der Geladenen beim Heimkino ist recht exklusiv. Ich bin ganz stolz, dass ich mit dabei sein darf. Das heißt: Druck. Ich will ja nicht gleich wieder ausgeladen werden.
Schon beim ersten Mal war ich denkbar knapp dran. Haus nicht gleich gefunden … peinlich. Heute hetze ich eine Viertelstunde zu spät hin, mit einem halb sitzengebliebenen Joghurt-Zitronen-Gugelhupf unterm Arm. Ich hatte das Gefühl, ich sollte was mitbringen. Auch wenn die Initiatorin, die mich auch eingeladen hat, eine Kundin von mir ist, so ist das Ganze doch recht privat. (Und nebenbei: Sitzengeblieben oder nicht – das Backwerk wurde nicht nur höflichkeitshalber gelobt, sondern auch vollständig verputzt).

Aber zurück zum Filmabend. Unsere Location ist ein Künstleratelier. Zugegeben, nicht jeder verfügt über so etwas. Aber mit einem mittelgroßen Wohnzimmer und etwas Willen zum etwas engeren Auffädeln auf Sofas und Auf-dem-Boden-Sitzen (Kissen drunter und passt schon) kann man das auch zu Hause organisieren. Wer einen Beamer oder großen Fernseher besitzt, sollte diesen sowieso seinen Freunden und Bekannten stolz vorführen wollen. In den 80er Jahren gab‘s bei uns in Salzburg Kinos mit kleinerer Leinwand als das, was man da heute so im Wohnzimmer als Fernseher stehen hat.

Also, Beamer und Lautsprecher stehen am Freitagabend im Atelier bereit, projiziert wird auf eine große, weiße Wand. Die ausgewählten Filme sind alt, da spielt es keine Rolle, dass die Wand nicht die Schärfe einer Leinwand bringt. Beim ersten Treffen gab es Vive la Vie von Claude Lelouche aus dem Jahr 1984 und heute war es Vertigo von Alfred Hitchcock aus 1958. Hochauflösend war weder in den 80ern noch in den 50ern eine relevante Kategorie. Genauso wenig wie Dolby 9.1.

gwtw

Vielleicht auch mal dieser Klassiker

Alte Filme als Programm? Ist doch fad. Nein, ganz im Gegenteil. Interessant ist, dass man in so einer Runde Filme recht konzentriert und interessiert anschaut, bei denen man alleine vorm Fernseher nach spätestens 20 Minuten wegzappen würde. Vive la Vie ist sehr statisch und heute etwas seltsam zu schauen. Typisch französischer 80er Jahre Film – besser kann ich das momentan nicht erklären. Der Kalte Krieg war frostig wie eh und je und es ging eine Angst vor einem Atomkrieg um die Welt. Der Film hatte hierzu eine Friedensbotschaft – oder so schien es zuerst. Verschiedenste Ebenen wurden dann gegen Ende des Films nach und nach freigelegt und die Geschichte wurde dann doch verstörend. Ganz clever konstruiert; vielleicht wollte er aber letztendlich ein bissl zu clever sein.

Vertigo hingegen ist ein Klassiker. Aber als Film ist er schon sehr weit von heutigen Sehgewohnheiten entfernt. Vieles wirkt schwerfällig und bei den schmalzigen Kuss-Szenen mit mal aufbrausendem, mal triefendem Geigensound fängt fast die ganze Runde zu prusten an. Die Reaktion ist erfrischend und stört niemanden. Wer kichert schon alleine vorm Fernseher vor sich hin, wenn alte Filme für heutige Begriffe unfreiwillig komisch werden? Aber sonst ist eines klar: Klappe halten. Diskutiert und kommentiert wird nach dem Film.

Und das hört sich dann so an: „Die Kim Novak ist doch heute schon recht alt und mit einem adoptierten Schaumburg-Lippe zusammen. Echt? Aber nicht von dem Zweig, der auch in Salzburg wohnt, oder? Haben die nicht jedes Jahr einen ganz tollen Flohmarktverkauf? Ja genau.“ Da muss ich dann schmunzeln, dass hier in dieser Runde, wo sich Bildung und Intellekt nur so stapeln, auch solche Klatsch-Gespräche stattfinden. Es wird dann aber schon noch auch über den Film selbst geredet. Einzelne Szenen, Hintergrundgeschichten, Bedeutungen … und die komisch-schmalzigen Kuss-Szenen. Wie oft macht man das sonst? Mit dem eigenen Partner oder der Familie nach dem Abendfilm? Eher nicht. Da heißt es höchstens: Heute war aber den ganzen Abend wieder überhaupt nix Gescheites im Fernsehen. Unsere Filmvorschläge für die nächsten, monatlichen Filmabende würden reichen, um das Programm bis 2018 abzudecken.

Kuchen 1

Ich kann nur empfehlen, dass mehr Leute solche Runden bilden. Man lernt Leute kennen, schaut Filme, die man sonst nicht sehen würde – entweder weil sie älter oder nicht gerade Blockbuster-Filme sind. Anschließend ergeben sich echt interessante und lustige Gespräche über den Film samt eingestreutem Promi-Klatsch. Und es wird auch der sitzengebliebene Kuchen gelobt. Selbst habe ich mich mehr an den Dipps der anderen schadlos gehalten.

Es war wieder ein gelungener Abend und ich freu mich auf den nächsten im Mai. Da gibt es dann City of God zu sehen.

 

Vor kurzem hab ich einen wunderbaren Film gesehen, über den ich unbedingt berichten möchte. So einen Film sieht man nämlich nicht alle Tage. Und das sollte man vielleicht auch gar nicht. Denn, wenn man Filme wie diesen nur alle Nasen lang sieht, behalten sie ihren märchenhaften Zauber. Wes Anderson macht alle Nasen lang so einen Film. Großartig.

hotelThe Grand Budapest Hotel ist von den Novellen und Romanen Stefan Zweigs inspiriert. Das ist ungewöhnlich. Nämlich auch deswegen, weil Wes Anderson sich nicht einer bestimmten Geschichte des österreichischen Autors bedient. Es ist zwar lange her, seit ich zuletzt einen Roman von Stefan Zweig gelesen habe – in der Schulzeit, also seeehr, seeehr lange – aber ich habe trotzdem das Gefühl, er wäre mit der Hommage des amerikanischen Regisseurs zufrieden gewesen. Zugegebenermaßen dachte im beim Zuschauen sogar ein wenig mehr an einen anderen berühmten österreichischen Autor: Alexander Lernet-Holenia.

Im fiktiven Land Zubrovka, in fiktionalen 1930er Jahren, steht das Grand Budapest Hotel wie ein absurd riesiger, unförmiger Art-Deco-Klotz in Zuckerlrosa auf einem Berg. Es haftet ihm der Glanz imperialer Zeiten an. Das Hotel ist mit einer Zahnradbahn zu erreichen, die auf abenteuerlich steilen Schienen den fast vertikalen Felsen hochfährt. Der Besitzer des Hotels ist unbekannt, aber einer hat die absolute Kontrolle über alles, was in der luxuriösen Herberge geschieht: der köstliche Monsieur Gustave [Ralf Fiennes], seines Zeichens Concierge des Hauses. Er ist Herr über alle Mitarbeiter und behandelt sie streng. Beim Mittagessen belehrt er sie von einem Rednerpult aus. Jede berufliche Verfehlung der Hotelangestellten prangert er an, als wäre diese ein Verrat an ihm höchstpersönlich. Danach liest er den eben noch gescholtenen Mitarbeitern Liebes-Lyrik vor – während diese gierig und ohne zuzuhören ihr Essen hinunterschlingen. Den Pagen behandelt er einerseits wie seinen persönlichen Lakaien, andererseits betrachtet er ihn als seinen Protegé. Die Gäste lieben Monsieur Gustave, besonders die weiblichen. Alle Damen von hohem Stand und (Geld-)Adel sind ihm verfallen, beglückt er sie doch bis ins hohe Alter mit Diensten, die nicht seiner Stellenbeschreibung entsprechen dürften. Als eine der Damen [Tilda Swinton] stirbt, vermacht sie ihm ein Bild von unschätzbarem Wert – zum großen Missfallen ihrer hässlichen Töchter und sinistren Söhne. Kurz darauf wird Monsieur Gustave des Mordes an der alten Dame verhaftet.

stefan zweigDer ganze Film dreht sich um Monsieur Gustave. Er ist eine schillernde Figur, die fasziniert. Anfangs nur ein etwas aufgeblasener, parfümierter, leicht schmieriger Charmeur, bietet er den Schergen des neuen, strengen Militärregimes, dessen ZZ Flaggen bald das ganze Hotel zieren sollen, mit Vehemenz die Stirn, um seinen Pagen, einen Kriegsflüchtling aus einem arabischen (Fantasie-)Land, tapfer zu beschützen. Auch als er dafür harte Schläge einstecken muss, gibt er nicht nach. Mir blieb vor Überraschung darüber der Mund offen stehen.

Monsieur Gustave ist ein Charakter, der selbst in diesen, hier natürlich nicht akkurat gezeigten, 30er Jahren als ein Anachronismus gelten musste, ist er doch die Verkörperung der Diszipliniertheit eines k. u. k.-Offiziers des 19. Jahrhunderts. Ich hatte beim Zuschauen ein richtiggehend schlechtes Gewissen, als mir bewusst wurde, dass ich ihn wegen seiner Beziehungen zu den reichen Damen zu rasch als unmoralisch, opportunistisch und wegen seines Verhaltens gegenüber den Hotelangestellten als selbstgefällig schubladisiert hatte. Er belohnt die bedingungslose Hingabe, die er anderen abverlangt, indem er die seine dafür anbietet. Außerdem merkt man im Laufe des Films, dass seine Liebe zur Lyrik echt und tief empfunden ist und dass sie nicht nur dazu dient, die ihm unterstellten Mitarbeiter zu quälen. Er ist ein grenzenloser Romantiker, der obendrein mit einem an Naivität grenzendem Optimismus davon überzeugt ist, dass am Ende das Gute und Gerechte sich durchsetzt. Und weil Monsieur Gustave sich obendrein noch als Abenteurer und Draufgänger herausstellt, bietet der Film sogar noch richtige Action: samt Gefängnisausbruch und James Bond-würdiger Verfolgungsjagd den tiefwinterlichen Berghang hinunter. Sein Page und er stehen sich dabei stets treu zur Seite. Ebenso wie die Verlobte des Pagen, eine junge mutige Patisseurin, deren Backkunst und Anstellung bei der Konditorei Demel – Entschuldigung, Mendl (Die Ähnlichkeiten, die man in so vielen Details erkennt!) – mehr als nur einmal hilfreich ist, bis hin zum großen Showdown.

Der Ausstatter, der Kostümbildner und der Perückenmacher durften sich bei dem Film völlig wegschmeissen und haben ihn zum wahren Augenschmaus gemacht. In Verbindung mit der oft Monty-Phython-esken Tricktechnik ist auch immer klar, dass nichts davon allzu ernst gemeint ist. Ebenso ein Augenschmaus: Die Besetzung. All die großen Namen mussten wohl Schlange gestanden haben, um mitspielen zu dürfen. Wes Anderson hat anscheinend Woody Allen im Status bereits überrundet. Neben Ralph Fiennes sind auch noch Tilda Swinton, Jude Law, Adrien Brody, Bill Murray, Edward Norton, Owen Wilson, Saoirse Ronan, Jeff Goldblum, Harvey Keitel und auch der österreichische Schauspieler Karl Markovics zu sehen. Sie alle spielen mit sichtbar großer Lust und Gaudi an der Sache.

Die operettenhafte Farce macht nicht nur den Mitwirkenden Spaß. Ich habe mich als Zuschauer mehr als bereitwillig auf die naive (im besten Sinne des Wortes) Geschichte mit ihren schwarz-weiß gezeichneten Charakteren eingelassen. Jeder Dialog und jedes Bild waren ein Genuss. So wie die pickig-süß glasierten Kunstwerke des Konditors Mendl.

Meine Bewertung auf IMDB: 9 Sterne

Weil dieser Film ein seltener Glücksfall ist. Und beim zweiten Mal ansehen könnte es sein, dass ich sogar noch einen Stern drauflege.

Neugierig darauf? Hier ist der Trailer:

http://www.youtube.com/watch?v=2bTbW70umbQ

Und hier der Trailer auf Deutsch:

http://www.youtube.com/watch?v=QhmnNBkS_C8

flugzeug1„Ich würde das nie aushalten, ich würde meine Kinder so vermissen“, hörte ich kürzlich von einer Freundin, als ich ihr völlig beseelt von meinem dreitägigen, kinderlosen Berlin-Trip erzählte. Und – oh mein Gott – es war der Himmel auf Erden, ein Wochenende zwischen Cocktails, Kaufrausch und Knochenarbeit (wir haben quasi ganz Berlin zu Fuß erkundet). Gleich hat sich mein schlechtes Gewissen gemeldet – ich hab nämlich meine Familie nur beim Einschlafen und Aufwachen vermisst, ansonsten war ich völlig drin im „Big City Life“.

Doch nun die Gegenfrage: Warum sollte ich es nicht aushalten, mich drei Tage wieder richtig selbst zu spüren? Nebenbei bemerkt war ich am Sonntag Abend pünktlich wieder zu Hause, um die Kinder höchstselbst ins Bett zu legen. Warum glauben wir Mütter, oder einige von uns, dass wir unersetzlich sind? Dass die Kinder-Welt nach drei Tagen zusammen bricht? Dass der Mann einer unzumutbaren Belastung ausgesetzt ist, weil er drei Tage den Nachwuchs hüten muss? Warum fesselt uns die vermeintliche (?) Sehnsucht so sehr ans traute Heim? Ist es nicht vielmehr so, dass frau loslassen müsste? Dass frau auch spürt, dass es einige Tage ohne sie geht – und das gar nicht so schlecht?

Ich bin jedenfalls froh, dass es auch ohne mich geht. Zumindest drei Tage lang war der Himmel über Berlin ziemlich weit weg von Salzburg.

Ein Gastbeitrag von Josef P. Mautner

bettlerin

Bild einer Bettlerin in der Pfarrkirche Anif

Es gibt viele gute Gründe, die Menschen dazu motivieren, sich für und mit Armen und Ausgegrenzten zu engagieren. Die verschiedensten Weltanschauungen legen uns Barmherzigkeit und/oder soziale Gerechtigkeit in unserem Handeln nahe: Humanität und Mitmenschlichkeit, sozialdemokratische Werte, der Einsatz für soziale Grundrechte. Ich frage mich: Wie steht es mit dem Christentum? Warum ist es für Christinnen und Christen selbstverständlich, mit armen, benachteiligten und ausgegrenzten Menschen solidarisch zu sein? Ich möchte versuchen, eine mögliche Antwort auf diese Frage zu geben.

DEN normativen Hintergrund für Solidarität sowie den Einsatz für soziale Gerechtigkeit bildet die Bibel: Zunächst das Erste Testament, wo die Propheten die Solidarität mit den Armen und das Eintreten für soziale Gerechtigkeit als ein zentrales Kriterium für das Hören auf Gott, für ein positives, anerkennendes Verhältnis Israels gegenüber seinem Gott benennen.

 

In den Evangelien, im Besonderen im Lukasevangelium, nimmt die Beziehung zu den Armen einen zentralen Platz ein: Sie sind diejenigen, denen Gottes Wirklichkeit in besonderer Weise gehören wird: „Selig ihr Bettel-Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.“ (Lk. 6, 20)

 

Die Evangelien reden in einer sehr genauen, differenzierenden Weise von den Armen, was auf eine klare Beobachtung und Analyse ihrer unterschiedlichen Lebenssituationen schließen lässt. Im Wesentlichen werden zwei Begriffe verwendet: Das griechische Wort penes. Es bezieht sich auf Menschen, die unterbezahlt sind, die in einem Arbeitsverhältnis unterdrückt werden – also auf die arme arbeitende Bevölkerung. Das griechische Wort ptochos wiederum bezeichnet jene Menschen, die keinen Zugang zu Arbeit haben und deshalb betteln müssen. Es kann sowohl mit „Armer“ als auch mit „Bettler“ übersetzt werden. Das Wesentliche an der Lebenssituation dieser Menschen ist es, dass sie für das Befriedigen ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnen und Gesundheit von der Mildtätigkeit Anderer abhängig sind.

 

Die Seligpreisungen gelten als die „Magna Charta des Christentums“, und gleich in der ersten Seligpreisung des Lukasevangeliums sind eben jene ptochoi, die Bettelarmen, angesprochen. Sie sind für Jesus die Seligen, denen das „Reich Gottes“ gehört. Das bedeutet: Die Solidarität mit ihnen ist nicht einfach irgend eine Sonderleistung, die besonders engagierte ChristInnen auch vollbringen, sondern sie gehört mitten ins Zentrum christlichen Glaubens. An ihr wird er sich in der Praxis bewähren. Papst Franziskus hat es immer wieder in Erinnerung gerufen, etwa in seiner Ansprache beim Pfingsttreffen mit Vertretern der „Movimenti“:

 

„Die Armut ist für uns Christen nicht nur eine soziologische oder philosophische oder kulturelle Kategorie – nein, es ist eine theologische Kategorie. Ich würde sagen, vielleicht die erste Kategorie, denn jener Gott, der Sohn Gottes, hat sich erniedrigt, ist arm geworden, um mit uns den Weg zu gehen. Und das ist unsere Armut: die Armut des Leibes Christi, die Armut, die uns der Sohn Gottes mit seiner Menschwerdung gebracht hat.“