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Astrid Steindl über ihren ersten Dienst in der Obdachlosenunterkunft der Caritas

Zartbitter trifft sie am Tag nach ihrem Einsatz.Astrid

Zartbitter: Astrid, du hast erstmals ehrenamtlich mit Obdachlosen gearbeitet. Wie ist es dir gegangen?

Astrid: Sehr ambivalent. Es schockiert mich, dass es in einer so „reichen“ Stadt ein solches Elend gibt. Andererseits bin ich froh, dass es Institutionen gibt, die da helfen. Es gibt aktuell 140 obdachlose EU-BürgerInnen in Salzburg und wir können sie nicht alle unterbringen.

Zartbitter: Du hattest sicher vorher über Obdachlose ein Bild im Kopf und seit gestern kennst du die Realität. Gibt es da einen Unterschied?

Astrid: Ja, man hört darüber, aber es ist ganz weit weg. Jetzt habe ich die Menschen vor Augen, ich war mitten drin. Es ist nicht mehr abstrakt für mich. Und es waren alle sehr nette Leute. Sehr dankbar, fast schon zu viel. Sie freuten sich, dass sie etwas zu essen bekommen haben. Nicht alle konnten gut Deutsch und so haben wir uns mit Gesten verständigt.

Zartbitter: Hattest du Angst?

HilfeAstrid: Zuerst schon. Vielleicht ist ja die Stimmung aggressiv. Ich bin skeptisch hingegangen und jetzt ist es eine positive Erfahrung. Wir waren zwei ehrenamtliche Frauen und die Männer waren sehr respektvoll uns gegenüber. Obwohl die Nudeln ein bisschen sehr verkocht waren, muss ich dazu sagen. Einer hat mir die Fotos seines Kindes gezeigt, ein ganz süßes Baby. Er hat mir gesagt, dass er 30 Jahre ist und am Tag am Bau gearbeitet hat. Sein Lohn war ein Schnitzel. Arbeit findet er am Bahnhof und manchmal gibt es nicht mehr als ein Essen als Lohn.

Zartbitter: Würdest du das nochmals machen?

Astrid: Ich werde diese Arbeit noch mehrmals machen. Denn das Klima dort war sehr menschlich. Es gab keine Selbstdarstellung an diesem Abend, sondern das ehrliche Interesse am anderen war im Vordergrund. Wir schimpfen gerne über unser System, aber jeder von uns kann einen Beitrag leisten. Und die täglichen „großen“ Probleme relativieren sich, denn wir haben Arbeit und einen gewissen Lebensstandard. Ich freue mich auf meinen nächsten Dienst, denn ich weiß jetzt wie es ist und ich habe keine Angst und Skepsis mehr.

Zartbitter: Danke Astrid für deine Offenheit und für deinen Einsatz!

Mehr Informationen zum Projekt der Caritas hier: http://www.caritas-salzburg.at/aktuell/news/news/artikel/8037/

Ein Beitrag von Gastautor Josef P. Mautner

Inzwischen ist mein Notizbuch zur Menschenrechtsarbeit „Agenda Menschenrechte“ erschienen. Ich habe eine Reihe von schönen und wichtigen Reaktionen bekommen. Das Buch wurde besprochen und mehrfach in einer Weise beurteilt, die von einem klaren Verständnis der Sache zeugt; ein Beispiel dafür:  agenda 2

„mautner will (nicht nur hier) grenzen überwinden. sowohl die grenzen zwischen autor und leserInnen, als auch jene zwischen unterstützerInnen und hilfsbedürftigen werden hier in frage gestellt. mautner glaubt daran, dass das dilemma grundrechtsverletzungen in unserer gesellschaft nur durch ein konsequentes aufheben dieser grenzen erreicht werden kann. erst die solidarische verbundenheit von menschen auf einer ebene, auf gleicher augenhöhe könnte uns weiterbringen.“ (Bernhard Jenny)

Bei einer kreativ gestalteten Veranstaltung im Salzburger Literaturhaus, zu der auch Ute Bock aus Wien angereist ist, wurde „Agenda Menschenrechte offiziell vorgestellt. War das ein schöner Abschluss für einen längeren Arbeitsprozess, wie bei einer Buchpublikation üblich? – Keineswegs! Denn die Agenda, das was in dem Notizbuch behandelt ist, geht weiter. Weiterhin sind in Salzburg hunderte Menschen von Abschiebung bedroht, die mit ihren Familien bereits seit agenda 1Jahren hier leben. Weiterhin stehen noch viel zu wenige Plätze in einer Winternotschlafstelle für bettelnde Menschen zur Verfügung, obwohl die nächtlichen Temperaturen unter Null sind. In der Antidiskriminierungsstelle melden sich jede Woche neuerlich Menschen, die von Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen betroffen sind: wenn sie mit einem fremd klingenden Namen auf der Suche sind nach einem Arbeitsplatz („Zigeuner nehmen wir keine!“) oder wenn muslimische Frauen ihr Kopftuch nicht abnehmen wollen bei der Arbeit: „Putzen kannst gehen mit dem Kopftuch, aber als Regalbetreuerin arbeiten – das geht nicht!“

Die Arbeit für Menschenrechte geht weiter. Nicht nur ich – viele andere auch können an diesem Notizbuch weiterschreiben. Vielleicht kommt mal eine Zeit, in der solche Notizen weniger düster und „schwarzmalerisch“ ausfallen, als sie es jetzt sind – wer weiß?

Mehr findet ihr unter:  www.josefmautner.at

monikaJede und jeder von uns ist von irgendwas abhängig. Davon, dass der Zug pünktlich kommt, damit der Anschlussbus erwischt wird. Dass das Gehalt pünktlich am Konto einlangt, damit die Miete bezahlt werden kann oder dass die Sonne scheint, damit der Urlaubstag genutzt werden kann. Meine Abhängigkeit ist anderer Natur. Ich bin von meinem elektrischen Rollstuhl abhängig. Vielmehr davon, dass er funktioniert. Er macht möglich, dass ich selbstständig essen, Dinge vom Boden aufheben, von A nach B kommen, kopiere, Geld abheben, Toilette benutzen und mich selbstbestimmt im Alltag bewegen kann.

Nun haben aber Rollstühle auch ein Eigenleben und dramatisch wird’s, wenn sich die Elektronik verabschiedet oder ein Teil bricht. Dann heißt es ab in die Werkstatt. Grundsätzlich kein Problem, aaaaber was ist mit mir? Soll ich mich nun bis zur Rückkehr meines Hilfsmittels tiefkühlen lassen? Manche werden nun denken, na dann halt einen Ersatzrolli nehmen. Wenn das so einfach wäre. Mein Rolli ist auf mich persönlich zugeschnitten und da gibt es leider keinen Ersatz. Wenn dann gäbe es nur die Möglichkeit eines zweiten Rollstuhles, doch das verwehrt mir der Sozialversicherungsträger – seit eineinhalb Jahren.

Und so fühlte ich mich ohne meinen E-Rolli die letzten zehn Tage wie amputiert und „ans Bett gefesselt“. Wobei fesseln müsste mich da niemand, wenn mensch mich ins Bett reinlegt, kann ich sowieso nichts selbständig ausführen – nicht mal Nasenbohren. Wie sehen nun die Tage ohne meinen E-Rolli aus? Morgens in einen Schieberolli setzen und wissen, dass ich spätestens nach drei Stunden Verspannungen am ganzen Rücken habe. Nichts trinken. Wenig essen. Mittags warten, dass mein Mann oder mein Sohn schnell von der Arbeit nach Hause kommt und mir hilft die Toilette zu benutzen. Danach wieder warten, bis mein Mann von der Arbeit nach Hause kommt. Diese Stunden dazwischen ziehen sich wie bester Kaugummi. Jetzt habe ich meinen E-Rolli wieder zurück und fühle mich wie neugeboren.

Schnell verschiebe ich die Gedanken, dass er bald wieder defekt ist, doch sie sind da …

Ein Gastbeitrag von Martin Borger

Nach all den Diskussionen zu In- u AusländerInnen u Asyl u Bleiberecht bin ich doch etwas “nervös” geworden und hätte da eine Frage, die mich sehr beschäftigt seit heute Morgen:

Vor einigen Wochen habe ich in Österreich in einer Filiale einer österreichischen Supermarktkette ein tschechisches Bier – das wohl auch legal nach Österreich eingereist ist – völlig legal gegen Bezahlung erworben und in der Folge ihm in meinem kühlen Keller Bleiberecht gewährt, oder nennen wir es Asyl. Nun habe ich gestern dieses Bier mit Genuss getrunken, als Teil einer multikulturellen Beschäftigung mit den verschiedenen Biersorten der Welt und aller Herren Länder. Da ich aber wohl meine “Trinkfestigkeit” unterschätzt habe, bin ich heute Morgen mit heftigem Kopfweh und einem ausgewachsenen Kater im Kopf aufgewacht, scheint 0,3 L gutes Bier reichten dafür schon aus.Leo

Nun meine Fragen:

1.       Wie soll ich nun mit dem Kater umgehen, den ich nun als “neues Haustier” in meinem Kopf habe und der eindeutig in Österreich geboren wurde?!

2.       Welchen rechtlichen Status hat dieses Tier? Hat es ein “Humanitäres Bleiberecht” in meinem humanoiden Kopf, eine Aufenthaltsgenehmigung, oder gar Asyl?

3.       Wann könnte es in meinem Kopf eine Staatsbürgerschaft bekommen? Hat es als Haustier aus einem EU-Land den Status eines EU-Katers oder ist es doch ein Drittland-Kater?

4.       Welcher Nation, Ethnie gehört dieser Kater an, welche Staatsangehörigkeit hat er? In welches Drittland würde der Kater abgeschoben wenn es ganz schlimm kommt?

5.       Welche Voraussetzungen für eine Staatsbürgerschaft des Katers wären fair. Wie lange hätte das Bier vorher lagern müssen, welche Sprachen muß der Kater beherrschen und welches Soziale ehrenamtliche Engagement kommt für ihn in Frage?

6.       Wie ist sein Auftauchen in meinem Kopf rechtlich zu bewerten? Handelt es sich um “Besetzung”, um “Quartiernahme” oder gar um “Spirituelles Asyl” in meinem Geist?

Bitte um schnelle, detaillierte Antwort weil ich alle Vorschriften und Gesetze einhalten will und mich schon geistig darauf vorbereite, den Kater den ich fast schon liebgewonnen habe, in Quarantäne geben oder gar abschieben zu müssen?

Wer sich mit der Einstufung dieser Fabel und Parabel noch schwer tut ersetze einfach das Wort “Kater” durch “Mensch”, “Flüchtling” und “Asylant” …

Erschienen original unter: http://mabogsi.wordpress.com/2012/12/23/fragen-zur-abschiebung-meines-katers/

SchuheGerade habe ich im Fernsehen „Weniger ist mehr“ gesehen. Es ging, was sonst, um die Auswüchse der Konsumgesellschaft und vor allem um Alternativen. Viele Beispiele, die zeigen, dass man den Konsum einschränken kann oder auch muss. Man muss ja nicht unbedingt soweit gehen, wie im Film gezeigt, eine Trockentoilette benutzen, ohne Wasser, dafür mit Erde und Stroh. Aber das was uns eine Anregung sein kann ist, persönlich und in der Gemeinschaft neue Wege zu finden. Wie lange benutze ich Konsumgüter. Solange bis sie kaputt sind oder will ich doch das neueste Modell eines Fernsehers? Brauche ich wirklich die schicken Gläser, die gerade in einem Geschäft angeboten werden, obwohl ich schon 20 zu Hause habe?

Viele wenden jetzt ein, dass die Wirtschaft und wir alle ja davon leben, dass sie wächst, dass immer mehr produziert wird. Aber wann sind die Ressourcen zu Ende? In unserer Generation oder doch erst 100 Jahre später und soll mich das dann kümmern? Wenn ich verzichte, dann ändert das trotzdem nichts. Aber ich bin so naiv zu glauben, dass immer mehr Menschen sich bewusst für weniger entscheiden. Und gleichzeitig für mehr. Nämlich für mehr Solidarität, ob in Gemeinschaftsgärten, Tauschkreisen oder beim Carsharing. Darum ist weniger mehr, denke ich.

http://www.arte.tv/guide/de/048214-000/weniger-ist-mehr

Kürzlich hörte ich ein paar Minuten ein Gespräch mit. Ich stand an der Bushaltestelle und zwei Personen unterhielten sich über die Arbeit. Und dass sie sich wenig wertgeschätzt fühlen, da niemand erkennt, was sie alles leisten. Dass sie Überstunden machen, dass sie Arbeit mit nach Hause nehmen und trotzdem scheint es zu wenig zu sein. Seither muss ich immer wieder über Leistung nachdenken. Wir kennen es ja auch aus der politischen Diskussion, wer etwas leistet gehört dazu. Aus der Wirtschaft, in der Leistung schlicht in Geld gemessen wird. Aber was ist Leistung eigentlich und wie kann man sie messen? Es scheint eine stille gesellschaftliche Übereinkunft zu geben, dass bestimmte Leistungen besonders viel wert sind, andere keiner besonderen Anerkennung bedürfen. biene

Vielleicht ist nach der Debatte um die Managergehälter wirklich die Zeit gekommen, Leistung in einem anderen Licht zu sehen. Wie ist es mit einem Menschen, der einem in einer schwierigen Zeit hilft und zur Seite steht? Was haben eigentlich meine Eltern geleistet, als sie mich großzogen? Ist der Verzicht auf mehr nicht auch eine Leistung? Ist es eine besondere Leistung sein Leben im Rollstuhl zu meistern? Wie ist das mit Menschen, die alles zurücklassen müssen und in der Fremde neu beginnen?

Diese und andere Leistungen würde ich gerne diskutieren und vor allem mehr wert geschätzt wissen.