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Social Dining, Miteinander Essen oder Invitationsdepartement. Es geht immer um das Gleiche. Menschen, die sich nicht so gut oder gar nicht kennen, treffen sich zum Essen. Denn das Essen bringt die Leut zusammen.

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So geschehen auch Montag Abend im Bewohnerservice Gnigl/Schallmoos in Salzburg. Es treffen sich ÖsterreicherInnen und AsylwerberInnen.

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Um 12hr mittags beginnen die Köche mit den Vorbereitungsarbeiten. Es gibt orientalische Spezialitäten und Pizza. Das dauert. Um 19 Uhr warten dann über 30 Menschen auf das gemeinsame Essen. Und ein Gesprächsthema gibt es, um die ersten Hürden zu überwinden: das Essen.

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Und dann wird es schon persönlicher. Ich werde auch ausgefragt über Familie und Beruf. Und ich frage natürlich interessiert zurück. Und es dauert nicht lange, bis das Handy gezückt wird und die Familienfotos die Runde machen. Ein Flüchtling aus dem Irak erzählt mit sehnsüchtigem Blick von Frau, Töchtern und Sohn. Die Iranerin neben mir hat schon Asyl und ihre Tochter erklärt mir welche Buchstaben sie schon in der  ersten Klasse Volksschule gelernt hat.

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„Der Chefkoch“ des Abends kann mit mir auf Türkisch plaudern, das er von einem Freund gelernt hat. Es gibt viele Augenblicke mit fröhlichen Gesichtern und Gelächter. Und dann immer wieder sehr sentimentale Momente, die jeder für sich alleine erlebt, aber kurz später wird er schon wieder von der Gemeinschaft getragen. Das hilft. Und darum mag ich das und kann es nur jedem raten, es auch zu versuchen. Nach den ersten Minuten der Unsicherheit, ist das Eis gleich gebrochen, denn das Essen bringt die Leut zusammen.

von Michael König

Gemeinsames Kochen war vereinbart. Wir holen die vier syrischen Männer am Samstag Nachmittag vom Flüchtlingsquartier ab. Ich bin gespannt. Was wird mich an diesem Nachmittag & Abend erwarten? Einlassen auf das mk2Fremde in der Heimat und das gleich im eigenen Zuhause. Normalerweise naschen wir vom exotischen Duft des Fremden in der gesicherten geografischen Distanz einer Fernreise. Nun aber sind die Fremden zu uns gekommen. Fluchtort Salzburg. Ungefragt. Begegnung ist angesagt. Von der Theorie zur Praxis. Die Männer erwarten uns schon freudig. Die Gruppe für das gemeinsame Kochen konstituiert sich. Vier Männer und ein österreichisches Paar. Keine wirklich gegenderte Gruppe. 5 zu 1. Ich bin gespannt. Der Witz beginnt schon im Auto zu laufen. Wir kennen uns nur von flüchtigen Begegnungen im Flüchtlingsquartier, die Geflüchteten und wir.
Unsere erste Etappe führt uns in den Supermarkt. Machmut, der freundliche Koch aus Damaskus, dessen Restaurant im Bombenhagel in Schutt und Asche gelegt wurde, hat das Menü schon geplant: Tabola, Bamya, Kabsa (Reisgericht mit Huhn oder Lamm), Mzabal und Salate. Mithilfe der arabisch-deutschen Apps füllt sich der Einkaufswagen rezeptgenau. Lustvoller Kontaktaufbau beim gemeinsamen Auswählen. Lachen, Gestikulieren, Übersetzen, Raten. Der Wagen füllt sich. Ich muss sie ermutigen, den Einkaufswagen ausreichend zu bestücken. Was denken sich die vier Männer wohl? Der Begegnungsfunke ist jedenfalls schon übergesprungen.

 

In heiterer Stimmung geht’s auf die Autobahn und raus aufs Land. Zuhause angekommen, übernimmt Machmut die Regie. Drei Stunden wird nun in entspannter Atmosphäre gekocht. Wohlwollend verfolge ich, wie sich die Männer in unserer österreichischen Küche leichtens zurechtfinden. In einem großen Topf köcheln Hühnerkeulen, leckere Salate, Auberginencreme und würzige Reisgerichte nehmen Gestalt und Geschmack an. Mich beeindruckt die Ruhe und Sorgsamkeit, mit der unser Koch die Gerichte entstehen lassen. Serag, der Techniker eines Ölbohrfeldes bei Deir-ez-Zur und Taha, der Anästhesiepfleger, schildern mir währenddessen ihre Fluchtroute via Google map. Handy-Videos zeigen Bilder von den Fluchtwegen über schroffe mazedonische Berge und durch dichte serbische Wälder, die sie durchqueren mussten. Geschichten von überfüllten Booten in der Ägis, zurückgelassenen, hoffenden Ehefrauen und Kindern. Irgendwann merke ich, wie sich mein Rücken verspannt. Der Mzabal sieht besonders lecker aus. Das Leben geht weiter. Jeden Tag schickt Serag seiner Frau fünf deutsche Wörter in die Türkei, wo sie darauf wartet, ihrem Mann mit ihren beiden Kindern nachfolgen zu können.

Nach drei Stunden ist es soweit. Wir lernen, dass die herrlichen syrischen Gerichte alle gleichzeitig auf den Tisch serviert werden. So ist es in Syrien üblich. Die Hausherrin möge den ersten Bissen zu sich nehmen, geben uns die vier Männer zu verstehen. So wird das in ihrer Heimat gemacht. Aber sie sind doch Gast bei uns? Nein, wir haben uns mk1getroffen, um uns zu begegnen und gemeinsam zu kochen und zu essen. Also nimmt die Hausherrin genussvoll den ersten Bissen zu sich. „Wir freuen uns, dass Sie unsere Gäste sind“, diesen Toast auszusprechen, ist mir ein Bedürfnis. Mehrmals an diesem Abend:  „No, we are family“, korrigieren mich die Männer jedesmal mit funkelnden Augen. Ich beginne zu verstehen und denke mir: Das muss unser moderne Begriff der Wahlverwandschaft also meinen: Familie ist dort, wo Menschen in Beziehung treten, sich öffnen, sich einlassen aufeinander, einander teilhaben lassen an ihrem Leben. Wir genießen jeden Bissen dieser köstlichen syrischen Gerichte. In Gedanken sehe ich Machmut schon in seinem syrischen Lokal in der Altstadt von Salzburg kochen. Wird er es schaffen? Noch spricht er kein Wort Englisch und Deutsch. Er bangt um das Leben seiner Frau und seiner drei Kinder. Stress im Kopf blockiert das Ankommen in unserem Land und in unserer Sprache. Es wird ein langer Weg für ihn.

Narrationen des Lebens von dort und von hier füllen den Raum. Thaha ist vor 7 Tagen Vater geworden, er öffnet ein Foto am Handy von seinem kleinen Baby, das er noch nicht in seinen Armen wiegen durfte. Seine Frau wartet irgendwo in der Türkei in einem Flüchtlingslager. Mir wird es eng ums Herz. Wann wird er seinen Sohn erstmals in die Arme schließen dürfen? Thahas und Serags Frauen sind Krankenschwestern. Ich erzähle ihnen von den guten Jobchancen von Krankenschwestern in Österreich. Mit Interesse hören das die beiden Männer erstmals. Ein Thema verwebt sich mit dem nächsten. Wir halten Mahl mit den Fremden. Einer von ihnen, der charmante junge Hannibal, spricht und versteht nur Arabisch. Bis er irgendwann leicht verschmitzt und unvermittelt sagt: „Ich bin ledig.“ Schallendes Gelächter. Wir kennen uns aus. Nicht mehr lange wirst du das sein, geht es mir durch den Sinn.

Irgendwann spätabends fahren wir sie zurück in ihr nicht „Zuhause“. Was hat ihnen der Abend wohl bedeutet? Ich fühle mich tief beschenkt von diesem Begegnungsraum, der sich da auftat. Was als Geste des Willkommens gedacht war, wurde zu einer inspirierenden, bewegenden, nachdenklich-machenden, erweiternden Begegnung. We are family. Yes. You are right. We are. Thank you Machmut, Serag, Taha, Hannibal, Claudia.

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Wer so etwas Besonderes erleben möchte hat bei MITEINANDER ESSEN die beste Möglichkeit:

Stadt Salzburg – Miteinander Essen

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