Sex und Erotik für ältere oder immobile  Menschen ist oft noch ein Tabu. Wir treffen Gabriele Paulsen zum Gespräch. Sie ist Geschäftsführerin von Nessita, eine Organisation, die sexuelle Assistenz vermittelt.

zartbitter: Wieso haben viele Menschen so ein Problem offen mit Sex und Erotik im Alter umzugehen?

Gabriele Paulsen von Nessita

Gabriele Paulsen von Nessita

Gabriele: Sexualität steht für Intimität. Wir Menschen sind in diesem Bereich berührbar und sehr verletzlich. Sie wird aber auch mit Jugend und Attraktivität gleichgesetzt. Meist wird das erotische Gedankengut der älteren Generation schlicht abgesprochen. Gesellschaftliche Normen machen Erotik und Alter zum doppelten Tabu, leider!

zartbitter: Können Demenzkranke auch Sex haben?

Gabriele: Natürlich. Entscheidend ist hier die Einwilligungsfähigkeit. Ein Nein ist ein Nein. Menschen mit Demenz leben im Moment und da ist keiner wie der andere. Wir erfahren häufig eine ganz große Sehnsucht nach Nähe, vor allem nach Ruhe und Kuscheln. Unsere Nessitas erspüren auch bei nonverbaler Kommunikation, den Wunsch nach Körperlichkeit.

zartbitter: Was macht eine Sexualassistenz wirklich?

Gabriele: Auf emphatische Weise kommt es in der Begegnung (wenn gewünscht) zu gemeinsamer Nacktheit und erotischer Berührung. Es geht um Zweisamkeit, Zärtlichkeit und intime Nähe. So ein Treffen lässt sich aber auch nicht standardisieren. Nur wenige Sexualassistenten stimmen dem penetrativen Sex zu. Bei Nessita ist dieser, genau wie Oralverkehr und Zungenküsse ausgeschlossen. Das wichtige zu Motivation und Intention einer Sexualassistentin: Sie erkennen und achten die eigenen Grenzen und die Ihrer Klienten.

zartbitter: Was bietet dein Unternehmen Nessita noch an?

Gabriele: In den vergangenen zwei Jahren seit der Gründung wurde ein großer Beratungsbedarf deutlich. Das gilt für alle drei Zielgruppen von Nessita. Also den Klienten, deren Angehörige und/ oder gesetzliche Betreuer und vor allem den Vermittlern, wie Einrichtungsleitungen oder Pflegedienstleistungen ambulanter Dienste. Hier gibt es viel Unsicherheit und auch Angst im Umgang mit den ganz normalen Bedürfnissen der Bewohner/ Klienten. Die Sorge, etwas nicht richtig zu machen, ist in der Pflege stark ausgeprägt. In diesem Fall macht eine Ethikkommission Sinn, um Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich unterstütze die Leitungsebene, sich im Coaching für das Thema zu öffnen, trainiere Pflegekräfte bei der Gesprächsführung, indem ich versuche die (Be)Wertung von schambehafteten Situationen zu erkennen und dann professionell zu bewältigen. Oft geht es dabei auch um die eigene sexuelle Sozialisation und da braucht es die Bereitschaft, sich auf den Prozess einzulassen.

Mehr über das Thema Demenz!

Fotos: Gabriele Paulsen

Vielleicht ist es Demenz, wenn jemand:

1)      Das Dessert vor der Hauptspeise isst.

2)      Das volle Wasserglas als Brillenetui gebraucht

3)      Mit 65 Jahren nie ohne Teddybären im Arm die Semmeln beim Bäcker kauft

4)      Im Restaurant die Blumen mit Bier gießt

5)      Immer wieder in den Vorgarten vom Nachbarn pinkelt

6)      Den Kellner nicht von der Bettkante stoßen will und ihm das auch bei der Bestellung der Pizza mitteilt

7)      Als besten Freund einen Baum hat, von dem er jedes Blatt kennt.

Das Carecamp Demenz hat mir wieder gezeigt, dass Normalität eine Sache der Definition ist. Wenn Michael Schmieder darüber spricht, dass dement nicht bescheuert heißt versucht man die drei wesentlichen Fragen zu beantworten, die Demenz an uns stellt:

Michael Schmieder hinterfragt Normalität

Michael Schmieder hinterfragt Normalität

Sind 50 Paar Schuhe normal?

„Wer bin ich, wenn ich nicht weiß, dass ICH bin?“, „Was ist normal?“ und „Wie autonom sind wir Menschen?“. Es sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die uns durchs Leben leiten. Grenzen, Gesetze, soziale Normen, die uns das Zusammenleben erleichtern sollen. Was ist jetzt, wenn jemand diese  Normalität nicht mehr kennt? Oder wer sagt wirklich was normal ist. Ein Mensch, der 12 Packerl Butter im Kühlschrank hat? Oder ein Mensch, der 50 Paar Schuhe im Schrank hat? Was ist für uns normaler? Und wie lange halten wir es aus, wenn die Normalität durchbrochen wird? Das sind auch die grundsätzlichen Fragen, die Erich Schützendorf bei seiner „Reise ins Anderland stellt.“ In seinem einstündigen Vortrag kommt ihm nicht einmal das Wort Demenz über die Lippen. Es sind die Menschen im Anderland und die „Normalos“. Und wir „Normalos“ können die Menschen im Anderland treffen, Reisebegleiter sein, aber wir dürfen sie nicht bevormunden.

Erich Schützendorf nimmt uns mit auf die Reise ins Anderland

Erich Schützendorf nimmt uns mit auf die Reise ins Anderland

Das schwarze Loch vor der Tür

Und was mir so klar geworden ist beim Carecamp Demenz in den vielen inhaltlichen Diskussionen ist  mir auch ein politischer Auftrag: Die Menschenrechte müssen für ALLE gelten, auch für Menschen, deren Verstand entschwindet. Auch diese Menschen haben etwa das Recht nicht belogen und getäuscht zu werden. Etwa mit einer Bushaltestelle vor der Pflegeinrichtung, an der nie ein Bus hält und sie aber Stunde um Stunde warten. Und jene, die vor ihren Türen Fußmatten mit dem Bild eines großen schwarzen Lochs haben und die niemals darüber gehen können, weil sie Angst haben hineinzufallen. Ja, ihre Türe kann offen bleiben und trotzdem werden sie nie herauskommen können. Wir „Normalos“ müssen kreativ sein fordert Michael Schieder ohne diese Menschen in ihren Rechten zu verletzen. Das ist eine tägliche Gratwanderung, ein Abtasten, ein Probieren, auch ein Grenzüberschreiten, ein Scheitern, ein Gelingen. Und ich kann nur allen mit großem Respekt danken, die sich dieser Aufgabe stellen als Angehörige oder in der Arbeit von Einrichtungen und Pflegediensten. In ihrem Zusammensein mit Menschen mit Demenz oder ihrer Mitreise ins Anderland.

Mehr auf:  Konfetti im Kopf – Salzburg wird demenzfreundliche Stadt

von Christian Namberger

Wenn der Amtsschimmel wiehert, hat man es nicht leicht! Weder als aufrecht Gehender noch als ein im Rollwagerl Schiebender. Ich gehöre zu den Letzteren.

Ich sitze seit meiner erfolgreichen (was den Krebs betrifft) Chemotherapie im Rollstuhl. Besagte Chemotherapie hatte eine gravierende Nebenwirkung: Sie löste bei mir ein Nervenleiden namens Polyneuropathie aus. Brave zartbitter-Leser kennen meine Geschichte. Und die Leserinnen auch ☺

Vor meiner Erkrankung war ich im Außendienst für eine Versicherung, die die österreichische Bundeshauptstadt im Namen trägt, tätig. Im Rollstuhl ist diese Tätigkeit natürlich nicht mehr machbar. Meine Kunden waren es berechtigt gewöhnt, dass ich im feinen Zwirn die Beratung auf deren Couch vornahm. Deshalb verließ ich das Unternehmen und begab mich in die Berufsunfähigkeitspension. Da ich damals die 50 leicht überschritt, wurde diese auch bewilligt. Unter 50 gibt es „nur noch“ Rehageld. Die Pension wird anfänglich in Österreich für zwei Jahre bewilligt. Vor Ablauf dieser zwei Jahre muss man einen Antrag auf Verlängerung stellen – frühestens drei Monate vor Ablauf. 2014 tat ich das zum ersten Mal, was auch gut klappte. Heuer zum 01. April lief die Pension wieder aus. Zeitgerecht beantragte ich die Verlängerung Mitte Dezember letzten Jahres. Es kam auch eine Bestätigung von der Pensionsversicherung, versehen mit dem Hinweis, man möge nicht nachfragen, es ist alles in Bearbeitung. Ähnlich bei Bewerbungen in der freien Wirtschaft, wo es auch heißt: „Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an!“

Der Januar verging, der Februar plätscherte auch sehr schnell runter und gegen Ende des Monats bekam ich eine Einladung zur Untersuchung in die Anstalt. Ich weiß, Anstalt klingt hart, es heißt aber Pensionsversicherungsanstalt. Bisher kam der Arzt vom Amt immer im Januar zu mir nach Hause. Der Termin war am 8. März um 08.30 Uhr. Um pünktlich zu sein, wählte ich den Transport meinerseits mit dem Taxi. Ohne es extra zu erwähnen, fuhr eine neuwertige Mercedes Taxe der E-Klasse vor. In der PVA angekommen, wurde ich sofort weitergereicht zum EKG – es ging alles ganz zackig. Danach ging es sofort zum hauptsächlich untersuchenden Arzt. Die Untersuchung bestand hauptsächlich aus dem Studium der mitgebrachten bisherigen Befunde und einem Palaver. In Summe wand ich eine halbe Stunde auf. Danach rollte ich wieder frohen Mutes aus der Amtsstube. Retour wählte ich den Bus. Da ich ja im Rollwagerl sitze, samt meinen zusätzlichen Leiden (ich sage nur I und I, nachzulesen auf zartbitter.co.at unter „Die Leiden des jungen Christian N.“), dachte ich mir, die Zeit reicht ja bis Ende des Monats, um meine Verlängerung zu bewilligen. Recht viel maroder geht ja nicht.

Mitnichten! In der letzten Woche vor Ultimo rief ich am Dienstag in der PVA an. Aber erst wartete ich noch auf den charmanten Postboten. Nicht, dass er meinen Bescheid in seinem Sackerl hat und ich umsonst die Pferde scheu mache. Nach ca. einer Viertelstunde in der Warteschleife kam ich an einen sympathisch klingenden jüngeren Mann. Diesem tat ich meinen Wunsch kund, zum richtigen Verbinden fragte er mich nach meiner Sozialversicherungsnummer. Nach Eingabe dieser, sagte er vor dem verbinden zum zuständigen Sachbearbeiter, dass mein Antrag in Bearbeitung sei und sicher noch einige Zeit benötige. Wie bitte?!? Diese Woche läuft meine Pension aus! Er meinte, ruhig und gelassen, dass ich die Pension am 1. eh noch ausbezahlt bekomme, da ja rückwirkend. Aber, ich sei ab 1. April nicht mehr Krankenversichert. Vollkommen echauffiert hob ich meine Stimme und meinte, dass das wohl nicht sein kann! Daraufhin bekam ich zur Antwort, sie seien auch nur Menschen und können nicht mehr als arbeiten. Vorm endgültigen Verbinden, gab er mir noch den Tipp, ich solle mich beim AMS melden und Pensionsvorschuss beantragen. Geht’s noch?

Bildschirmfoto 2016-04-12 um 20.00.13Das Verbinden klappte allerdings nicht auf Anhieb. Nach drei Fehlversuchen kam ich endlich zu meinem Sachbearbeiter. Der war allerdings überhaupt nicht von meiner Angst beeindruckt und meinte auf all meine Argumente hin, lapidar: „Sie können sich ja beschweren.“ Weiters meinte er, wenn ich Glück habe, bekomme ich im April ja noch meinen Bescheid, solch eine Bearbeitung könne und dürfe bis zu sechs Monate dauern. Hallo? Ich darf frühestens drei Monate zuvor beantragen, die Herrschaften dürfen aber bis zu sechs Monate zur Bearbeitung brauchen? Von was soll ich denn in den drei Monaten leben? Tja, ich könne ja vorfinanzieren, ich bekäme eh alles bei Bewilligung nachbezahlt! Also ich weiß nicht, wie viel solch ein Sachbearbeiter verdient, aber bei mir ist das Geldende nahezu zeitgleich dem Monatsende! An ein Ansparen solch einer Versorgungslücke ist bei mir nicht zu denken. Letztendlich gab auch er mir den Rat, ich solle mich beim AMS melden und wieder kam der Tipp, ich könne mich ja beschweren.

Vollkommen entsetzt, konnte ich nach Auflegen des Gesprächs, nicht mal mehr die Rosenheim Cops im ZDF-Schichtarbeiterprogramm verfolgen!

Als braver und folgsamer Bürger befolgte ich die Ratschläge des PVA-Angestellten und ging dagegen vor. Allerdings nicht in Form einer Beschwerde, sondern mit dem Schritt an die Öffentlichkeit. Natürlich ist ein Zeitungsartikel auch sehr gut, oppertun erschien mir allerdings eher das Medium Funk & Fernsehen. Der ORF nahm sich meiner an, so dass ich die Gelegenheit bekam, im Radio in der Sendung „aktuell“ von Radio Salzburg und am Abend im Fernsehen in „Salzburg heute“ mein Leid zu klagen. Natürlich recherchierte der Journalist des ORF im Vorfeld auch bei der PVA, schließlich kann man nicht nur eine Seite hören.

Als Trost für die erlittene Unbill köpfte ich mein letztes halbes Fläschchen Champagner

Als Trost für die erlittene Unbill köpfte ich mein letztes halbes Fläschchen Champagner

Die Auftritte waren in aller Munde und dank des Eingreifens des ORF, wurde mitgeteilt, dass ich noch in der ersten Aprilwoche meinen Bescheid bekäme. Und siehe da: Er kam tatsächlich letzten Freitag! Diesmal nicht nur für zwei Jahre, sondern sogar unbefristet. Wahrscheinlich wollen die Herrschaften mit mir nichts mehr zu tun haben.

Für mich ging die Sache letztendlich gut aus. Allerdings nur, weil ich mich zu wehren wusste. Wie viele Menschen sind ob solchen Gebarens ganz einfach geschockt und geben sich ihrem Schicksal hin?

Der richtige Skandal an der Sache ist aber Folgendes: Ich sollte bei der PVA ja ausdrücklich nicht anrufen. Aber, wenn ich mich nicht telefonisch erkundigt hätte, wäre ich seit 1. April ohne Krankenversicherung gewesen. Einfach so. Ein Hinweisschreiben hierzu kam nämlich nicht.

So geht man nicht mit Menschen um!

Der Titel war es, der mich neugierig machte auf das Theaterstück von Alois Hotschnig im Schauspielhaus Salzburg. Und weil es mir immer noch im Kopf rum spukt, schreibe ich jetzt  einfach drüber!
Die Dauer war mit 2 Stunden und 40 Minuten angegeben – das machte mir ein wenig Sorge, dass ich das Interesse verlieren könnte, aber wie sich herausstellte, war dies keineswegs der Fall.

Ich kann vorweg nehmen, dass es mir wirklich gut gefallen hat und ich es unter dem Prädikat wertvoll und sehenswert weiter empfehlen möchte.

Was bedeutet alt werden – die Menge der Kerzen auf der Geburtstagstorte, die Wehwehchen die im Alter zunehmen, die Vergesslichkeit oder der veränderte, sich wiederholende Gesprächsstoff, den ein Ehepaar miteinander führt oder einfach dass Mann/Frau so alt ist, wie sie sich fühlen.
Im Theaterstück werden unterschiedliche Lebensabschnitte eines alten Ehepaares dargestellt. Hauptsache miteinander zu Hause leben, auch wenn es Essen auf Rädern gibt. Post-Ist, die der Mann ständig mit sich trägt, damit er nichts vergisst, das Entsetzen, das sich in seinem Gesicht widerspiegelt, als er erzählt, wie er das Salz vergessen hat, weil er unbedingt die Butter nicht vergessen wollte. Ich ertappe mich, dass mir das heute schon passiert, ich schiebe diesen Gedanken schnell beiseite und denke, ich bin doch noch nicht alt. Der Beginn der Demenz, die Sorge der Frau um ihren Mann und die Hilflosigkeit der Angehörigen. Wird es so werden das Leben im Alter, frag ich mich?

Der Teufel und die Ärztin 
Der Schlaganfall und die damit verbundene körperliche Einschränkung, sich nicht mitteilen können, unverstanden bleiben – übrigens sehr gut gespielt – die Bedrohung, wenn das Vergessen nicht mehr die Butter betrifft, sondern den Herd, der nicht ausgeschalten wurde. Auf einmal allein zu sein, nicht mehr den lieben Menschen an der Seite zu haben, sich im Kreis drehen und Angst davor haben verrückt zu werden oder dass andere einen für verrückt halten. Die Szenen im Seniorenheim haben etwas Surreales. Eine Ärztin, die mit viel Rauch und Boshaftigkeit dargestellt wird – so als wäre sie mit dem Teufel im Bunde – der Teufel könnte die Krankheit, die Einsamkeit sein. Obwohl die Welt kleiner wird und die Themen sich um Essen, Krankheiten und wann wer zu Besuch kommt drehen, ist das Stück voll Ironie und skuriller Ideen. Um den Tag nicht zu lang werden zu lassen, könnte man doch einfach nach dem Aufstehen, nochmal zu Bett gehen um später wieder aufzustehen, dann wäre schon einiges an Tag geschafft.  IMG-20160323-WA0000

Die Zwangsjacke

Verschiedene Charaktere im Seniorenheim, ein Mann der täglich ins Cafe Zentral geht, weil er das immer getan hat, wortgewaltige Monologe von sich gebend.
Eine Frau, die tatsächlich über 80 Jahre ist, die erzählt, dass sie im Leben immer zu spät war, im Gegensatz zu ihrem Mann. So pünktlich wie er im Leben war, so  pünktlich ist er gestorben, wie es die Ärzte vorhersagten. Sie ist ja immer zu spät und lebt deshalb noch und während sie das erzählt, streckt sie ihr Bein geschmeidig gen Himmel – allein beim Zusehen bekomme ich einen Krampf.
Eine junge Frau wandert ständig die Wand entlang, in der Hand ihren Koffer, wartend, dass ihr Mann sie abholt. „Solange ich sitzen kann, steh ich lieber“, verzweifelt getrieben und suchend erweckt sie mein Mitleid, dass sich beim Anblick ihres triumphierenden Lächelns, als ihr die Namen, von wem auch immer, wieder einfallen, in Bewunderung verkehrt. Die Ehefrau die Sorge hat, eine Jacke verschrieben oder gar geschenkt zu bekommen, egal aus welchem Stoff, ob gestrickt, genäht, kurz oder lang – sie will keine. Keine Jacke – die einen vielleicht einzwängt im Tun, im Handeln und im Denken, die einem die Selbständigkeit nimmt.

Fast könntet ihr meinen, das Stück wäre deprimierend, doch ich hatte nie ein Gefühl der Schwere, nachdenklich ja, aber nicht deprimiert. Das Alter wird zum Teil von äußeren Faktoren bestimmt, auf die wir keinen Einfluss haben, aber auch von einem Selbst und ganz viel vom Umgang  mit „unseren Alten“.

Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich – bietet das Leben genug Erinnerungen auf die wir zurück greifen können, Reisen die man gemacht hat und die wieder gemacht werden können, ob zwischen den Supermarktregalen oder im Sitzen, da läuft es sich nämlich besser davon.

Wer neugierig geworden ist: Termine gibt es hier!

In den städtischen Seniorenwohnhäusern ändert sich vieles. Immer wieder fragen mich Menschen etwa, was das sein soll, so eine Hausgemeinschaft für alte Leute im „Altersheim“? Jedes Mal denke ich dann an meine Uroma, die leider nicht das Glück hatte damals in den 1970er Jahren in einer Hausgemeinschaft zu leben. Sie war in einem Altersheim am Land untergebracht. Ich habe mich als Kind eigentlich immer geängstigt, wenn wir zur Uroma gingen. Mehr als 5 Jahre am Ende ihres Lebens lag sie in einem Bett in einem Zimmer, wo auch eine andere alte Frau untergebracht war. Einmal am Tag wurde sie für mehrere Stunden auf einen Leibstuhl gesetzt. Ein Stuhl mit Loch im Sitz und einer Schüssel darunter. Zum Mittagessen kam sie dann wieder ins Bett. Ein paar Bissen musste sie rasch runterschlucken. Ein wenig Tee. Damit war der Tag gelaufen. Gruselig aber damals normal. Viel hat sich seither geändert!

In den Seniorenwohnhäusern zog in den 1980er und 1990er Jahren ein frischer Geist ein. Mehr Selbstbestimmung, viele therapeutische Angebote, Abwechslung und Individualität. Anfang der 2000er Jahre kam dann auch in Salzburg die Idee der Hausgemeinschaften an, unter anderem von Sonja Schiff, damals Gemeinderätin, gefordert. Und jetzt werden Schritt für Schritt in mehreren Seniorenwohnhäusern in Salzburg die Hausgemeinschaften verwirklicht. Die meiste Erfahrung mit diesem Konzept gibt es in Hellbrunn.


Das Wichtigste dabei ist, dass der Alltag für alle so normal wie möglich ist. Jede/r Bewohner/in hat ein Zimmer für sich, zum Teil mit eigenen Lieblingsstücken möbliert. Im Zentrum steht der gemeinsame Wohnbereich mit Küche. Wer mag und kann, darf mitkochen beim Mittagessen. Wer sein Frühstück erst um 10 Uhr haben will, kein Problem. Wieder wer anderer faltet gerne alle Hand, Dusch- und Geschirrtücher der Hausgemeinschaft. Es gibt keine Bereiche extra für die „schweren“ Pflegefälle, wie man früher sagte. Auch Menschen, die Demenz haben, sind mittendrin im Leben und nicht gesondert untergebracht. Es gibt keine langen Korridore mehr, unpersönliche Einrichtung oder unüberschaubare Räumlichkeiten. Das direkte Lebensumfeld ist kompakt und individuell gestaltet für eine bessere Übersichtlichkeit und das Wohlfühlen. Terrassen, Balkone und ein Garten gehören dazu. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen sich täglich keine „Krankenhausatmosphäre“ entstehen zu lassen, sondern ein normales Alltagsleben zu ermöglichen.

Und der Erfolg zeigt, dass das Modell funktioniert, dank der engagierten MitarbeiterInnen und der alten Menschen, die so aufgeschlossen sind im hohen Alter noch etwas ganz Neues zu wagen. Und jedes Mal, wenn ich dort zu Besuch bin, wünschte ich meine Uroma hätte das Glück gehabt ihre letzten Jahre so erleben zu dürfen. Unterstützt aber selbstbestimmt, gut aufgehoben, aber frei in der Entscheidung. Aber ich bin glücklich als verantwortliche Politikerin ein Stück der Entwicklung in den Seniorenwohnhäusern mittragen zu dürfen.

Wie sich singend neue Welten eröffnen

Kurz vor dem Auftritt beim Einsingen zum Fest der Vielfalt

Kurz vor dem Auftritt beim Einsingen zum Fest der Vielfalt

Es ist Dienstag, 10 Uhr im Seniorenwohnhaus Hellbrunn in Salzburg: Eine Gruppe von 82 bis 93 Jährigen versammelt sich im Festsaal de Hauses. Eilig stelle ich die Tische zusammen, schenke allen ein Glas Wasser ein und teile die Gesangsbücher „Die schönsten Lieder Österreichs“ aus. Heute ist wieder die wöchentliche Chorprobe. Ich bin wieder mal ein bisserl spät dran, aber sobald ich „meine“ Sänger und Sängerinnen sehe, ist jede Hektik verflogen. Nach der Begrüßung geht es gleich mit ein paar Klassikern los. Auch wenn die meisten mit ihren Rollatoren gekommen sind: „Das Wandern ist des Müller’s Lust“ ist einer der Topfavoriten in der Gesangsliste. Es macht auch nichts, dass der „Weg zu mein‘ Dirnderl“ steinig ist, wir haben dennoch einen richtigen Spaß beim Singen. Ein paar Witze lockern die Stimme noch mehr. Wir wissen, dass wir keine Goldkehlchen sind, aber unsere Begeisterung ist umso mehr spürbar. Der Name, den wir uns gegeben haben zeugt davon, dass wir uns selbst mit einem Augenzwinkern sehen: Die Rollatoren.

Dabei geht es nicht um Beschäftigungstherapie. Es ist neben der fröhlichen Gemeinschaft viel mehr: Im Singen geben wir unserer Seele Raum und drücken unsere Gefühle aus. Eine Bewohnerin sagt mir beim Abschied nach einer im Eiltempo verflogenen Stunde: „Beim Singen tut sich eine andere Welt in mir auf.“ Sie freut sich jetzt schon auf die kommende Woche. Das letzte Lied klingt noch nach in mir. Ich summe es und fühle mich einfach sehr gut.

Hier ein paar ein Eindrücke vom Fest der Vielfalt, wo wir zuletzt aufgetreten sind. Auch das war ein tolles Erlebnis…