Da gibt es jetzt seit einiger Zeit ein Hin- und Herdiskutieren, ob man für AsylwerberInnen und andere MigrantInnen ein Regelwerk für Österreich machen sollte. Die einen meinen, das muss unbedingt her und quasi am Tag der Einreise auswendig gekonnt werden. Die anderen meinen, dass das eine Bevormundung ist und man behandle die Menschen von oben herab, wenn man Verhalten vorschreibt. Zugegeben das sind beides extreme Positionen. Ich halte es da mit der goldenen Mitte. Warum? Weil ich selbst die Erfahrung gemacht habe, wie wichtig es ist, wenn man weiß, wie man sich zu verhalten hat. Und was akzeptiert ist und was nicht.

Ich erinnere mich noch gut an meine Studienzeit in der Türkei. Natürlich liest man über ein Land, seine Kultur und seine Menschen. Was anderes ist es, wenn man dann dort für einige Zeit lebt oder gar für immer dort bleibt.

Also folgende Geschichte, selbst erlebt, unvergessen:

1996. Istanbul. Es ist 8 Uhr morgens. Es wird sicher ein heißer Tag werden. 35 Grad. Ich muss um 9 Uhr in der Uni sein, da beginnt der Sprachkurs. Ich wohne zu dieser Zeit in einer Unterkunft, in der auch andere Studienkollegen und – kolleginnen schlafen. Beim Ausgang treffe ich eine Kollegin aus Deutschland. Sie trägt ein ärmelloses T-Shirt, klar bei dieser Hitze. Ich nicht, ich habe ein normales T-Shirt an. Gemeinsam gehen wir zum Bus. Plaudern. Warten an der Haltestelle, fixe Abfahrtszeiten gab es damals nicht, man wartete bis ein Bus kam. Wir plaudern weiter. Der Bus kommt, wir steigen ein. Der Bus ist bummvoll. Alle Sitzplätze besetzt. Viele stehen, wir auch. Und wir halten uns beide fest, an der Stange, die oben am Gang verläuft. Also haben wir beide, je einen Arm nach oben gestreckt. Wir plaudern weiter. Der Bus kämpft sich ruckelnd durch den Istanbuler Verkehr, die Fahrt wird sicher wieder mehr als eine halbe Stunde betragen. Aber wir haben genügend Gesprächsstoff. Mit dem Handy spielen war damals noch nicht. Irgendwie spüre ich immer mehr Blicke, die auf meine Kollegin und mich gerichtet sind. Die Leute im Bus tuscheln miteinander. Manche zeigen zuerst auf meine Kollegin, dann auf mich. Hmmm komisches Gefühl. Ich versuche hinzuhören, was die Leute reden. Gar nicht so einfach in dem Bus, meine Kollegin, die weiter spricht und irgendwie gar nicht mitkriegt, dass wir gerade der Mittelpunkt des Busses sind. Und irgendwann schnappe ich das Wort „saҫlar“ auf. Haare. Und alles wird mir klar. Unsere Arme, die sich an die obere Stange des Busses strecken. Die verwunderten Blicke zuerst zu meiner Kollegin, dann zu mir. Das Getuschel, manche die den Kopf schütteln. Meine Kollegin hat die Achselhaare nicht rasiert. Lange dunkle Haare wachsen aus der Achselhöhle, die quasi jetzt der Blickpunkt des Busses sind. Und ich werde auch angestarrt. Mein T-Shirt verdeckt die Achselhöhle, aber das Fragezeichen steht im Bus: Hat die andere auch oder hat sie keine?

Das war die längste Busfahrt meines Lebens.

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Für die Menschen in der Türkei ist es ekelig, wenn man sich die Achsel- und Beinhaare nicht rasiert. Gilt auch für die Schamhaare. Bei beiden Geschlechtern. Und viele Männer lassen sich beim Friseur noch zusätzlich die Haare aus den Ohren und der Nase entfernen. Wahlweise mit Wachs oder mit Feuer. Manche Männer rücken beim Friseur auch den Brusthaaren zu Leibe.

Und das war auch der Tag an dem ich meine türkischen Freunde und Freundinnen am Abend zum Tee eingeladen habe mit einer großen Bitte: Ich möchte alles wissen über die wichtigsten Verhaltensregeln. Weil ich nie wieder so eine peinliche Busfahrt erleben wollte.

Und darum bin ich überzeugt davon, dass es hilfreich ist den Menschen in unserem Land ein Regelwerk in die Hand zu drücken. Damit sie sich wohl fühlen, sich nicht blamieren müssen, wissen was erwünscht und was nicht erwünscht ist. Ich arbeite daran und über das Ergebnis werde ich euch informieren.

 

Ich heiße Adel Alnaji. Ich bin 43 Jahre alt und bin in Syrien geboren – im Jarmuk-Flüchtlingslager. Ich habe davon geträumt, in meine Heimat, Palästina, zurückzukehren, um dort ein normales Leben führen zu können.

In Syrien arbeitete ich im Kundenservice eines Mobilfunk-Unternehmens. Ich heiratete und bald waren wir eine 5-köpfige Familie. Meine Frau hatte auch Arbeit und wir bauten ein kleines Haus und gestalteten es für unsere Kinder. Es sollte der Kern ihrer Zukunft sein. Wir waren eine glückliche Familie.
Als unser Haus fast fertig war, begann die Krise in Syrien. Schon nach wenigen Tagen fielen Bomben. Die Kleinen weinten und wir verließen unser Zuhause so rasch wir konnten. Wir mussten einen sicheren Ort suchen, wo wir unser Leben neu beginnen und unseren Kindern eine neue Zukunft geben können.

Es ist schwer, ein Leben von Neuem anzufangen, damit die Kinder es wieder gut haben. Wir zogen in eine Gegend, die von den Truppen des Regimes kontrolliert wurde. Als sie erfuhren, dass ich palästinensischer Flüchtling bin, drohte man mir mehrmals mit Verhaftung. Ich wurde mit einigen anderen zur Front gebracht. Wir sollten dort einen Schutz gegen die Oppositionsmilizen bauen.

Zu dieser Zeit beschloss ich auszuwandern und eine neue Zukunft für mich und meine Kinder aufzubauen – und um dem Tod zu entkommen. Ich stieg in einen Bus Richtung Türkei, dann nach Griechenland und Mazedonien. Wieder geriet ich in die Hände von Schleppern. Sechs Nächte schlief ich in den Wäldern, aber sobald ich die Grenze zu Serbien überquert hatte, verspürte ich zum ersten Mal so etwas wie Freiheit. Schließlich kam ich nach Österreich.

Es gibt viele Gründe, um in Österreich Asyl zu suchen.
Erstens: Ich möchte zuerst ein neues Leben beginnen – und dann meinen Kindern eine neue Zukunft geben.
Zweitens: Ich hatte gehört, wie nett die Menschen dort sind.
Und schließlich: Österreich ist religiös tolerant und multikulturell.

Ich bin bereit, einen Beitrag zur österreichischen Gesellschaft zu leisten – ob als Helfer in Unterkünften oder Freiwilliger beim Roten Kreuz. Es ist eine Ehre für mich, dass der österreichische Staat mir Asyl gegeben hat. Ich bin glücklich, in Österreich zu leben.

Stadtbiblioführung

Die DeutschschülerInnen mit IHREM Lehrer Hans!

Seit Juli gibt es an der Volkshochschule Salzburg Deutschkurse für 500 Asylberechtigte, bezahlt von der Stadt Salzburg. Ein Projekt, das mir als ehemaliger Deutschlehrerin natürlich besonders am Herzen liegt und so bekomme ich immer wieder Infos aus den Kursen. Heute hat mich dieses Email erreicht, ich hab’s einfach schön gefunden und habe gefragt, ob ich das Email „weitererzählen“ darf. Ich darf und hier ist es:

Liebe Anja!

Unlängst waren sie so süß: Eine Kollegin holt mich, dass im 4. Stock vor unserer Bürotür alle von unserem Vormittagskurs stehen und mich sprechen wollen. Ich bin total erschrocken, dachte, sie machen eine Palastrevolution und beschweren sich über irgendetwas.
Weißt du, was sie wollten: Eine Petition, dass sie ihren Lehrer, den Hans, behalten dürfen. Es kommt jetzt eine Kollegin aus dem Urlaub zurück, wie ausgemacht übernimmt sie den Kurs in der Hälfte, Hans hat jetzt Vormittag und Nachmittag gemacht, jetzt dann nur noch Nachmittag.
Alles Mögliche haben sie versucht, dass ich ihnen Hans lasse. So süß. Heute haben sie für ihn ein Riesenabschiedsjauseessen gemacht (ich hab auch was abgekriegt!), Hans war fast am Heulen. Dann sind sie in die Stadtbibliothek zur Führung abgedampft, mit vollen Bäuchen und Tränen in den Augen

Grüße

Uli

Übrigens die ersten 50 Kursteilnehmer sind schon zur Prüfung angetreten, 47 von ihnen haben bestanden! Ist doch toll, oder?

Weitere Infos hier!

 

Von Tarik Mete

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Tarik Mete

Salzburg dient den Flüchtlingen als Zwischenstopp für die Durchreise nach Deutschland. Freiwillige Helferinnen und Helfer übernehmen in den ersten Tagen – bis die Behörden und die Politik reagieren können – die Begrüßung und Verpflegung der Flüchtlinge. Volle Einkaufswägen mit Getränken, Verpflegung sowie Proviant für die Weiterreise stehen bereit für die Hilfesuchenden. Bis tief in die Nacht – ob unter der Woche oder an Wochenende – die Salzburgerinnen und Salzburger zeigen, dass Mitgefühl und Solidarität eine Selbstverständlichkeit ist. Ein klares Zeichen dafür, dass für Angstmacherei und Hetze kein Platz in Salzburg ist. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich niemals stolzer war ein Salzburger zu sein, als in diesen Tagen.

Ich möchte in diesem Rahmen auch eine Gruppe hervorheben, die sich eher seltener in der medialen Berichterstattung Platz findet – nämlich die Salzburgerinnen und Salzburger mit Migrationshintergrund. Selbstlos und mit vollem Einsatz kamen jede Nacht viele Menschen, die einfach helfen wollten. Neben den zahlreichen interkulturellen Vereinen in Salzburg, waren es vor allem Privatpersonen, die mit einer unendlichen Selbstverständlichkeit zur Hilfe eilten. Unter den Helferinnen und Helfern waren auch zahlreiche anerkannte Flüchtlinge und auch Asylwerber, die zur Zeit in Salzburg untergebracht sind. Sie sammelten selbst – mit dem Wenigen, was ihnen zur Verfügung stand – Nahrungsmittel, um sie den durchreisenden Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Viele meldeten sich auch freiwillig für Dolmetschtätigkeiten und andere Hilfsaktionen.

Alle wollen helfen

Es kamen derart viele Anfragen an mich, wo und wie man helfen und spenden könne. Es wollten so viele helfen, wussten aber nicht wie sie das am besten anstellen sollten. Da ich am vergangenen Samstag bereits als Delegierter zum Bundesparteirat eingeladen war, entschloss ich mich kurzer Hand, dass mit einer Fahrt nach Traiskirchen zu verbinden und Sachspenden in das Flüchtlingslager, in dem rund 4.000 Menschen untergebracht sind, zu bringen. Die Landesparteiorganisation der SPÖ Salzburg stellte einen Kleinbus zur Verfügung, um die Sachspenden zu transportieren und ich startete einen privaten Spendenaufruf via Facebook. Nach dem Aufruf waren nur zwei Tage Zeit bis zur Abfahrt Richtung Wien und Traiskirchen. Um ehrlich zu sein, war ich mir nicht wirklich sicher, ob dieser Spendenaufruf in so kurzer Zeit überhaupt wahrgenommen wird – aber ich wurde eines Besseren belehrt. Am Freitagabend gab es für eine Stunde, zwischen 18:00 und 19:00 Uhr die Möglichkeit Spenden in mein Büro in der Vogelweiderstraße zu bringen. Das Interesse und der Andrang waren enorm. Es kamen mehr als 50 Personen und brachten Kisten und Säcke voll mit neuwertigen oder gar neuen Textilien, Hygieneartikel, Spielzeug und anderen Sachspenden. Als Zwischenlager diente mein Büro, das letztendlich zum Bersten voll mit Kisten und Hilfsgütern stand.

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Mein Büro vorher….

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…und danach!!!

Einerseits war ich natürlich überwältigt und über alle Maße positiv überrascht von der unermesslichen Hilfsbereitschaft der Menschen, aber andererseits stand ich nun gegenüber einem neuen Problem. Wie sollte ich das ganze Zeug transportieren. Der Bus, den ich organisiert hatte, war nicht annähernd groß genug, um die Sachen, die gespendet worden sind, zu transportieren. Während ich so vor mich hingrübelte, kam ein junger türkischstämmiger Mann mit einem Kleintransporter vorbei, der ebenfalls etwas spenden wollte. Er fragte mich, wie ich den das ganze Zeug zu transportieren gedenke. Ich deutete auf den kleinen Bus. Scherzend sagte er auf Salzburgerisch: „Des wird sie owa ned gonz ausgehn“ und gab mir, ohne zu zögern und mit der Wimper zu zucken – die Schlüssel von seinem Kleintransporter. Abermals konnte ich nicht glauben, wie zuvorkommend und hilfsbereit die Menschen sind, wenn es darum geht, zusammenzuhalten und zu helfen.

Nicht ohne Facebook

Leider war das nicht das letzte Problem, dass an diesem Abend noch zu lösen war. Die ganzen Kisten, die mein Büro zugestellt hatten, mussten in den Transporter geladen werden. Es war aber schon 20:00 Uhr und alleine hätte es bestimmt bis in die Morgenstunden gedauert. Gerade als ich am Verzweifeln war, kam mir die Idee, es wieder über die sozialen Medien zu versuchen. Ich ersuchte mein Netzwerk auf Facebook, um 22:00 Uhr zu meinem Büro zu kommen und gemeinsam das Fahrzeug zu beladen. Bereits um halb zehn waren mehr als ein Dutzend Leute da, die innerhalb einer halber Stunde das ganze Fahrzeug beladen hatten. Es waren so viele Leute da, dass die Arbeit kurz nach dem vereinbarten Start um 22:00 Uhr erledigt war.

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Beladung mit allen Spenden

Nicht einmal der Kleintransporter war in der Lage all die Sachen zu fassen, weshalb wir auch den Kleinbus bis zum Anschlag füllen mussten – dennoch blieben ein paar Kisten übrig. Kurz nach zehn waren rund 25 Personen anwesend, die beim Beladen halfen. Da aber die Arbeit bereits getan war, stand man noch gemütlich bis Mitternacht zusammen und tauschte sich darüber aus, wie man den Leuten noch helfen könnte. Währenddessen fiel jemanden auf, dass die Reifen des Transporters unter dem Gewicht der Ladung etwas nachließen. Da gleich um die Ecke eine Tankstelle war, erklärte sich jemand bereit eine Luftpumpe von dort zu holen. Er holte dankenswerterweise die Pumpe und ein zufällig anwesender Mechaniker kümmerte sich um die Reifen. Ein kleines Detail am Rande: Später erfuhr ich, dass der freiwillige Helfer die Pumpe jedoch nur mitnehmen durfte, weil er 300 Euro beim Tankwart als Pfand hinterlassen hatte. Das war ebenfalls keine Selbstverständlichkeit und ich war ein weiteres Mal in dieser Nacht komplett baff. Schließlich war das Fahrzeug war startklar und es war Zeit nach Hause zu gehen.

Um 6.30 Uhr ging’s los. Gemeinsam mit einem Freund, der von Anfang an die Aktion unterstützte, machten wir uns bei heftigem Regen auf in Richtung Wien. Zuerst zur Parteiveranstaltung rund um das Thema Bildung und danach nach Traiskirchen – so war zumindest der Plan. Mehr als das Thema Bildung stand beim Themenrat berechtigterweise, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Ereignisse, das Thema Flüchtlinge im Mittelpunkt. Der Kanzler verkündete „die Grenzbalken auf für die Menschlichkeit!“ und Genosse Häupl versicherte, jedes Flüchtlingskind in Wien werde einen Schulplatz erhalten. Klare Worte von der SPÖ-Spitze. Vielleicht wäre es klüger gewesen, aus aktuellem Anlass das Thema für die Veranstaltung zu ändern und gemeinsam über die Flüchtlingsthematik zu diskutieren. Ich verabschiedete mich zeitig von den Genossinnen und Genossen und machte mich auf den Weg.

Am Vortag und in der Nacht vor unserer Abfahrt machten sich zahlreiche Menschen, in Zügen und anderen Transportmitteln auf den Weg nach Österreich. Der sogenannte #marchofhope sollte auch den Plan unserer Spendenaktion wesentlich ändern. Meine Freunde von den Hilfsorganisationen teilten mir mit, dass am Hauptbahnhof die Lage besonders prekär ist und dort eine Art Ausnahmestand ausgerufen worden ist. Gemeinsam mit meinem Begleiter entschieden wir uns zuerst zum Hauptbahnhof zu fahren und unsere Spenden zuerst dort anzubringen.

Ausnahmezustand am Bahnhof

Das was ich dort gesehen habe, war für mich einerseits rührend und andererseits verstörend. Meine Freunde hatten nicht übertrieben – es herrschte tatsächlich ein Ausnahmezustand am Hauptbahnhof. Tausende Menschen quetschten sich durch die Halle, wo eine Art Verpflegungsstraße aufgestellt wurde. Es herrschte regelrechtes Chaos und ich fühlte mich, wie in einem Katastrophen-Film. Kleinkinder, die am Boden oder auf Feldbetten lagen und auf Verpflegung warteten. Menschen, die ihre Verwandten suchten. Von Behörden oder Einsatzkräften war eigentlich keine Spur. Es waren vor allem private Helferinnen und Helfer gekommen, um ihren Beitrag zu leisten. Es fehlte jedoch an Koordination und Organisation, was vor allem der Grund für die Unordnung und das Durcheinander war. Dort am Wiener Hauptbahnhof konnten wir den ersten Teil unserer Ladung anbringen. Vor allem Jacken und dicke Pullover waren gefragt, um auf dem Weg nach Deutschland der Kälte zu trotzen.

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Ein Teil unserer Spenden für die Flüchtlinge an der ungarischen Grenze

Über einen anderen Kontakt erfuhren wir, dass an einer Sammelstelle in Wien gerade Sachspenden für die Flüchtlinge an der ungarischen Grenze gesammelt wurden. Da die Situation dort aktuell am brisantesten war, haben wir uns kurzerhand entschlossen einen Teil der Sachspenden dorthin zu bringen. Vor Ort waren zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die uns tatkräftig beim Entladen und Sortieren der Spenden halfen. Die Spenden traten noch am selben Tag den Weg in Richtung Grenze und Nickelsdorf an.

Da wir noch nicht alle Spenden anbringen konnten, fuhren wir als letzte Station, wie eigentlich geplant, das Flüchtlingslager in Traiskirchen an. Dort besuchten wir zunächst den islamischen Verein, der im Ramadan jeden Tag mehrere Tausend Menschen mit Speis und Trank versorgte und begaben uns danach zum Haupteingang des Lagers. Auch hier trafen wir chaotische Umstände vor. Es lagen überall auf den Straßen Kleidungsstücke und Nahrungsmittel herum. Es kamen jede Minute neue Privatfahrzeuge mit Spenden an und verteilten sie unter den Leuten. Sobald man die Türe oder den Kofferraum aufmachte, stürmten sofort mehrere Flüchtlinge das Fahrzeug und versuchten die besten Sachen zu ergattern. Verstörend, wenn sich rund 30 Personen aneinander vorbeidrängen, um ein Laib Brot zu ergattern.

Traiskirchen

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Traiskirchen

Um uns einen Überblick zu verschaffen, bevor wir den Rest der Spenden verteilen, haben wir einen Rundgang um das riesige Areal des Lagers gemacht. Am Vordereingang sind keine Zelte zu sehen. Diese hat man nach den negativen Medienberichten entfernt. Stattdessen campieren die Flüchtlinge nun auf der Rückseite des Lagers. Eine unscheinbare weiße Tür mitten in der Mauer führt zu den Zelten am hinteren Ende. Neben den großen Zelten des Ministeriums, die wir von der Alpenstraße in Salzburg und anderen Zeltlagern kennen, gab es dort auch einige kleine Campingzelte, die eigentlich für den privaten Gebrauch bestimmt waren. Hier konnte man seine Spenden etwas ruhiger an den Mann, die Frau oder das Kind bringen. Als ich die Zelte durch die Tür fotografieren wollte, kam eine Sicherheitskraft und haute die Tür sofort zu. Ich schoss trotzdem ein Bild über die Mauer hinweg.

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Direkthilfe

Nach unserem Rundgang übergaben wir die restlichen Spenden an die Bewohnerinnen und Bewohner der Zeltstadt. Wir haben versucht vor allem Frauen und Kinder zu versorgen. Insgesamt war ich froh, dass wir den Großteil unserer Ladung in Wien bei der Sammelstelle für die ungarische Grenze abgegeben haben. In Traiskirchen war das eigentliche verstörende, dass so viel Zeug auf den Straßen herumlag und die Leute sich dennoch um alle Fahrzeuge scharrten, um neue Sachen zu bekommen. Ich habe dort auch versucht Geldspenden zu verteilen, aber die Leute nehmen sie nicht an – sie sind zu stolz und fühlen sich dadurch gekränkt.

Dank und Stolz

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Spenden auch für die Kleinsten!

Nachdem unser Transporter leer war, war es endlich an der Zeit die Heimreise anzutreten. Nach einer kurzen Irrfahrt durch die Pampa rund um Traiskirchen und Baden fanden wir schnell wieder zurück auf die Autobahn und waren drei Stunden später gegen 22 Uhr wieder in Salzburg. Zwischenzeitig erfuhren wir, dass zahlreiche Flüchtlinge in der Nacht in Salzburg erwartet werden. Ohne Pause begaben wir uns daher wieder zum Bahnhof. Die Behörden und die Politik waren hier sehr organisiert und in dieser Nacht lief alles reibungslos ab. An dieser Stelle sei allen Einsatzkräften, die ohne wenn und aber über mehrere Stunden im Einsatz waren, von ganzem Herzen gedankt. Nach den Bildern am Wiener Hauptbahnhof war ich froh zu sehen, dass es auch weniger chaotisch funktionieren kann. Nachdem der letzte Zug um kurz nach 24 Uhr den Bahnhof Richtung München verlassen hatte, war es auch für uns endlich Zeit den Weg nach Hause und ins Bett anzutreten. Am nächsten Morgen brachte ich einige der übriggebliebenen Kisten zur Sammelstelle der MJÖ in Salzburg. Von den Lebensmitteln, die die JUSOS im Rahmen ihrer „Kauf plus eins Kampagne“ gesammelt haben, brachten wir einen Großteil in ein Flüchtlingsheim in der Elisabeth-Vorstadt. Es sind noch ein paar Sachen übrig, aber diese werden morgen in die Flüchtlingsheime in Werfen, Radstadt und Lend gebracht. Somit werden auch die letzten Pakete, die im Rahmen unserer privaten Spendenaktion gesammelt wurden, bedürftigen Menschen zukommen.

Alles in Allem war es für mich eine sehr läuternde und spannende Woche, die aber auch sehr viel Energie gekostet hat. Es waren zahlreiche Eindrücke und Erfahrungen dabei, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Ich habe mein Bestes getan, um eure Spenden dort hinzubringen, wo sie am meisten benötigt werden. In Österreich sind wir derartige Bilder einfach nicht gewohnt, aber nun ist mir umso mehr bewusst, dass jeder und jede von uns auch in eine derartige missliche Lage geraten kann. Und dann würden wir uns auch wünschen, dass es Leute gibt, die uns Schutz, Geborgenheit und ein freundliches Lächeln schenken. Vielen Dank für eure Unterstützung, eure Hilfe und die Selbstverständlichkeit mit der ihr an die Sache herangegangen seid.

Dieser Bericht kommt hiermit zum Abschluss, aber die kommenden Tage, Wochen und Jahre wird weiterhin unsere Hilfe benötigt. Daher darf ich euch alle einladen, euch weiterhin so engagiert und unermüdlich für Hilfesuchende einzusetzen und zu zeigen, dass Salzburg eine Stadt ist, die für Vielfalt und Solidarität einsteht. #refugeeswelcome

Und ich muss es noch Mal sagen:

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich niemals stolzer war ein Salzburger zu sein, als in diesen Tagen.

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Fotos by Tarik Mete, mehr auf Tariks Facebook Seite

Und hier geht es auf Tariks Seite!

Einkaufswägen

Die gefüllten Einkaufswägen stehen für die Flüchtlinge bereit.

Salzburg Hauptbahnhof: Zwei leere Semmeln, eine Packung Butterkekse, ein Apfel und eine Tafel Schokolade. Fertig geschnürt wandert ein Jausensackerl nach dem anderen in den Einkaufswagen. Daneben steht bereits einer mit Mineralwasser und zwei weiter einer mit Hygiene-Artikel. „Wie kann ich mich nützlich machen?“, fragt eine Frau mittleren Alters. Keine Minute später hat die freiwillige Helferin das erste Sackerl gefüllt, abgepackt und mit einem Mascherl versehen.

„Ein Einkaufswagen mit Lebensmittel, einer mit Getränken. Nicht mehr als drei Personen pro Wagen“. Caritas-Direktor Johannes Dines gibt die letzten Anweisungen an die Freiwilligen. Dann setzt sich die Kolonne in Bewegung. Im Zick-Zack-Kurs bahnt sich der Hilfskonvoi seinen Weg zwischen Geschäftsreisenden, Touristen, Urlaubern, Schülern und Studenten hindurch. Je ein Caritas-Mitarbeiter begleitet die Helfer Richtung Bahnsteig. Mit dem Aufzug geht es nach oben zu den Gleisen des Salzburger Hauptbahnhofs. Eine ältere Dame mit Koffer nähert sich den Helfern. Ihr Dank kommt spontan und von Herzen: „Thank you for helping people. Great work!“

„Thank you for helping people. Great work!“

Wie viele Flüchtlinge in dem ÖBB-Railjet aus Wien sein werden, weiß keiner genau. Gestern Abend waren es bis zu Tausend pro Zug. „Die Ungarn haben die Grenze zu Österreich schon wieder dicht gemacht“, macht eine Nachricht schnell die Runde. Das Rote Kreuz steht mit Sanitätern bereit, die Polizei hat Beamte abkommandiert. Alles wartet auf die Ankunft des Zwölf-Uhr-Zugs aus östlicher Richtung. Für eine Gruppe junger Männer geht es nach einem Wochenend-Trip zurück in ihre Heimat nach Vorarlberg. Für die ankommenden Flüchtlinge heißt es in Salzburg umsteigen in den Anschlusszug nach München. Die Destination ist unbekannt. Der Regionalexpress steht am gegenüberliegenden Bahnsteig zur Abfahrt bereit.

Minderjährige syrische Flüchtlinge sind gekommen, um zu übersetzen. Durch das Megaphon sollen sie den Menschen in ihrer Sprache erklären, dass es gleich gegenüber  nach Deutschland weitergeht. Die Helfer machen sich bereit. Sie bringen ihre mit Semmeln, Keksen, Äpfel, Bananen und Mineralwasser gefüllten Einkaufswagen in Position. Der Zug rollt ein, die Türen öffnen sich. Hastige Blicke scannen den Bahnsteig. Eine Mutter hält ihre Tochter im Arm. Der Vater streckt schnell die Hand für eine Flasche Wasser aus. Dann verschwinden die Drei im Zug Richtung München. Ein kleines Mädchen löst sich kurz von ihrer Mutter. Ihr Blick trifft auf jene zwei Helfer, die unweigerlich seufzen. Ein Pfiff. Die Türen schließen und der Zug fährt ab. Die Menschen im Zug winken zum Abschied. Die Helfer tun es ihnen gleich. Dann sind die Flüchtlinge wieder verschwunden. Zurück bleibt ein leerer Einkaufswagen und das gute Gefühl geholfen zu haben. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Ich kann im Moment mit einigen Dingen nicht umgehen. Vieles beschäftigt mich, was in der Zeitung steht, was ich im Fernsehen sehe und was ich täglich selbst sehe und mitbekomme.flucht

Ich kann nicht verstehen, warum bei uns und in gesamt Europa Menschen, die Hilfe brauchen diese Hilfe verwehrt oder erschwert wird. Dass Menschen nicht Willkommen geheißen, sondern nochmals verschreckt werden, bevor sie in sogenannte Verteilerzentren kommen.

Was geht in uns vor? Viele Leute hier haben selber Angst und wissen nicht, was auf sie zukommt, wenn Menschen, die anders aussehen und nicht Deutsch sprechen, neben ihnen einziehen.
Liegt es an ein paar kleinformatigen Medien, die nur die schlechten Dinge hochpushen oder gar Lügen verbreiten?
Liegt es an der Politik, die vieles einfach verschlafen hat und immer wieder rausgeschoben hat, die keine Infos an die Bevölkerung weitergibt und nur über Quoten redet?

Ich kann es nicht sagen, an wem es liegt. Meiner Meinung nach liegt es an uns allen. Es ist viel einfacher, die Schuld jemandem anderen zuzuschieben, um selber im Schutz der eigenen vier Wände die Augen zu schließen. Viele denken: Zeltstadtsolange es mich nicht trifft, interessiert es mich auch nicht.

Es ist echt an der Zeit, dass wir alle die Augen aufmachen, gegensteuern wenn es jemanden schlecht geht, Hilfe anbieten wo Hilfe gebraucht wird. Menschen unterstützen, die bereits Menschen unterstützen. Jeder ist gefragt und wird gebraucht, um endlich das schlechte Gefühl in der Öffentlichkeit zu ersticken.

Lasst uns zusammen helfen, um das Gute zu verbreiten, reden wir uns zusammen und finden wir Ideen, was wir machen können, um Angst zu nehmen und Missverständnisse aufzuklären.
Es braucht oft nicht mal die Geldtasche geöffnet zu werden, obwohl es natürlich bei manchen Ideen für die Umsetzung hilft. Oft reicht auch einfach eine helfende Hand. Redet mit den Nachbarn, fragt wovor sie Angst haben. Gebt Infos und klärt die Menschen in eurer Umgebung auf, nehmt sie mit zu Veranstaltungen die für Asylsuchende gemacht werden. Es gibt so viel was man machen kann, nur man muss es machen!

Viele Vereine und öffentliche Institutionen arbeiten bereits mit Hochdruck. Weiter unten findet ihr eine Menge Links zu Infos, wo und wie man helfen kann.

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So gehts auch. Flüchtlinge und ihre österreichischen Nachbarn beim gemeinsamen Grillen

Sollte jemand die eine oder andere Idee haben, ganz egal in welche Richtung diese gehen mag, freue ich mich wenn ihr mir diese schreibt. Hinterlasst einen Kommentar oder schreibt mir eine E-Mail an robert@zartbitter.co.at mit euren Ideen.
Vielleicht können wir eine gemeinsame Aktion starten, mit der wir Gutes tun können. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen. Und, ja, ich bin altmodisch, denn glaube ich immer noch an das Gute im Menschen – egal woher diese kommen, welche Sprache sie sprechen oder wie alt sie sind.

Lasst uns zusammenhelfen und Gutes tun! Zusammen sind wir viel stärker und lauter als manche Gruppierungen, die versuchen, alles schlecht zu machen und die Misstrauen gegen Flüchtlinge schüren. Dabei kommen diese Menschen doch nur zu uns weil sie Schutz suchen.

Ps: Ich selber bin auch erst dabei zu entscheiden, auf welche Art und Weise ich helfen kann und möchte.
Ich werde aber sicher auf zartbitter über meine Erfahrungen berichten.

http://www.menschenrechte-salzburg.at/nc/home/einzelansicht/article/fluechtlinge-in-salzburg-hier-koennen-sie-helfen/10.html
http://www.fluechtlinge-willkommen.at
https://www.caritas-salzburg.at/hilfe-angebote/asyl-integration/
https://www.facebook.com/pages/Refugees-Welcome-to-Austria/829065090522121?hc_location=ufi
http://www.sosmitmensch.at/site/home/article/1041.html
http://www.salzburg.gv.at/salzburghilft
https://fluechtlingsdienst.diakonie.at/einrichtung/salzburg-integrationshaus
https://itunes.apple.com/at/album/schweigeminute-traiskirchen/id1030744053?app=itunes&ign-mpt=uo%3D4