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Muss man die English Drama Group Salzburg überhaupt noch vorstellen? Nach dem 50. Jubiläum im letzten Jahr sicher nicht mehr. Doch ein halbes Jahrhundert sind nicht genug: Die English Drama Group Salzburg macht weiter. Die diesjährige Produktion ist sogar ein vielversprechenden Auftakt zu den nächsten 50 Jahren.

Um die 15 Leute auf der Bühne, aufwändige Bühnenausstattung und atemberaubende Kostüme. Es gibt wohl kein Laien-Ensemble, das damit mithalten konnte. In diesem Jahr ist alles anders: Statt einem großen Cast sind es nur eine handvoll Leute, die Bühnenausstattung ist schlicht (aber keineswegs schlecht), es gibt nicht viel Gelegenheit sich bei den Kostümen so richtig auszutoben. Sackleinen und Nonnentrachten beherrschen das Bild.

Michael Darmanin, der Leiter hat noch eine Überraschung: Er hat für den Theaterabend gleich zwei Stücke inszeniert. In beiden geht es ums Rechthaben und späte Erkenntnisse. Das erste (Kurz-)Stück heißt Noonday Demons, geschrieben von Peter Barnes. Zwei Einsiedler streiten sich darum, wer den größeren Glauben habe. Das Slapstick-gefüllte handgreifliche Gezänk –  samt Kratzen, Beißen, Haarereißen und „Titty-Twistern“ – endet böse. Denn letztlich hat im Streit um die Religion auch der Teufel ein Wörtchen mitzureden.
Konstantin Beck-Mannagetta und Benjamin Scherer unterhalten ihr Publikum mit sehenswertem Körpereinsatz.

Handgreifliche Einsiedler in Noonday Demons

 

Ein ganz anderer Teufel ist der Zweifel. Nicht als Gegensatz zum Glauben, sondern zur Gewissheit. Das mit einem Pulitzer Preis ausgezeichnete Stück Doubt, A Parable spielt in einer Klosterschule. Sister James ist Lehrerin aus Leidenschaft und gibt, nichts Böses wollend, eine Beobachtung an die strenge Schulleiterin Sister Aloysius weiter. Diese verfolgt daraufhin mit allen Mitteln ihr Ziel, Pfarrer Flynn ein schlimmes Fehlverhalten zu nachzuweisen. Sie befindet sich auf einem wahren Kreuzzug. Doch nichts will ihr die Beweise liefern, nicht einmal ein Gespräch mit der Mutter des von dem Vorfall betroffenen Schülers. Während Sister Aloysius’ Überzeugung wächst, macht sich im Publikum immer mehr Zweifel breit.
Mathew Rushmere, Tamara Stidwell, Eva Nedwed und Sara Schneider verkörpern die Rollen überzeugend und mit mitreißender Intensität.

Der Abend mit zwei Stücken ist eine echte Empfehlung nicht nur für Freunde der englischen Sprache, sondern für alle Theaterfreunde. Zweimal gibt es noch Gelegenheit, die Produktion zu sehen:

23. und 24. Mai, jeweils 19:30
ARGE Nonntal
Tickets gibts an der Abendkasse oder hier:
T:+43-662-848784 | M:TICKETS@ARGEKULTUR.AT

Der Titel war es, der mich neugierig machte auf das Theaterstück von Alois Hotschnig im Schauspielhaus Salzburg. Und weil es mir immer noch im Kopf rum spukt, schreibe ich jetzt  einfach drüber!
Die Dauer war mit 2 Stunden und 40 Minuten angegeben – das machte mir ein wenig Sorge, dass ich das Interesse verlieren könnte, aber wie sich herausstellte, war dies keineswegs der Fall.

Ich kann vorweg nehmen, dass es mir wirklich gut gefallen hat und ich es unter dem Prädikat wertvoll und sehenswert weiter empfehlen möchte.

Was bedeutet alt werden – die Menge der Kerzen auf der Geburtstagstorte, die Wehwehchen die im Alter zunehmen, die Vergesslichkeit oder der veränderte, sich wiederholende Gesprächsstoff, den ein Ehepaar miteinander führt oder einfach dass Mann/Frau so alt ist, wie sie sich fühlen.
Im Theaterstück werden unterschiedliche Lebensabschnitte eines alten Ehepaares dargestellt. Hauptsache miteinander zu Hause leben, auch wenn es Essen auf Rädern gibt. Post-Ist, die der Mann ständig mit sich trägt, damit er nichts vergisst, das Entsetzen, das sich in seinem Gesicht widerspiegelt, als er erzählt, wie er das Salz vergessen hat, weil er unbedingt die Butter nicht vergessen wollte. Ich ertappe mich, dass mir das heute schon passiert, ich schiebe diesen Gedanken schnell beiseite und denke, ich bin doch noch nicht alt. Der Beginn der Demenz, die Sorge der Frau um ihren Mann und die Hilflosigkeit der Angehörigen. Wird es so werden das Leben im Alter, frag ich mich?

Der Teufel und die Ärztin 
Der Schlaganfall und die damit verbundene körperliche Einschränkung, sich nicht mitteilen können, unverstanden bleiben – übrigens sehr gut gespielt – die Bedrohung, wenn das Vergessen nicht mehr die Butter betrifft, sondern den Herd, der nicht ausgeschalten wurde. Auf einmal allein zu sein, nicht mehr den lieben Menschen an der Seite zu haben, sich im Kreis drehen und Angst davor haben verrückt zu werden oder dass andere einen für verrückt halten. Die Szenen im Seniorenheim haben etwas Surreales. Eine Ärztin, die mit viel Rauch und Boshaftigkeit dargestellt wird – so als wäre sie mit dem Teufel im Bunde – der Teufel könnte die Krankheit, die Einsamkeit sein. Obwohl die Welt kleiner wird und die Themen sich um Essen, Krankheiten und wann wer zu Besuch kommt drehen, ist das Stück voll Ironie und skuriller Ideen. Um den Tag nicht zu lang werden zu lassen, könnte man doch einfach nach dem Aufstehen, nochmal zu Bett gehen um später wieder aufzustehen, dann wäre schon einiges an Tag geschafft.  IMG-20160323-WA0000

Die Zwangsjacke

Verschiedene Charaktere im Seniorenheim, ein Mann der täglich ins Cafe Zentral geht, weil er das immer getan hat, wortgewaltige Monologe von sich gebend.
Eine Frau, die tatsächlich über 80 Jahre ist, die erzählt, dass sie im Leben immer zu spät war, im Gegensatz zu ihrem Mann. So pünktlich wie er im Leben war, so  pünktlich ist er gestorben, wie es die Ärzte vorhersagten. Sie ist ja immer zu spät und lebt deshalb noch und während sie das erzählt, streckt sie ihr Bein geschmeidig gen Himmel – allein beim Zusehen bekomme ich einen Krampf.
Eine junge Frau wandert ständig die Wand entlang, in der Hand ihren Koffer, wartend, dass ihr Mann sie abholt. „Solange ich sitzen kann, steh ich lieber“, verzweifelt getrieben und suchend erweckt sie mein Mitleid, dass sich beim Anblick ihres triumphierenden Lächelns, als ihr die Namen, von wem auch immer, wieder einfallen, in Bewunderung verkehrt. Die Ehefrau die Sorge hat, eine Jacke verschrieben oder gar geschenkt zu bekommen, egal aus welchem Stoff, ob gestrickt, genäht, kurz oder lang – sie will keine. Keine Jacke – die einen vielleicht einzwängt im Tun, im Handeln und im Denken, die einem die Selbständigkeit nimmt.

Fast könntet ihr meinen, das Stück wäre deprimierend, doch ich hatte nie ein Gefühl der Schwere, nachdenklich ja, aber nicht deprimiert. Das Alter wird zum Teil von äußeren Faktoren bestimmt, auf die wir keinen Einfluss haben, aber auch von einem Selbst und ganz viel vom Umgang  mit „unseren Alten“.

Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich – bietet das Leben genug Erinnerungen auf die wir zurück greifen können, Reisen die man gemacht hat und die wieder gemacht werden können, ob zwischen den Supermarktregalen oder im Sitzen, da läuft es sich nämlich besser davon.

Wer neugierig geworden ist: Termine gibt es hier!

Ihr erinnert euch vielleicht an Nina Vasiltshenko aus Georgien und Mohammad Sadeqi aus Afghanistan? Im Dezember habe ich eine ganz tolle Performance der beiden gesehen. Da ging es um die Flucht. Und jetzt gab es die Fortsetzung. Nina und Mohammad sind angekommen. Und was macht ein guter Flüchtling? Er oder sie macht sich sofort mit den Regeln des Zusammenlebens vertraut. Mohammad sitzt in seiner Asylschachtel und liest den Welcome Guide der Stadt Salzburg vor. So vertraut und doch befremdend. Realität und Satire liegen ganz knapp nebeneinander. Bedingen einander. Und was macht Nina? Genau. Sie sitzt in ihrer Asylschachtel und lernt laut Deutsch.  Die Regeln des Zusammenlebens und der deutschen Sprache verschwimmen, werden ein Wörterstrom aus Anweisungen, Tipps und Ausnahmen. Und Mohammad schenkt Nina den Akkusativ, den Genetiv und die dazugehörigen Artikel. Und aus zwei Asylschachteln wird eine. Aus zwei einsamen Flüchtlingen werden Freunde. Dann die Anerkennung. Endlich, der positive Asylbescheid. Und als die neuen Flüchtlinge dazukommen sind Nina und Mohammad schon österreichischer als jeder Österreicher.


Beiden gelingt wieder eine Performance, die mit ganz starken Szenen im Gedächtnis bleibt. Dieses Mal kommt die Leichtigkeit dazu. Die Flucht ist geschafft. Das Leben ist nicht mehr bedroht. Es gibt viel Platz fürs Lachen. Und wahrlich Nina und Mohammad schaffen es mit Slapstick UND tiefgründigem Humor die Menschen in die Höhen und Tiefen der Integration mitzunehmen. Auch die Mülltrennung spielt eine Rolle. In der Realität und auf der Bühne. Und alles schaffen die beiden in der deutschen Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist. Eine grandiose Leistung. Das Stück haben die beiden selbst geschrieben und auf der Bühne erarbeitet. Ich ziehe meinen Hut und freue mich auf einen hoffentlich dritten Teil!

Fotos: Zarif Karimi