nam3

So lässt es sich schreiben

Meine Lieben, das Ende naht. Keine Angst, mir geht es gut. Sehr gut sogar. Heute kommt das letzte Kapitel, zur Vollendung des ganzen Dutzend. Ich nutze die laue Sommernacht und habe mich zum Schreiben auf den Balkon drapiert. Dank nur ganz geringem Lüfterl konnte ich auch den Tischkamin befeuern, zwecks Idylle. Zur eigenen Belohnung habe ich mir eine Flasche Champagner geöffnet und frische Tiroler Himbeeren ins Martiniglas gekippt.

Meine treuen Leserinnen und Leser werden sich denken, der alte Zausel ist schon nach einem Glas Champagner abgefüllt und verwechselt Miktion (hängt mit dem Lulu zusammen) mit Migration. Mitnichten, ich bin geeicht, was edle Tropfen anbelangt. Die Erklärung folgt natürlich wieder im Kapitel, wo verrate ich nicht. Man muss schon alles lesen. Ich hab ja quer Beet so gut wie alles erzählt, was meine Erkrankung und Genesung betrifft. Einiges konnte ich nur streifen, hier nun vom Rand ins Detail.

Wenn das Rollwagerl nicht rollt

nam2Begonnen habe ich meine Erzählungen ja mit der eingeschränkten Mobilität. Das ganz marode Kapitel ist gänzlich erzählt, ich greife noch mal das Fortkommen mit dem Roll-wagerl auf. Die meisten Menschen kennen mich als gutmütigen Menschen, der sehr lange die Contenance behält und ruhig vor sich hinlächelt, auch bei ärgeren Sachen. Was aber nicht heißt, ich wäre grenzdebil! Das Schieben eines Rollstuhls auf hiesigen Wegen ist wahrlich eine Tortur. Wenn mal fünf Meter eben dahinzurollen ist, freue ich mich wie ein kleines Kind beim Geburtstag. Straßenübergänge und die folgenden Randsteine sind nur mit äußerster Vorsicht zu benützen. Um nicht als bloßer Geschichtenerzähler zu gelten, den man milde übers Haupthaar streichelnd belächeln kann, biete ich mich und mein Gefährt gerne zu Demonstrationsfahrten an. So eine hatte ich vor etwa drei Wochen. Der Vizebürgermeister kontaktierte mich, um über die Barrierefreiheit der Gemeinde zu erfahren. Gerne nahm ich das an, gestartet haben wir die Tour durch unsere schöne Gemeinde nach dem Mittagessen beim Dorfwirt. Hierzu wurde ich dankenswerter Weise eingeladen, hätte aber nicht sein müssen. Es muss nicht immer alles gratis sein. Äh ja, der Sprudel zeigt Wirkung. Beim Palaver im Gastgarten erzählte ich grob umrissen meinen kränklichen Werdegang und die bisherigen Probleme. Gestärkt von der guten Küche ging es los. Schon nach ein paar Metern erkannte er den Wahrheitsgehalt meiner Aussagen. Was ja auch nicht zu bezweifeln war, ich war schließlich Versicherungsvertreter! Da wie gesagt so gut wie kein Trottoir eben ist, kam ich nur in Schlangenlinien voran. Gerne ließ ich mich auch schieben, zur Demonstration. Das ganze Sammelsurium wurde abgedeckt.

Mit am Schlimmsten im Ort ist der Zebrastreifen an der Hauptstraße mit dem meisten Verkehr. Da ist an einer Seite der Randstein so hoch, dass man ohne Hilfe fast nicht hochkommt. Ich bin ja jetzt jung, huch der zweite Fehler, aber wenn da mal ne schwache Oma oder ein schwacher Opa die Straße im Rollwagerl queren möchte, die werden von den nichtzeithabenden Autofahrern hemmungslos niedergehupt beim Anstehen am Straßenrand. All das haben wir fotografisch festgehalten. Auch er hat erkannt, dass vieles dem aufrecht gehenden Menschen nicht auffällt. Ging mir ja auch so. Solch eine Tour sollten viele machen, am besten sogar in einem Leihrollstuhl. Nicht nur die Lokalpolitiker, auch die Planer und Architekten. In meinem Fitnessstudio wurde die Behindertenkeramik dermaßen eng ausgeführt, ich komm da gerade noch zurecht, aber auch nur, weil ich schon gut bei Kräften bin.

Wenn es mal schneit

Auf mich zugekommen ist der Vizebürgermeister wohl auch, weil er noch in Erinnerung hatte, dass ich im Winter knapp zwei Wochen nicht aus dem Haus gekommen bin, weil die Straße und der Gehweg vom Anwesen weg so gut wie nicht geräumt wurde. Ich kam nur außer Haus, wenn ich vom Roten Kreuz mit dem Mercedes abgeholt wurde. Mehrmals rief ich in der Gemeinde an, nichts geschah, weil sich niemand zuständig fühlte. Die Straße in der ich wohne, benannt nach dem Kaiserdarsteller aus der Sissi-Trilogie, ist die Karlheinz Böhm Straße, die darauf folgende ist die Friedensstraße. Beides sind scheinbar Privatstraßen. In der Sissi-Darsteller Straße sind zwei Häuser nach dem betreubar und betreutes Wohnen Prinzip. Selbst wenn die Gemeinde sich da außen vor fühlt, denke ich, es obliegt ihr trotzdem für freie Wege zu sorgen, notfalls mit Rechnungsstellung an die Hausbetreuer. Es ist schon frustrierend, wenn man sich endlich durchgerungen hat und den Rat des Therapeuten befolgt, ins Fitnessstudio zu rollen und man CAM00173[1]kann dann nicht. Furchtbar! Es fällt ja nicht nur der dringend benötigte Kraftaufbau weg, man kommt ja auch nicht dazu, mit gesenktem Kopf perfekt unauffällig in der Umkleide zu lugen. Was denn? Wie gesagt, die Libido kam ja schon zurück. Beim Räumthema schaltete sich der Vizebürgermeister ein und drohte, ich würde mich an die Presse wenden. Was gar nicht so abwegig war, ich war kurz davor. Tags darauf war alles picobello.

Die 80/20 Busfahrer

Zurückkommen möchte ich auch noch mal auf die Busfahrerei. Es ist wirklich erschreckend, was man sich da alles bieten lassen muss. Hier gehört dringend eine umfangreiche Schulung her, wie man mit Menschen umgeht. Nicht nur mit Behinderten im Rollwagerl, sondern im Allgemeinen. Mir ist es wirklich ein Rätsel, wie man nur so drauf sein kann. Wer nicht gerne Kontakt mit Menschen hat, soll sich vielleicht um eine Arbeit in einem Lager oder wo auch immer bewerben. Natürlich weiß ich auch, dass es unmögliche Fahrgäste gibt. Nur wie komme ich dazu, dass ich den Grant vom Fahrer abbekomme. Oft kommt es mir auch vor, manche haben Angst, dass wenn sie den Rollstuhl anfassen, sie umgehend auch behindert werden. Man muss mir ja nicht mit überbordender Freundlichkeit kommen, aber mit einer gewissen Grundfreundlichkeit.

Sehr auffallend ist der Unterschied bei der Herkunft der Fahrer. Die mit sogenanntem Migrationshintergrund haben eine Freundlichkeitsquote von 80 % und sogenannte Hiesige von 20 %. Ha! Hier haben wir die versprochene Erklärung. Dieses Verhältnis lässt tief blicken. Die Handvoll Chauffeusen sind durchweg freundlich und hilfsbereit. nam1Vielleicht sollte man bei den Schulungen dem Fahrpersonal nahelegen, dass sie sich einfach mal vorstellen sollen, sie säßen auch in einem Rollstuhl und welche Behandlung sie sich da wünschen würden. Andererseits, braucht man für Benehmen als Erwachsener wirklich eine Schulung?

So meine Lieben, nun ist´s soweit, die Leiden sind erzählt und ich schließe hiermit meine Erzählungen. Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick gewähren, wie so eine Krebserkrankung das Leben verändert. Alles Liebe und Gute da draußen, Gruß und Kuss an alle.

Euer Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe

zu Kapitel 11

von Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe

nam2Ich hab ja nun schon einiges von meinem Weg der Krebserkrankung und dem durch die Therapie dieser erzählt. Da ich ja mittlerweile im fünften Jahr und im fortgeschrittenen Alter (ich dulde Widerspruch) bin, fallen mir immer wieder mehr oder weniger spannende Episoden ein. Den Grad der Spannung überlasse ich gerne der geneigten Leserschaft. Die Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden.

Meinen jahrelangen Begleiter zum Ablassen des Lulu namens suprapubischer Katheter, hab ich ja schon in Bild und Text vorgestellt. Letztes Jahr im Frühjahr bekam ich ihn endlich raus. Was er mir zurückgelassen hat, waren Keime. Diese entwickelten sich mit der Zeit zu Taubenei großen Harnsteinen. Ich hatte mal mein Schlafzimmer in Taubenblau streichen lassen, das gefiel mir sehr gut. Die besagten Steine allerdings nicht. Man kann sich das scheint’s so vorstellen, dass die eingeführten Keime sich wie Schneebälle entwickelten. Nach Entnahme des Zapfhahnes (diese Bezeichnung ist nicht so Zungenbrecherisch) dachte ich mir, es geht zackig aufwärts. Zusammenzwicken üben beim Lulu-Druck und eine Baustelle ist weniger. Ha, von wegen! Der Wille war da, nur die Harnsteine eben auch. Bei Erschütterungen, wie zum Beispiel auf der Ladefläche des Rot-Kreuz Transporters, hatte ich immer das Gefühl, jetzt kommt es gleich. Und das, obwohl ich vor Abfahrt zu Hause vorsichtshalber alles rauspresste. Ebenso erging es mir, wenn ich per Muskelkraft meinen Rollstuhl über Kopfsteinpflaster schob. Kaum einen Meter drüber gerattert, war schon der Druck da. Also bremste ich mein Vehikel bis zum Stillstand ab und tat so, als würde mich die umliegende Architektur interessieren.

Raus mit den Harnsteinen

ip1

Edler Staub von Harnsteinen

Bei meinen regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wurde mir ein niedergelassener Urologe in der Stadt empfohlen. Diesen suchte ich im Juli heim. Ein wahrlich gewissenhafter Mann. Ich erzählte ihm meine Geschichte und den quasi ständigen Lulu-Druck. Beim Ultraschall stellten wir die besagten, taubeneigroßen Harnsteine fest. Die erkannte sogar ich auf dem Ultraschallbild. Ich erschrak und dachte, ich wär Lieutenant Ripley mit Aliens in mir. Aber die Steine waren erschreckend genug. Die lösten bei Erschütterung den Harndrang aus. Dank meiner Zusatzversicherung konnte mich der Privatdozent gleich am Wochenende darauf operieren. Ich checkte an einem Freitag im Diakonissen Krankenhaus in ein Einzelzimmer ein und am Nachmittag wurde ich operiert. Die Operation war für eine Stunde geplant, es wurden zwei daraus. Zum Glück war ich unter Vollnarkose. Mein armes, geliebtes Dödi wurde dermaßen malträtiert, dass es immer noch beleidigt ist. Der Arzt kam nach meinem Erwachen zu mir aufs Zimmer und erzählte mir von der geglückten Operation. Er fuhr mit einer Zange, die an einem langen Metallrohr befestigt ist, über 80 (in Worten ACHTZIG) mal durch die Eichel und die Harnröhre in die Blase ein und zertrümmerte damit die Harnsteine. Bei dieser Erzählung war ich einer Ohnmacht nahe. Die zertrümmerten Steine wurden rausgespült und ich bekam davon was in einer Plastikdose. Somit sind wir beim heutigen Titel des Kapitels angelangt. Als Hausierer war ich ja in einer Vielzahl von Wohnungen. In einigen sah ich Behälter mit verschieden farbigen Sand drin. Ich erfuhr, das sind Mitbringsel aus den jeweiligen Strandurlauben. Meine zertrümmerten Harnsteine sehen auch so aus. Wie der Sand am Strand von Ipanema! Vielleicht sollte ich meinen mühsam erworbenen Sand in ein Kristallglasgefäß von Riedel oder Nachtmann füllen. Mal schauen, was die da so anbieten. Vielleicht gibt es ja was runtergezeichnet.

Aus dem Krankenhaus wurde ich am Mittwoch entlassen. Einzelzimmer war zwar toll und angenehm, nur wurde ich rund um die Uhr gespült. Sprich, drei Schläucherl wurden über das ohnehin schon geschmähte Dödi in die Blase eingeführt. Sah grauenhaft aus. Ich hab ein Bild davon, das mag aber sicher niemand sehen. Thrombosestrümpfe bis oben hin und die Verkabelung. Furchtbar! Außerdem lud an diesem Wochenende meine uralte Freundin Ingeborg zum Geburttagsschmaus in ein Lokal. Und ich konnte nicht dabei sein.

Reinlichkeitsrituale

ip2Danach konnte ich mit dem Üben des Zusammenzwickens richtig beginnen. Allerdings war ich geistig noch ein Hosenpiesler geblieben. Sprich, ich hatte Angst, dass etwas passiert. Somit bin ich weiterhin mit den letztens beschriebenen Einlagen im Hoserl zum Sport oder in die Stadt gefahren. Auch erwähnte ich schon, dass das ganz nett nach Erektion aussah. Allerdings schwitzte ich auch entsprechend im Schritt. Und das mir! Wo ich doch immer schon auf Reinlichkeit großen Wert lege. Beim Einzug in die schattige Pinie bekam ich einen Duschsessel verschrieben und geliefert. Nach langer Zeit der Katzenwäsche endlich wieder Reinlichkeit nach meinen Vorstellungen. Dank Ruhestand kann ich mir hierbei Zeit lassen. Ich brauche so um die 20 Minuten. Manchen Mitmenschen fällt meine glatte Haut auf. Diese bekam ich durch tägliches Schruppen. Nach dem Shampoonieren des großflächigen Körpers mit einem Frottee-Waschlappen, schruppe ich mich von oben bis unten mit einer langstieligen Qualitätsbürste ab. Rosshaar wird meist angeboten, vertrage ich aber nicht. Hengsthaar geht ganz wunderbar! Für die Fussi hab ich eine kleine Bürste mit denselben Qualitäten erworben. Die Schrubberei ist wahrlich gut für die Haut, auch für die Sensibilisierung meines Nervenkostüms. Zusätzlich mache ich seit einiger Zeit Heiß/Kalt-Güsse. Begonnen hab ich die von den Oberschenkeln runter zu den Füßen und wieder rauf. Mit an einem Bügel festhalten. Mittlerweile mache ich die Güsse von unterhalb der Brust runter und wieder rauf, ohne anhalten. Das ganze nennt man auch Kneipp-Kur, benannt nach dem berühmten Pfarrer Kneipp. Früher wussten sie schon, was gut für den Körper ist. Und da ich das ganze am Schluss meiner Reinigung mache, ist es ein wunderbar erfrischter Start in den Tag.

Über Gebühr mein Wortkontingent hier im Blog ausnützend, schließe ich für heute dieses Kapitel. Auch mit dem Hinweis auf das nächste Kapitel. Als älterer Herr (Widerspruch!) bin ich ein Freund alter Ausdrucksweisen. Mit dem nächsten Kapitel, dem zwölften und somit dem vollen Dutzend, schließe ich diese Reihe ab. Mal schauen, was das nächste Thema werden wird.

zu Kapitel 10

von Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe

Für den Titel dieses Kapitels geselle ich Paul Watzlawick zu Johann Wolfgang von Goethe.

ent2Meine Mutter ist Anfang der 60er im schönen Berchtesgadener Land  mit mir darnieder gekommen. Meine Kindheit verbrachte ich in Bischofswiesen, wie schon erzählt in einer neu erbauten Sozialwohnsiedlung. Ich genoss schon damals die Idylle. Neben dieser kleinen Siedlung mit 6 Parteieneinheiten war ein sehr großes Feld des größten Bauern im Ort. Schon bald lernte ich, dass die Kühe auf der Wiese harmlos sind und kürzte den Weg direttissima durch die Viehherde staksend ab. Die interessierte Leserschaft wird sich jetzt denken, was haben denn die Rindviecher mit den Leiden zu tun? Bitte weiterlesen, der Kreis wird sich schließen.

Nach der erfolgreichen Chemotherapie im Dezember 2010, wurde für mich gleich einmal eine Reha beantragt. Diese wurde mir auch gewährt und ich rückte Anfang 2011 in die Neurocare in Salzburg ein. Mittlerweile hatte ich für längere Strecken schon einen Rollator. 48 Jahre alt mit nem Gefährt für einen 80-jährigen! Aber was soll´s. Ich checkte in dem Zimmer ein, die 101 war zum Glück ein Einzelzimmer. Bald kam der zuständige Chefarzt zur Untersuchung. Er stellte Bläschen im rechten Schulterbereich fest, diese stellten sich als Gürtelrose heraus. Somit war es nichts mit der Reha und ich wurde nach telefonischer Vorankündigung zur angrenzenden Neurologie gebracht zum Auskurieren der Gürtelrose.

Wer kuschelt denn da?

ch4Da ich ja unerwartet in der Neurologie aufschlug, hatten sie gerade kein Einzelzimmer frei. Dieses konnte ich erst am anderen Tag haben. Somit wurde ich in ein Zimmer geschoben, in dem ein Patient lag, der ebenso ein Einzelzimmer wollte. Ich dachte mir, das hältst schon aus, morgen hast ja deine Ruhe. Mir wurde die Infusion und das typische halb-offene Gespenstnachthemd angelegt. Da wir beide unsere Ruhe haben wollten, gab es auch nicht viel Konversation. Am Abend kam dann seine Frau zu Besuch. Ich stellte meinen kleinen Fernseher an, setzte den Kopfhörer auf und drehte mich ein bisserl zur Seite. Irgendwann musste ich jedoch die Stellung wechseln und drehte mich auf die andere Seite. Die Puppn von meinem Zimmernachbarn war nicht mehr auf dem Stuhl, sie war kuschelnd bei ihm im Bett! Das brauchte ich noch! Haben im Arm liegend fern gesehen. Wenn ich das mit einem etwaigen Partner gemacht hätte…

Am anderen Tag wurde ich wie versprochen in mein eigenes Zimmer geschoben. Mir ging es soweit gut, nur war ich halt schlapp. Wegen der Chemo sowieso und jetzt wieder durch das liegen. Die Polyneuropathie schlug immer mehr zu. Zum Glück war die Keramik gleich ums Eck und ich konnte mich mit einer Hand an der Mauer stützen und mit der anderen Hand den Infusionsständer schieben. Bisher konnte ich den AA-Druck gut kontrollieren und raffte mich rechtzeitig auf. Leider wirkte die Polyneuropathie immer mehr auf die Rosi ein und so kam es, dass ich eines Tages auf dem Weg zur Keramik unter dem Gehen schon was verlor. Ähnlich einer Kuh während des Almabtriebes.

Hier meine Lieben sind wir wieder bei den Kühen, wie versprochen. Ich tapste trotzdem weiter zur Keramik und verrichtete den Rest. War mir das peinlich. Ich hoffte inständig, dass niemand rein kam. Schnellstmöglich reinigte ich erst mich und dann den Boden. Was mir aber nicht sonderlich gelang, die Pflegerschaft besorgte nach Eintreffen gleich eine Reinigungskraft. Fortan erhielt ich als Vorsichtsmaßnahme eine Windel. So Krankenhausteile, die man wie bei einem Baby wickelt.

Wie man sich eine Windel an- und auszieht

ent1Nach erfolgreicher Therapie konnte ich meine erste Reha antreten. Dort bekam ich Erwachsenenwindeln in Hosenform. Alsgerade schick im Gegensatz zu den Krankenhauswindeln. Wie meist, wird einem der Umgang damit nicht beigebracht. Jetzt vermutet man wahrscheinlich, was ist schon so schwer, sich ein Hoserl anzuziehen? Stimmt, aber ein gefülltes auszuziehen ist sehr wohl schwer. Was hab ich da hantiert. Durch die allgemeine Schwäche und der in den Beinen im Besonderen war das direkt wie Jonglieren. Bis ich eines Tages die Unterstützung einer Pflegerin bekam. Und siehe da, man kann die Teile wie die Hose eines Chippendale-Strippers seitlich aufreißen und wegklappen. Kurz noch das Becken in die Höhe gehievt und das benutzte Hoserl weggezogen. Man lernt ja nie aus.

Zuhause war ich ja nicht sonderlich mobil, ich erzählte schon vom glänzenden Eicheparkett, über das ich auf der Decke ins andere Zimmer gezogen wurde. Der Tiefpunkt meiner Schwäche wurde bald mal erreicht. Muttern kam fast täglich zum versorgen. Auch zum Pflegen. Aufmerksame Leser werden sich gemerkt haben, dass ich Anfang der 60er geboren wurde. Meine Mutter war alleinerziehend im Familienverbund mit Oma und Opa. Da wurde einem die Schamhaftigkeit quasi in die Wiege gelegt. Seit der Pubertät war es dann auch mit meiner Freizügigkeit vorbei. Jetzt war allerdings der Zeitpunkt, wo mich Muttern wieder nackt sah, nicht nur das, sie reinigte mich täglich im Schritt. Nicht gerade prickelnd, wenn einem Muttern den Dödel und die Rosi reinigt. Das belastete mich schon sehr, auch wenn ich natürlich die Notwendigkeit sah. Nicht ganz so schlimm war es, als mich einmal Freunde zum bei mir Kochen besuchten. War ein schöner Abend und als sie mich wieder ins Zimmer zogen und ins Bett hievten, ist´s natürlich wieder passiert. Durch die Anstrengung war gleich das Hoserl randvoll. Zwei der vier flüchteten auf den Balkon und die anderen zwei versorgten mich. Beide kannten mich und Rosi durch die jeweiligen Beziehungen schon viele Jahre, so allerdings noch nicht. Ich weiß, dass mein AA nicht nach Chanel duftet, somit wusste ich um den Dienst der beiden. Hier wie gesagt, war mir die Hilfe auch peinlich, aber nicht so wie bei Muttern.

Für heute belasse ich es und sprinte jetzt auf den Balkon. Die Hitze um kurz nach vier wird jetzt nicht mehr so groß sein. Sprinten ist auch das Stichwort für das nächste Kapitel, dort erzähle ich von meinen aktuellen Erfolgen.

Hier geht es zu Kapitel 9

von Christian Namberger, Oberinspektor i.R.

nam1

Christian in der ländlichen Idylle

Als ich ein sehr junger, sehr braver Bub in den 60ern war, schaute ich oft mit meiner Oma aus dem Küchenfenster im ersten Stock des neu gebauten Sozialwohnblocks, wann denn Opa mit dem Automobil oder Mutti mit dem Fahrrad von der Arbeit kamen. Dabei lief meist im Radio BR1 mit der Erbschleichersendung, in welcher diverse Neffen und Nichten oder Enkelkinder der lieben Tante Gusti zum 70sten gratulierten. Und die Damen waren entzückt von dem Potpourri der Chansons. Daher der heutige Titel des Kapitels, nur zur Erklärung.

Dienstbeflissen wie ich war, der Slogan unserer Firma hieß ja “Ihre Sorgen möchten wir haben“, arbeitete ich selbstverständlich zwischen den Chemos. Ich erwähnte bereits, dass ich mit jeder weiteren Chemo immer weniger Beckenstabilität hatte, da die Polyneuropathie schon sehr fortgeschritten war.  Eine Kundin kam sogar beim Wiederausfolgen der Zulassungspapiere, die ich nach erfolgter Zulassung zurückbrachte, vor die Tür auf den Hof, damit ich mich nicht aus der Limousine hieven musste. Ich reichte ihr alles durch das Beifahrerfenster der havannabraunen Eleganz.

Natürlich möchte man sich dem Verfall nicht Preis geben und denkt, man kann weiter agieren wie bisher. So auch im Privaten.

Einladung ist mein Zauberwort

nam2

Christian ist ein gern gesehener Gast – er isst immer brav den Teller leer ;)

Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich schon Kund tat, dass ich mich gerne zum Essen einladen lasse. Nun, jetzt ist es raus, ich liebe es. Eine der letzten Einladungen die ich selbst gehend, na ja eher schlurfend, annehmen konnte, war die von der alten Freundin Ingeborg und Freund Thomas, der mit den teuren Dritten. Der Abend war vergnüglich mit reichlich gutem Essen und viel Gelächter. Irgendwann hieß es dann Abschied nehmen und ich ging vorsichtshalber auf die Keramik, um den Weg nach Hause beruhigt antreten zu können. Es kam nicht viel, ich wollte aber auch nicht über Gebühr pressen, man weiß ja mittlerweile, dass das schädlich ist und zu einem Schlaganfall führen kann.  Untergehakt bei der Zwingenbergerin lies ich mich zum Auto begleiten. Ich glitt nicht sonderlich elegant in den saharabeigen Ledersportsitz und fuhr los. Dummerweise rumpelte ich über ein paar Kanaldeckel, was mein Gedärm zu reger Tätigkeit anregte. Ich spürte es rumoren und der Druck wurde immer größer. Die Rosi war ja durch die fortgeschrittene Polyneuropathie nicht mehr die Fitteste und ich hoffte, dass die Ampeln eine grüne Welle haben, dass ich zu McDonald’s in der Alpenstraße komme.

Natürlich wurden meine Hoffnungen nicht erhört, ebenso wenig wie die beim Lotto. Vor der Abzweigung zur Wüstenrot Zentrale musste ich bei Rot stehenbleiben. Bei Grün gab ich unkontrolliert Gas und bog sofort ab, um mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz von besagter Bausparkasse zum Stehen zu kommen. In Windeseile schnallte ich mich ab und wollte hinter einen Strauch laufen um dort meine Notdurft (im wahrsten Sinne des Wortes) zu verrichten. Dies schaffte ich jedoch nicht mehr und so riss ich mir mitten auf der Wiese die Jeans runter und entledigte mich so dem AA. Es war so gegen Mitternacht und die Straße so gut wie nicht befahren. Nicht auszudenken, wenn aus der anderen Richtung ein Wagen abgebogen wäre und mich vielleicht sogar mit Xenon Licht angestrahlt hätte. Ein furchtbarer Gedanke. Wäre ich noch Dauerwellenträger wie Anfang der 80er gewesen, hätte man in der Dunkelheit ja auf einen Königspudel tippen können. Da ich immer Taschentücher dabei habe, machte ich eine grobe Reinigung und zog von dannen.
Als ich letztens mit dem Obus in die Stadt fuhr, sah ich an dieser Stelle nach mittlerweile fünf Jahren einen üppig blühenden Rosenstrauch stehen, was mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte.  Weisse Rosen aus A….(Athen? Rosi?)…:-)

Wie ich zu einem Loch in der Lunge kam

nam2Da ein Potpourri ja ein wilder Mix ist, gehe ich ein wenig in der Chemotherapiereihe zurück, genauer gesagt zur zweiten. Nachdem man ja abwarten musste, ob die Chemo anschlägt, wurde nach dem erfolgreichen Feststellen dessen, eine Dose in meine rechte Schulter eingebracht, die mit meiner Ader verbunden wurde. Ich nannte sie einfach Steckdose. Diese wuchs mit meiner Alabasterhaut wieder zu und in die Membrane der Dose konnte man dann ruck-zuck eine Chemo-Nadel stechen. Die anderen wurden wie bisher in die Arme geleitet. Die Ärztin, die mir die Steckdose einoperierte, war scheinbar eine Unerfahrene. Solche kleinen Operationen werden meist mit Lokalanästhesie gemacht. Die nicht so Gute hat dermaßen unkontrolliert rumgefuhrwerkt, dass ich aufschrie. Ich bekam noch eine zusätzliche Betäubung, was aber auch nichts half. Sie hat mir nämlich meine Lunge beschädigt, die dann halbseitig zusammenfiel. Also bekam ich seitlich durch die Rippen einen Schlauch in die Lunge eingeführt, der in einem Wasserkasten unter dem Bett hing. Die Montage dieses Schlauches lies ich aber in Vollnarkose machen, ich mochte da nichts mehr mitbekommen. Das ganze dauerte knapp 10 Tage. Täglich wurde ich im Bett liegend in die Lungenabteilung zur Kontrolle geschoben. Jeder Arzt hatte eine andere Meinung. Einer sagte, man muss operieren, der andere sagte nein, das verheilt auch so. So ging das ca. viermal hin und her und man beschloss, doch zu operieren.

Der OP-Termin war an einem Freitag. Natürlich muss man da nüchtern sein. Sprich, man bekommt kein Frühstück. Und das mir! Der ohne Frühstück gar nicht kann! Ich wartete und wartete, bis endlich um 11 Uhr die Tür aufging und ich einen weißen Kittel reinwehen sah. Ich fragte, ob ich jetzt endlich zur OP geholt werden würde. Der Träger des weißen Kittels war der Chefarzt der Lungenabteilung und er meinte: „So schnell wird nicht operiert“, sah sich das Ganze an und zog ganz einfach den Schlauch raus. Noch kurz verbunden, meinte er lächelnd, das müsste sich übers Wochenende erledigen. Und siehe da, es erledigte sich tatsächlich!

Oje, ich seh den Lektor schon wieder mit den Augen rollen ob der Wortanzahl, aber ich weiß jetzt nicht, was ich streichen könnte.

Deshalb jetzt ganz schnell für diesmal beendet. Für heute passend fällt mir ein Liedchen aus der Erbschleichersendung von Nana Mouskouri ein „weisse Rosen aus Athen” . Auch als verspäteten Dank an Ingeborg, unsere eigene Nana.

P.S.: Das mit dem Rosenstrauch im Vorgarten der Wüstenrot ist leider eine Fiktion. Äh, sagte ich schon, dass ich gerne träume?

Und hier geht es zu Kapitel 8

von Christian Namberger. Oberinspektor i. R.

Letzte Woche erzählte ich ja von meinen zwei großen I, dazu gehörten auch Ausführungen über die Rosi. Es gibt da noch das eine oder andere Wissenswerte. Aber heute erzähl ich von was anderem. Manche Menschen brauchen noch Zeit, um das zu verdauen. Haben sie doch, wenn sie den Namen Rosi hören, gleich meinen Hintern vor dem geistigen Auge.

Der erste Reha-Aufenthalt in der Neurocare war ein schwerer. Durch das viele Liegen war ich sehr geschwächt und konnte nicht mal aufrecht sitzen, ohne mich zu stützen. Aus dem Bett in den Rollstuhl ging es nur mit Hilfe. In der Früh wurde ich in einen Duschrollstuhl gehievt und in die Dusche geschoben. Durch die Schwäche, konnte ich nur mit pi1einer Hand hantieren, mit der anderen hielt ich mich fest. Das Abbrausen ging noch, doch das Shampoonieren und mit dem Waschlappen Abreiben wurde dann von der Pflegerschaft übernommen. Die Duschsessel sind ja ähnlich wie die sogenannten Leibstühle. Sprich, sie haben ein Loch in der Sitzfläche. Durch dieses schruppte dann die Schwester mit einem Waschlappen meine beleidigte Rosi. Nicht gerade prickelnd, aber Reinlichkeit muss sein. Danach abtrocknen, zurück ins Betti und im Liegen angezogen werden. Wie ein Baby. Dann wieder aus dem Bett und rausgekarrt zum Frühstück zu den anderen Maroden. Die Bude ist immer voll belegt, überwiegend mit Schlaganfall-patienten jeden Alters.

So geht Reha

Nach dem Frühstück, ich musste zum Glück keine Diät halten, begannen die Therapie-einheiten. Eine Einheit dauerte immer 25 Minuten. Verteilt auf den Tag hat man ca. 5 Stück davon. Natürlich wurde auch versucht, mich auf die Beine zu bringen. Zuerst mit dem Stehtisch, damit sich meine Fussi an das Gewicht gewöhnen. Da wird man mit einem Gurt an ein erhöhtes Pult gezogen und dort steht man dann die 25 Minuten. Mit Blick nach draußen. Mei, ein Eichhörnchen – wie schön! Was ich da alles entdeckte. Auch fing ich an, die Lamellen der Deckenverkleidung zu zählen. Gehtraining versuchten wir mit einem Gerät namens Taurus. Da kann man sich mit den Unterarmen aufstützen und der Trainer schiebt das Gestell nach oben. Das sah bei mir vielleicht aus. Blasse Storchenhaxerl, darüber eine knielange Sporthose, knackig gefüllt mit der Erwachsenenwindel. Abgerundet mit Ralph Lauren Poloshirts in knalligen Farben. Sollte ein wenig ablenken von den Haxerln. Den Flur entlangschreiten konnte man das ganze nicht nennen, irgendwie sah es aus, als würde ich nachgeschleift. Es dauerte einige Wochen, bis ich rollatorfähig war. Anfänglich nur ein paar Meter, mit jeder weiteren Reha immer ein Stück mehr. Die zweite Reha bekam ich gleich nach 6 Monaten bewilligt, normalerweise ist man da für 4 Wochen. Diese wurde aber immer wieder verlängert und somit war ich in Summe 3 Monate in der Anstalt. Ich wollte schon das Zimmer nach meinem Gusto streichen lassen.

 

Mittlerweile wohnte ich ja schon in der schattigen Pinie. Das ist ein Haus, das sich betreubares und betreutes Wohnen nennt. Würde gar nicht auffallen, wenn es nicht plakativ auf der Glas-Eingangstüre stünde. Vielleicht kratze ich das mal in einer Nacht und Nebelaktion runter. Dann sieht das wie ein ganz normales 18-Parteien Haus aus. Wo ich bin, ist pi2oben! Also bin ich folgerichtig ganz oben im zweiten Stock mit meinen Räumlichkeiten. Lange Zeit übte ich im Stiegenhaus zusammen mit Muttern das Rollatorgehen. Ich mit Rollator voran und Muttern mit dem Rollstuhl hinterher, falls mich die Kräfte verlassen sollten oder ich ins straucheln kam. Dank der überwiegend älteren Damen im Haus, ist das lange Fensterbankerl mit farbenfrohen Blümeln dekoriert und somit hat man auch was für den Augenwinkel. Aufsehen ging ja nicht, ich musste ja schauen, wie und wo meine Fussi auftreten. Einmal war im Haus vis a vis, eine normale Wohnanlage, in einer Wohnung im ersten Stock ein junger Mann bei der offenen Balkontür am Rauchen. Nackig! Und ich müsste mich auf mein Gehen konzentrieren.

Leider war das eine einmalige Darbietung, seither raucht der Gute immer in Shorts. Vielleicht fiel ihm ja auf, dass mein Blick des öfteren vom Stragula-Belag hier in Richtung seines Balkones schwenkte.

Die ersten Schritte in „Freiheit“

Die Monate vergingen und ich habe nach den Reha-Aufenthalten bei einem der Therapeuten zukünftige Therapien gebucht. Diese sind meist mittwochs, auch auf dem Gelände der Klinik. Dort machten wir Training im sogenannten Lokomat. Das ist eine große Apparatur, in die man wie in einem Fallschirm eingespannt wird und unten läuft ein Laufband. Zum Entlasten kann man Gewicht wegnehmen. Dieses Training machte ich bis letztes Jahr. Dadurch konnte ich zu Hause besser mit dem Rollator gehen. Auch wagte ich mich dann zusammen mit Muttern raus. Die Gegend ist ja eine ruhige, somit kann man da gut üben. Jedoch war meine Angst zu stürzen trotzdem noch da. Ich bin ja mittlerweile auf mein altes Gewicht von 105 kg angewachsen. Wenn ich da unkontrolliert mitten auf der Strecke falle, kann mich Mutti als 76-Jährige nicht aufhieven. Mit dieser Angst behaftet, trampelte ich regelrecht aus dem Haus.

Der Großteil der Leserschaft kennt sicher den Film Jurassic-Park, in dem die Wasserpfützen kleine Wellen schlagen, wenn Thyrannosaurus Rex aufstampft. Bei mir war es ähnlich. Durch das Stampfen erzitterte der Boden und mein schwabbeliges Hüftgold kam ebenfalls in Wallung. Röchelnd stakste ich Richtung Straße, die kleinen spielenden Kinder der Siedlung sahen die besagten Wellen in der Pfütze und spritzten schreiend auseinander, weil sie dachten, Gozilla greift an. Zusammen mit der Nachbarskatze versteckten sie sich hinter der Hecke.

Mittlerweile gehe ich alleine meine Runden mit dem Rollator und bin ein gewohntes Bild in der Siedlung. Wenn es gut geht, dann tigergleich, wenn nicht, dann … na ja, lassen wir das. Nächstes Ziel ist mit Krücken zu gehen, da üb ich mit dem Therapeuten immer wieder mittwochs.

Heute schließe ich mit einem alten Schlagerohrwurm von Cindy & Bert, der da lautet:

„Immer wieder sonntags, kommt die Erinnerung“, für mich abgewandelt in

„Immer wieder mittwochs, kommt die Therapie“

Und hier geht’s zu Kapitel 7!

von Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe

Letzte Woche erzählte ich ja von meinen zwei großen leidigen I, der Inkontinenz und der Impotenz. Leider konnte ich da nicht weiter ausholen, was ich in diesem Kapitel jetzt mal mit der Inkontinenz mache.

nam1

Die Utensilien

Ich erwähnte ja schon, dass die Zeit nach der gelungenen Chemotherapie eine kraftlose und somit leidige war. Zuhause konnte ich nur liegen und halbwegs auf meiner beigen Couch im Wohnzimmer sitzen. Im Krankenhaus kam sowieso nur Liegen infrage. Im 2011er Jahr begannen auch die Rehaaufenthalte. Ich musste zum Glück nicht lange reisen, meine Reha wurde in der Neurocare in Salzburg bewilligt. Dort bekam ich ein schönes Einzelzimmer und einen Rollstuhl. Die Transfers vom Bett zum Rollstuhl waren sehr mühsam, meine dünnen Haxerl konnten relativ wenig Gewicht tragen. Noch dazu war ich ja seit geraumer Zeit Windelträger. Moderne Windeln sind zwar relativ dünn, doch beeinträchtigen sie einen doch, wenn man mit darüber gezogener Sporthose im Bett rutschen möchte.  Weiters war ein Problem, dass schon bei geringer Belastung sein konnte, dass die vor einigen Stunden konsumierte und mittlerweile verdaute Fressalie mit Schwung ungehindert ins Hoserl raste. Ganz toll!. Dann hieß es gleich wieder zurück ins Bett und die Schwester oder den Pfleger rufen. Nicht gerade prickelnd.

Tipps aus dem Internet

Ich hatte relativ viel Zeit, im Internet zu stöbern. Ich weiß, da ist auch nicht alles wahr. Durch Zufall stieß ich auf einen Erfahrungsbericht einer Schweizerin mit ähnlichem Krankheitsverlauf. Lymphknotenkrebs, Polyneuropathie, Inkontinenz. Dass ich da nicht alleine war, war mir klar. Ich hab´s zwar gerne exklusiv, aber ist halt doch eine gängige Erkrankung. Jetzt las ich da allerdings was ganz Interessantes. Wir Behinderte mit sogenannten inkompletter Querschnittlähmung spüren ja das eine oder andere Verlangen. Nein, ich mein jetzt nicht das Horizontale, darüber spreche ich in Kapitel 147. Ich meine das Verlangen des Körpers nach Ausscheidung. Die Schweizerin hatte wie ich einen Bauchdeckenkatheter und konnte ebenso wie ich das AA nicht halten. Aber die Gute hatte erfahren, dass man sich durch Selbststimulation zackig entleeren kann. Und zwar durch massieren der Rosette das AA quasi locken. Ha! Da muss eine Frau mich drauf bringen! Nichts leichter als das. Ich bin ja schon viele, viele Jahre den Umgang mit meiner Rosi gewöhnt. Ich nenne sie so, weil Rosi charmanter klingt als Rosette. Viele wissen ja nicht, dass die Gute zu den erogenen Zonen gehört. Ungeübte nehmen sie nur zur Ausscheidung her und kratzen mit billigem Papier darüber. Ich habe sie immer schon gehegt und gepflegt. Des Morgens unter der Dusche immer generalgereinigt, um nett und adrett in den Tag zu starten. Außerdem hatte ich immer im Kopf, dass wenn ich einen Unfall hätte und notoperiert werden müsste, dann der junge, gut aussehende Arzt auf dem Tisch mir die Hose auszieht und Winterkirschen im Hinternhaar vorfände. So was ginge ja gar nicht.

So geht es einfach

Also versuchte ich es auch mit der Stimulation.  Was aber gar nicht so einfach war. Natürlich fand mein geschickter Finger sofort zur Rosi, nur wie ging ich weiters vor? Bettunterlagen und Wegwerfhandschuhe aus Molton gab´s in der Anstalt. Nur sah ich nichts. Also hab ich Muttern gebeten, mir einen Kosmetikspiegel zu bringen, den man aufstellen kann. Gesagt, getan. Beim nächsten Besuch konnte ich loslegen. Gut, nicht während des Besuchs, am Abend dann. Ich wartete den Dienstwechsel der Pflegerschaft ab, denn da wusste ich, dass ich einige Zeit hatte, bis die Nachtschwester oder der Nachtpfleger kam. Aus dem Nachtkastl fischte ich das nötige Material und entledigte mich des Schutzhoserls. Ich drehte mich auf die linke Seite, da ich Rechtshänder bin. Außerdem hatte ich so auch die Tür im Blick und konnte eventuelle Eindringlinge verscheuchen. Ich breitete die Bettunterlagen aus und stellte den Spiegel auf, um zu sehen was ich tat. Gesehen hab ich allerdings auch meine Rückseite. Nach der Chemo kamen ja relativ schnell wieder die Haare. Das Haupthaar wieder überwiegend silbrig schimmernd, ein idealer Hausierer-Chic der Seriosität vermittelt sowie das Körperhaar. Das Schamhaar blieb die ganze Zeit erhalten, ich sehe das als Zeichen, dass man da keinen Rasierer ansetzen sollte. Schlimmer kam mir aber die Rückenbehaarung vor. Dermaßen üppig, Schwarz-Silber im Mix. Ich kam mir wie eine Mixtur aus Grzimeks Tierreich vor. Die Leserschaft wird sich jetzt fragen Mixtur? Ja, die war es. IMG_0290[1]Der Rücken sah aus wie der Silberrücken eines Gorillas und der Hintern war rot wie der Arsch von nem Pavian. Nicht gerade sehenswert. Zum Glück hatte ich ja Einzelzimmer. Nach dem Schock über das Aussehen meiner Rückseite, begann ich mit der Prozedur. Finger gecremt und Rosi behandelt. Und siehe da, es funktionierte auf Kommando. Ich war alsgerade selig. Mit feuchten Molton-Waschhandschuhen noch die Rosi schön gereinigt und die Unterlage mit der Beute kleinstmöglich zusammengelegt. Das Paket stopfte ich noch in einen Wegwerfhandschuh und legte es auf den Boden. Zur Pflegerschaft sagte ich dann, ich hätte da eine kleine Gabe, was immer für ein Lächeln sorgte. Auch waren sie sicher froh, dass sie mich nicht mehr säubern mussten. Allerdings gingen sie nach Betreten des Zimmers gleich zum Fenster um zu lüften. Man kann nun wahrlich nicht behaupten, dass Wohlgeruch die Luft schwängerte.

Diese Methode behielt ich lange bei. Auch als Vorbereitung, wenn ich außer Haus musste oder durfte. Ist schon unangenehm, wenn man ständig im Kopf hat, wann wohl die nächste Ladung kommt. Aber so hatte man zumindest für ne kurze Zeit Ruhe.

Mit dieser Schilderung belasse ich es für heute und schließe wie Johannes, äh James Bond. In dessen Nachspann steht immer “James Bond will return in…“, ich halts lieber in Deutsch und sag:

Christian Namberger kommt wieder, in Kapitel 8.

Hier geht es zu Kapitel 7