Beiträge

Was wünscht sich mein Kind zum ersten Schultag — eine Sachertorte mit einem Haufen Schlagobers dazu. Im Cafe Wernbacher in Salzburg. Gut, das machen wir, ist ja auch ganz nach dem Geschmack der lieben Mutter. So haben wir es vereinbart – im August, unter einem Baum liegend mit Blick auf den Wallersee.

IMG_0588[1]Am 14. September sieht es anders aus. „Ihr werdet doch wohl nicht mit dem Zug nach Salzburg fahren?“, meint ein Freund angesichts der vielen Flüchtlinge am Bahnhof. Sollen wir? Sollen wir nicht? Mama, was ist ein Flüchtling? – darüber haben wir schon öfter geredet, gespendet haben wir auch schon, aber die Kinder so richtig damit konfrontieren? Sie nehmen ohnehin mehr auf, als mir manchmal lieb ist. Meine Dreijährige spielt mit den Filly-Ponys, sagt ein Pony zum anderen „Komm, wir müssen in ein anderes Land. Wohin gehen wir? Nach Deutschland“. Wie viel Wirklichkeit verträgt man mit drei und sechs Jahren?

Wir sind schließlich mit dem Auto gefahren und hatten es ruhig in unserem Idyll, nach einem aufregenden Vormittag in der Schule. Zwei Tage später mein erster Arbeitstag, Konfrontation mit der Realität am Bahnhof nach fast zwei Wochen Urlaub. Eine stillende Mutter am Boden gekauert, ein Mann weint still in einer Ecke, Kinder spielen, andere schlafen, zwischen PolizistInnen und HelferInnen. Die Menschen sind versorgt fürs Erste und doch macht es so unendlich traurig, wenn die Realität und die Idylle zusammenprallen.

r1

Refugees welcome – Demo startet am Hauptbahnhof Salzburg

Seit zwei Wochen setzen die Salzburgerinnen und Salzburger ein klares Zeichen: Refugees Welcome am Salzburger Hauptbahnhof. Hand in Hand mit den Einsatzkräften von Caritas, Rotem Kreuz, Malteser, Stadt und Land, zeigen die Menschen, dass nur ein Miteinander Zukunft hat. Und heute lud die Plattform gegen Rechts zu einem Solidaritätsmarsch für die Flüchtlinge auf. Und mehr als 1000 Menschen kamen. Ein starkes Zeichen und die Fortführung dessen, was seit Wochen als Welle der Hilfsbereitschaft durchs Land geht.
Das ist gut so!
Aber das ist alles erst der Beginn einer riesigen Herausforderung: die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft. Das erledigt sich nicht in ein paar Wochen oder Monaten. Das dauert Jahre. Und dafür ist eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig. Wir alle sind gefordert. Und wir PolitikerInnen müssen die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen:

r5

Mehr als 1000 Menschen kamen zur Refugees welcome Demo in Salzburg

Die Zeit des Wegschauens und Ignorierens ist vorbei – die Flüchtlinge sind da und es werden noch mehr kommen, egal wie hoch die Zäune sind.

⇒Wir dürfen keine Zeit verschwenden mit Streitereien um das richtige Vorgehen. Es gibt nicht den EINEN erfolgversprechenden Weg, sondern viele Wege zu einer gelingenden Integration.

⇒An erster Stelle müssen Flüchtlinge Deutsch lernen, erst dann ist Integration auf Augenhöhe möglich. Dann können die Menschen aktiv ihr Leben in die Hand nehmen und bleiben nicht Geduldete oder Bittsteller.

⇒Alle Schritte, die wir tun, müssen transparent sein. Alle BürgerInnen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie die Integration funktionieren soll.

⇒Wir müssen so viele Menschen wie möglich, um ihre Unterstützung, ob ideell oder mit Taten, bitten. Nur gemeinsam geht es.

⇒Es warten in den nächsten Jahren viele Herausforderungen und Probleme auf uns. Wir werden vielen Flüchtlingen in der Schule, am Arbeitsmarkt und in der Nachbarschaft begegnen. Und das wird nicht ohne Konflikte sein. Ein verschwiegener Konflikt schwelt weiter, offene Konflikte können gelöst werden. Darum müssen wir Probleme ansprechen, Lösungen finden und die Probleme nicht unter den Teppich kehren.

⇒Ängste und Sorgen, die Menschen angesichts der Flüchtlinge haben, dürfen wir nicht abtun. Integration ist keine „Happy Peppy Party“ sondern miteinander reden, Ängste ernst nehmen und hinschauen.

⇒Integration kostet Geld, das darf aber niemandem genommen werden. Hier braucht es Gerechtigkeit und Transparenz.

⇒Und Integration ist Fördern und Fordern, respektvoll aber mit einer klaren Ansage für alle.

⇒Es ist eine Chance und keine Krise. Ich bin überzeugt, dass wir das miteinander schaffen.

Also packen wir es an! 

Von Tarik Mete

tarik9

Tarik Mete

Salzburg dient den Flüchtlingen als Zwischenstopp für die Durchreise nach Deutschland. Freiwillige Helferinnen und Helfer übernehmen in den ersten Tagen – bis die Behörden und die Politik reagieren können – die Begrüßung und Verpflegung der Flüchtlinge. Volle Einkaufswägen mit Getränken, Verpflegung sowie Proviant für die Weiterreise stehen bereit für die Hilfesuchenden. Bis tief in die Nacht – ob unter der Woche oder an Wochenende – die Salzburgerinnen und Salzburger zeigen, dass Mitgefühl und Solidarität eine Selbstverständlichkeit ist. Ein klares Zeichen dafür, dass für Angstmacherei und Hetze kein Platz in Salzburg ist. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich niemals stolzer war ein Salzburger zu sein, als in diesen Tagen.

Ich möchte in diesem Rahmen auch eine Gruppe hervorheben, die sich eher seltener in der medialen Berichterstattung Platz findet – nämlich die Salzburgerinnen und Salzburger mit Migrationshintergrund. Selbstlos und mit vollem Einsatz kamen jede Nacht viele Menschen, die einfach helfen wollten. Neben den zahlreichen interkulturellen Vereinen in Salzburg, waren es vor allem Privatpersonen, die mit einer unendlichen Selbstverständlichkeit zur Hilfe eilten. Unter den Helferinnen und Helfern waren auch zahlreiche anerkannte Flüchtlinge und auch Asylwerber, die zur Zeit in Salzburg untergebracht sind. Sie sammelten selbst – mit dem Wenigen, was ihnen zur Verfügung stand – Nahrungsmittel, um sie den durchreisenden Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Viele meldeten sich auch freiwillig für Dolmetschtätigkeiten und andere Hilfsaktionen.

Alle wollen helfen

Es kamen derart viele Anfragen an mich, wo und wie man helfen und spenden könne. Es wollten so viele helfen, wussten aber nicht wie sie das am besten anstellen sollten. Da ich am vergangenen Samstag bereits als Delegierter zum Bundesparteirat eingeladen war, entschloss ich mich kurzer Hand, dass mit einer Fahrt nach Traiskirchen zu verbinden und Sachspenden in das Flüchtlingslager, in dem rund 4.000 Menschen untergebracht sind, zu bringen. Die Landesparteiorganisation der SPÖ Salzburg stellte einen Kleinbus zur Verfügung, um die Sachspenden zu transportieren und ich startete einen privaten Spendenaufruf via Facebook. Nach dem Aufruf waren nur zwei Tage Zeit bis zur Abfahrt Richtung Wien und Traiskirchen. Um ehrlich zu sein, war ich mir nicht wirklich sicher, ob dieser Spendenaufruf in so kurzer Zeit überhaupt wahrgenommen wird – aber ich wurde eines Besseren belehrt. Am Freitagabend gab es für eine Stunde, zwischen 18:00 und 19:00 Uhr die Möglichkeit Spenden in mein Büro in der Vogelweiderstraße zu bringen. Das Interesse und der Andrang waren enorm. Es kamen mehr als 50 Personen und brachten Kisten und Säcke voll mit neuwertigen oder gar neuen Textilien, Hygieneartikel, Spielzeug und anderen Sachspenden. Als Zwischenlager diente mein Büro, das letztendlich zum Bersten voll mit Kisten und Hilfsgütern stand.

tarik1

Mein Büro vorher….

tarik2

…und danach!!!

Einerseits war ich natürlich überwältigt und über alle Maße positiv überrascht von der unermesslichen Hilfsbereitschaft der Menschen, aber andererseits stand ich nun gegenüber einem neuen Problem. Wie sollte ich das ganze Zeug transportieren. Der Bus, den ich organisiert hatte, war nicht annähernd groß genug, um die Sachen, die gespendet worden sind, zu transportieren. Während ich so vor mich hingrübelte, kam ein junger türkischstämmiger Mann mit einem Kleintransporter vorbei, der ebenfalls etwas spenden wollte. Er fragte mich, wie ich den das ganze Zeug zu transportieren gedenke. Ich deutete auf den kleinen Bus. Scherzend sagte er auf Salzburgerisch: „Des wird sie owa ned gonz ausgehn“ und gab mir, ohne zu zögern und mit der Wimper zu zucken – die Schlüssel von seinem Kleintransporter. Abermals konnte ich nicht glauben, wie zuvorkommend und hilfsbereit die Menschen sind, wenn es darum geht, zusammenzuhalten und zu helfen.

Nicht ohne Facebook

Leider war das nicht das letzte Problem, dass an diesem Abend noch zu lösen war. Die ganzen Kisten, die mein Büro zugestellt hatten, mussten in den Transporter geladen werden. Es war aber schon 20:00 Uhr und alleine hätte es bestimmt bis in die Morgenstunden gedauert. Gerade als ich am Verzweifeln war, kam mir die Idee, es wieder über die sozialen Medien zu versuchen. Ich ersuchte mein Netzwerk auf Facebook, um 22:00 Uhr zu meinem Büro zu kommen und gemeinsam das Fahrzeug zu beladen. Bereits um halb zehn waren mehr als ein Dutzend Leute da, die innerhalb einer halber Stunde das ganze Fahrzeug beladen hatten. Es waren so viele Leute da, dass die Arbeit kurz nach dem vereinbarten Start um 22:00 Uhr erledigt war.

tarik3

Beladung mit allen Spenden

Nicht einmal der Kleintransporter war in der Lage all die Sachen zu fassen, weshalb wir auch den Kleinbus bis zum Anschlag füllen mussten – dennoch blieben ein paar Kisten übrig. Kurz nach zehn waren rund 25 Personen anwesend, die beim Beladen halfen. Da aber die Arbeit bereits getan war, stand man noch gemütlich bis Mitternacht zusammen und tauschte sich darüber aus, wie man den Leuten noch helfen könnte. Währenddessen fiel jemanden auf, dass die Reifen des Transporters unter dem Gewicht der Ladung etwas nachließen. Da gleich um die Ecke eine Tankstelle war, erklärte sich jemand bereit eine Luftpumpe von dort zu holen. Er holte dankenswerterweise die Pumpe und ein zufällig anwesender Mechaniker kümmerte sich um die Reifen. Ein kleines Detail am Rande: Später erfuhr ich, dass der freiwillige Helfer die Pumpe jedoch nur mitnehmen durfte, weil er 300 Euro beim Tankwart als Pfand hinterlassen hatte. Das war ebenfalls keine Selbstverständlichkeit und ich war ein weiteres Mal in dieser Nacht komplett baff. Schließlich war das Fahrzeug war startklar und es war Zeit nach Hause zu gehen.

Um 6.30 Uhr ging’s los. Gemeinsam mit einem Freund, der von Anfang an die Aktion unterstützte, machten wir uns bei heftigem Regen auf in Richtung Wien. Zuerst zur Parteiveranstaltung rund um das Thema Bildung und danach nach Traiskirchen – so war zumindest der Plan. Mehr als das Thema Bildung stand beim Themenrat berechtigterweise, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Ereignisse, das Thema Flüchtlinge im Mittelpunkt. Der Kanzler verkündete „die Grenzbalken auf für die Menschlichkeit!“ und Genosse Häupl versicherte, jedes Flüchtlingskind in Wien werde einen Schulplatz erhalten. Klare Worte von der SPÖ-Spitze. Vielleicht wäre es klüger gewesen, aus aktuellem Anlass das Thema für die Veranstaltung zu ändern und gemeinsam über die Flüchtlingsthematik zu diskutieren. Ich verabschiedete mich zeitig von den Genossinnen und Genossen und machte mich auf den Weg.

Am Vortag und in der Nacht vor unserer Abfahrt machten sich zahlreiche Menschen, in Zügen und anderen Transportmitteln auf den Weg nach Österreich. Der sogenannte #marchofhope sollte auch den Plan unserer Spendenaktion wesentlich ändern. Meine Freunde von den Hilfsorganisationen teilten mir mit, dass am Hauptbahnhof die Lage besonders prekär ist und dort eine Art Ausnahmestand ausgerufen worden ist. Gemeinsam mit meinem Begleiter entschieden wir uns zuerst zum Hauptbahnhof zu fahren und unsere Spenden zuerst dort anzubringen.

Ausnahmezustand am Bahnhof

Das was ich dort gesehen habe, war für mich einerseits rührend und andererseits verstörend. Meine Freunde hatten nicht übertrieben – es herrschte tatsächlich ein Ausnahmezustand am Hauptbahnhof. Tausende Menschen quetschten sich durch die Halle, wo eine Art Verpflegungsstraße aufgestellt wurde. Es herrschte regelrechtes Chaos und ich fühlte mich, wie in einem Katastrophen-Film. Kleinkinder, die am Boden oder auf Feldbetten lagen und auf Verpflegung warteten. Menschen, die ihre Verwandten suchten. Von Behörden oder Einsatzkräften war eigentlich keine Spur. Es waren vor allem private Helferinnen und Helfer gekommen, um ihren Beitrag zu leisten. Es fehlte jedoch an Koordination und Organisation, was vor allem der Grund für die Unordnung und das Durcheinander war. Dort am Wiener Hauptbahnhof konnten wir den ersten Teil unserer Ladung anbringen. Vor allem Jacken und dicke Pullover waren gefragt, um auf dem Weg nach Deutschland der Kälte zu trotzen.

tarik4

Ein Teil unserer Spenden für die Flüchtlinge an der ungarischen Grenze

Über einen anderen Kontakt erfuhren wir, dass an einer Sammelstelle in Wien gerade Sachspenden für die Flüchtlinge an der ungarischen Grenze gesammelt wurden. Da die Situation dort aktuell am brisantesten war, haben wir uns kurzerhand entschlossen einen Teil der Sachspenden dorthin zu bringen. Vor Ort waren zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die uns tatkräftig beim Entladen und Sortieren der Spenden halfen. Die Spenden traten noch am selben Tag den Weg in Richtung Grenze und Nickelsdorf an.

Da wir noch nicht alle Spenden anbringen konnten, fuhren wir als letzte Station, wie eigentlich geplant, das Flüchtlingslager in Traiskirchen an. Dort besuchten wir zunächst den islamischen Verein, der im Ramadan jeden Tag mehrere Tausend Menschen mit Speis und Trank versorgte und begaben uns danach zum Haupteingang des Lagers. Auch hier trafen wir chaotische Umstände vor. Es lagen überall auf den Straßen Kleidungsstücke und Nahrungsmittel herum. Es kamen jede Minute neue Privatfahrzeuge mit Spenden an und verteilten sie unter den Leuten. Sobald man die Türe oder den Kofferraum aufmachte, stürmten sofort mehrere Flüchtlinge das Fahrzeug und versuchten die besten Sachen zu ergattern. Verstörend, wenn sich rund 30 Personen aneinander vorbeidrängen, um ein Laib Brot zu ergattern.

Traiskirchen

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Traiskirchen

Um uns einen Überblick zu verschaffen, bevor wir den Rest der Spenden verteilen, haben wir einen Rundgang um das riesige Areal des Lagers gemacht. Am Vordereingang sind keine Zelte zu sehen. Diese hat man nach den negativen Medienberichten entfernt. Stattdessen campieren die Flüchtlinge nun auf der Rückseite des Lagers. Eine unscheinbare weiße Tür mitten in der Mauer führt zu den Zelten am hinteren Ende. Neben den großen Zelten des Ministeriums, die wir von der Alpenstraße in Salzburg und anderen Zeltlagern kennen, gab es dort auch einige kleine Campingzelte, die eigentlich für den privaten Gebrauch bestimmt waren. Hier konnte man seine Spenden etwas ruhiger an den Mann, die Frau oder das Kind bringen. Als ich die Zelte durch die Tür fotografieren wollte, kam eine Sicherheitskraft und haute die Tür sofort zu. Ich schoss trotzdem ein Bild über die Mauer hinweg.

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Direkthilfe

Nach unserem Rundgang übergaben wir die restlichen Spenden an die Bewohnerinnen und Bewohner der Zeltstadt. Wir haben versucht vor allem Frauen und Kinder zu versorgen. Insgesamt war ich froh, dass wir den Großteil unserer Ladung in Wien bei der Sammelstelle für die ungarische Grenze abgegeben haben. In Traiskirchen war das eigentliche verstörende, dass so viel Zeug auf den Straßen herumlag und die Leute sich dennoch um alle Fahrzeuge scharrten, um neue Sachen zu bekommen. Ich habe dort auch versucht Geldspenden zu verteilen, aber die Leute nehmen sie nicht an – sie sind zu stolz und fühlen sich dadurch gekränkt.

Dank und Stolz

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Spenden auch für die Kleinsten!

Nachdem unser Transporter leer war, war es endlich an der Zeit die Heimreise anzutreten. Nach einer kurzen Irrfahrt durch die Pampa rund um Traiskirchen und Baden fanden wir schnell wieder zurück auf die Autobahn und waren drei Stunden später gegen 22 Uhr wieder in Salzburg. Zwischenzeitig erfuhren wir, dass zahlreiche Flüchtlinge in der Nacht in Salzburg erwartet werden. Ohne Pause begaben wir uns daher wieder zum Bahnhof. Die Behörden und die Politik waren hier sehr organisiert und in dieser Nacht lief alles reibungslos ab. An dieser Stelle sei allen Einsatzkräften, die ohne wenn und aber über mehrere Stunden im Einsatz waren, von ganzem Herzen gedankt. Nach den Bildern am Wiener Hauptbahnhof war ich froh zu sehen, dass es auch weniger chaotisch funktionieren kann. Nachdem der letzte Zug um kurz nach 24 Uhr den Bahnhof Richtung München verlassen hatte, war es auch für uns endlich Zeit den Weg nach Hause und ins Bett anzutreten. Am nächsten Morgen brachte ich einige der übriggebliebenen Kisten zur Sammelstelle der MJÖ in Salzburg. Von den Lebensmitteln, die die JUSOS im Rahmen ihrer „Kauf plus eins Kampagne“ gesammelt haben, brachten wir einen Großteil in ein Flüchtlingsheim in der Elisabeth-Vorstadt. Es sind noch ein paar Sachen übrig, aber diese werden morgen in die Flüchtlingsheime in Werfen, Radstadt und Lend gebracht. Somit werden auch die letzten Pakete, die im Rahmen unserer privaten Spendenaktion gesammelt wurden, bedürftigen Menschen zukommen.

Alles in Allem war es für mich eine sehr läuternde und spannende Woche, die aber auch sehr viel Energie gekostet hat. Es waren zahlreiche Eindrücke und Erfahrungen dabei, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Ich habe mein Bestes getan, um eure Spenden dort hinzubringen, wo sie am meisten benötigt werden. In Österreich sind wir derartige Bilder einfach nicht gewohnt, aber nun ist mir umso mehr bewusst, dass jeder und jede von uns auch in eine derartige missliche Lage geraten kann. Und dann würden wir uns auch wünschen, dass es Leute gibt, die uns Schutz, Geborgenheit und ein freundliches Lächeln schenken. Vielen Dank für eure Unterstützung, eure Hilfe und die Selbstverständlichkeit mit der ihr an die Sache herangegangen seid.

Dieser Bericht kommt hiermit zum Abschluss, aber die kommenden Tage, Wochen und Jahre wird weiterhin unsere Hilfe benötigt. Daher darf ich euch alle einladen, euch weiterhin so engagiert und unermüdlich für Hilfesuchende einzusetzen und zu zeigen, dass Salzburg eine Stadt ist, die für Vielfalt und Solidarität einsteht. #refugeeswelcome

Und ich muss es noch Mal sagen:

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich niemals stolzer war ein Salzburger zu sein, als in diesen Tagen.

tarik10

Fotos by Tarik Mete, mehr auf Tariks Facebook Seite

Und hier geht es auf Tariks Seite!

Einkaufswägen

Die gefüllten Einkaufswägen stehen für die Flüchtlinge bereit.

Salzburg Hauptbahnhof: Zwei leere Semmeln, eine Packung Butterkekse, ein Apfel und eine Tafel Schokolade. Fertig geschnürt wandert ein Jausensackerl nach dem anderen in den Einkaufswagen. Daneben steht bereits einer mit Mineralwasser und zwei weiter einer mit Hygiene-Artikel. „Wie kann ich mich nützlich machen?“, fragt eine Frau mittleren Alters. Keine Minute später hat die freiwillige Helferin das erste Sackerl gefüllt, abgepackt und mit einem Mascherl versehen.

„Ein Einkaufswagen mit Lebensmittel, einer mit Getränken. Nicht mehr als drei Personen pro Wagen“. Caritas-Direktor Johannes Dines gibt die letzten Anweisungen an die Freiwilligen. Dann setzt sich die Kolonne in Bewegung. Im Zick-Zack-Kurs bahnt sich der Hilfskonvoi seinen Weg zwischen Geschäftsreisenden, Touristen, Urlaubern, Schülern und Studenten hindurch. Je ein Caritas-Mitarbeiter begleitet die Helfer Richtung Bahnsteig. Mit dem Aufzug geht es nach oben zu den Gleisen des Salzburger Hauptbahnhofs. Eine ältere Dame mit Koffer nähert sich den Helfern. Ihr Dank kommt spontan und von Herzen: „Thank you for helping people. Great work!“

„Thank you for helping people. Great work!“

Wie viele Flüchtlinge in dem ÖBB-Railjet aus Wien sein werden, weiß keiner genau. Gestern Abend waren es bis zu Tausend pro Zug. „Die Ungarn haben die Grenze zu Österreich schon wieder dicht gemacht“, macht eine Nachricht schnell die Runde. Das Rote Kreuz steht mit Sanitätern bereit, die Polizei hat Beamte abkommandiert. Alles wartet auf die Ankunft des Zwölf-Uhr-Zugs aus östlicher Richtung. Für eine Gruppe junger Männer geht es nach einem Wochenend-Trip zurück in ihre Heimat nach Vorarlberg. Für die ankommenden Flüchtlinge heißt es in Salzburg umsteigen in den Anschlusszug nach München. Die Destination ist unbekannt. Der Regionalexpress steht am gegenüberliegenden Bahnsteig zur Abfahrt bereit.

Minderjährige syrische Flüchtlinge sind gekommen, um zu übersetzen. Durch das Megaphon sollen sie den Menschen in ihrer Sprache erklären, dass es gleich gegenüber  nach Deutschland weitergeht. Die Helfer machen sich bereit. Sie bringen ihre mit Semmeln, Keksen, Äpfel, Bananen und Mineralwasser gefüllten Einkaufswagen in Position. Der Zug rollt ein, die Türen öffnen sich. Hastige Blicke scannen den Bahnsteig. Eine Mutter hält ihre Tochter im Arm. Der Vater streckt schnell die Hand für eine Flasche Wasser aus. Dann verschwinden die Drei im Zug Richtung München. Ein kleines Mädchen löst sich kurz von ihrer Mutter. Ihr Blick trifft auf jene zwei Helfer, die unweigerlich seufzen. Ein Pfiff. Die Türen schließen und der Zug fährt ab. Die Menschen im Zug winken zum Abschied. Die Helfer tun es ihnen gleich. Dann sind die Flüchtlinge wieder verschwunden. Zurück bleibt ein leerer Einkaufswagen und das gute Gefühl geholfen zu haben. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Ich verfolge schon seit Beginn der ersten Flüchtlingsströme die Berichte hierüber via Fernsehen (z.B. Weltspiegel), Zeitungen und Facebook. Bei letzteren von Fall zu Fall auch die Kommentare hierzu. In letzter Zeit allerdings immer weniger, da mich der viele Hass und die Hetze zu sehr belasten. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass Erwachsene Menschen so abgrundtief böse sein können. Aber zum Glück ist der Großteil der Bevölkerung nicht so und hilft, wie es nur möglich ist.

Gestern haben die zaunbauenden Ungarn die ins Land drängenden Flüchtlinge unkontrolliert Richtung Deutschland ausreisen lassen. Die Fahrten mit der Bahn gingen über Salzburg. Einige kamen durch, einige strandeten für eine Nacht in Salzburg. Dank Facebook tat sich eine große Welle der Hilfe auf. Auch wurden dankenswerter Weise Bilder gemacht. Somit konnte ich die Hilfe mitverfolgen. Zu gerne wäre ich auch vor Ort gewesen, ich bin aber aufgrund eines Nervenleidens momentan an den Rollstuhl angewiesen. Mit so einer Mobilitätshilfe ist man aber nur eingeschränkt mobil, zumal die Busverbindung vom Land in die Stadt in der Nacht logischerweise lückenhaft ist. Das einzige was mir gestern möglich war ist, dass ich über Facebook jemanden bat, diverse Lebensmittel auf die Schnelle beim Spar am Bahnhof einzukaufen und für mich zu verauslagen. Prompt meldete sich umgehend eine sehr junge Helferin und wir vereinbarten, dass sie für mich ca. 20 Euro auslegen soll. Ich werde ihr das Geld umgehend überweisen.

Mit Rolli und Rollator unterwegs zum Bahnhof

Mit Rolli und Rollator unterwegs zum Bahnhof

Dienstags und freitags kommt immer Muttern zu Besuch. Die verfolgt auch immer die Berichte über die Flüchtlinge. Gestern sah sie auch Maybrit Illner dazu und regte sich maßlos darüber auf. Da kam mir die Idee, sie zu fragen, wie sie denn momentan drauf sei. Körperlich meinte ich. Sie sagte, es ginge ihr soweit gut und fragte, warum ich das wissen wolle. Neben dem Wäschewaschen in der Gemeinschaftswaschküche, zischen wir auch immer zusammen zum Einholen in den hiesigen Spar Markt. Auf dem Weg dahin trainiere ich mit dem Rollator und Muttern schiebt den Rollstuhl hinterher. Retour nimmt Muttern den Rollator, mal mehr, mal weniger mit den Einkäufen bepackt. Heute fragte ich sie, ob wir denn auch unseres dazu beitragen wollen und gemeinsam das Nötige mit dem Bus zum Bahnhof zu bringen. Muttern ist immer sofort zur Stelle, wenn sie helfen kann. Wir überlegten, was wir alles kaufen und staksten nach dem Befüllen der ersten Waschladung los. Im Facebook lasen wir, was so alles benötigt wird und danach richteten wir uns. Normalerweise legt Muttern mittags immer die Fussi hoch und macht ein Nickerchen. Zeitlich ging sich das heute nicht aus, nach dem Einkauf mussten wir noch zum zweiten Mal die Waschmaschine bemühen. Gleich nach der Befüllung zum zweiten Waschgang gingen und rollten wir zur Bushaltestelle. Die Fahrt zum Hauptbahnhof war kürzer als ich dachte, somit hatten wir keinen Stress. Nachmittags war nicht viel los, die Truppe vom Roten Kreuz war aber vor Ort und steht im Bedarfsfall habt Acht! Dort gaben wir unsere Einkäufe ab, die wurden zu den anderen Gaben der vielen Helfenden gelegt.

Danach gönnten wir uns noch einen Kaffee und Kuchen in einem Gastgarten beim Bahnhof. Um 16.05 Uhr fuhren wir wieder mit der Linie 25 zurück ins beschauliche Grödig. Auf der Fahrt lies ich noch mal alles Revue passieren und freute mich, dass wir auch einen kleinen Teil zur Hilfe beitragen konnten. Aber ich stellte mir auch die Frage, ob wir denn das Richtige gekauft haben. Die Menschen aus dem Süden sind ja eine andere Ernährung gewöhnt. Bei der Babynahrung kann man nicht viel falsch machen, aber zum Beispiel beim Brot. Ist hier Vollkornbrot opportun? Wir kauften beides, Vollkornbrot in Scheiben und Weißbrot in Scheiben. Da lern ich sicher noch dazu, es war sicherlich nicht die letzte Aktion von Muttern und mir!

P.S.: Es gibt auch noch was Erfreuliches zum heutigen Tag zu berichten! Ich bekam bei der Hinfahrt zum Bahnhof einen Anruf mit Grödiger Nummer. Ich dachte schon, dass es vielleicht eine hysterische Nachbarin ist, weil irgendwas aus der Wohnung kam. Aber nein, es war die Chefin des hiesigen Spar Marktes. Ich steckte mal einen Kassenzettel mit meinem Namen und Telefonnummer versehen in eine Gewinnbox bei der Kasse. Wenn man auf dem Bon ein Bio-Produkt von Spar Natur hatte, durfte man mitmachen. Und siehe da: ich habe den Hauptpreis, einen Grill gewonnen!

Vorgestellt: Die Salzburger Firma medPhoton entwickelte ein Gerät, mit dem in Zukunft eine millimetergenaue Strahlentherapie möglich sein wird. Dafür erhielt das Unternehmen den Salzburger Wirtschaftspreis und ist zudem für den Österreichischen Staatspreis nominiert.

Der Zufall hat mich auf diese interessante Story gebracht. Eigentlich wollte ich nur wissen, was in Zukunft mit der Frey-Villa passieren wird, die auf dem Stadtwerk-Areal im Salzburger Stadtteil Lehen steht. Mir wurde mitgeteilt, dass die Firma medPhoton in Zukunft alle drei Etagen dieses spätbarocken Hauses beziehen wird.

Nun war das Interesse geweckt und ich besuchte das Unternehmen in den Katakomben der Salzburger Landeskliniken. Dort legten Mitarbeiter letzte Hand am so genannten ImagingRing an. Zwei Jahre wurde an diesem Gerät getüftelt, das für eine Revolution in der Strahlenbehandlung sorgen soll. Der ImagingRing vereint zwei Anwendungen: Mit ihm erfolgt nicht nur die Bestrahlung, sondern er erstellt während der Behandlung 3-D-Fotos vom betroffenen Gewebe. Damit kann der Therapiestrahl punktgenau auf den Tumor gerichtet werden, ohne dass umliegendes gesundes Gewebe beschädigt wird. „Wenn früher ein Tumor zum Beispiel im Bereich des Zwerchfells lag und der Patient natürlich geatmet hat, war es  schwierig, das betroffene Gewebe zu treffen“, erklärt der Geschäftsführer von medPhoton, Heinz Deutschmann.

„Das Hospital in Boston gilt als eines der renommiertesten Krankenhäuser der Welt und setzt immer wieder Referenzen“

Der ImagingRing sieht einem Computertomografen ähnlich, wiegt allerdings nur 200 Kilogramm, da modernste Materialien wie Karbon oder Kohlefaser verwendet wurden. Zudem lässt sich der Ring, mit dem gescanned wird, von oben bis unten verschieben. Diese Erfindung hat sich bis in die USA rumgesprochen. Dort hat man unter anderem am General Hospital in Boston einen ImagingRing geordert. „Das dortige Hospital gilt als eines der renommiertesten Krankenhäuser der Welt und setzt immer wieder Referenzen“, so Deutschmann.

Im vergangenen Jahr erhielt das Unternehmen für ihre Erfindung den Salzburger Wirtschaftspreis. In diesem Jahr könnte eine weitere Auszeichnung folgen. medPhoton ist nämlich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für den Staatspreis nominiert worden. Demnächst fällt diesbezüglich eine Entscheidung.

Geschäftsführer Deutschmann denkt aber bereits an die Zukunft. „Wenn sich unsere Erfindung etabliert hat, soll es auch bei komplizierten Operationen zum Einsatz kommen.“ Erste Gespräche mit dem Primar Herbert Resch gab es bereits.