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Ein Beitrag von Alexandra Schmidt

XelaWir wählen am 9. März 2014 den Salzburger Gemeinderat. Der nette ältere Verkäufer in einem kleinen Shop in der Getreidegasse wusste vorige Woche noch nichts davon. Eine der Kellnerinnen im Stammlokal geht nie wählen – sie traut sich nicht zu, das politische Angebot richtig zu bewerten und eine Entscheidung zu treffen. Ein anderer Freund, mehrfach akademisch gebildet, geht schon lang nicht mehr wählen – er fühlt sich allgemein nicht vertreten. Einige gute Bekannte, manche davon schon eher Freundinnen, engagieren sich für manche der Parteien und KanditatInnen, die antreten. Die Erfahrungen bei dieser Knochenarbeit sind manchmal lustig (sie bekommen bei Hausbesuchen frisches Gebäck geschenkt), manchmal verstörend (jemand fängt zu weinen an) und manchmal hart (die Angesprochenen beschimpfen sie). Ja, es ist wohl so: die meisten politisch Tätigen genießen nicht viel Respekt. Sie sind „an allem“ schuld, verdienen zu viel, tun zu wenig oder das falsche und geben zu viel Geld aus. Gleich nach ihnen kommen alle die in der Verwaltung oder woanders im öffentlichen Dienst arbeiten (zB in den Schulen…). Die sind faul, überbezahlt und korrupt.

Wofür wahlkämpfen? Wofür politisch tätig sein? Wofür „ins Amt“ gehen?

Für mich ist das völlig klar: für ein gutes Leben für alle. Ein gutes Leben, das ist ein Einkommen mit dem man auskommt und ein bisschen was bleibt übrig, keine Sorge wovon die Miete/der Wochenendeinkauf/der Schulschikurs/das Pflegeheim bezahlt wird diesen Monat. Und nächsten. Genug Freizeit für Zeit im Kreise lieber Menschen, an der frischen Luft, im Kino/Theater/Konzert, beim Wirten und im Verein. Genug freie Tage zum faul sein/ sporteln/ wegfahren/ daheimbleiben/ wahlzettelmithelfen. Eine Arbeit mit Anerkennung. Eine Schule ohne Druck. Gute Chancen. Guter Schlaf. Eine Ärztin oder einen Arzt wenn nötig. Leere Mülltonnen, funktionierende Straßenbeleuchtung und am Samstag um eins in der Früh angstfrei heimgehen. Das gute Leben, das meint nicht, dass alle das gleiche oder gleich viel haben oder hergeben. Es heißt, dass jede Person in der eigenen persönlichen Situation viele Wohlfühlmomente hat und wenige  Sorgen. Dass es ein gutes Miteinander gibt. Dass unter dem Strich ein Plus steht. Dafür sollen die Menschen in der Politik sorgen und den Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiten die Voraussetzungen und Ressourcen geben. Wir haben die Wahl.

Das findet, ehrlich wahr, eure Xela

In den letzten Wochen fragen mich immer wieder Freunde und Bekannte, warum ich Politik mag und warum ich mir das „antun“ will, Politikerin zu sein. Politik, das wissen wir aus diversen Umfragen, hat ja nicht gerade ein hohes Ansehen. Meist liegen Politiker hinter Managern, Priestern und Journalisten. Trotzdem mag ich Politik, obwohl ich wirklich nicht mit allem einverstanden bin, was Politiker machen oder auch nicht machen. Aber warum will ich dann Politikerin sein?

politikWeil nur schimpfen zu wenig ist. Und weil ich Menschen mag. Aber ich mag es gar nicht, wenn es Menschen nicht so gut geht. Das kann sein, dass jemand seinen Job verloren hat, eine Beziehung ist zerbrochen, ein alter Mensch ist einsam oder ein Kind hat Probleme in der Schule. Mir ist schon klar, dass ich als Politikerin nicht für jeden einzelnen etwas machen kann. Aber ich bin überzeugt davon, dass Politik die Rahmenbedingungen verbessern kann, um Menschen ein zufriedenes Leben zu ermöglichen.

Was mich immer häufiger nervt ist, dass Menschen, die Ideen haben, die etwas verwirklichen wollen, oft auf großen Widerstand stoßen. Wenn sie eine Firma gründen wollen, wenn sie ein soziales Projekt angehen oder etwas Bestehendes verbessern wollen. Noch immer können wir bei einem neuen Vorschlag hören, warum etwas nicht geht. Da finden sich zig Argumente dagegen. Ich glaube daran, dass Politik die Aufgabe hat, Möglichkeiten und Chancen zu schaffen, damit Menschen ihre Vorstellungen realisieren können.

Immer wieder begegnen mir Menschen, die Ängste haben und die andere dafür verantwortlich machen. Meist geht es dann gegen sogenannte Randgruppen. (http://zartbitter.co.at/gesellschaftspolitik/gestrichen-aus-meinem-wortschatz-randgruppe/ ) Was mich aber stört ist, dass oft mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger die Ängste dieser Menschen  vom Tisch gewischt werden, auch von der Politik. Oder Politik nutzt und schürt sogar diese Ängste. Ich bin überzeugt davon, dass es Aufgabe von Politik ist die Ängste ernst zu nehmen. Politik hat die Aufgabe für ein respektvolles Miteinander einzustehen ohne jemanden auszuschließen.

Und warum Kommunalpolitik? Ganz einfach, weil man hier die Menschen tagtäglich treffen kann, für die und mit denen man Politik macht. Ich freue mich darauf :)

Ein Beitrag von Gastautor Josef P. Mautner

Inzwischen ist mein Notizbuch zur Menschenrechtsarbeit „Agenda Menschenrechte“ erschienen. Ich habe eine Reihe von schönen und wichtigen Reaktionen bekommen. Das Buch wurde besprochen und mehrfach in einer Weise beurteilt, die von einem klaren Verständnis der Sache zeugt; ein Beispiel dafür:  agenda 2

„mautner will (nicht nur hier) grenzen überwinden. sowohl die grenzen zwischen autor und leserInnen, als auch jene zwischen unterstützerInnen und hilfsbedürftigen werden hier in frage gestellt. mautner glaubt daran, dass das dilemma grundrechtsverletzungen in unserer gesellschaft nur durch ein konsequentes aufheben dieser grenzen erreicht werden kann. erst die solidarische verbundenheit von menschen auf einer ebene, auf gleicher augenhöhe könnte uns weiterbringen.“ (Bernhard Jenny)

Bei einer kreativ gestalteten Veranstaltung im Salzburger Literaturhaus, zu der auch Ute Bock aus Wien angereist ist, wurde „Agenda Menschenrechte offiziell vorgestellt. War das ein schöner Abschluss für einen längeren Arbeitsprozess, wie bei einer Buchpublikation üblich? – Keineswegs! Denn die Agenda, das was in dem Notizbuch behandelt ist, geht weiter. Weiterhin sind in Salzburg hunderte Menschen von Abschiebung bedroht, die mit ihren Familien bereits seit agenda 1Jahren hier leben. Weiterhin stehen noch viel zu wenige Plätze in einer Winternotschlafstelle für bettelnde Menschen zur Verfügung, obwohl die nächtlichen Temperaturen unter Null sind. In der Antidiskriminierungsstelle melden sich jede Woche neuerlich Menschen, die von Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen betroffen sind: wenn sie mit einem fremd klingenden Namen auf der Suche sind nach einem Arbeitsplatz („Zigeuner nehmen wir keine!“) oder wenn muslimische Frauen ihr Kopftuch nicht abnehmen wollen bei der Arbeit: „Putzen kannst gehen mit dem Kopftuch, aber als Regalbetreuerin arbeiten – das geht nicht!“

Die Arbeit für Menschenrechte geht weiter. Nicht nur ich – viele andere auch können an diesem Notizbuch weiterschreiben. Vielleicht kommt mal eine Zeit, in der solche Notizen weniger düster und „schwarzmalerisch“ ausfallen, als sie es jetzt sind – wer weiß?

Mehr findet ihr unter:  www.josefmautner.at

Seit Wochen Diskussionen über NSA, Prism, Snowden. Es ist eine Kultur des Misstrauens und der Angst, die sich in unsere Demokratie eingeschlichen hat. Nach außen zeigt sich unser westliches politisches System offen, transparent und tolerant. Aber das ist nicht die Wirklichkeit, so scheint es. Zu jeder Zeit und in jeder Staatsform gab es Spionage und Geheimdienste. Aber immer waren diese mit einem klaren Auftrag ausgestattet, nur bestimmte Personen und Gruppierungen zu überwachen. Die Regierenden wollten immer über innerstaatliche Gefahren und SpionGefährdungen von außen unterrichtet werden, um gegebenenfalls reagieren zu können. Das was jetzt seit Wochen die Diskussionen bestimmt, führt aber weit darüber hinaus. Was Edward Snowden öffentlich gemacht hat, betrifft uns alle. Zwar zeigen jetzt alle mit dem Finger auf die USA, aber ich bezweifle, dass europäische Staaten nicht auch von der modernen Technik Gebrauch machen und ihre BürgerInnen durchscannen nach Begriffen, Orten und Daten. Anti-Terrorpakete und Vorratsdatenspeicherung sind schon Alltag. Was bedenklich ist, ist die Umkehr der Überwachung in der Demokratie. Noch ist ein Transparenzgesetz in Österreich noch in der Diskussion, das würde uns BürgerInnen einem gläsernen Staat näher bringen. Derzeit läuft es eher umgekehrt, der Staat wünscht sich den gläsernen Menschen. Darum ist die Diskussion rund um Snowden so wichtig. Wir müssen uns alle darüber bewusst sein, dass auch die Privatsphäre Teil unserer Menschenrechte ist und somit unverletzlich. Allerdings gibt es in keiner mir bekannten Demokratie das Staatsrecht auf den gläsernen Menschen.

Offene Briefe an die Regierung verlangen ein besseres Bildungssystem, bessere medizinische Versorgung, soziale Gerechtigkeit. Und besonders eines:die Abkehr vom Neoliberalismus.

Dies alles passiert in einem Land, das durch seine Bodenschätze, durch seine Agrarflächen autark sein könnte, würde nicht so viel Geld in Korruption versickern.

Als ich vor zwei Tagen meiner Freundin Ariane die Frage:“Also hat sich seit 15 Jahren nicht wirklich etwas geändert?“ stellte, bekam ich die Antwort:“Infelizmente nao(unglücklicherweise nicht)“!Karte Brasilien

Brasilien ist das Land, das wie ein leichtfüßiger Sambatänzer die wirklichen Probleme abstreifte und lieber direkt an die Welt anschloss, die Internet, TV, Facebook, Smartphones bot. Der Untergrund jedoch blieb ein sandiger, wie das Straßennetz, das ebenfalls auf Sand gebaut, ohne richtige Fundamentierung ein Schlagloch nach dem anderen bietet. So sieht auch die wirtschaftliche und politische Situation aus, notdürftig geflickt.

Man kann zwar per Internet und Einlogcode von zu Hause aus wählen, aber gewählt werden können auch Kandidaten, die als Präsident zehn Jahre zuvor mit den Rentenkassen nach Amerika flüchteten, dort die Verjährung abwarteten und dann eben wieder zurückkehrten, ohne dass man gegen sie vorgehen konnte.

Der Präsident/ die Präsidentin ist führend in einer Föderation von eigenständigen Staaten, und wenn die governadores nicht wollen, was von der Regierung vorgeschlagen wird, passiert gar nichts. So stehen die Probleme des Bildungssystems und der convenios (Krankenkassen) seit jeher an, ohne dass es Lösungen gibt. Es wurde die Sozialversicherung INCC eingeführt, die Menschen vertrauen den Versicherungen jedoch nicht mehr und wollen schwarz angestellt werden und den Arbeitgeberbetrag bar in die Hand bekommen.

Lehrer an öffentlichen Schulen unterrichten im Schnitt die doppelte Lehrverpflichtung an mehreren Schulen, da sie von einer Anstellung nicht leben können. So sieht auch die Ausbildung aus. Es entfallen im Schnitt die Hälfte der Unterrichtsstunden durch Abwesenheit der Lehrer.

Privilegiert sind die anderen, die an Privatschulen lehren. Sie haben kleine Unterrichtsgruppen, Bibliotheken mit Computern und Unterrichtsmaterialien. Der Druck auf sie ist allerdings groß- sie stehen unter Erfolgszwang.Flagge Brasilien

Diese Schulen kann sich kein Normalbürger leisten, sie werden besucht von Kindern aus Wirtschaft und Industrie oder Großgrundbesitzern, die in bewachten Bollwerken wohnen, aus Angst vor Überfällen oder Entführungen.

Die medizinische Versorgung entspricht von den Kenntnissen her absolut europäischem Level, ja, in manchen Bereichen sind die Ärzte wesentlich besser, können sie doch durch die Häufigkeit gewisser Operationen bei der Größe der Population wesentlich mehr Praxis vorweisen.

Hier gibt es jedoch ebenfalls Privatkrankenhäuser und öffentliche, in die wir Europäer nicht gehen würden. Es fehlt diesen an Apparaten, Pflegepersonal, am Notwendigsten.

Nirgends hatten internationale Firmen und amerikanische Großkonzerne einen so fruchtbaren Nährboden wie in Brasilien, das aus der „terceiro mundo“ in die Erste Welt aufsteigen wollte, ohne aber sein Volk mitzunehmen. Plakate in Rio waren daher auch beschriftet:“Man wollte in die erste Welt, hat aber vergessen einen funktionierenden Staat dazu aufzubauen.“brita

Wenn Dilma Roussef nun die Erträge aus den Ölvorkommnissen dem Volk und den Reformmaßnahmen zur Verfügung stellen kann, sieht man, welcher Reichtum in Wirklichkeit in diesem Land vorhanden ist. Er wird bisher in die falschen Kanäle geleitet.

Das brasilianische Volk ist pazifistisch, ein beliebter Ausspruch ist “ Sou de paz (ich bin für Frieden)“, ja es ist sogar gottesergeben gewesen. In den letzten sieben Tagen, die als zukunftsweisend gesehen werden und am 1. Juli im ersten Generalstreik in Brasilien ihren Höhepunkt finden, hat sich viel geändert unter dem Kampfesruf “ Vem pra rua ( komm auf die Straße)!“

Brasilien ist durchaus am Puls der Zeit. Es war seit 20 Jahren vorhersehbar, dass das alte Wirtschaftssystem, mehrmals notdürftig geflickt, weltweit nicht haltbar sein wird. Ich frage mich, was die Ultrareichen mit ihren Milliarden und Millionen wollen, wenn hier auf der Erde alles drunter und drüber geht? Wollen sie sich zum Mond ausfliegen lassen?

 

Ich bin schockiert über die Nachrichten und Bilder aus Istanbul und anderen türkischen Städten. Was als Demonstration für das letzte Stückchen Grün in Taksim begonnen hat, wächst zu einer großen gegen die Regierung an. Ich habe schon einige Demos in Istanbul erlebt. 1996 und 1997 sind mir die Mütter in Erinnerung, die jeden Samstag vor dem Galatasaray Gymnasium saßen und die Bilder ihrer in Ostanatolien vermissten Kinder hochhielten. Ein stiller aber hartnäckiger Protest, immer flankiert von schwer bewaffneten Polizisten. Anfang der 2000er Jahre erlebte ich wütende Proteste streng Gläubiger als es um die Verlängerung der Schulpflicht ging. Das Beste war immer in einer Seitenstraße zu verschwinden, denn man wusste nie, ob es eskaliert. demo in wien

Jetzt ist es eskaliert. Viele junge Menschen, auch Bekannte von mir sind darunter und Menschen, die eigentlich viel zu verlieren haben, etwa Lehrer und Anwältinnen. Es ist der Protest gegen eine demokratisch gewählte Regierung, die in den letzten Jahren trotz Reformen doch immer mehr versucht die Freiheit des Einzelnen zu beschränken. Und die Reaktion der Regierung ist nicht angemessen, trängengasgeschwängerte Luft, Knüppel auf Menschen, Wasserwerfer, zensierte Medien. Demokratie lebt auch und besonders von der freien Meinungsäußerung. Demokratie lebt davon, dass alle Menschen ihr Leben nach ihrem Willen leben können. Demokratie lebt davon, dass gewählte Regierungen auch innehalten, nachdenken und Proteste ernstnehmen. Das passiert in der Türkei gerade nicht. Weltweit haben sich Menschen spontan zu Solidaritätskundgebungen zusammengefunden. Auch in Wien sind an die 2000 Menschen auf der Straße.

Möge die blutige Auseinandersetzung bald einem vernünftigen Miteinander weichen und die Demokratie gestärkt daraus hervorgehen.

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