von Elisabeth Kaplan

In letzter Zeit wurde viel darüber geredet und geschrieben, welchen Stellenwert österreichische Musik im eigenen Land hat. Dafür hat der Fall Doris Lichtenegger gesorgt. Ich möchte mich deshalb in einer mehr-teiligen Serie mit österreichischen Bands beschäftigen.

Dieser Beitrag ist Teil 1 meiner Österreich-Serie und ich möchte mich dem Song „Maschin“ von Bilderbuch widmen. Für mich ist Bilderbuch die derzeit aufregendste Band in der österreichischen Popmusiklandschaft, weil sie so viel Gutes in sich vereint: Originalität, Mut, Intelligenz, makellose Produktion, und einen Leadsänger mit einer ordentlichen Portion Bühnenpräsenz. Die Band gibt es zwar schon seit neun Jahren, aber erst jetzt bekommen sie breitere Anerkennung mit ihrer Single „Maschin“ (von der EP „Feinste Seide“).

Während ihre früheren Alben eine immense jugendliche Energie ausstrahlten, sind die jungen Männer von Bilderbuch jetzt reifer und haben zu einem Sound und Stil gefunden, der auch mainstreamigere Zuhörer anspricht, ohne ihren punkigen Background zu verleugnen. Für mich klingt es, als wären sie jetzt angekommen. Und das wird belohnt mit stetig wachsendem Erfolg, Auszeichnungen und beeindruckenden 579.134 Klicks (stand von heute, über 2.000 Klicks mehr als gestern) auf YouTube für „Maschin“.
Bilderbuch
Nach dem internationalen Erfolg von Falco (1985-87), fiel die österreichische Popszene scheinbar in eine Depression, und Falcos extravagante Präsenz geht einfach ab seit seinem Tod im Jahre 1998. Hat vielleicht Maurice Ernst, der Frontman von Bilderbuch, das Zeug dazu, dieses Loch zu füllen? Er stolziert auf der Bühne herum mit einer Attitüde und einer Theatralik, die sonst nur den ganz Großen vorbehalten ist. Und es bedarf einer ganz speziellen Art des Selbstbewusstseins, um dieses Jackett, das er bei den Amadeus Awards getragen hat, zu rocken (www.youtube.com/watch?v=vsvrABRqgI8).

Schauen wir uns also den Song an: Obwohl die Texte von Bilderbuch oftmals fast surreale Bilder enthalten, die nicht verstanden werden können/wollen, glaub ich den Text von „Maschin“ zumindest oberflächlich begriffen zu haben. Grundsätzlich geht es um einen Typen, der ein Mädl aufgabeln will, indem er sie auffordert in seinen fetten Schlitten einzusteigen. Wenn allerdings der Refrain kommt, scheint es, als würde es sich eher um eine Liebesaffäre mit seinem Auto, seiner „Maschin“ handeln. Das Video (featuring einen quietsch-gelben Lamborghini!) unterstreicht diese Idee. Musikalisch gesehen, verstärken vor allem die Vocals die nicht zu leugnende Schwüle des Songs. Und meiner Meinung nach kommt der neue Sound der Band dem Sänger sehr entgegen und er kann jetzt seine stimmlichen Stärken richtig zeigen.

Die Basslinie spielt eine tragende Rolle in dem Song. Sie scheint so einfach, wenn man sie notiert sieht, aber sie ist trotzdem so raffiniert im Gesamten, dass man glatt übersehen könnte, dass es sich hier um die einfachste aller Akkordfolgen handelt, nämlich I – V – IV – I (Cm – Gm – Fm – Cm). Der Gitarrenriff, immer mit einem Synth gedoppelt, bildet das zweite prägende Element. Der Riff kommt im Intro und im Zwischenspiel zwischen der ersten und der zweiten Strophe in einer gekürzten Version vor; in seiner vollständigen Form im Refrain. Der Song basiert also auf einer zumeist unveränderten Basslinie, einem Gitarrenriff und einer einfachen Akkordfolge. Aber er ist trotzdem weder langweilig noch banal.
Maschin Akkorde
Der einprägsamste Teil des Songs ist natürlich der Refrain. Das erste, das auffällt, ist die Silbenrepetition (“Lala-la-la-lala-lass mich nicht los/Lele-le-le-lele-leg dich zu mir/Haha-ha-ha-haha-halt mich fest”). Dieses Stilmittel wirkt immer verspielt oder ironisch und macht uns auch hier deutlich, dass das alles nicht so ernst gemeint ist. Nach dieser Flut an Silben in den ersten drei Zeilen des Refrains, lassen Bilderbuch die Melodie in der vierten Zeile auf dem zweisilbigen Wort ¬– und Songtitel – „Maschin“ stehen: Eine effektive Methode, die Aufmerksamkeit auf das Wort zu lenken; es setzt sich von dem vorigen Gebrabbel ab und bekommt mehr Gewicht. Und hier noch eine Anmerkung zur Melodie im Refrain: Eine banale Melodie würde sich im Bereich der Tonika, Terz oder Quint der betreffenden Akkorde aufhalten. Bilderbuchs Refrain aber besteht großteils aus Tonwiederholungen auf dem B, das zuerst die Septim (von C-Moll) und dann die Quart (von F-Moll) darstellt. Dies erzeugt Spannung, wodurch die Aufmerksamkeit der Zuhörer gehalten wird.

Ich bin jedenfalls neugierig, was diese vier Herren als Nächstes machen. Mir würde es durchaus gefallen, wenn sie weiter in ihrer Trickkiste graben, um entsprechenden Nachschub in diesem Stil zu liefern, und dann so richtig groß werden. Ich halte also die Daumen, dass sie von den richtigen Leuten beraten und unterstützt werden und kluge Entscheidungen treffen.

Die englische Originalfassung dieses Beitrags gibts hier zu lesen:
Elisabeth Kaplan’s Blog

Nichts ist so spannend, wie darauf zu warten, dass in einem Godzilla-Film das erste Mal das Wort „Godzilla“ ausgesprochen wird – und zwar auf Japanisch: Gojirah [ɡoꜜdʑiɽa]. Es klingt nach ehrfürchtigem Erschauern.

Ein Monster mit Geschichte
1954 terrorisierte die urzeitliche Riesenechse erstmals Tokio. Der Film bildete das Trauma der von Atombombenabwürfe und Reaktorunfällen heimgesuchten Japaner ab. Es folgte eine ganze Serie trashiger Filme, in denen Godzilla gegen andere monströse Gegner kämpft: King Kong, Mechagodzilla, Gidorah, usw. Diese B-Movies fanden eine eingefleischte Fangemeinde. Roland Emmerich wagte sich 1998 an ein großes Remake – und den ersten amerikanischen Godzilla-Film. Groß war jedenfalls das Budget, der Film selbst war … von Roland Emmerich halt.

Überraschend und düster
Jetzt, 16 Jahre später, gibt es eine Neuauflage – wieder aus Amerika von Regisseur Gareth Edwards. Und ehrlich gesagt, ich muss mir noch Gedanken darüber machen, wie mir der Film letztlich gefallen hat. Ganz schlüssig bin ich mir nämlich noch nicht. Dabei hat dieser neue Godzilla wirklich viel zu bieten. Zum einen und am überraschendsten für mich: mehr als nur ein Monster. Es sind sogar drei. Ich dachte, das gibts nur in den Godzilla-Trash-Filmen. Dann bietet der Film auch noch wunderbar düstere Bilder. Über dem halb zerstörten San Francisco hängen dicke Schwaden aus Staub und Rauch. Diese geben oft nur Teile der Monster preis und lassen sie auch immer wieder wie aus dem Nichts auftauchen. Richtig beklemmend die Szene, als Soldaten über der dick mit gelben und grauen Rauch- und Staubwolken verhangenen Stadt aus dem Flugzeug abspringen – sozusagen ins völlig Unbekannte. Sie wissen nicht, was sie dort unten erwartet. Und zuletzt das, was nicht fehlen darf: Ein japanischer Wissenschaftler gibt dem Grauen einen Namen: „Gojira!“
Ehrfürchtiges Erschauern.
Foto 1
Der Film bezieht sich auch auf den Ur-Godzilla. Ganz interessant gemacht in richtigem Doku-Stil, mit Filmmaterial von Atombomben-Tests der 50er und 60er Jahre. Im Film wird übrigens erklärt, dass das gar keine Tests waren, sondern Versuche, Godzilla zu töten. Außerdem sieht der neue Godzilla nicht so sehr anders aus als die aufrecht stapfende Riesenechse aus dem allerersten Film von 1954, in der ein Mensch im Gummikostüm steckte. Ein bisschen plump und behäbig, nicht wie der wendige T-Rex, den uns Roland Emerich in seinem Film als Godzilla auftischte.

Menschen wie Ameisen
Eine stringente Geschichte über Menschen zu erzählen, ist allerdings keine Stärke des Films. Im Prolog verbindet der Film eine Katastrophe ganz gut, wenngleich etwas klischeehaft, mit menschlicher Tragödie (Joe Brody [Bryan Cranston], der Vater des späteren Haupthelden, verliert bei einem Reaktorunfall seine Frau [Juliette Binoche]). Den Rest der Laufzeit über gelingt ihm das nicht einmal mehr in Ansätzen. So viel Staunen die visuell beeindruckenden Szenen bewirken, so sehr wirken sie ungelenk aneinandergereiht. Das macht auch den Protagonisten des Films Ford Brody [Aaron Taylor-Johnson] kaum erwähnenswert. Ich kann nicht behaupten, dass ich mit Aufregung sein persönliches Schicksal verfolgt hätte. Der Soldat Ford Brody schlägt sich zwar den ganzen Film über durch, aber er war weder tapferer, mutiger oder klüger als die anderen. Um ihn herum sterben reihenweise die Menschen; sie werden zertrampelt, stürzen zu Tode etc. – wie Ameisen. Und es wird ganz klar: Die Menschen sind nur unbedeutende Kleinkreaturen, von denen die Monster nicht mal richtig Notiz nehmen. Außer in einer einzigen Szene am Schluss. Das war leider etwas inkonsequent, gehört aber wahrscheinlich als Spannungselement einfach dazu.

Freudige Erwartung vor dem Film. Ob er hält, was er verspricht?

Freudige Erwartung vor dem Film. Ob er hält, was er verspricht?

Zu Höherem bestimmt 
Godzilla erhält eine ganz interessante Rolle. Die Menschen bewarfen ihn 1954 mit Atombomben (für ein Millionen Jahre altes Wesen war das praktisch erst gestern). Das Monstrum trägt uns das aber nicht nach und rächt sich nicht. Seine Aufgabe ist es nämlich, so die Erkenntnis des japanischen Wissenschaftlers (Godjirah!), ein Gleichgewicht auf der Erde zu erhalten. – Gott? – Die Menschen sind ihm jedenfalls gleichgültig. Vielleicht rechtfertigt das die seltsame Distanz, die der Film seinen eigenen Protagonisten gegenüber hält.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Sterne
Großartige Bilder (natürlich in 3D) und die düstere Stimmung machen den Film schon sehenswert, das wäre mir 9 Punkte wert. Auf der menschlichen Ebene hält sich die Sogwirkung des Films allerdings in Grenzen. Das trübt das Filmerlebnis.

Hier der Langtrailer http://www.youtube.com/watch?v=Y9NAdVHXme8

rosa 2Rosa, überall Rosa und Pink natürlich – der Wäscheständer quillt über vor lauter zuckerlsüßen T-Shirts, Kleidern, Socken, Bodies, Hosen, … alles muss Pink und Rosa sein. Am besten noch mit Rüscherl! Das ist kaum zum Aushalten – und das nach jahrelanger Indoktrination meinerseits gegenüber meinen Töchtern, dass Pink und Rosa bitte echt nicht die einzigen Farben auf diesem Planeten sind. Mein Mann sieht es praktisch, er meint, dann können wir wenigstens die Waschmaschine mit einer Farbe vollstopfen.

Nein, das überzeugt mich nicht. Dieser rosaroten Gehirnwäsche ist echt nicht zu entkommen, Gruppendynamik inklusive („Hast du schon meine neuen Glitzerschuhe gesehen?“, „Ich habe heute sogar rosa Socken an“– O-Ton in der Kindergartengarderobe).

Es glitzert und funkelt in den Mädchen-Hirnen und wohl auch in denen mancher Erwachsener (irgendwer muss das Zeug ja kaufen). Und ja – ich kaufe es auch, nachdem meine hilflosen Versuche mit anderen Farben gescheitert sind und die Sachen ungetragen im Kasten liegen.

Themenwechsel (fast): Warum ist in den typischen Mädchen-Büchern immer alles lieb, süß und entzückend? ENTZÜCKEND! Kürzlich in einem Pony-Buch gelesen, „Goldmähne wiehert entzückend“ – geh bitte!!

atsv1So nun kann also meine erste U10-Trainingseinheit mit 12 Kindern beginnen. Hab all meine Unterlagen durchforstet und das perfekte Training aufgebaut. Hütchen, Stangen, alles nach dem Vorbild der holländischen Nachwuchsarbeit ausgerichtet. Die Kinder brauchen mindestens 1000 Ballkontakte pro Training, um technisch ähnlich versiert wie brasilianische StrandkickerInnen zu werden. Das kann nicht so schwer sein, denn schließlich haben die Kinder einen ausgebildeten Nachwuchstrainer mit Erfahrung im Kampfmannschaftsbereich und als Leiter einer Fußball-Bambinigruppe. Doch was soll das im ersten Training: Ich soll die Schuhbänder binden, muss mit den Kindern aufs Klo gehen, Nasen bluten, Seitenstechen. Während ich wegschaue, werden die Hütchen umgeschossen oder Blumen gepflückt, zwei Kinder sind aufs Tor geklettert. Wo sind meine sieben Co-Trainer, aso, ich habe ja gar keinen. Muss ich die Kinder jetzt mit Geldstrafen oder Liegestützen bestrafen? Ich glaube, mich überfordert schon das erste Training.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAber bis zum ersten U10-Meisterschaftsspiel werden wir das mit viel Training schon in den Griff bekommen. Bei sommerlichen Temperaturen schauen die Mütter bei jedem Training zu, bestimmen die Trinkpausen, sagen den Kindern, dass sie nicht so viel laufen dürfen und sich mehr im Schatten bewegen sollen. Das sind also meine Co-Trainer. Endlich kommt das erste Meisterschaftsspiel: Ein fulminanter 4:2 Sieg und ein Trainer mit breitgeschwellter Brust. Habe ich doch alles richtig gemacht, die Kinder haben Glück mit dem Trainer, ein Erfolgsgarant. Sieben Spiele später – dazwischen liegen äußerst knappe 2:14 und 2:9-Niederlagen – folgt das das letzte Meisterschaftsspiel: Es geht um den letzten Platz. Mit Ach und Krach 5:3 gewonnen und Platz 7 von 10 Mannschaften belegt. Fazit: Nachwuchstrainer sein ist gar nicht so leicht oder wie viele Mütter als Co-Trainer verträgt ein Trainer oder wie lange muss der Atem als Nachwuchstrainer sein?

„Als wie, wenn es gestern wäre. Auch das Gefühl ist wieder da in der Erinnerung.“, so beschreibt es einer dessen Bild jetzt bis Juli am Markartsteg hängt.

briefEs ist die Erinnerung an die erste Zeit in Salzburg, die Ängste, Hoffnungen und Träume. Damals wurden zwischen Österreich, Spanien, der Türkei und dem alten Jugoslawien Anwerbeabkommen geschlossen. Die Wirtschaft in Österreich brummte und es gab zu wenige  Arbeitskräfte. Also versuchte man es im Ausland. Besonders aus Jugoslawien und der Türkei kamen tausende Menschen. Anfangs glaubten beide Seiten noch, dass es nur für ein paar Jahre wäre. Wenn man das berühmte Zitat von Max Frisch erweitern darf:

„Wir haben Arbeitskräfte gerufen und Menschen kamen “ und blieben!

Am Markartsteg widmet sich nun die Ausstellung „Kommen/Gehen/Bleiben“ dem Thema Zuwanderung in die Stadt Salzburg von 1960-1990. Die Universität und die Stadt Salzburg machen die Geschichte der Menschen sichtbar – Tausende gehen täglich über die Brücke und sehen hier hautnah ein wichtiges Stück Zeitgeschichte. Es ist berührend, welche Einblicke die Bilder geben. Da ist das Foto einer jungen Frau, die einen Brief in die Heimat schreibt. Was wohl drinnen steht? Wen vermisst sie? Erzählt sie von Salzburg? Von ihrer Arbeit? Hat sie sich verliebt oder schreibt sie einen Brief an den zurückgebliebenen Ehemann? Daneben ist das Bild einer Frau, die so wie es die Zeit damals gebot, mit Ernst in die Kamera schaut. Auf dem Schränkchen dahinter steht ein Kassettenrekorder. Es war damals üblich, dass man eine Kassette besprach und sie seinen Liebsten schickte. Die Kassette kam dann Wochen später retour, besprochen mit den Grüßen, Neuigkeiten und Geschichten aus der Heimat. Heute mit Skype, Email und Facebook unvorstellbar, dass man oft Wochen auf Nachricht wartete. Allerdings ist die heutige Kommunikation trotz NSA-Speicherung für die zukünftigen Historiker wahrscheinlich verloren.mirabell

Ein anderes Foto zeigt das bei allen beliebte Motiv im Mirabellgarten. Nicht nur Touristen schätzen das, auch die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter halten sich in diesem Postkartenmotiv fest. Das Motiv findet sich in fast allen Familien, übrigens gehört der Mirabellgarten immer noch zu den Topmotiven, das sieht man täglich im Facebook.

12 Tafeln geben einen Ausschnitt aus dem Leben der zugewanderten Menschen wieder. Ihr Ankommen, die Arbeit, die Sehnsucht, die Familie, der Heimatbesuch und die Freizeitgestaltung. Also beim nächsten Mal ein bisschen langsamer über den Markartsteg gehen und sich auf die Geschichten der Menschen einlassen – möglich bis 6. Juli!

Oder einfach bei einem geführten Spaziergang noch mehr erfahren:
https://www.stadt-salzburg.at/internet/leben_in_salzburg/integration/migrations_stadt/ausstellung_wissensbruecke/migrationsstadt_ausstellung_spaziergaeng_404586.htm

 

Ein Beitrag von Sonja Schiff

Nachdem ich in meinem ersten Blogbeitrag für Zartbitter davon geschwärmt habe, wie spannend und vielseitig mein Fachgebiet Gerontologie (Alternswissenschaft) ist, will ich heute die beiden Begriffe Alter und Altern vorstellen.

„Aber was gibt’s da vorzustellen?“ wird manche LeserIn denken. Weiß doch jeder! Alt ist wer……? Na, wer eigentlich? Wer nicht mehr arbeitet? Wer über 50 ist? Über 70? 100?

Portrait einer jungen und einer alten Frau

Copyright: Gina Sanders Fotolia.com

Vor vielen Jahren pflegte ich als Hauskrankenschwester eine relativ rüstige 102 jährige Frau. Sie lebte im Seniorenheim und verließ, bereits seit mehreren Jahren, nicht mehr ihr Zimmer. Auf die Frage, warum sie sich nicht zu den anderen Bewohnerinnen gesellen würde, meinte sie: „Sind doch alles alte Leute da draußen“.

Ist Alter womöglich eine Sache der Perspektive?

Wir GerontologInnen sagen, Alter ist ein Konstrukt. Jeder Mensch setzt sich mit seinem Älterwerden auseinander und konstruiert dabei sein Bild von Alter. Dabei werden gesellschaftlich bekannte Alltagstheorien (etwa „alt ist gleich krank“) mit den eigenen Vorstellungen und Erfahrungen in Verbindung gebracht. Meine 104-jährige Patientin war der Meinung „die da draußen“ wären alt, weil sie pflegebedürftig waren, während sie noch ganz rüstig war, also nicht alt.

Das gefühlte Alter wird maßgeblich von unserer Gesellschaft mitbestimmt. Der 45jährige Langzeitarbeitslose, der aufgrund seines Alters keinen Job mehr findet, fühlt sich auch alt, oft sogar sehr alt. Alter lässt sich also nicht an einer Zahl festmachen, auch nicht an einem körperlichen Zustand. Alter wird  gesellschaftlich konstruiert. Damit ist der Begriff auch wandelbar. Galt ein Mensch, der in Pension ging früher als alt, weisen heute Menschen dieses Alters, den Begriff „SeniorIn“ weit von sich.

Altern ist ein lebenslanger Prozess

Damit komme ich zum Begriff Altern. Für die Gerontologie ist Altern ein lebenslanger Veränderungs- und Entwicklungsprozess auf biologischer, psychologischer und sozialer Ebene. Als Gerontologin bin ich daher am Leben alter Menschen interessiert. Wenn ich mit hochbetagten Menschen in Kontakt bin, dann lerne ich einen Menschen kennen nach einer sehr langen Lebensreise. Wie dieser Mensch jetzt ist, wie er sich verhält, was er denkt, wie er sein Leben sieht, wie es ihm wirtschaftlich geht- all das ist das Ergebnis seines Lebensverlaufes. Auch deshalb bin ich begeisterte Gerontologin. Ich finde es spannend die Geschichten von Menschen zu erfahren. Da Altern ein Prozess ist, ist er bis zur letzten Sekunde gestaltbar. Das bedeutet, auch hochbetagte Menschen unterliegen einem Entwicklungsprozess und können entscheiden, Gewohntes noch zu verändern. Darum sollte man alte Menschen bis zur letzten Sekunde ihres Lebens auch ernst nehmen und die Entscheidungen für ihr Leben selbst treffen lassen. Auch bei Pflegebedürftigkeit.

Sonja 1

Sonja Schiff

Meine 102 jährige Patientin, übrigens eine äußerst selbstbestimmte und resolute Person, schilderte mir manchmal, wie es sich anfühlt, sehr alt zu sein. Sie erklärte mir dann: „Wissen Sie, wenn ich manchmal in den Spiegel sehe, dann erschrecke ich und denke mir, huch, wer ist diese runzelige, alte Frau! Bis ich bemerke, das bin ja ich“.  Dann lachte sie meistens schallend und meinte mit verschmitztem Gesicht: „Wissen Sie, die Seele wird nie alt“.

Frau R. starb mit 104 Jahren.  Ich durfte sie 2 Jahre lang begleiten.

Für mich war sie eine ganz besondere Frau. Sie war es, die mir die Begeisterung für das Thema Alter und Altern ins Herz gepflanzt hat.

Sonja Schiff ist akademische Gerontologin und Altenpflegeexpertin. Sie berät Firmen und Pflegeeinrichtungen, hält Pensionsvorbereitungsseminare und bildet Wechseljahreberaterinnen aus.

http://www.careconsulting.at und http://www.wechselrat.at