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Beschämende Ideen der Bundesregierung

Jetzt wird es lächerlich. Finde ich. Die Zeltlager für AsylwerberInnen versinken mal im Schlamm, mal herrscht drinnen brütende Hitze und anderntags bläst sie der Gewittersturm weg. Und was fällt der Bundesregierung dazu ein? Jawohl, wir leasen jetzt Postbusse. Wenn es im Zelt zu gefährlich wird, setzen wir sie mal in den Bus, zwischendurch so. Nein das ist nicht lächerlich, es geht um Menschen, es ist zum Schämen.

 

Das ist ein Armutszeugnis. Und ich fürchte es ist NICHT der Höhepunkt der desaströsen Bundesasylpolitik. Was gemeinnützige Einrichtungen, Menschenrechtsorganisationen und Interessierte an der Weltpolitik schon seit Jahren wissen, ist jetzt eingetroffen. Es kommen Flüchtlinge, nicht ein paar, viele, tausende Menschen auf der Flucht vor dem Grauen, dem Entsetzen, Tod, Vergewaltigung. Und die Bundesregierung ist überrascht, rudert von Quote zu Zeltlager, zu Bussen. Ohne Strategie, ohne Plan und ohne Ziel. Wir sind hier in Österreich und ich will keine Nahost-Flüchtlingsverhältnisse, mit Zelten, Hunger und Hoffnungslosigkeit. Das lässt einen etwas verzweifelt sein.

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von Synbiose und IGLU organisiert – der Kostnixladen für Asylwerber

Aber Gott sei Dank gibt es noch die anderen. Die unzähligen Menschen, denen das Schicksal der Flüchtlinge nicht egal ist. Die nicht zuschauen sondern handeln. Und diesen Menschen gehört gedankt. Danke für eure Hilfe bei der Sammlung von Kleidung. Danke, dass ihr bereit seid den Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Danke, dass ihr sie in eure Einrichtungen bringt und ihnen einige gute Stunden schenkt, ob in eine Pfarre, die Moschee oder den Pensionistenverein. Danke, dass ihr mit jugendlichen Flüchtlingen Ausflüge unternehmt. Danke, dass ihr kocht, Fahrtendienste macht und Kennenlerntreffen organisiert.

DANKE, dass ihr TUT!

Damit beschämt ihr alle, die ihr tut, die untätige Bundesregierung.

Es gibt Menschen, die ihr Heimatdorf nur selten verlassen. Sie finden dort alles, was sie brauchen. Ihr Partner stammt von dort, ihr Freundeskreis, ihr gesamtes Umfeld. Früher gab es ein Sprichwort das besagte:“ Bleibe im Land und nähre dich redlich! “
aus1Nicht allen Menschen ist dieses Leben genug und manchen auch nicht beschieden. Sie lernen Fremdsprachen und wollen die Welt kennenlernen und nehmen dafür auf sich, außerhalb ihres Dorfes Fremde zu sein.
Ich habe auch ein Heimatdorf-mittlerweile gibt es dort nur mehr ein Familiengrab. Meine Familie und ich haben das Reise-Gen. Ich kam dabei am weitesten. Ich kenne das Gefühl, alles erst kennenzulernen, die Sprache neu lernen zu müssen, sich dabei auch immer wieder zu blamieren oder einfach nicht verstanden zu werden. Wie schön ist es, nach einer Zeit das Gefühl zu haben, dazugehören zu dürfen, aus der Anonymität in einen Arbeitsprozess einzutreten und
zur Gesellschaft zu gehören. Oder auch nur, auf Geschäftsreisen aufgehoben zu sein.
Es ist immer gelungen, dank meines Willens in anderen Idiomen als meinem in der Kindheit gelernten zu kommunizieren, dank meiner Anpassungsfähigkeit-aber am meisten dank der unglaublichen Liebenswürdigkeit der Menschen, die ich da draußen getroffen habe und die mir mehr Selbstsicherheit vermittelt haben statt sie mir zu nehmen.

In der Heimat integrieren?
Einmal hatte ich große Schwierigkeiten,  mich zu integrieren. Das war, als ich nach einem langen Aufenthalt zurückkam und hier als Fremde behandelt wurde. Es dauerte gut und gerne fünf Jahre bis ich einigermaßen wieder angekommen war. Man hatte mich sogar vergessen.
Ich kann daher gut nachempfinden, wie verzweifelt die Flüchtlinge, die als Fremde hierherkommen, nach Anschluss suchen, nach Freundlichkeit und Selbstbestätigung-alles, was mir die Fremde in reichem Maß gegeben hat.
Sie spüren sie mehr als dass sie die Ablehnung hören. Wenn sie die Sprache können, werden sie als Belohnung lesen können, wie sehr manche Menschen sie ablehnen. Ihnen selbst die Menschenrechte aberkennen wollen. Sie hätten ja in ihrem Dorf bleiben können, so wie hier Menschen bleiben und nie in die Verlegenheit kommen, anders zu sprechen, zu denken, zu handeln wie schon immer.
Abgesehen davon dass diese Dörfer sich mitten in Kriegshandlungen befinden und die fremden Mütter alles daransetzen ihre Söhne in Sicherheit zu bringen-die Welt ist ein faszinierender Ort, auch bei uns und das Fremde hat auch einen Reiz. Zumindest für solche, die sich nicht mit ihrem Dorf zufriedengeben.
Wenn man manche Äußerungen bei uns hört wird diese reizvolle Erfahrung zu einem absoluten Albtraum für den Fremden.
Komisch ist nur dass sich bei uns doch immer mehr Eltern bemühen, auch ihre Kinder ins Ausland zu schicken aus ihren Dörfern-warum nur? Doch nicht etwa wegen besserer Chancen?

von Michael König

Was würde ich eigentlich tun, würde mich die Not wochenlang zum Betteln zwingen, 1000 Kilometer entfernt von Salzburg in einer bulgarischen Stadt? Ich würde versuchen, für mein psychisches Überleben mit Menschen zu reisen, die mir vertraut sind und deren Sprache ich spreche. Ich würde versuchen, mit ihnen einen Schlafplatz zu organisieren. Ich würde mich mit ihnen am Abend treffen wollen. Ich würde organisieren, dass jemand das Geld meiner Gruppe einsammelt, damit es bei Polizeikontrollen wegen des Verdachtes von organisiertem Betteln nicht abgenommen wird. Das alles wäre Ausdruck eines gesunden Überlebenswillens und von sozialen Kompetenzen.
Das wenige, das man landläufig von den bettelnden Menschen aus südosteuropäischen Ländern weiß oder vermutet, ist, dass viele gemeinsam mit einigen Familienangehörigen, Freunden oder Nachbarn die lange Anreise organisieren. Und um nicht in völliger Isolierung wochenlang alleine auf den Straßen von Salzburg, Wien, Graz oder Linz Beschäftigung zu suchen oder zu betteln. Sie scheinen sich auch bei der Aufteilung der Bettelplätze in irgendeiner Form abzustimmen. Manche organisieren auch ihre Schlafplätze, in ihren Autos oder unter regengeschützten Brücken.
Viele dieser Notreisenden scheinen in der Erfahrung starker familiärer Bande ihr psychisches und soziales Überleben in der Fremde zu sichern. Eine extreme Notsituation stärkt familiäre Bande. Not hält Menschen zusammen. Jeder kennt aus eigener Erfahrung, wie wichtig tragende solidarische menschliche Bindungen gerade in Krisen- und Notzeiten sind. Bettlern und Bettlerinnen im gesellschaftlichen Diskurs in Würde zu begegnen heißt, sie nicht nur als arme Menschen zu sehen: sie sind auch Menschen mit Kompetenzen, die ich  würdigen kann.

Vierter Gedanke

von Michael König

Kürzlich habe ich mich gefragt: Was heißt es eigentlich, einem bettelnden Menschen auf Augenhöhe zu begegnen?
Das könnte bedeuten, ihm die Möglichkeit zu geben, sich in seinen vielen menschlichen und sozialen Qualitäten mir gegenüber aufzurichten, und sich selbst nicht nur als armen, erniedrigten Bettler erleben zu müssen. Ich könnte diesen bettelnden Menschen als alleinerziehende Mutter, als stolzen Vater, als arbeitssuchende Tochter, als arbeitslosen Tischler, als begabte Korbflechterin, oder als pensionierten Gymnasiallehrer kennenlernen. Also als Mensch wie du und ich. Das waren Beispiele von bettelnden Menschen, von denen ich im letzten Jahr etwas erfahren durfte.
Begegnung auf Augenhöhe könnte aber auch bedeuten: Ich selbst gehe zu Boden, hinunter zur Lebenswirklichkeit und zur Lebensgeschichte dieser Menschen.  Ich  gehe hinab zu ihnen. Ich stelle Kontakt, vielleicht sogar Beziehung her. Ich  lasse mich  auf kurze Begegnungen ein. Ich beginne Fragen zu stellen, anstatt die üblichen Bettlerplattitüden zu wiederholen.  Ich besuche sie dort, wo sie herkommen. Überraschende Einsichten werden sich dann auftun. Wie immer, wenn man sich auf jemanden einlässt, der einem vorher fremd war.

Vielleicht könnte aus dieser Bewegung des Einlassens und des In-Kontakt-Tretens mit unseren Bettlerinnen und Bettlern auf Augenhöhe ein Klima wachsen, das – ohne Sozialromantik – von Mitgefühl und Respekt gegenüber bettelnden Menschen geprägt ist.

Hier geht es zu den ersten drei Gedanken zum Betteln:

Die Würde bettelnder Menschen ist unantastbar

Bettelnden Menschen ihre Würde lassen

Bettelnde Menschen können es keinem Recht machen

„Religion unter Verdacht“ heißt die Veranstaltung am Dienstag, bei der ich am Podium sitze. Ich soll von politischer Seite beleuchten, wie es um das interreligiöse und interkulturelle Miteinander in der Stadt Salzburg bestellt ist. Seit einigen Tagen bereite ich mich darauf vor. Es ist ein hochaktuelles Thema, die Diskussion wird sicher sehr gut besucht sein und das Meinungsspektrum sehr breit.

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mein zerlesenes Exemplar von „Abermals krähte der Hahn“

Ich lese viel über den Islam, den IS, den Dschihad, verführte Jugendliche und die Kopftuchdebatte. Und immer wieder über Religionsfreiheit und Religionskritik. Da erinnere ich mich an meine persönliche Auseinandersetzung mit dem Christentum, mit der Religion. Wegweisend war für mich Karl Heinz Deschner, einer der wichtigsten Religions- und Kirchenkritiker des 20. Jahrhunderts. Ich habe seine Bücher verschlungen, das wichtigste Werk für mich war „Abermals krähte der Hahn“. Das Buch ist eine flammende Kritik an 2000 Jahren Christentum. Es hat mich nicht davon abgehalten weiterhin Christin zu sein. Deschners Werk hat mich aber gelehrt die Kritik an Religion und Kirche wert zu schätzen. Dank der Aufklärung und ihrer vielen Mütter und Väter ist Religion nicht allbestimmend. Religion soll Platz haben im Leben eines Menschen. Aber auch die Freiheit von der Religion ist genauso hoch zu schätzen.

Am Dienstag diskutieren wir offen über den Islam, seine Licht- und Schattenseiten. Darüber, dass es in  Österreich viele verschiedene Religionsgemeinschaften gibt, deren AnhängerInnen frei ihren Glauben leben können. Aber das verdanken wir nicht zuletzt den Menschen, die jeder Religion kritisch gegenüber stehen. Damit ermöglichen sie die Vielfalt der Religionen und halten den Alleinanspruch einer Religion auf die Wahrheit im Privaten. Das ist auch ein politischer Auftrag, finde ich.

von Michael König

Unlängst habe ich beim Gang in einen Supermarkt beobachtet, wie der üblicherweise sehr kundenfreundliche Filialleiter einen still auf den Eingangsstufen seines Geschäftes sitzenden Bettler in harschem Ton angesprochen hat. Der etwa 40-jährige bettelnde Mann hatte vor sich einen Becher stehen. „Du weggehen da, da stell dich auf die Seite“. Die Szene hat mich verstört. Nicht deswegen, weil der Filialleiter diesen Mann ersucht hat, sich nicht auf die Stufen zu seinem Geschäftseingang zu setzen. Ich denke, es ist wichtig und legitim, mit den bettelnden Menschen unserer Gesellschaft Regeln zu vereinbaren, die für ein konfliktfreies Zusammenleben unterstützend sind.
Was mich verstört hat,  war vielmehr, mit welcher Selbstverständlichkeit dieser südosteuropäische Staatsbürger mit dem abschätzigen, distanzlosen „Du“ angesprochen wurde. Ich hab das als würdelos empfunden.
Bettlerinnen und Bettlern in unserer Gesellschaft einen würdevollen Platz zu geben, beginnt bei der Haltung, mit der ich ihnen begegne. Bettelnde Menschen spüren es, ob man sie mit einem freundlichen Blick würdigt. Immer mehr Menschen unserer Gesellschaft versuchen in irgendeiner Weise Kontakt zu „ihren“ Bettlern herzustellen, die sie täglich am Weg zur Arbeit treffen. Manchmal ist es nur ein Morgengruß, der menschliche Wärme ausstrahlt und gut tut. Das gibt diesen Notreisenden das Gefühl, nicht völlig kontaktisoliert am Rande sondern doch innerhalb unserer Gesellschaft leben zu können, wenn schon nicht als willkommene, dann zumindest als akzeptierte europäische Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Die Würde bettelnder Menschen ist unantastbar – Erster Gedanke