Ich bin eine Lesende. Immer schon. Seit ich die ersten Wörter entziffern konnte, lese ich, was ich erwische.

Unvergessen die Karl May Bände, die mich ich als 10-12 Jährige durch das Leben begleiteten. Old Surehand war völlig durchnässt, weil er, als ein Gewitter aufzog, im Garten der Oma in der Wiese vergessen liegen blieb. In Winnetou war ich verliebt und hab Tränen des echten Schmerzes vergossen, als er starb. Mehrmals. Davor, dazwischen und danach Bücher von Astrid Lindgren und Christine Nöstlinger, Enid Blyton und Agatha Christie.

Dann gleich die großen Romane. Vom Winde verweht habe ich bestimmt mindestens 3 Mal gelesen. Im Paralleluniversum ein mehrjähriger Ausflug in die Galaxie des Science Fiction. Mit 16 Jahren traten Camus, Sartre und Simone de Beauvoir in mein Leben. Peter Handke und naturgemäß Thomas Bernhard. Weiter ging es bunt mischt. Italienische Krimis, Amerikanische Literatur, weltweite NobelpreisträgerInnen. Ein Buch wegzugeben, war und ist für mich fast nicht möglich. Daher ist meine Bücherwand mittlerweile 15m² groß.

Ja, ich gestehe es: Ich habe mir einen E-Book-Reader gekauft!

Meine wandelnde Bücherwand

Doch jetzt, gut 550 Jahre nach Erfindung des Buchdruckes auf Papier, könnte ich praktisch alle meine geliebten Bücher in ein einziges packen und theoretisch alle anderen entsorgen. Dieses eine Buch misst nur etwa 17x12x1 cm und wiegt mit Schutzhülle 349 Gramm.

Nach einer Probezeit von 3 Jahren kann ich sagen, dass ich diese Entscheidung nicht bereue. Im Gegenteil. Ich lese mehr als zuvor. Die Klassiker sind meist gratis als Download verfügbar. Schnitzler, Goethe, Shakespeare, Austen. Ich habe den E-Book-Reader fast immer in der Handtasche mit dabei. Im Wartezimmer, im Zug sowieso. Man kann in der Nacht lesen ohne Licht zu machen. Im Sommer am Balkon nach der Dämmerung. Im Bett ohne den Partner zu stören. Das ist fast wie früher mit der Taschenlampe unter der Tuchent.

Das überzeugendste Argument ist aber, dass ich den E-Book-Reader auf meinen Rucksackreisen mitnehmen kann und so ganz schön an Gewicht spare. Der Lesestoff geht mir jetzt nie mehr aus. Wenn ich Lust auf ein neues Buch habe, dann hole ich es mir einfach. Das geht auch in einer Holzhütte auf einer Insel im Mekong in Kambodscha. Vorausgesetzt es gibt Strom, damit das WLAN-Kastl funktioniert.

Die Frage, ob Buch oder E-Book-Reader ist daher schnell beantwortet. Die Antwort lautet: LESEN!

 

Das Ensemble besteht aus Ungarn, Syrern und Somaliern und Salzburgerinnen. Alle Fotos: Christoph Strom

Ein Beitrag von Ingrid Burgstaller

400 Jahre tot und so lebendig wie nie zuvor. Theateraufführungen, Filme, Ausstellungen, Lesungen … William Shakespeare wird im Jubiläumsjahr weltweit geehrt. Doch nirgends wie in Salzburg. Hier proben Darsteller – Profis, Laien, Flüchtlinge, Asylbewerber, Einheimische, Frauen und Männer – gerade sein Stück „Wie es euch gefällt“. Mehrsprachig kommt es im kleinen theater, Kunsthaus Nexus und auf Schloss Goldegg auf die Bühne. Dem bedeutenden britischen Lyriker und Dramatiker würde das gefallen.

Angelika Bamer-Ebner bringt in ihrer Inszenierung verschiedene Sprachen auf die Bühne. Doch sie verspricht: „Den Inhalt werden alle verstehen. Wir kommunizieren ja nicht nur mit Worten.“

Am 18. Februar ist Premiere. Vor den Vorhang tritt dann auch Regisseurin Angelika Bamer-Ebner. Das Selber-Mitspielen bezeichnet sie als Dessert. Momentan befindet sich die engagierte Theatermacherin noch mitten beim Zubereiten des Hauptganges. Nach dem offenen Casting, einem Kennenlernen und Annähern aller Mitwirkenden, sind nun die Proben für das mehrsprachige Theaterprojekt „Spielend Einander Verstehen“ im Endspurt. „Es ist herausfordernd. Es ist ja ein Mix aus Profis, Laien, von Frauen und Männern mit und ohne Theatererfahrung. Gerade bei den Asylbewerbern stand zu Beginn immer die Frage im Raum: Werden sie in einem Monat noch da sein? Doch es hat sich gut entwickelt. Was nicht heißt, dass ab nun Entspannen angesagt ist. Aber jeder hängt sich rein.“ Das Mitwirken von Flüchtlingen und Asylbewerbern sei horizonterweiternd. „In der Probenzeit bist du nahe dran an den Leuten und erfährst ihre Geschichte. Ich denke mir dann: Wir können wirklich dankbar sein, für das, was wir haben.“

Für Angelikas Partner im Leben und auf der Bühne, Peter Christian Ebner, geht es auch um Chancen für die Menschen und eine gute Zukunft für alle: „Diese werden wir nur haben, wenn wir uns miteinander verstehen. Das kann auch spielend funktionieren.“ Dass sich das eingespielte Team Bamer und Ebner für eine Shakespeare-Komödie entschieden hat, erklären sie so: „Das Stück passt einfach gut; es handelt von Verbannung, Flucht und Heimatlosigkeit einerseits. Auf der anderen Seite werden Werte wie Güte, Hoffnung und Großzügigkeit in den Vordergrund gespielt.“ Ihr Ziel: Die ZuschauerInnen sollen staunen und in magische Momente eintauchen. Nur so viel sei verraten: „Alles wandelt sich zum Guten. Nur dass das Ende nicht wie im Original im Wald von Arden, sondern im Untersberger Wald stattfindet.“ Für ein Hörerlebnis werden neben Deutsch Sprachen wie Spanisch, Ungarisch, Arabisch, Italienisch sowie Englisch sorgen.

Mahamed Abdulqadir Yahye spricht Deutsch und Somali in Shakespeares „Wie es euch gefällt“. Das Proben macht ihm Spaß. Und: „Ich habe durch das Theater Freunde gefunden.

Das exotische Somali in Wort und Gesang steuert Mahamed Abdulqadir Yahye bei. Vor dem Krieg in seiner Heimat geflüchtet, lebt er seit eineinhalb Jahren in Salzburg im Christkönig-Kolleg. Zum „Spielend Einander Verstehen“-Projekt hat ihn ein Zeitungsbericht gebracht. Vor einigen Wochen hat der dreifache Familienvater nach langer Trennung seinen Ältesten (16) wieder in die Arme schließen können. „Er ist von Ägypten aus mit dem Boot über das Mittelmeer. Ich bin sehr froh, dass es ihm gut geht. Er ist jetzt in Imst untergebracht. Hoffentlich kann er bald zu mir nach Salzburg kommen. Ich wünsche mir, dass er eine Ausbildung als Mechaniker macht“, erzählt Yahye, der für sich am liebsten einen Job in einem Hotel hätte oder als Staplerfahrer – „darin habe ich Erfahrung“. Die Voraussetzung, der positive Ausgang des Asylverfahrens, ist endlich da. Das Nachholen der restlichen Familie nach Österreich, seiner Frau und der jüngeren Kinder, sei sein sehnlichster Wunsch. Glücklich mache ihn zur Zeit vor allem das Theater, das Beisammensein mit den anderen Darstellern. „Wenn ich an die erste Aufführung denke, bin ich schon nervös. Ich muss noch viel mit den deutschen Sätzen üben. Ich will gut sein. Mein Sohn soll mich auf der Bühne sehen und stolz sein.“

Info: „Wie es euch gefällt“ frei nach William Shakespeare wird aktuell mit SalzburgerInnen und SchauspielerInnen unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Herkunft erarbeitet. Das Motto dieser besonderen Produktion: „Spielend Einander Verstehen“. Regie führt Angelika Bamer-Ebner. Marina Razumovskaja aus Estland komponierte die Bühnenmusik. Premiere ist am Sa., 18. Februar, im kleinen theater Salzburg als Beitrag im „Monat der Vielfalt“ der Stadt Salzburg. Nach den Aufführungen in Salzburg am 5., 11. und 12. März macht das vom Zukunftslabor Salzburg 20.16 ausgezeichnete Theaterprojekt am 3. März im Kunsthaus Nexus Saalfelden, auf der Burg Mauterndorf und am 6. April  auf Schloss Goldegg Station. Mehr unter www.theater-brettspiel.at und www.bamer-ebner.com.

sonderwünsche, grauslichkeiten, nerven aus stahl

weil die urlaubszeit langsam zu ende geht, hier ein lesetipp für reiseabenteuer im kopf: die „hotel stories“ von robert pimm.

ich bin noch nie in einem fünf-sterne-hotel abgestiegen, würde aber gerne einmal drei stunden in der lobby sitzen und schauen, wer dort wie ein- und ausgeht und was die leute dort so wollen.

dank der „hotel stories“ geht das jetzt. erzählt aus der sicht einer hotelmanagerin und ihrer assistentin, beide bedingungslos und wohl auch gnadenlos freundlich weiß ich nun, wie eine lobby auszuschauen hat. neben einer 30-meter wasser-installation und einer sushi-bar mit stern erkennen die beiden an der rezeption jeden gast und sein bedürfnis sofort – unglaublich, wie cool sie bleiben, wenn es richtig brenzlig wird.

ob verbotenes essen serviert werden soll, ob ein politiker verbotenen besuch aufs zimmer bestellt haben will oder ob sich jemand in der bar so richtig daneben benimmt: die beiden verlieren nie die geduld, nie ihr lächeln und nie ihre fassung.

hotel stories ausschnitt

kotzbrocken im kopfkino

ein paar typen in den geschichten sind wirklich kotzbrocken, nur: die grauslichkeiten sind nur so weit angedeutet, dass mein kopfkino anspringt. erwischt! ein schmieriger mann wirft mit geld um sich und mit übergriffigen beleidigungen? die immer grantige sushi-köchin wetzt ihre japanischen messer? schon ziehen bilder auf in meinem hirn, wie das enden wird. oder enden soll.

es ist doch so: die schrecklichsten szenen, die ärgsten zuschreibungen und die miesesten charaktere entstehen immer noch im eigenen hirn. robert pimm ist brite und damit sowieso qua geburt meister der unzweideutigen andeutungen, ohne dass er selbst schmutzige worte gebrauchen muss. „unangemessen“ ist noch das deutlichste, es kommt oft vor. und ja: die typen bekommen, was sie verdienen. jedenfalls in meinem kopf.

ich buche auch zukünftig kein 5-sterne-zimmer – die „hotel stories“ ersparen einem so einen haufen geld. dass sie auf englisch sind, verstärkt das urlaubsfeeling noch.

für alle nur-echte-bücher-lesende hier noch die schlechte nachricht: die „hotel stories“ gibt es bisher nur als e-books. dafür sind sie unvergleichlich billig, und je mehr downloads, desto eher gibt es eine print-version.

also los und gute reise: zu den hotel stories von robert pimm

Der Sammelband zur Salzburger Fußballtagung erscheint an diesem Mittwoch. Eine Woche darauf, am 8. Juni ab 19 Uhr, erfolgt in der Academy Bar die offizielle Präsentation in Anwesenheit einiger Autoren.

Der Fußball und seine historische Bedeutung ist wie die Sportgeschichte allgemein ein Stiefkind der Geschichtsforschung im deutschsprachigen Raum. Also haben sich im September 2014 fußballaffine Historiker aus dem In- und Ausland zusammengetan und die Salzburger Fußballtagung veranstaltet. Es wurden über verschiedene Themen referiert. Sie reichten unter anderem von den Anfängen des runden Leders in den einzelnen Bundesländern unseres Landes bis hin zur Instrumentalisierung im Dritten Reich und dem Verschwinden jüdischer Vereine. Außerdem wurden aktuelle, soziokulturelle Aspekte sowie Gender- und Identitätsfragen im Fußballsport diskutiert.

Nun ist der Sammelband zur Salzburger Fußballtagung 2014 erschienen. Er trägt den Namen Zwischen Provinz und Metropole. Fußball in Österreich. Aus Salzburger Sicht besonders interessant sind Themen wie die kritische Auseinandersetzung der Übernahme von Austria Salzburg durch Red Bull und die daraus resultierende Neugründung der Violetten oder auch eine geschichtliche Nachbetrachtung jener Salzburger Vereine, die vor langer Zeit verschwunden sind. Dazu zählen etwa der SK Olympia Salzburg oder der SK Nordstern Salzburg. Aber auch der katholische Fußball in Oberösterreich und Salzburg in der Zwischenkriegszeit findet in diesem Buch seinen Platz.

Die offizielle Präsentation des Sammelbands findet am

Mittwoch, dem 8. Juni 2016, um 19:00 Uhr
in der Academy Bar
Franz-Josef-Straße 4
5020 Salzburg

statt.

Die anwesenden Autoren freuen sich über Euer Kommen!

Der Titel war es, der mich neugierig machte auf das Theaterstück von Alois Hotschnig im Schauspielhaus Salzburg. Und weil es mir immer noch im Kopf rum spukt, schreibe ich jetzt  einfach drüber!
Die Dauer war mit 2 Stunden und 40 Minuten angegeben – das machte mir ein wenig Sorge, dass ich das Interesse verlieren könnte, aber wie sich herausstellte, war dies keineswegs der Fall.

Ich kann vorweg nehmen, dass es mir wirklich gut gefallen hat und ich es unter dem Prädikat wertvoll und sehenswert weiter empfehlen möchte.

Was bedeutet alt werden – die Menge der Kerzen auf der Geburtstagstorte, die Wehwehchen die im Alter zunehmen, die Vergesslichkeit oder der veränderte, sich wiederholende Gesprächsstoff, den ein Ehepaar miteinander führt oder einfach dass Mann/Frau so alt ist, wie sie sich fühlen.
Im Theaterstück werden unterschiedliche Lebensabschnitte eines alten Ehepaares dargestellt. Hauptsache miteinander zu Hause leben, auch wenn es Essen auf Rädern gibt. Post-Ist, die der Mann ständig mit sich trägt, damit er nichts vergisst, das Entsetzen, das sich in seinem Gesicht widerspiegelt, als er erzählt, wie er das Salz vergessen hat, weil er unbedingt die Butter nicht vergessen wollte. Ich ertappe mich, dass mir das heute schon passiert, ich schiebe diesen Gedanken schnell beiseite und denke, ich bin doch noch nicht alt. Der Beginn der Demenz, die Sorge der Frau um ihren Mann und die Hilflosigkeit der Angehörigen. Wird es so werden das Leben im Alter, frag ich mich?

Der Teufel und die Ärztin 
Der Schlaganfall und die damit verbundene körperliche Einschränkung, sich nicht mitteilen können, unverstanden bleiben – übrigens sehr gut gespielt – die Bedrohung, wenn das Vergessen nicht mehr die Butter betrifft, sondern den Herd, der nicht ausgeschalten wurde. Auf einmal allein zu sein, nicht mehr den lieben Menschen an der Seite zu haben, sich im Kreis drehen und Angst davor haben verrückt zu werden oder dass andere einen für verrückt halten. Die Szenen im Seniorenheim haben etwas Surreales. Eine Ärztin, die mit viel Rauch und Boshaftigkeit dargestellt wird – so als wäre sie mit dem Teufel im Bunde – der Teufel könnte die Krankheit, die Einsamkeit sein. Obwohl die Welt kleiner wird und die Themen sich um Essen, Krankheiten und wann wer zu Besuch kommt drehen, ist das Stück voll Ironie und skuriller Ideen. Um den Tag nicht zu lang werden zu lassen, könnte man doch einfach nach dem Aufstehen, nochmal zu Bett gehen um später wieder aufzustehen, dann wäre schon einiges an Tag geschafft.  IMG-20160323-WA0000

Die Zwangsjacke

Verschiedene Charaktere im Seniorenheim, ein Mann der täglich ins Cafe Zentral geht, weil er das immer getan hat, wortgewaltige Monologe von sich gebend.
Eine Frau, die tatsächlich über 80 Jahre ist, die erzählt, dass sie im Leben immer zu spät war, im Gegensatz zu ihrem Mann. So pünktlich wie er im Leben war, so  pünktlich ist er gestorben, wie es die Ärzte vorhersagten. Sie ist ja immer zu spät und lebt deshalb noch und während sie das erzählt, streckt sie ihr Bein geschmeidig gen Himmel – allein beim Zusehen bekomme ich einen Krampf.
Eine junge Frau wandert ständig die Wand entlang, in der Hand ihren Koffer, wartend, dass ihr Mann sie abholt. „Solange ich sitzen kann, steh ich lieber“, verzweifelt getrieben und suchend erweckt sie mein Mitleid, dass sich beim Anblick ihres triumphierenden Lächelns, als ihr die Namen, von wem auch immer, wieder einfallen, in Bewunderung verkehrt. Die Ehefrau die Sorge hat, eine Jacke verschrieben oder gar geschenkt zu bekommen, egal aus welchem Stoff, ob gestrickt, genäht, kurz oder lang – sie will keine. Keine Jacke – die einen vielleicht einzwängt im Tun, im Handeln und im Denken, die einem die Selbständigkeit nimmt.

Fast könntet ihr meinen, das Stück wäre deprimierend, doch ich hatte nie ein Gefühl der Schwere, nachdenklich ja, aber nicht deprimiert. Das Alter wird zum Teil von äußeren Faktoren bestimmt, auf die wir keinen Einfluss haben, aber auch von einem Selbst und ganz viel vom Umgang  mit „unseren Alten“.

Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich – bietet das Leben genug Erinnerungen auf die wir zurück greifen können, Reisen die man gemacht hat und die wieder gemacht werden können, ob zwischen den Supermarktregalen oder im Sitzen, da läuft es sich nämlich besser davon.

Wer neugierig geworden ist: Termine gibt es hier!

Freitag Abend eröffnete das 34. Motzart Festival in Salzburg. Und zwar mit einer Lesung des Russisch-Berliner Autors Wladimir Kaminer.
Ich selbst kenne Wladimir Kaminer als Autor noch gar nicht so lange. Eine sehr liebe Kollegin hat mir letzten Geburtstag ein Buch von ihm geschenkt – „Meine kaukasische Schwiegermutter“. Ich habe es mit Genuss gelesen und im letzten Strandurlaub die ganze Zeit über im Liegestuhl vor mich hingekichert.
So amüsant seine Bücher sind … Ist eine Lesung von Wladimir Kaminer für ein Kabarett-Festival geeignet?

Ja. Denn eine Lesung im eigentlichen Sinne war es ohnehin nicht. Eigentlich hätte der Autor ja sein neuestes Buch „Das Leben ist keine Kunst“ vorstellen sollen. Doch Kaminer unterbricht sich stets nach ein, zwei Sätzen selbst für einige Minuten, liest dann weiter und zwei Sätze später kommt schon wieder der nächste Exkurs. Es ist interessant und erheiternd, ihm zuzuhören, wie er mit deutlich hörbarem russischen Akzent (er könnte alles erzählen und ich würds deswegen schon lustig finden) Gedanken spinnt und verknüpft. Kaminer schien zudem nicht zu sehr daran interessiert, die Reaktionen auf ein Buch zu erleben, das ohnehin schon im Handel erhältlich war. Vielmehr wollte er Reaktionen auf noch unveröffentlichte Geschichten testen. Er wollte dabei aber behutsam vorgehen.

Das Buch war ein Geburtstagsgeschenk – und hat mir köstliche Lesestunden beschert

Das Buch war ein Geburtstagsgeschenk – und hat mir köstliche Lesestunden beschert

Vorsichtig fragt er ab, ob das Publikum eine Kostprobe anderen Buchidee hören wolle. Es ging dabei um ein alles beherrschendes, äußerst polarisierendes Thema: Flüchtlinge. Oder eigentlich um Syrer. Denn, so erklärt Kaminer, alle Leute, die im letzten Jahr nach Deutschland gekommen sind werden Syrer genannt. Er erzählt, warum in einer Stadt Syrer die Bibliothek umarmen – amüsiertes Staunen beim Publikum, bei der Auflösung der Geschichte. Er macht damit weiter, was es bedeutet, wenn Syrer auspacken – ebenfalls sehr amüsant. Und zuletzt erklärt er, was das Wort „Flüchtlingswelle“ für ihn bedeutet. Denn diese hat ausgerechnet seiner 83-jährigen Mutter gehörigen Anschub verliehen – Humor typisch Kaminer’scher Manier, der mit herzlichem Lachen und Applaus aufgenommen wird.
Doch der satirisch begabte Autor ist sehr darauf bedacht, Situationen so zu schildern und Dinge so zu formulieren, dass er nirgendwo aneckt. Sein Humor soll leicht sein und die Leute zum Schmunzeln bringen. Sein Verlag findet das Thema Flüchtlinge zu heiß und ist sieht die Buchidee skeptisch – man macht sich sicher Sorgen um die Umsätze. Vielleicht ändert der Herausgeber ja angesichts positiver Publikumsreaktionen noch seine Meinung. Wladimir Kaminers Publikum versteht ihn. In Salzburg jedenfalls.
Ich glaube, es sind nicht nur die vergeudeten Pointen, um die es Kaminer leid täte, wenn die Syrer-Geschichten nie veröffentlicht würden. Sein Anliegen begründet sich durch eine Lebensphilosophie, die mir sehr gefällt:

Wenn etwas schrecklich und traurig ist, dann hilft einem die Trauer nicht weiter. Durch die Trauer bleibt man stecken. Man muss darüber lachen, sich umdrehen und von dort aus weitermachen, damit man vorankommt.

So vorsichtig, wie Kaminer die Reaktionen des Publikums auslotete, möchte man meinen, er sei einer, der es einfach jedem recht machen will. Er bewies, dass er auch anders kann. In zwei Punkten wurde er sehr deutlich: Leute (auch Publikum), die lieber über die 5 Folgen einer „wirklich blöden“ (sic!) Fernsehsendung reden wollen, die er im Herbst für 3Sat gemacht hat, ärgern ihn. Als habe diese unwichtige Sendung mehr Bedeutung als die dutzenden Bücher, die er bereits veröffentlicht hat. Man merkt, er fühlt sich dadurch richtiggehend beleidigt. Und in einer kurzen Bemerkung kommt der russische Präsident Putin gar nicht gut weg. Zwar nur für eine Sekunde, aber er tut klar und unverhohlen seine Meinung kund. Aber er hat Hoffnung: Es könnte nämlich sein, dass Putins Regime ohnehin nicht mehr viel länger an der Macht ist. Wer dafür sorgt? Die amerikanische Fernsehserie „Twin Peaks“. Die hat es schon einmal geschafft, ein russisches System zu stürzen. Mehr sei nicht verraten. Ob das nun eintritt oder nicht, wenn Kaminer von Russland und den Menschen dort erzählt, spürt man die Liebe für seine alte Heimat, auch wenn er seine Erzählungen wieder ein reichlich Satire verpackt. Er sieht die russische Seele jetzt halt mit den Augen eines Deutschen.

Es war ein leichter, amüsanter und kurzweiliger Abend. Bemerkenswert war, dass seine Mutter immer wieder eine zentrale Rolle spielt, wenn er spricht. Ich denke, das ist weniger psychologisch zu erklären, als damit, dass Wladimir Kaminers nächstes Buch von seiner Mutter handeln wird. Denn beim nächsten Buch wird es für eine humorvolle Behandlung des Themas Flüchtlinge noch viel zu früh sein.