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Es gibt Menschen, die ihr Heimatdorf nur selten verlassen. Sie finden dort alles, was sie brauchen. Ihr Partner stammt von dort, ihr Freundeskreis, ihr gesamtes Umfeld. Früher gab es ein Sprichwort das besagte:“ Bleibe im Land und nähre dich redlich! “
aus1Nicht allen Menschen ist dieses Leben genug und manchen auch nicht beschieden. Sie lernen Fremdsprachen und wollen die Welt kennenlernen und nehmen dafür auf sich, außerhalb ihres Dorfes Fremde zu sein.
Ich habe auch ein Heimatdorf-mittlerweile gibt es dort nur mehr ein Familiengrab. Meine Familie und ich haben das Reise-Gen. Ich kam dabei am weitesten. Ich kenne das Gefühl, alles erst kennenzulernen, die Sprache neu lernen zu müssen, sich dabei auch immer wieder zu blamieren oder einfach nicht verstanden zu werden. Wie schön ist es, nach einer Zeit das Gefühl zu haben, dazugehören zu dürfen, aus der Anonymität in einen Arbeitsprozess einzutreten und
zur Gesellschaft zu gehören. Oder auch nur, auf Geschäftsreisen aufgehoben zu sein.
Es ist immer gelungen, dank meines Willens in anderen Idiomen als meinem in der Kindheit gelernten zu kommunizieren, dank meiner Anpassungsfähigkeit-aber am meisten dank der unglaublichen Liebenswürdigkeit der Menschen, die ich da draußen getroffen habe und die mir mehr Selbstsicherheit vermittelt haben statt sie mir zu nehmen.

In der Heimat integrieren?
Einmal hatte ich große Schwierigkeiten,  mich zu integrieren. Das war, als ich nach einem langen Aufenthalt zurückkam und hier als Fremde behandelt wurde. Es dauerte gut und gerne fünf Jahre bis ich einigermaßen wieder angekommen war. Man hatte mich sogar vergessen.
Ich kann daher gut nachempfinden, wie verzweifelt die Flüchtlinge, die als Fremde hierherkommen, nach Anschluss suchen, nach Freundlichkeit und Selbstbestätigung-alles, was mir die Fremde in reichem Maß gegeben hat.
Sie spüren sie mehr als dass sie die Ablehnung hören. Wenn sie die Sprache können, werden sie als Belohnung lesen können, wie sehr manche Menschen sie ablehnen. Ihnen selbst die Menschenrechte aberkennen wollen. Sie hätten ja in ihrem Dorf bleiben können, so wie hier Menschen bleiben und nie in die Verlegenheit kommen, anders zu sprechen, zu denken, zu handeln wie schon immer.
Abgesehen davon dass diese Dörfer sich mitten in Kriegshandlungen befinden und die fremden Mütter alles daransetzen ihre Söhne in Sicherheit zu bringen-die Welt ist ein faszinierender Ort, auch bei uns und das Fremde hat auch einen Reiz. Zumindest für solche, die sich nicht mit ihrem Dorf zufriedengeben.
Wenn man manche Äußerungen bei uns hört wird diese reizvolle Erfahrung zu einem absoluten Albtraum für den Fremden.
Komisch ist nur dass sich bei uns doch immer mehr Eltern bemühen, auch ihre Kinder ins Ausland zu schicken aus ihren Dörfern-warum nur? Doch nicht etwa wegen besserer Chancen?

sn1

v.l.n.r.: Ahmad, Gudrun Doringer, Wolfgang Bauer, Johannes Dines

Asyl, Flucht, Mittelmeer, Krieg, Unterkünfte, Integration sind seit Monaten Thema Nummer 1 in allen Medien. Alle kennen wir alle Argumente von „Grenzen auf“ bis „alle abschieben“. Selten erlebt man es, dass eine Diskussion sehr sachlich verläuft und dass die Menschen im Mittelpunkt stehen. Heute war das so bei der Diskussion im Saal der Salzburger Nachrichten. Der junge syrische Flüchtling Ahmad, der Zeit-Redakteur Wolfgang Bauer und Caritasdirektor Johannes Dines debattierten unter der Leitung von SN-Redakteurin Gudrun Doringer.

Ich will nicht die Debatte wiedergeben sondern die Stimmung im vollen Saal. Wie gesagt, das Thema Asyl spaltet derzeit die Menschen. Es gibt viele Ängste in unserer Gesellschaft und wir Politiker sind nicht unbeteiligt daran, die Situation zuzuspitzen. Mit dieser Erwartung war ich heute dort. Und diese Erwartung wurde völlig enttäuscht. Sachlich, interessiert und voller Respekt ist es zugegangen. Menschenwürdig. Und die Frage einer Frau fasst die Stimmung im Saal gut zusammen: „Was kann ich als Salzburger Bürgerin tun, um zu helfen. Was brauchen die Flüchtlinge?“ Und der junge Ahmad hat etwas gesagt, dass viel  zu wenig  gehört wird: „Ich bekomme jetzt Geld vom Sozialamt. Ich steige in den Bus und schaue den Menschen nicht in die Augen, weil ich mich schäme. Ich sage auch meiner Mutter nicht am Telefon, dass ich Geld bekomme ohne zu arbeiten. Das ist nicht gut. Darum lerne ich so schnell wie möglich Deutsch, um arbeiten zu können. Damit ich mich nicht mehr schäme.“

Ein Beitrag von Gastautor Josef P. Mautner

Inzwischen ist mein Notizbuch zur Menschenrechtsarbeit „Agenda Menschenrechte“ erschienen. Ich habe eine Reihe von schönen und wichtigen Reaktionen bekommen. Das Buch wurde besprochen und mehrfach in einer Weise beurteilt, die von einem klaren Verständnis der Sache zeugt; ein Beispiel dafür:  agenda 2

„mautner will (nicht nur hier) grenzen überwinden. sowohl die grenzen zwischen autor und leserInnen, als auch jene zwischen unterstützerInnen und hilfsbedürftigen werden hier in frage gestellt. mautner glaubt daran, dass das dilemma grundrechtsverletzungen in unserer gesellschaft nur durch ein konsequentes aufheben dieser grenzen erreicht werden kann. erst die solidarische verbundenheit von menschen auf einer ebene, auf gleicher augenhöhe könnte uns weiterbringen.“ (Bernhard Jenny)

Bei einer kreativ gestalteten Veranstaltung im Salzburger Literaturhaus, zu der auch Ute Bock aus Wien angereist ist, wurde „Agenda Menschenrechte offiziell vorgestellt. War das ein schöner Abschluss für einen längeren Arbeitsprozess, wie bei einer Buchpublikation üblich? – Keineswegs! Denn die Agenda, das was in dem Notizbuch behandelt ist, geht weiter. Weiterhin sind in Salzburg hunderte Menschen von Abschiebung bedroht, die mit ihren Familien bereits seit agenda 1Jahren hier leben. Weiterhin stehen noch viel zu wenige Plätze in einer Winternotschlafstelle für bettelnde Menschen zur Verfügung, obwohl die nächtlichen Temperaturen unter Null sind. In der Antidiskriminierungsstelle melden sich jede Woche neuerlich Menschen, die von Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen betroffen sind: wenn sie mit einem fremd klingenden Namen auf der Suche sind nach einem Arbeitsplatz („Zigeuner nehmen wir keine!“) oder wenn muslimische Frauen ihr Kopftuch nicht abnehmen wollen bei der Arbeit: „Putzen kannst gehen mit dem Kopftuch, aber als Regalbetreuerin arbeiten – das geht nicht!“

Die Arbeit für Menschenrechte geht weiter. Nicht nur ich – viele andere auch können an diesem Notizbuch weiterschreiben. Vielleicht kommt mal eine Zeit, in der solche Notizen weniger düster und „schwarzmalerisch“ ausfallen, als sie es jetzt sind – wer weiß?

Mehr findet ihr unter:  www.josefmautner.at

MeerIch weiß, ich weiß, der Titel klingt zynisch. Aber eine Woche nach der Tragödie vor Lampedusa, bei der mehr als 300 Menschen gestorben sind, ist der Alltag zurück. Es gab viele Schlagzeilen und viele Politikerinnen und Politiker machten ein betroffenes Gesicht, allen voran Herr Barroso auf Lampedusa. Die Tragödie ist wieder fast verschwunden aus den Nachrichten.

Das was mir in Erinnerung bleibt ist einmal der Beschluss der Europäischen Union die Grenzen künftig noch schärfer zu bewachen. Natürlich zum Wohl der Menschen, die ein besseres Leben suchen. Man kann ihnen dann schneller helfen, sollten sie drohen unterzugehen. Neben der Frontex, eine von der EU privatisierte Grenzschutztruppe gibt es nun Eurosur, die neue Grenzüberwachung. Das wird dazu führen, dass die Schlepper mehr Geld verdienen können, eine schwierige Überfahrt ist halt einfach teurer. Den Flüchtlingen hilft das nicht. Die einzige EU-Strategie ist, die Mauern höher zu bauen. Wenn der Unterschied zwischen reichen und armen Ländern groß ist, kann keine Mauer der Welt Menschen davon abhalten, ein menschenwürdiges Leben zu suchen. Ich glaube der einzige Weg ist einerseits den Flüchtlingen, die kommen eine Chance in Europa zu geben und andererseits  den Menschen in ärmeren Ländern eine realistische Aussicht auf ein zukunftsträchtiges Leben.

Und der englische Premier meint, man könne ja aus der Menschenrechtskonvention austreten, dann geht es schneller mit dem Abschieben. So weit ist ein führender Politiker schon gegangen, die Menschenrechte in Frage zu stellen. Er ist ein westlicher Politiker des  21. Jahrhunderts, Premier einer uralten Demokratie, kein Despot, kein Monarch aus dem 17 Jahrhundert.

Da bleibt mir bloß Papst Franziskus zu zitieren: „Da fällt mir nur das Wort Schande ein.“

Ein Gastbeitrag von Martin Borger

Nach all den Diskussionen zu In- u AusländerInnen u Asyl u Bleiberecht bin ich doch etwas “nervös” geworden und hätte da eine Frage, die mich sehr beschäftigt seit heute Morgen:

Vor einigen Wochen habe ich in Österreich in einer Filiale einer österreichischen Supermarktkette ein tschechisches Bier – das wohl auch legal nach Österreich eingereist ist – völlig legal gegen Bezahlung erworben und in der Folge ihm in meinem kühlen Keller Bleiberecht gewährt, oder nennen wir es Asyl. Nun habe ich gestern dieses Bier mit Genuss getrunken, als Teil einer multikulturellen Beschäftigung mit den verschiedenen Biersorten der Welt und aller Herren Länder. Da ich aber wohl meine “Trinkfestigkeit” unterschätzt habe, bin ich heute Morgen mit heftigem Kopfweh und einem ausgewachsenen Kater im Kopf aufgewacht, scheint 0,3 L gutes Bier reichten dafür schon aus.Leo

Nun meine Fragen:

1.       Wie soll ich nun mit dem Kater umgehen, den ich nun als “neues Haustier” in meinem Kopf habe und der eindeutig in Österreich geboren wurde?!

2.       Welchen rechtlichen Status hat dieses Tier? Hat es ein “Humanitäres Bleiberecht” in meinem humanoiden Kopf, eine Aufenthaltsgenehmigung, oder gar Asyl?

3.       Wann könnte es in meinem Kopf eine Staatsbürgerschaft bekommen? Hat es als Haustier aus einem EU-Land den Status eines EU-Katers oder ist es doch ein Drittland-Kater?

4.       Welcher Nation, Ethnie gehört dieser Kater an, welche Staatsangehörigkeit hat er? In welches Drittland würde der Kater abgeschoben wenn es ganz schlimm kommt?

5.       Welche Voraussetzungen für eine Staatsbürgerschaft des Katers wären fair. Wie lange hätte das Bier vorher lagern müssen, welche Sprachen muß der Kater beherrschen und welches Soziale ehrenamtliche Engagement kommt für ihn in Frage?

6.       Wie ist sein Auftauchen in meinem Kopf rechtlich zu bewerten? Handelt es sich um “Besetzung”, um “Quartiernahme” oder gar um “Spirituelles Asyl” in meinem Geist?

Bitte um schnelle, detaillierte Antwort weil ich alle Vorschriften und Gesetze einhalten will und mich schon geistig darauf vorbereite, den Kater den ich fast schon liebgewonnen habe, in Quarantäne geben oder gar abschieben zu müssen?

Wer sich mit der Einstufung dieser Fabel und Parabel noch schwer tut ersetze einfach das Wort “Kater” durch “Mensch”, “Flüchtling” und “Asylant” …

Erschienen original unter: http://mabogsi.wordpress.com/2012/12/23/fragen-zur-abschiebung-meines-katers/

„Ich bin gestern über mich sehr erschrocken.“, das meinte heute eine Freundin.wolken

Sie hatte die Nachrichten gesehen, dabei war auch ein Bericht über den Bürgerkrieg in Syrien. Das Erschreckende für sie war, dass sie die Nachrichten aus diesem Land als Normalität empfindet. Kurze Nachrichten über Bombenangriffe, Heckenschützen, Flüchtlinge, Tote und Verletzte. Es gehört einfach dazu, aber ich muss zugeben, auch ich nehme es nur als eine von vielen Meldungen wahr. Das beschämt mich. Wie kann Krieg eigentlich zu einer Gewohnheit werden? Während jeden Tag Kinder, Frauen und Männer einen sinnlosen Tod sterben, streiten die Nationen seit zwei Jahren herum. Streiten darüber, ob sie eingreifen sollen, Sanktionen was helfen oder eine Flugverbotszone den Krieg verkürzen könnte. Auch die Europäische Union, deren Teil wir sind, ist sehr vornehm zurückhaltend. Ist es uns wirklich so egal, was einen Katzensprung übers Mittelmeer passiert?

Es scheint so…