Am 20.1.2014, startete das Online-Voting für den Schmähpreis „Schandfleck des Jahres“ des Netzwerks Soziale Verantwortung. Gesucht wird die gesellschaftlich unverantwortlichsten Unternehmen, Organisationen, Institutionen oder Einzelpersonen.

Logo SchandfleckErneut im engeren Favoritenkreis ist die Andritz Hydro GmbH. Nachdem im Vorjahr die Beteiligung am zerstörerischen Staudammprojekt „Belo Monte“ in Brasilien viele Stimmen einbrachte, ist sie nun für die Beteiligung am ähnlich verheerenden Staudammprojekt „Xayaburi“ in Laos nominiert. Das Nominierungsdossier schlägt Andritz Hydro aufgrund „systematischer Beteiligung an ökologisch und menschenrechtlich problematischen Staudammprojekten“ zur Wahl vor.

Auch Belo Monte ist keinesfalls abgehakt und erledigt – ganz im Gegenteil: Letzte Woche begann das Errichterkonsortium mit der zwangsweisen Umsiedelung von Familien in Altamira, dem Bischofsitz von Bischof Erwin Kräutler. Der Kraftwerksbau schreitet trotz zeitweilig von Gerichten verhängten Baustopps voran – mehr als ein Drittel der Arbeiten sind bereits fertiggestellt und Anfang 2015 soll der Stausee geflutet werden. – Die Folgen für die indigene Bevölkerung und die Umwelt sind katastrophal.

Die brasilianische Partnerorganisation MAB (Bewegung von Staudammbetroffenen) von SEI SO FREI, der entwicklungspolitischen Aktion der Katholischen Männerbewegung und der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar kritisiert, dass Staat und Unternehmen nicht einhalten, was sie den fast 8.000 von Absiedlung bedrohten Familien versprochen haben. Ursprünglich waren Ersatzhäuser in unmittelbarer Nähe vom bisherigen Wohnort am Fluss zugesagt. Nun werden sie Kilometer weit weg in Betonfertighäuser verfrachtet. Für die vielen Familien, die vom Fischfang leben, ist dies existenzbedrohend.

 

Dass österreichische Unternehmen sich zu wenig um die negativen Auswirkungen ihrer Auslandsgeschäfte kümmern (müssen), wurde im Dezember auch vom UN-Komitee für Wirtschaftliche Soziale und Kulturelle Menschenrechte aufgezeigt. Die österreichische Regierung wurde aufgefordert, seine Unternehmen stärker als bisher zu regulieren und zu kontrollieren. Die Zivilgesellschaft muss aber weiter Druck machen – am besten heute schon: Mit einer Schandfleckstimme für die Andritz Hydro!“

Schandfleck Voting hier: http://www.schandfleck.or.at/

Ein Gastbeitrag von Alexandra Schmidt

fbticketRed Bull Salzburg hat in einem Testspiel den FC Bayern München 3:0 geschlagen. Respekt – nach ihrem Triple 2013 gilt Bayern München immerhin als das beste Team der Welt. Ein roter Bulle ist mir besonders aufgefallen:  Kevin Kampl.  Er hat einen Elfer verschossen und eine lustige Frisur. Und im Interview nach dem Spiel hat ihn der Moderator nach seiner Familie gefragt, die offenbar fast 20köpfig beim Spiel zugeschaut hat. Kevin Kampl hat betont, wie wichtig ihm das sei und dass ihm die Familie alles bedeute. Dass er ein totaler „Familienmensch“ sei. Interessant. Darf ich jetzt annehmen, dass er in Elternkarenz geht, wenn er mal Vater wird? In der Nacht Fläschchen wärmt, Windeln wechselt und Einschlaflieder summt, das Baby am Arm, stundenlang? Und wenn er eine Tochter hätte: dass er sie  zum Fußballplatz bringt  wenn sie in seine Fußstapfen tritt? Drei Mal pro Woche Training und am Samstag zum Spiel? Das nämlich wär ein Familienmensch nach meiner Definition…

XelaAber noch was anderes: Bayern-Trainer Pep Guardiola kommt aus Spanien und ist ein guter Verlierer. Er hat den Bullen gratuliert und keine Ausreden gehabt – sie waren einfach das bessere Team hat er gesagt. Wenn ich ihn richtig verstanden habe. Er ist seit einem guten Jahr Trainer in München. Sein Deutsch ist so schlecht, dass ich zwei Drittel von dem was er im Interview sagt, nicht verstehen oder nur erahnen kann. Ok, find ich jetzt nicht so schlimm. Aber viele verlangen von MigrantInnen, dass sie gefälligst „gscheit deitsch“ lernen sollen. Wohlgemerkt: auch von denen, die 60, 80 oder mehr Stunden die Woche eine Drecksarbeit machen für die sich sonst niemand findet. Die vielleicht nicht neun Jahre in die Schule gegangen sind und keine Ahnung haben, was ein Adverb ist.   (Wissen Sie´s? ;-) Die keine Zeit und keine Energie haben, auswendig zu lernen, dass es „die Uhr“ und „der Wochentag“ heißt und es in Deutsch nicht nur diese zwei Geschlechter gibt sondern ein sächliches auch noch. Dass es „das Fußballspiel“, „das Tor“ und „das Team“ heißt, aber „die Mannschaft“. Ja, „die“ sollen das lernen, aber bei Fußballtrainern und Menschen aus Spitzensport und Kultur darf man nicht so streng sein. Echt nicht?

Das fragt sich, ehrlich wahr, eure Xela

Im Laufe meiner Dienstzeiten unterrichtete ich an einem brasilianisch- schweizer College in Sao Paulo auf der Stufe colégial ( mit Abschluss mit Bachelor-Titel ). Gleichzeitig war sie eine International School.Flagge Brasilien

Diese Einrichtung hatte eine gemeinsame Schule vom Kindergarten bis zur 12. Schulstufe mit verschränkter Ganztagsschule zu bieten. Die einzige Unterscheidung fand dadurch statt, dass es im Deutsch- und Englischunterricht unterschiedlich zu erreichende Sprachniveaus gab.

Die LehrerInnen der Sekundarstufe I hatten etwa dieselbe Ausbildung wie bei uns in Österreich bisher Lehrer der NMS, für die Stufe colégial brauchte man ein abgeschlossenes Universitätsstudium sowie kontinuierlich durch die brasilianische Schulbehörde vorgeschriebene fachliche und methodische Weiterbildungen. Das Niveau war in Deutsch und Englisch  sehr hoch, Bachelors schlossen mit Kompetenzniveau C und alle anderen mit B- Level ab. Es war vom Lehrenden ein differenzierter Unterricht vorzubereiten und zu halten, der sich auch bei der Matura und der brasilianischen formatura zu Buche schlug.

Die Schüler wechselten problemlos danach auf die staatliche Universität mit einem sehr strengen Auswahlverfahren, viele von ihnen kamen in amerikanischen Universitäten, ja sogar Stanford und Harvard unter.

Da gerade der Zeitpunkt ist, an dem sich die neue Lehrerbildung von PH und Universität mit Inhalten füllen sollte, sich neue Kooperationen der beiden Bildungseinrichtungen herausbilden, finde ich es nicht schlecht, das Konzept des Stufenlehrers mit der Möglichkeit der Wissensvertiefung und Spezialisierung bis hin zur wissenschaftlichen Befähigung nicht ganz fallenzulassen.brita

Vieles kann Hand in Hand gehen, vor allem bei der Ausbildung zum Bachelor. Da wird man wahrscheinlich gut daran tun, Didaktik, Sozialpädagogik und Fachwissen sich die Waage halten zu lassen. Das Masterstudium, das alle absolvieren müssen, sollte speziell auf die Schulstufen, für die ein Lehrer/ eine Lehrerin vorbereitet wird, eingehen. Es ist immens wichtig, Kenntnisse über Projektunterricht, Offenes Lernen, alternative Formen der Wissensvermittlung zu erlangen, wobei immer zu berücksichtigen ist, dass sich auch hier in der Pädagogik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Weiterentwicklungen ergeben werden, die in der Lehrerfortbildung vermittelt werden müssen.

Genauso wichtig ist es, einen Stock an Fachkräften zu haben, die ein gutes Maturaniveau mit ihren SchülerInnen erreichen, ihnen z.B. bei der vorwissenschaftlichen Arbeit helfen können, weil sie selbst wissenschaftlich arbeiten können.

Durch die Zentralmatura werden natürlich andere Maßstäbe angelegt werden als die bisher bekannten: Von außen werden Kenntnisse eingefordert, auf die Pädagogen und SchülerInnen hinarbeiten. Ich kenne das vom Konzept der International Schools, dort wird ebenfalls für den Abschluss der Kanon und die Prüfung von außen vorgegeben. Trotzdem gibt es Bereiche, in denen nicht alles vorgegeben werden kann und auch z.B. bei mündlichen Prüfungen auf die Individualität der Kandidaten eingegangen wird (Ich denke hierbei im Sprachbereich daran, dass es über die Jahre kaum ohne eine individuelle Leseliste aus der Weltliteratur gehen kann.) Hier ist der Lehrer/ die Lehrerin weiterhin mit der ganzen Fachkompetenz gefragt, um zu fördern und zu lenken. Es ist auch durchaus nicht weniger Fachwissen vonnöten, wenn man als Lehrender mit den SchülerInnen im gleichen Boot sitzt, denn, man gestatte mir den Vergleich, der Kapitän sollte die Nautik  in bekannten wie unbekannten Gewässern sehr wohl beherrschen.

Mit großem Interesse sehe ich der Weiterentwicklung der Lehrerausbildung und Fortbildung entgegen, wie sie nun zwischen PHs und Universitäten, wie mir bekannt ist, durchaus nicht in allen Bundesländern gleich, abgesprochen werden wird.

Was mir in Österreich derzeit Sorge bereitet, ist bisher das Fehlen von Muster-Curricula, die man begutachten könnte.

Was mir fraglich erscheint, ist, wie man ein Mehr an Curriculum in eine kürzere Studienzeit unterbringen will. Ich sehe auch realistischerweise eine Belastung auf das Schulsystem insgesamt zukommen, wenn eine ganze neue Lehrergeneration ihre Ausbildung während und neben der Arbeitszeit fertigzustellen beginnt. Es wird in wenigen Jahren zu einer zeitlichen Überschneidung mit der bereits beginnenden Pensionierungswelle der 60- bis 65 Jährigen kommen. Wer springt für die jungen LehrerInnen ein, die neben dem Studium arbeiten sollen?

Das Stufenlehrersystem hätte den Vorteil, dass es keine zeitliche Begrenzung gäbe, um sich weiterzubilden. Es hätte den Vorteil, keine Drop- Outs zu schaffen. Es lässt die Möglichkeit zur Orientierung des einzelnen offen, wie viel er sich zumuten möchte. Und ich glaube nicht dass dadurch 2 Klassen von LehrerInnen entstehen. Ich habe selbst erlebt, wie friktionsfrei der Alltag abläuft, wenn alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um weiterzukommen, aber kein Druck vorhanden ist, entweder zu entsprechen oder das Ziel zu verfehlen.

Ein Gastbeitrag von Gernot Marx

Die Olympischen Winterspiele rücken immer näher und damit auch unsere Verantwortung gegenüber den Menschenrechten in Russland. Das Internationale Olympische Komitee erklärte, dass es ein Grundrecht einer jeden Person sei, seine Meinung auszudrücken und es somit keiner eigenen Klausel zur freien Meinungsäußerung in der Olympischen Charta bedarf. Mit dem Austragungsort der diesjährigen Winterspiele zeigt sich – nach Peking – einmal mehr, wie sehr der Olympische Gedanke von Macht, Geld und Einschaltquoten regiert wird.

Auch wenn Österreich zum zweiten Mal als Austragungsort ausgeschieden ist, seine Wirtschaft profitierte vom Sieg Russlands und wusste ihre Produkte gut zu verkaufen. Im Gegensatz dazu kann ich mich nicht erinnern, dass der Diskussionsbedarf über Russlands Umgang mit Demokratie und Menschenrechten, damals für gleichermaßen Wirbel sorgte.gernot marx

Heute, dreieinhalb Jahre nach der Entscheidung für Sotschi, sieht es etwas anders aus. Mit der Inhaftierung der Band ‚Pussy Riot‘ 2012 wurden die Missstände im Putin-Reich erstmals in einer ungeahnten Intensität über die internationalen Medien und vor allem Soziale Netzwerke bekannt. Mit dem Homosexuellen-Propaganda-Gesetz stellt Russland seit Sommer 2013 jegliche, positive Äußerung über Homosexualität in der Öffentlichkeit und vor Kindern unter Strafe. Die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter in Sotschi ähneln jenen in Dubai und eine nachhaltige Nutzung der Infrastruktur zugunsten der Bevölkerung in Sotschi ist eher unwahrscheinlich. So bekommt die Debatte um die Vergabe der Olympischen Spiele neuen Fahrtwind. Die Öffentlichkeit ruft weltweit zum Boykott auf, trotzdem mangelt es an klaren Aussagen der meisten Staats- und Regierungschefs. Am Jahrmarkt der Eitelkeiten sind wirtschaftliche Interessen und Machtkämpfe die größten Beeinflusser der politischen Nicht-Diskussion.

Diplomatie mit ohne Diskussion

Dieser Tage hagelt es für die Winterspiele reichlich Absagen hochrangiger Politiker. So tanzen von den G8-Staaten höchstwahrscheinlich nur Japans und Italiens Regierungschefs in Sotschi an. Der Deutsche Bundespräsident, seine Amtskollegen aus Frankreich und den USA, die Regierungschefs von Deutschland, Großbritannien, Kanada, Litauen sowie Belgien folgen dem Ruf des olympischen Feuers nicht.

Die wenigsten fanden bislang klare oder gar motivierende Worte für die Leidtragenden und Aktivisten. Dennoch gibt es Beispiele:

          Viviane Reding, die EU-Justizkommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission sagt, was viele Denken: „Ich werde mit Sicherheit nicht nach Sotschi gehen, solange Minderheiten weiterhin auf diese Weise unter der gegenwärtigen Gesetzgebung behandelt werden“

          Litauens Präsidentin, Dalia Grybauskaite, erteilte Putin ebenso eine Absage aufgrund seines Umgangs mit ihrem Land und der dortigen Menschenrechtslage.

          Die USA entsenden – mit herrlichen Selbstverständlichkeit – deren politische Vertreter mit zwei lesbischen Sportlerinnen zur Eröffnungs- und Abschlusszeremonie nach Sotchi.

512px-Olympic_flag_svgIm Gegensatz dazu fährt Österreichs Politspitze kommentarlos nach Sotschi und setzt sich damit zusätzlicher Kritik aus. Eine Delegation aus Sportlern und Menschen- bzw. Bürgerrechtlern wäre rasch zusammen gestellt und könnte das offizielle Österreich gemeinsam mit Bundeskanzler und Minister repräsentieren. Bislang lässt nur noch das Coming Out des Einen oder Anderen Österreichischen Spitzensportlers auf sich warten – in Deutschland erledigte dies erst kürzlich der ehemalige Fußball-Nationalteamspieler Thomas Hitzlsperger. Gemeinsam könnte man die Athleten in Russland anfeuern und sich vor Ort solidarisch mit Menschenrechtsaktivisten zeigen. Es bleibt jedoch offen, wie die Österreichische Delegation aussehen wird.

Der Mensch als Mittel zum Zweck

Eine fundamentalere Rolle in der Diskussion stellen die Verbände hinter unseren Sportlern dar. Sie müssen sich klar und deutlich von Diskriminierungen aller Art abgrenzen und handeln. Das fällt den Meisten jedoch schon ohne Olympia schwer genug. Hinter dem Gewirr aus regionalen, nationalen und internationalen Sportverbänden und Komitees wächst ein immer größer werdendes, finanzielles Interesse. Männerbünde und Seilschaften schüren Abhängigkeiten und schaffen ein Machtkonstrukt, das den Zustand so mancher Großpartei übersteigt. Hier wird entschieden, welche Sportler, wie gefördert werden und was sie sagen dürfen.ol

Erst zu Jahresbeginn äußerte sich der mächtige Präsident des Österreichischen Skiverbands, Peter Schröcksnadel, in einem Interview wie folgt: „Soweit ich weiß, ist Homosexualität in Russland nicht verboten. Es ist nur verboten, offensiv dafür zu werben. Ich will das nicht gutheißen. Aber mir ist es auch lieber, es wird für Familien geworben, als es wird für Homosexualität geworben.“ Kurz darauf folgte eine Stellungnahme von ÖOC-Chef Karl Stoss, in der er verlautbarte, dass die Diskussion rund um Menschenrechte und Olympia nicht auf dem Rücken des Sports, sondern generell austragen werden müsse. Stoss bestätigte, dass es auch um wirtschaftliche Interessen geht: „Da muss man aber auch die Wirtschaftsbeziehungen infrage stellen. Und davor würde ich warnen.“ Warum Stoss davor warnen würde ist klar. Sein Vorstandskollege Schröcksnadel hält immerhin die Anteile mehrerer Skigebiete und mehrheitlich an der feratel media technologies AG. Zudem ist er Koordinator des Förderprojekts für die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio. Von der Republik Österreich wurden ihm außerdem ein Professortitel sowie das große Ehrenzeichen um Verdienste für die Republik verliehen. Die Erläuterung, persönlicher und wirtschaftlicher Interessen im Sport, könnte man ewig weiter führen. Leider bestätigen die Ausnahmen noch nicht die Regel. Die wenigen, positiven Beispiele müssen an dieser Stelle aber erwähnt werden.

          Das australische Bobfahrteam wird von der Anti-Homophobie Bewegung ‚Principle 6‘ gesponsert. Gegen einen symbolischen Beitrag trägt das Team das Logo der Bewegung.

          Ex-Tennisstar Martina Navratilova und Basketballprofi Jason Collins kritisierten das IOC bei einer Veranstaltung der UNO, weil es zu wenig für den Schutz Homosexueller Sportler tue

          Der ehemalige Präsidenten des Deutschen Fußballbunds – Theo Zwanziger – ruft gemeinsam mit Prominenten das deutsche Olympiateam dazu auf, sich in Sotschi für die Rechte von Schwulen und Lesben einzusetzen.

Im Kampf um die Menschenrechte ist es wenig verwunderlich, wenn sich Unmut gegen die sportliche upper class und das politisches Stillschweigen breit macht. Wer jetzt nicht handelt, ertappt sich bald als gleichgültig und monoton funktionierende Konsum-Hure des Sports. Gemütlich vor dem Fernseher, jubelnd auf Tribünen, in Diskussionen mit Freunden und beim Kauf von Sportartikeln der Olympia-Sponsoren. Eben „Olympia alla puttanesca“.

Ein Gastbeitrag von Uwe Höfferer

Hitlers Aufstieg wäre durch entschlossenes Handeln aufzuhalten gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt der Historiker Volker Ullrich in seiner aktuellen umfassenden Hitler Biografie.

ahaIm Herbst 2013 erschien der erste Band einer neuen Biografie über Adolf Hitler des deutschen Historikers Volker Ullrich. Auch der Autor selbst fragt sich, wozu eine weitere Biografie über den Massenmörder, wenn doch das Thema bereits derart umfassend erforscht ist. Ullrich rechtfertigt sein Werk damit, dass seit der letzten großen Aufarbeitung (gemeint sind die zwei Hitler-Bände von Ian Kershaw aus den Jahren 1998 und 2000) mehr als ein Jahrzehnt vergangen ist und etliche neue Quellen eingearbeitet aufgetaucht sind, die Kershaw nicht zur Verfügung standen. Und in der Tat. Das Ergebnis ist eine detail- und quellenreiche Geschichte „der Jahre des Aufstiegs bis 1939“ in spannenden 840 Seiten. Lesenswert halte ich das Buch vor allem deswegen, weil wir aus der Geschichte der Zwischenkriegszeit auch heute viel über den Umgang mit Extremisten und Demokratiefeinden lernen können. Die Basis für den Aufstieg Hitlers und der NSDAP war die Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Not der Menschen. Ohne weltweite Wirtschaftskrise und einer Politik, die diese verschärfte, wäre Hitler nicht an die Macht gekommen. Wer heute noch an eine rigide Sparpolitik glaubt, die die Menschen ins Elend treibt (siehe Griechenland), der macht das Geschäft der Extremisten.

aha2Es war kein Automatismus, dass Hitler an die Macht kam. Man hätte ihn mit entschlossenem Handeln aufhalten können. Ohne Hitler wäre die NSDAP eine Randerscheinung geblieben. Er war die Integrationsfigur, der die nationale Rechte einte, er zog viele (verzweifelte) Menschen insbesondere mit seinem Redetalent in seinen Bann. Ein hartes (staatliches) Vorgehen gegen Hitler und seine Partei hätte den Aufstieg rasch gestoppt. Ohne die Unterstützung aus Reichswehr, Polizei und Justiz hätte man dem Spuk schnell ein Ende machen können. Seine Politik der Gewalt gegen Andersdenkende, der Judenvernichtung und des Krieges waren keine Überraschung. Sowohl in „Mein Kampf“ als auch in seinen Reden machte Hitler nie ein Hehl daraus, was kommen wird, wenn die NSDAP erst an die Macht kommt. Ullrich räumt auch mit dem Vorteil auf, bei Hitler handelte es sich um einen beschränkten Opportunisten. Es war ein Fehler seiner Zeitgenossen, dass sie ihn sträflich unterschätzten. Allein die Tatsache, dass Hitler zum größten Dämonen der Menschheitsgeschichte aufstieg und die ganze Welt ins Unglück stürzte, straft diese Analyse Lügen.

Was kann die demokratische Zivilgesellschaft von heute also aus dem Buch von Ullrich mitnehmen?

Politik muss wirtschaftliche Krisen bekämpfen, wo es geht. Massive (Jugend-) Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Abstieg sind nicht zu akzeptieren.

Heer, Polizei und Justizwesen brauchen eine demokratische Kontrolle und dürfen nicht Tummelplatz für jene sein, die mit der extremen Rechten sympathisieren. Gerade die Zivilgesellschaft muss ihr Augenmerk auf diese höchste sensiblen Bereiche legen (und nicht nur auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik).

Der Staat muss hart gegen Gesetzesverstöße der extremen Rechten vorgehen. Wer glaubt, man kann diese Strömungen durch Entgegenkommen domestizieren, der irrt. Viele Bürgerliche haben diesen historischen Irrtum nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit ihrem Leben bezahlt.

Lest Primärquellen und nehmt ernst, was Extremisten sagen und schreiben. Sie kündigen an, wie sie nach einer etwaigen Machtübernahme herrschen. Und das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und nehmt diese Menschen ernst. Indem man sich überheblich lustig über sie macht, hält man sie nicht auf.

Volker Ullrich: Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs 1889 bis 1939. Biographie, Band 1. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013.

http://www.perlentaucher.de/buch/volker-ullrich/adolf-hitler.html

 

Eigentlich müsste der Film Der Alte Mann und das Meer heißen. Dieser Titel war leider schon vergeben, aber All is Lost hat tatsächlich etwas von Earnest Hemingways berühmter Novelle an sich. Nur dass wir die Gedanken des Protagonisten, einen für den Zuseher namenlosen Segler [Robert Redford], nie kennenlernen. Zu unergründlich ist sein Gesicht.meer 2

Der Segler wird eines Morgens unsanft geweckt. Es gibt einen Rums und schon läuft Wasser ins Boot. Ein im offenen Meer treibender Container hat ein Loch in den Rumpf geschlagen. Wie reagiert man da? Ich hätte vermutet, man ist mal erschüttert, hat Angst und flucht ein bisschen. Der alte Mann hingegen reagiert wortlos und besonnen. Er weiß anscheinend genau, was zu tun ist: dem Container einen Anker anlegen, damit er sich vom Boot löst; das Loch im Rumpf stopfen; nass gewordene elektronische Geräte mit Frischwasser abspülen und in der Sonne trocknen; funken versuchen. Man kann in der Aufregung schon mal vergessen, dass ja ein Satellitenhandy auch noch an Bord ist. Keine Panik, nicht reden – es hört ja sowieso keiner (was mich nicht davon abhalten würde, ausgiebig zu fluchen – es hört ja sowieso keiner). Frischwasser in Kanister abfüllen, weil ein Sturm aufzieht; und wenn man nach dem Sturm dann schon bis zum Nabel im Wasser steht, noch einmal rasieren(!), bevor man das Rettungslfloß aufbläst. Daran hätte ich nie gedacht.

Dieser Mann hat offenbar schon zu viel erlebt, als dass ihn etwas erschüttern könnte. Auch nicht, dass er zusehen muss, wie sein Boot untergeht – er bleibt regungslos. Vielleicht, weil er weiß, dass er beim Versuch sein Boot zu retten viele Fehler gemacht hat. Zu den Fehlern, die der alte Mann im Film macht, gibt es im Internet auf Seglerseiten einiges nachzulesen. Nach einer Stunde und acht Minuten die erste emotionale Reaktion, als er Wasser trinken möchte und feststellt, dass der Kanister nicht richtig verschlossen war und sich jetzt Salzwasser darin befindet: FUUUUUCK!!! Zu einem solchen Gefühlsausbruch lässt er sich später nicht einmal hinreißen, wenn innerhalb weniger Stunden zwei große Schiffe direkt an ihm vorbeifahren und seine (letzten) Leuchtraketen ignorieren. Eines davon ist ausgerechnet ein Containerschiff. „Verdammte Container!“, möchte man da an seiner statt wütend nachschreien. meer 3

Man kann es gut finden, dass der Film sich keiner „dramaturgischen Krücken“ bedient, wie der Rezensent in Die Zeit es bemerkte. Als normaler Zuseher bin ich da etwas gespalten, vor allem wenn mir ein existentialistisches Drama versprochen wird. Sollte der Film dann nicht mehr bieten als eine Chronik? Mit wem ringt der alte Mann da eigentlich? Und für wen? Ganz am Anfang wird der Abschiedsbrief des Mannes (den er gegen Ende des Films schreibt) gelesen – die einzigen Gedanken des Mannes, die wir je erfahren. Es tue ihm leid. Er habe versucht, stark, ehrlich und liebevoll zu sein. Er habe bis zum Ende gekämpft und wisse nicht, ob das etwas zähle. Alles sei jetzt weg, bis auf Körper und Seele bzw. was davon noch übrig sei – es tue ihm leid. Wem dieser Brief gilt ist unklar. Wofür er sich wiederholt entschuldigt ebenso. meer 1Was Robert Redford betrifft, könnte ich an dieser Stelle einfach abschreiben, was in den fast allen Kritiken steht, ohne als Plagiator überführt zu werden. Alle sind sich einig, dass Robert Redford in dieser Rolle eine großartige schauspielerische Leistung bringt. Ich tu mir schwer dabei, das einfach so hinzuschreiben. Was Robert Redford hier auf alle Fälle zeigt, ist eine tolle körperliche Leistung. Immerhin wird sein Boot in den Stürmen herumgerollt und auch das Floß kentert. Da musste er sich beim Dreh einige Male ordentlich dümpfeln lassen. Die Person des Seglers wird für mich aber durch dessen unergründlichen Gesichtsausdruck und fehlende emotionale Reaktion nicht greifbar.

Es hat seinen Reiz zuzusehen, aber letztlich fehlt diesem Protokoll eines Schiffbruchs eine Geschichte, die auf menschlicher Ebene anspricht.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Punkte

Siehe mein Abschluss-Statement in der Kritik. Und: Wo ist der Tiger?!?