Im Herbst letzten Jahres stolperte ich über eine der vielzähligen Werbungen, die man heutzutage per Mail erhält. „Rubensausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien inklusive Übernachtung ab 62,– Euro!“ Das war doch der mit den üppigen Frauenfiguren. Das wollte ich in Natura sehen – vielleicht auch, um selbst mal schlank zu wirken. Also habe ich mir das erstmal gemerkt und abgespeichert, irgendwann wird es schon zeitlich passen.

Die Zeit verlief und im Dezember stöberte ich noch mal durch das Angebot. Huch, was las ich da: Die Ausstellung läuft nur noch bis 23. Januar! Also gleich mal Gedanken gemacht, wann es denn passen könnte. Ich wählte Wochentags, da dann sicher nicht so viele Besucher sein würden. Für was ist man denn in Ruhe? Geworden ist es dann eine Reise von Donnerstag 11.01. bis Freitag 12.01. 2018. Bei der OeBB gleich das Ticket für den 11. Januar um 09.08 Uhr bestellt samt Sitzplatzreservierung und Servicepersonal. Unsereins, also Menschen mit Rollstuhlfortbewegung, müssen unsere Reise im Railjet anmelden, damit Servicekräfte einen auf den zuginternen Lift hieven. Die Reisezeit legte ich gleich mal fest, da ich gerne im Zug frühstücke. Die Rückfahrt buchte ich nur für den nächsten Tag, jedoch ohne Uhrzeit, da ich mich nicht festlegen wollte.

Der Tag der Reise nahte und es kam wie es kommen musste: Ich kränkelte seit dem Wochenende davor. Begonnen hat es mit sagenhaften (von Freunden belächelten) 36,8 Grad und Schlappheit. Das schaukelte sich auf 38,5 Grad rauf samt tagelanger Appetitlosigkeit. Gut, das seh ich als Selbstregulierungskraft meines Körpers, dadurch reduzierten sich meine Rundungen. Mit lieben Freunden verabredete ich mich für den Abend in ein Restaurant, der Platz musste noch reserviert werden. Wir wählten das „Motto am Fluss“. Ich bekam vorab den Link zu dem Lokal. Sehr chic! Und was les ich da auf der Speisekarte? Bouillabaisse von österreichischen Fischen! Die musste ich haben.

Novotel Wien: barrierefrei!

Da muss ich hin. Warum denn nur die Hysterie wegen einer Fischsuppe wird man sich fragen? Nun, ich habe bis zum letzten Donnerstag noch nie eine gegessen. Eigentlich hätte die Premiere für mich letztes Jahr beim Urlaub mit Freunden an der Cote d’Azur sein sollen. Originalerweise sogar in Marseille. Während der gebuchten 10 Tage schafften wir es nie.
Zum Glück schwitzte ich alles in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag raus und ich konnte genesen die Reise antreten. Ich rollte zeitgerecht (dachte ich) außer Haus zur Bushaltestelle. Just an diesem Tag war der Bus überpünktlich, sogar leicht zu früh. Für mich zu spät, er fuhr mir vor der Nase weg! Hmmmm, was tun? Wenn ich mir ein Taxi bestelle, bis das kommt und ich eingeladen bin … da kann ich gleich auf den nächsten Bus in 15 Minuten warten. Am Bahnhof angekommen dann mit Staubwolke zum Bahnsteiglift gezischt. Oben angekommen nahmen mich schon die Bahnbediensteten in Empfang, schoben mich zum Waggon, rauf auf den Lift, rein ins Abteil und schon ging es los. Auf den letzten Drücker quasi!

Fahrt und Frühstück waren sehr angenehm. Als Hotel wählte ich das Novotel am Bahnhof, die Hotels aus dem Package kamen wegen mangelnder Barrierefreiheit nicht infrage. Wow! Das Hotel kann ich für Rollstuhlfahrer (und nicht nur für die) guten Gewissens empfehlen. Da wo der Railjet ankommt, mit dem Lift runter, einmal ums Eck und nach 50 Metern ist schon das Hotel situiert. Rauf in den fünften Stock und neugierig das Zimmer begutachtet. Das Bad und die Keramik sind ideal, das Bett schön hoch.

Peinlich: Loch und Brösel

Bevor ich zum Kunsthistorischen Museum fuhr, wollte ich noch schnell in der Shopping-Mall im Bahnhof einen neuen Pullover käuflich erwerben. Beim abstreifen der Croissantbrösel im Zug, bemerkte ich ein Loch im schwarzen Pullover. So ein Mist! Gefunden habe ich allerdings keinen, dafür ein schönes Salatbesteck. Ideal als Mitbringsel für meine Freundinnen mit dem Schrebergarten.

Mit der Straßenbahn fuhr ich zur Ausstellung, die wahrlich sehenswert ist. Ich bin fasziniert von den alten Meistern. Der Nachmittag war hierfür gänzlich ausreichend. Danach zurück ins Hotel, duschen und relaxen und zeitnah zur U-Bahn. Es sind nur 4 Stationen bis zum Schwedenplatz, allerdings mit Umsteigen. Ich war das erste Mal mit der U-Bahn in Wien unterwegs. Was man da erlebt …

Es gibt zweierlei U-Bahn-Zuggarnituren. Die älteren haben einen Höhenunterschied zwischen Einstieg und Bahnsteig von geschätzten 8 bis 10 Zentimetern. Sehr schwer zu bewältigen, meist nur mit Hilfe. Die neueren Waggons sind bündig mit dem Bahnsteig (bis einen kleinen, überwindbaren Spalt). Gelernt habe ich auch, dass es in den Stationen nur einen Lift gibt. Währenddessen es für aufrecht gehende scheinbar alle 10 Meter eine Rolltreppe gibt. Das heißt, man muss ständig hin und herfahren um die Bahnen zu wechseln oder rauszukommen.

Am Schwedenplatz angekommen wollte ich überpünktlich am Treffpunkt erscheinen. Was aber nicht ging, weil der Lift kaputt war! Die Dame in der Stationshilfe konnte mir nur den Tipp geben, mit der U-Bahn eine Station weiter zu fahren und dann zurückzurollen. Da wäre ich dann wahrscheinlich nach einer Ewigkeit angekommen! Gerade zum Telefon greifend um meine Freunde anzurufen, kamen die Zwei auch schon um die Ecke. Kurz von dem Malheur erzählt, waren auch die entsetzt, dass es nur einen Lift an dieser großen Station gab. Zum Glück kam gerade ein Monteur, der den Lift reparieren wollte. Zusammen mit einem Kollegen machte er den Lift soweit klar, dass sie mich in die steckengebliebene Kabine hieven konnten und dann mit dem Notbetriebschalter auf dem Dach im Schneckentempo nach oben. Ganz rauf brachten sie die Kabine nicht, es fehlten noch ca. 40 Zentimeter. Mit vereinten Kräften hoben sie mich aus der Kabine. Also das Essen hab ich mir redlich verdient ob der vielen Aufregung!

Das Essen und der Abend überhaupt im Motto am Fluss war es toll, samt der Fischsuppe. Danach zurück ins Hotel, der Lift zur U-Bahn funktionierte wieder, und sehr gut geschlafen. Am anderen Tag besuchte ich noch die Automesse in der Messe Wien. Am späten Nachmittag rollte ich dann ins Bahn Ticket Center und buchte für den nächst fahrenden Zug die Einstiegshilfe. Ich hatte Glück und der nächste Railjet fuhr schon in zwanzig Minuten.

Schön war es in Wien. Ich komme wieder!

liebe mami,

du wirst am montag, den 18. dezember 2017 runde 80 jahre alt. du schaust super aus, du bist gut beinander, wir zwei verbringen viel zeit zusammen und heute ist fast die ganze familie gekommen, um dich zu feiern. schön, dass ihr alle da seid.

family (c) alexandra schmidt

rund um das geburtstagsfest hab‘ ich auch viel über das älter werden nachgedacht. und mich gefragt, was ich eigentlich noch will, im leben.

für mich sind es zeiten, wo sich bei freundinnen, die auch deine töchter sein könnten, der krebs festkrallt. wo liebe freunde auf einmal was anders als liebe freunde sind und besonders jetzt:

wo die familie groß zusammenkommt, weil ihre älteste schwester, tante, großtante, urgroßtante, cousine, und vor allem: meine mami 80 wird.

more family (c) alexandra schmidt

ich will:

  • immer genug champagner im kühlschrank haben. und deutschen riesling.
  • so xund sein wie jetzt, und du auch. und alle unsere lieben. oder xünder.
  • so viel spaß mit und in der arbeit, in der freizeit haben wie jetzt – möglichst viel davon mit dir.
  • mit 80 so gut ausschauen wie du. oder besser.
  • noch vieles von der welt sehen. manches davon mit dir.
  • allein leben, und selbstbestimmt. wie du, mami. und trotzdem nicht auf den spaß verzichten.
  • so viele liebe menschen um mich haben wie jetzt, egal ob verwandt oder befreundet. ihr seid die besten. ihr seid die, die mit uns feiern, trinken, reden, uns einladen, uns bekochen, sich bekochen lassen, mit mir swing tanzen, coole dinge aushecken, uns schreiben, uns stärken, uns helfen und uns umarmen.
  • mami und ich wissen: wir haben ein paar mal richtig glück gehabt. dafür bin ich sehr dankbar. dass ich so eine gute arbeit habe und mami und ich so wenig materielle sorgen, dass ist viel wert.
  • ein paar im freundeskreis beneiden mich ein kleines bisschen, materiell. auch ok. aber seid versichert: ich gebe mein letztes hemd für euch, wenn ihr es braucht und wenn ich kann.

hab‘ ich schon gesagt, dass ihr die besten seid? egal, sag‘ ich’s eben nochmal: ihr seid die besten.

mit christl greimeister (c) privat/schmidt

sonst will ich eigentlich nur auf ein paar trinken, die heute nicht dabei sein können: to absent friends.

ah ja, auf den weltfrieden will ich auch trinken können. ähm, also wenn er dann wirklichkeit ist.

und das ist alles.

family früher (c) alexandra schmidt

to absent friends (c) alexandra schmidt

happy birthday, mami. komm‘, wir machen weiter, wie bisher und wie es uns astrid lindgren über pippi langstrumpf angesagt hat: wir bleiben frech und wild und wunderbar.

die torte anscheiden (c) alexandra schmidt

damals mit hilda (c) alexandra schmidt

alexandra als kind (c) alexandra schmidt

frech und wild und wunderbar (c) privat/schmidt

 

 

 

von Gabriele Rothuber

Check your privileges.

Ich bin eine heterosexuelle Cis-Frau. Das bedeutet, meine sexuelle Orientierung ist auf das Gegengeschlecht – in meinem Fall das männliche – gerichtet. Cis bedeutet – im Gegensatz zu Trans – dass meine Geschlechtsidentität mit dem mir bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Ich empfinde mich als Frau. Und ich werde auch von meiner Umgebung, meinem Gegenüber als Frau „gelesen“, das nennt man den Geschlechtsausdruck.

Eine einfache Sache ganz schön kompliziert erklärt?

Die wenigsten Menschen müssen sich Gedanken darüber machen, was sie von sich erzählen, wie sie sich kleiden, wie andere sie wahrnehmen, ob sie den Menschen, den sie lieben oder begehren auch ganz offiziell küssen können etc. Sie machen sich meist auch überhaupt keine Gedanken darüber, dass sie sich wahrscheinlich unzählige Male pro Tag als heterosexuell outen: etwa, indem sie von ihrer Familie erzählen.

Das sind Privilegien, derer sich die wenigsten bewusst sind.

Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, subsummiert man unter dem Begriff Trans*. Sie kämpfen oft jahrelang FÜR die selbstbestimmte, aufgeklärte hormonelle und/oder chirurgische Veränderung ihrer Körper.

Menschen, die mit Anteilen beider Normgeschlechter ausgestattet sind, nennt man intergeschlechtliche Menschen. Sie kämpfen ihren Kampf GEGEN die zwangsweisen geschlechtsverändernden Maßnahmen, die Babys auch heute noch erfahren.

Sie alle sind „Minderheiten“, Minoritäten. Es sind jedoch gar nicht so wenige! Man geht davon aus, dass rund 10% aller Menschen ausschließlich homosexuell orientiert sind, dass bis zu 1 % der Bevölkerung eine Trans-Thematik aufweisen und dass ca 1,7 % der Menschen Geschlechtsmerkmale (äußere/innere, Keimdrüsen, Hormone, Chromosomen) beider Normgeschlechter aufweisen. Sie kennen bestimmt einen Menschen, der ins LGBTI*-„Spektrum“ fällt, vielleicht ohne es zu wissen.

Es geht schlicht und einfach um Menschenrechte. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, auf körperliche Unversehrtheit. Es geht um Antidiskriminierungsschutz. Es geht um Menschen, die eine besonders vulnerable Gruppe darstellen. Die Selbstmordversuchsraten unter homosexuellen Jugendlichen sind noch immer um 5- bis 7fach erhöht gegenüber ihren heterosexuellen Freund*innen. Das muss sich ändern!

Deshalb bin ich – als Angehörige einer Mehrheit – ehrenamtlich tätig. In der HOSI Salzburg (www.hosi.or.at) und in der Plattform Intersex Österreich (www.plattform-intersex.at). Weil ich – gemeinsam mit denen, die es betrifft – etwas dazu beitragen möchte, dass Menschenrechte endlich für alle Menschen in Österreich gleichermaßen gelten.

Und deshalb freue ich mich riesig mit meinen Freunden und Freundinnen, dass der Verfassungsgerichtshof ab 2019 die Ehe für alle Menschen, die einander lieben und füreinander sorgen möchten, öffnen wird!

https://www.vfgh.gv.at/medien/Ehe_fuer_gleichgeschlechtliche_Paare.de.php#

Heute habe ich meine Handy-Aktivitäten der letzten fünf Tage Revue passieren lassen.
Statistisch gesehen waren es unzählige Mails, die ich geschrieben habe, einige Imo-Nachrichten in den Iran, ein paar SMS und genau fünf Anrufe, die ich selber getätigt habe, zwei davon privat. Ich bekam Anrufe für die Firma, Mails,ungezählte WhatsApp Nachrichten im Telegrammstil mit vielen Emojis, Fotos und Witze ohne Zusatz und genau drei private Anrufe.

Ist das die Zukunft unserer Konversationen?

Warum habe ich selbst nicht öfter jemanden angerufen? Die meisten heben ja nicht einmal mehr ab und rufen auch nicht zurück. Sie reagieren maximal auf WhatsApp Nachrichten und senden als Antwort oft nur Emojis. Als Zusatz bei ihren Profilen findet man: Ich bin im Kino oder Ich bin so cool oder Keine Anrufe, nur WhatsApp.
Wir sehen uns kaum mehr, jeder hastet eilig durch die Straßen, von einer Aufgabe zur nächsten. Im Kaffeehaus sitzen in einem Raum drei Leute an möglichst weit voneinander entfernten Tischen, jeder das Gesicht in einer Zeitung vergraben. Man kommt wortlos, man geht wortlos, kaum einer grüßt. Früher grüßte man selbst wenn man einen Bus betrat.
Wir reden nicht mehr miteinander und wenn, dann möglichst knapp das Nötigste. Viele Missverständnisse entstehen, WhatsApp Nachrichten klingen häufig unfreundlich wenn sie ganz ohne Emojis kommen.

Kulturtechnik Sprache

Ich fürchte um unsere Sprachfähigkeit, die wichtigste Kulturtechnik der Menschen. Sie wird oft nur noch verwendet um Aggressionen abzubauen. Ruhige, klärende Gespräche werden zwar in unterschiedlichsten Facebookartikeln mit dem Zusatz:14 Fehler, die man beim Streit vermeiden sollte…20 Sätze, die Männer hören wollen etc. vorgeschlagen. Doch dies ist eine rein mechanische Vorgangsweise ohne Einfühlsamkeit und Gefühl, der reinen Manipulation dienend.
Politische Sprache ist oft nur mehr eine leere Hülse ohne Aussagekraft. Man könnte ja sonst festgenagelt werden und müsste am nächsten Tag widerrufen.
Bald werden als Botschaften wohl nur mehr zornige Emojis geschickt werden und vor Wahlen Herzchen. Ist es wirklich nur der Zeitmangel und die Unsicherheit, die uns so wortkarg machen oder nicht vielmehr die Leere unserer Herzen in einer Kultur, deren Sinnfrage nur mehr der Schein statt das Sein beantwortet?

Es gibt so Menschen, die einem bei einem Gespräch so nebenbei etwas sagen, das einen nicht mehr los lässt. Simon Kranzer von der Fachhochschule ist so ein Mensch.

Heute hatte ich einen Termin mit ihm, es ging um Digitalisierung und Pädagogik im Kindergarten. Und dann sagt Simon so in einem Nebensatz:“ Vor kurzen war ja der Stichtag, dass die jetzt geborenen Menschen gar keinen Führerschein mehr machen müssen.“

„Wie, was, warum?“platze ich gleich heraus. „Naja in 18 Jahren fahren die Autos eh so rum, da braucht keiner mehr einen Führerschein“, meint Simon.

Simon Kranzer

Logisch, haben wir ja oft genug gelesen und gehört, dass die selbstfahrenden Autos kommen. Aber der Nebensatz von Simon hat mir dann doch zu denken gegeben. Wer hätte sich vor 18 Jahren vorstellen können, dass unsere Welt nur mehr mit Computer und Datenaustausch funktioniert? Also ich erinnere mich gut an 1999, mein erstes etwas klobiges Handy und das Modem unter meinem Schreibtisch, das furchtbare Geräusche von sich gab, wenn ich mich einloggte um eine Stunde im Internet zu verbringen. Mehr war nicht drin damals, war doch noch etwas teuer.

Es wird Zeit aufzuhören, wie viel Digitalisierung unseren Kindern zumutbar ist und den guten alten Zeiten nachzutrauern, als das Leben noch nicht von einem Smartphone begleitet wurde. Es ist Zeit, dass wir unsere Kinder in die Digitalisierung begleiten und zwar so, dass sie nicht nur Konsumenten sind, sondern wissen, wie sie aktiv die Welt des Digitalen mitbestimmen können. Ich glaube Simon hat recht, die jetzt geborenen Menschen brauchen keinen Führerschein mehr für ein Auto. Aber was sie brauchen ist unsere aktive Begleitung in ein Leben in einer digitalisierten Welt.

von Leonie Reschreiter

Seit beinahe 9 Jahren ist die Halleinerin Margarethe Wagner halbseitig gelähmt. Ihr Tagesablauf ist davon geprägt, sich in einem Rollstuhl fortzubewegen. Einen Tag lang habe ich sie und ihren treuen Gefährten, den Partnerhund Balu, begleitet.

Balu ist nicht nur Margarethes Freund und Helfer, er gibt ihrem Tag einen Rhythmus. Früh morgens steht sie auf und fährt mit ihm eine große Runde durch die Halleiner Altstadt spazieren. Heute hat sie sich außerdem mit ihrer „Seelenverwandten“ Gabi Weickl verabredet.

Für RollstuhlfahrerInnen reicht eine zu hoher Gehsteig oder ein Graben in der Straße, um nicht mehr weiter zu kommen. Auch wenn Margarethe einen elektrischen Rollstuhl hat, stellt bereits eine zehn Zentimeter hohe Kante ein unüberwindbares Hindernis dar. „Im Winter ist es noch viel schlimmer, dann muss ich mir eine Schneeschaufel mitnehmen. Wenn ich feststecke, frage ich Leute, die mir dann den Weg freischippen. Anders geht es nicht“, erzählt sie mir. Auch wenn sie die Wege kennt, die sie problemlos befahren kann, stört es sie dennoch, dass von den Geschäftsleuten und PolitikerInnen der Stadt Hallein so wenig Rücksicht genommen wird.

 

Einkaufen mit Rollstuhl – oft gar nicht so einfach. Und nicht alle Begegnungen sind freundlich

Nach dem Hundespaziergang wird für das Frühstück eingekauft. Während Balu am Eingang wartet, gehen Margarethe und Gabi Brot, Käse und Aufstriche holen. Auch das ist eine Herausforderung, denn die wichtigsten Produkte befinden sich in der Augenhöhe von stehenden Menschen und sind so zu hoch für Margarethe. Die Frau zuckt mit den Schultern, „Entweder ich bin mit Gabi unterwegs oder ich hole mir eine Bedienung, die mir heruntergeben muss, was ich brauche.“

Als ich gemeinsam mit der Rollstuhlfahrerin durch das Geschäft gehe, bemerke ich die verächtlichen Blicke einer Frau. Eine andere, der wir helfen wollen ein Produkt zu finden, beschimpft Margarethe. Diese seufzt: „Entweder ich schlucke oder ich rege mich über alles auf. Auch wenn es mir schwer fällt, will ich mir meinen Tag nicht versauen lassen.“ Beim Hinein- und Hinausfahren aus dem Geschäft piepst der Alarm. „Das passiert immer, weil ich meinen Rollstuhl klauen will“, lacht sie. Trotz aller Schwierigkeiten hat sie sich ihren Humor bewahrt.

Ihre Wohnung befindet sich etwas außerhalb der Halleiner Altstadt im sechsten Stock eines Wohnblocks. Es gibt einen Lift, aber wie sie erzählt, funktioniert dieser öfter nicht. Manchmal stecke sie bis zu einer Stunde fest und komme gar nicht außer Haus. „Ich bin praktisch eingesperrt. Wobei man sagen muss, dass ich generell eine Stunde früher aufbreche und mit Verzögerungen rechne. Oft ist die die Bus-Rampe kaputt oder Busfahrer fahren ohne mich los“, beschreibt sie mir die Situation.

Nach der Tour durch die Stadt macht Balu gern ein Schläfchen

In der kleinen Wohnung werden Margarethe, Gabi und ich von einer Katze, einer Hündin und einem Hasen begrüßt. Die Tiere sind ihre Freunde und immer für sie da. Vom Stadtspaziergang ist Balu müde und legt sich schlafen. Er achtet im Freien auf jede Bewegung seines Frauchens und ist sofort parat, sollte sie ihn brauchen. Abends wird Margarethe noch einmal eine Spazierrunde mit ihm gehen. Ihr Tagesablauf verläuft meistens gleich. Mit ihrer körperlichen Situation hat sie sich abgefunden. Womit sie sich nicht abgefunden hat, ist die gesellschaftliche Situation, in der sich Menschen mit Behinderung befinden.