Nach Jahrzehnten Integrationsarbeit habe ich gedacht, dass ich schon alle Statements zur Integration gehört habe. Sehr überheblich von mir! Heute gab’s für mich eine große Überraschung. Eine Podiumsdiskussion im Rahmen des Monats der Vielfalt. Es ging um Integration und wie sie gelingen kann. Nein nicht die Diskussion war die Überraschung. Ein Satz war DIE Überraschung. Zerina Hadzihajdarevic, eine Juristin. Sie ist in 1990er Jahren aus Bosnien nach Österreich geflüchtet. War zuerst lange im Gastgewerbe tätig. Hat sich Deutsch selbst beigebracht. Und seit Jahren schon in der Flüchtlingsarbeit tätig. MigrantInnen begleitet oft ihr Leben lang, dass sie zugewandert sind. Es gibt dann immer das WIR, die aus Österreich, und die ANDEREN. Das betrifft auch meist noch die Kinder. Aber Zerina Hadzihajdarevic hat es nach über 20 Jahren in Österreich bei der Podiumsdiskussion für sich und das Publikum ganz selbstbewusst klargestellt: „Ich bin jetzt wir“. JA, Zerina du bist Österreich und das ist gut so!
Wenn man wie ich seit Jahrzehnten mit einer Stadt verbunden ist, dann trifft einen die Meldung über ein Unglück in dieser Stadt ganz besonders. Man kennt ja viele Ecken und besonders viele liebe Menschen dort. Man kennt auch die symbolträchtigen Plätze.
In Istanbul gibt es derer mehrere. Aber neben dem Taksimplatz ist wohl der Platz zwischen der Hagia Sophia und der Blauen Moschee der wichtigste der Stadt. Hier konzentriert sich die Geschichte der Stadt auf einer kleinen Fläche. Topkapi-Palast, das Hippodrom, die unterirdische Zisterne. Römische, byzanthinisch/christliche, islamische und die Geschichte des 20. Jahrhunderts finden sich hier.
Aber Hagia Sophia und die Blaue Moschee sind die beiden weithin sichtbaren Brückenpfeiler, die zwei Religionen symbolisieren.
Die Gotteshäuser stehen sich gegenüber, Auge in Auge blickend, aber auch im Miteinander. Die eine ist ohne die andere nicht denkbar. Seit Jahrhunderten. Die Hagia Sophia war ursprünglich eine christliche Kirche. Sie ist der „Heiligen Weisheit“ gewidmet und als universelles spirituelles Zentrum der Welt gedacht. Ein Wunderwerk der Baukunst der Spätantike mit einer Kuppel, die noch heute jeden zum Staunen bringt. Über 1000 Jahre war die Hagia Sophia die größte Kirche der Welt. Nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen wurde sie zur Moschee. Dann kam der Wunsch gegenüber eine Moschee zu errichten. Nach 7 Jahren Bauzeit wurde die Blaue Moschee oder Sultan Ahmet Moschee 1616 fertiggestellt. Ein Prachtbau mit wunderbaren Nebengebäuden, einer großen Kuppel und einer atemberaubenden Innenausstattung mit kunstvollen Iznikkacheln, die in Blau gehalten sind.
So stehen sich seit nunmehr 400 Jahren zwei der bedeutensten Bauwerke des Christentums und des Islam gegenüber. Und bringen unzählige Menschen zum Staunen und zum Nachdenken. Der Platz dazwischen lädt die Menschen ein tolerant zu sein. Das eine neben dem anderen stehen lassen zu können. Nicht endgültig zu sagen, dieser Bau ist größer und schöner als jener. Und damit eine Vorherrschaft einer Religion zu manifestieren. Sondern es auszuhalten, dass beides existiert.
Und dann explodiert die Bombe genau hier. Menschen sterben, Menschen werden verletzt. Und der Mörder bringt hier auch seinen Unwillen zum Ausdruck, dass er keine Toleranz aufbringt für ein Nebeneinander, Miteinander, für Respekt. Er und seine Terrorkumpane wollen das nicht. Sie wollen den Unfrieden und den Hass und die alleinige Macht. Und sie wollen keine Religion, die den Frieden stärkt und den Krieg verurteilt.
Darum ist der Anschlag in Istanbul zwischen Hagia Sophia und Blauer Moschee auch ein Anschlag gegen das Miteinander und die Offenheit der Religionen. Aber Bomben können den Wunsch und den Willen vieler Menschen, religiös oder ohne Glauben, nicht töten, Frieden und ein respektvolles Miteinander zu haben! Die Mörder täuschen sich wie in Bagdad, Paris, London, Kabul oder Madrid.
Damals in meiner Jugend Anfang der 1980er Jahre war Buntheit und Vielfalt kein Thema des Alltags für mich. Irgendwie waren alle gleich oder sollten gleich sein. Nur das Geschlecht und der Besitz unterschieden. So hab ich es erlebt. Die, die anders waren, mussten schauen, dass sie nicht besonders auffallen. Da war die ganz alte Frau, die alleine in einem Häuschen wohnte und ein bisschen verrückt war. Heute sage ich, dass sie wahrscheinlich dement war. Oder eine andere Frau, sie hatte eine schwere körperliche Behinderung, ihre Beine waren über Kreuz gewachsen, sie konnte sich nur schwer fortbewegen. Für uns Kinder spannend, aber irgendwie unheimlich. Oder das Ehepaar, das aus der Schweiz zugezogen war, einfach andere Leute. Und Jahre später hab ich einen Mann als Kollegen gehabt, der schon bald aus dem Dorf wegging, weil er als Homosexueller nur in der Stadt eine Chance sah. Und ich wenn eine Frau ein Kind bekam ohne verheiratet zu sein, war das ein Tuschelthema.
Heute ist das schon anders, aber immer noch wird uns in vielen Bereichen vermittelt, dass es eine Norm gibt, an der der einzelne Mensch sich orientieren soll. Dazu gehört etwa die aktuelle Situation rund um die Barrierefreiheit. Noch immer wird so getan, als ob es ein Gnadenakt ist, Menschen mit Behinderung Zugang zu vielen Bereichen zu ermöglichen. Es ist ein Recht, ganz einfach. Und Frauen sind immer noch nicht gleichgestellt, man denke an den unterschiedlichen Lohn für gleiche Arbeit. Ein Mensch, dessen Großeltern aus der Türkei zugewandert sind, wird trotz österreichischer Staatsbürgerschaft und 0815-Leben in Salzburg immer noch als Türke bezeichnet. Und bei all der Diskussion um Religionsfreiheit und Werte des christlichen Abendlandes, sind Menschen ohne Bekenntnis bei vielen Weltanschauungsdiskussionen außen vor, denn sie werden schlicht vergessen. Und darum freut es mich, dass die Stadt Salzburg schon zum dritten Mal den „Monat der Vielfalt“ organisiert. Mit über 30 Veranstaltungen und einer tollen Plakataktion. Mit Models, die ganz unterschiedlich sind, aber so normal wie du und ich. Denn jeder Mensch ist einmalig und das macht uns so vielfältig. Freuen wir uns darüber!
Die Models:
Mehr Infos zum Monat der Vielfalt hier: Das Programm!
Viele Menschen habe ich kennengelernt, neue Orte sehen und schöne Momente erleben dürfen. Von einigen der vielen tollen Menschen, die ich kennengelernt habe, will ich erzählen. Da war im Frühjahr Hodan Hashi, die den Troll Borostyani Preis bekommen hat. Eine gebürtige Somalierin, 17 Jahre, klug und engagiert. Seit Jahren hilft sie Eltern und Lehrern bei Problemen als Mittlerin zwischen den Kulturen. Einfach, weil sie möchte, dass die Menschen gut miteinander leben können. Oder Manfred Fischer. Seine Frau ist an Demenz erkrankt. Er hatte keine Ahnung von dieser Krankheit. Nun gibt er all seine Kraft für seine Frau und die Organisation „Alzheimer Angehörige“. Er hat mich darin bestärkt in Salzburg mehr für Menschen mit Demenz auf die Beine zu stellen. 2016 starten wir die „demenzfreundliche Stadt“. Oder in Reims bei den Feierlichkeiten zur Befreiung Frankreichs durch die Nazi-Herrschaft habe ich eine Widerstandskämpferin kennengelernt. Mit ihren 97 Jahren ist sie immer noch in den Schulen unterwegs, um die Kinder über die Schrecken des 2. Weltkrieges aufzuklären.
Mein großer Dank gilt allen, die 2015 dazu beigetragen haben, Salzburg noch ein bisschen lebenswerter zu machen. Dazu gehören die vielen HelferInnen, die seit September täglich im Einsatz sind für die Flüchtlinge. Die unzähligen Menschen, die unsere Aktion #88gegenrechts unterstützt haben. Die vielen Statements, Fotos und Beiträge zeigen, wie viele Salzburgerinnen und Salzburger für ein offenes und vielfältiges Miteinander sind.
Und da gibt es die vielen Engagierten, die nie in der Öffentlichkeit stehen. Zum Beispiel der pensionierte Kripobeamte, der im Seniorenwohnhaus Itzling mithilft. Der im September etwas ganz besonderes für die Alten machte. Mit einem Spezialfahrrad für zwei Personen fuhr er mit den Menschen eine Runde durch Itzling. Viele von ihnen saßen schon Jahrzehnte auf keinem Fahrrad mehr. Und die Lehrerin, die seit Jahren Deutsch in der Stadtbücherei unterrichtet. Jede Woche – ehrenamtlich. Sie und ihr Kollege waren der Anlass im Sommer ein großes Freiwilligennetzwerk zu gründen, damit Flüchtlinge schneller Deutsch lernen können. Mehr als 70 Menschen begleiten jetzt Asylwerber und Asylberechtigte beim Deutschlernen. Ehrenamtlich. Das alles sehen wir viel zu wenig. Nämlich dann, wenn wir zu jammern beginnen, wie schlecht die Welt doch nicht ist! Es stimmt, es gibt viel Schlimmes, Hass, Gewalt, Krieg, Vertreibung, Einsamkeit, Verzweiflung. Auch das muss man sehen. Und vom Sehen, Verstehen soll man nicht ins Jammern verfallen, sondern ins Tun. Denn erst durch das Tun, Helfen, Unterstützen wird das Böse und Schlechte weniger. Darum nochmals Danke an alle, die dazu beitragen, die Welt ein bisschen heller und freundlicher zu machen. Hoffentlich auch 2016!
Titelfoto: Müseler
von Susanne G.
Wir haben, sogar für unsere Verhältnisse stürmische Tage hinter uns. Am Freitag vor 10 Tagen haben wir bei einer Weihnachtsfeier für Flüchtlinge hier in M. (ich helfe bei Deutsch-Stunden etwas mit) von Masoume erfahren. Sie stammt aus Afghanistan, ist 15 und als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ in Traiskirchen. Sie ist die Freundin von Fatime (ebenfalls 15, ebenfalls unbegleitet aus Afghanistan) und diese ist wiederum mit Mahdije (älter, verheiratet, Flüchtling aus Afghanistan), die im Flüchtlingsquartier hier in M. wohnt, befreundet. Am Samstag habe ich der Jugendwohlfahrt via Mail mitgeteilt, dass wir Masoume gerne bei uns aufnehmen würden. Am Dienstag hatten wir das erste Treffen mit der Leitung der Jugendwohlfahrt hier. Am Mittwoch habe ich 4 Stunden lang unsere Pflegestellenanträge ausgefüllt und mein Mann und ich haben „persönliche Stellungnahmen“ geschrieben und die Kinder füllen auch einen persönlichen Fragebogen aus und tun kund, dass sie sich auf Masoume freuen – inklusive Unterschrift. Am Donnerstag haben wir erfahren, dass ein geplantes „Beschnuppern“ über Weihnachten nicht geht, da Asylwerber Traiskirchen nicht länger als 48 Stunden verlassen dürfen. Also hieß es: entweder ganz oder gar nicht. Es hat für meinen Mann und mich keine 5 Sekunden gebraucht um „ganz“ zu sagen – naja, wir hatten ähnliche Situationen ja schon mal. Es wurde ausgemacht, dass Masoume am Montag, den 21.12 zu uns kommt. Zeitgleich kommt ihre Freundin Fatime zu einer Familie in K.. Wir sind in Kontakt. Die eine Jugendwohlfahrt informiert die andere und die zuständigen Personen im Innenministerium. Alles perfekt. Fast!Am Donnerstag Abend haben die Mädls etwas aufgeregt angerufen, dass Masoume einen Bescheid hat, dass sie am Freitag Früh um 8:00 nach Wien verlegt wird. Ich bin gerade auf der Weihnachtsfeier meiner Schule und entwickle hektische Telefoniererei. Unter anderem läute ich die Leitung der Jugendwohlfahrt auf ihrem Privattelefon heraus – sie ist dennoch total freundlich und hilfsbereit. An diesem Abend kann ich dennoch nichts mehr erreichen. Am Freitag komme ich um 7:30 in Traiskirchen sofort durch und die Dame ist hilfreich und nett, kümmert sich um den Fall, geht persönlich zum zuständigen Herren und der meldet mir kurz vor 8:00 Uhr, dass er die Verlegung gestoppt hat – er hatte das Email von unserer Jugendwohlfahrt am Tag davor zwar bekommen, es ist aber in der Flut von Emails untergegangen.
Am Freitag Nachmittag ist alles fix: die Mädls werden am Montag 09:00 Uhr vom Bruder der Zweitfamilie in Traiskirchen abgeholt – die Torwächter und das „Frauenhaus“ in Traiskirchen werden vom Innenministerium verständigt, so dass die Mädls auch raus dürfen. HEKTISCHE Betriebsamkeit bei uns zu Hause, um aus einem chaotischen Spielzimmer ein Zimmer für Masoume zu machen. Am Montag, 21.12., um 10:30 kommt eine Dame von der Jugendwohlfahrt zum Hausbesuch. Um 12:29 steigen Masoume und Fatime in Wels aus dem Zug und werden von Susanne (Zweitfamilie) und mir begrüßt. Fahrt nach K. bzw. M. und dann endlich: Ende der Flucht. Masoume hält sich tapfer. Sie spricht kein Wort Deutsch oder Englisch, wir deuten, zeigen und meine Mädels sind supertoll. Anna hat sofort eine Übersetzungsapp Deutsch-Farsi/Persisch auf ihrem Handy gefunden und nutzt diese.
Ach ja: einen Christbaum haben wir heute auch gekauft, nur Weihnachtskeks gibt‘s bis jetzt noch keine.
Wie oft gibt es Diskussionen um Feiertage und Traditionen. Und dass diese durch die vielen Migranten und Flüchtlinge nicht mehr richtig hochgehalten werden. Und die sich auch nicht für unsere Feiern interessieren. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass man einfach mit und für die Menschen zum Beispiel eine Weihnachtsfeier gestaltet, ohne sich groß Gedanken zu machten, ob das „interkulturell“ geht. In meinen 20 Jahren als Deutschlehrerin hat es jedes Jahr eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier gegeben. Mit Keksen, Punsch, Kerzen, Weihrauchduft und Weihnachtsliedern. Schön war es. Gefeiert haben Christinnen, Atheistinnen, Musliminnen, Buddhistinnen, Hinduistinnen, Jüdinnen und Bahai. Miteinander!
Und gestern war es nach Jahren der Sprachkurs-Weihnachtsfeier-Abstinenz für mich wieder so weit. Ich war in der Volkshochschule eingeladen bei den A1 Kursen. Wieder war es religiös ganz bunt gemischt. Es gab die Weihnachtsgeschichte, wunderschön vorgelesen von einer der Lehrerinnen, untermalt mit Bildern. Dann wurde gesungen: Oh Tannenbaum, Kling Glöckchen kling und als Krönung Stille Nacht. Wobei bei dem Tannenbaumlied hab ich schon was auszusetzen. Jetzt singt man „wie treu sind deine Blätter“ und nicht mehr „wie grün sind deine Blätter“. Auch nicht viel logischer. Ich habe natürlich „grün“ und nicht „treu“ gesungen! Und dann gab es Kekse und Konfekt. Schön war es! Traditionell war es! Und die Gäste waren bunt gemischt! Und feiern tun alle Menschen gerne! Wie in alten Lehrerinnenzeiten – Danke an die VHS für die Einladung!
Interessante Links
Hier findest Du ein paar interessante Links! Viel Spaß auf unserer Website :)Seiten
Kategorien
- Allgemein
- Altern- Lust und Frust!
- Arbeit
- Augenblicke
- Entertainment
- Europa
- Film & Kino
- Frisch aus dem Garten
- Gegacker vom Hühnerhof
- Geschichte
- Gesellschaft
- Gesellschaftspolitik
- Gruß aus der Küche
- Hacker am Ball!
- Hundiversum
- Kolumne
- Kultur
- Leben
- Literatur
- Mamamia
- Menschenrechte
- Miteinander
- Mobilität
- Neues vom Lieblingsplaneten
- Papalapapp
- Salzburg
- Spirituell
- Sport
- Vorgestellt
- Welt
- Wirtschaft
- Wissenschaft
Archiv
- Oktober 2018
- August 2018
- Juli 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2018
- März 2018
- Februar 2018
- Januar 2018
- Dezember 2017
- November 2017
- Oktober 2017
- September 2017
- August 2017
- Juli 2017
- Juni 2017
- Mai 2017
- April 2017
- März 2017
- Februar 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- August 2016
- Juli 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2015
- November 2015
- Oktober 2015
- September 2015
- August 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Oktober 2014
- September 2014
- August 2014
- Juli 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- April 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- September 2013
- August 2013
- Juli 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- August 2012
- Juli 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012