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„Interstellar“ hat einen intensiven Wunsch in mir geweckt: Den Wunsch durch Zeitkrümmung an die Punkte meines Leben zurückzukehren, wo ich in Physik nicht aufgepasst oder Artikel über allgemeine Relativitätstheorie oder Astrophysik überblättert habe. Das ist unmöglich. Darum habe nachträglich ein klein bisschen nachgelesen (es gibt einige Artikel, die sich nur mit der Wissenschaft in „Interstellar“ beschäftigen) – und dann den Film ein zweites Mal angesehen.

Astrophysiker bin ich noch immer keiner, aber auch beim zweiten Mal war dieser Film ein sehenswertes Spektakel: beeindruckend, großartig und völlig überspannt.

INTERSTELLAR

Der Inhalt
In einer sehr nahen Zukunft wird die Welt allmählich unbewohnbar. Sandstürme toben regelmäßig, immer mehr Nutzpflanzen werden von Krankheiten befallen und können nicht mehr angebaut werden. Mais ist das einzige, das noch wächst – wer weiß, wie lange noch. Die Menschheit konzentriert sich darauf, irgendwie den derzeitigen Status zu halten. Da ist kein Platz mehr für Ingenieure und Erfinder mit ihren geldverschwenderischen Vorhaben. Der ehemalige NASA-Pilot Cooper [Matthew McConaughey] bewirtschaftet daher die Farm seiner Familie. Die Weltraumbehörde gibt es schon lange nicht mehr. Doch im Geheimen arbeitet Professor Brand mit ehemaligen NASA-Leuten an einer Raumfahrt-Mission, denn in der Nähe des Saturns hat sich ein Wurmloch aufgetan. Die Besatzung, darunter auch Brands Tochter Amelia [Anne Hathaway], soll in einer Lichtjahre entfernten Galaxie eine neue Heimat für die Menschheit finden. Cooper kann also wieder seinem Drang und seiner Bestimmung folgen, „seinen Platz zwischen all den Sternen zu finden“. Seine Tochter Murph [Mackenzie Foy als Kind, Jessica Chastain als erwachsene Murph] will ihn mit allen Mitteln zurückhalten. Sie verzeiht ihm viele Jahre nicht, dass er sie verlassen hat.

Eine neue Spielwiese
Christopher Nolan
ist als Regisseur nicht gerade dafür bekannt, dass er kleine, bescheidene Filme macht. Ob sein düsterer „Batman“ oder „Inception“ – seine Filme sind alle visuell bombastisch. Doch wo bei anderen die gewaltigen Bilder von der fehlenden Handlung ablenken, geht Christopher Nolan davon aus, dass sein Publikum durchaus fähig ist, auch komplexere Geschichten zu verarbeiten. Und tatsächlich: Manche Menschen haben das völlig verschachtelte „Inception“ schon beim ersten Mal Ansehen verstanden.

Im Vergleich scheint die Geschichte von „Interstellar“ erst einmal recht einfach (abgesehen von all dem wissenschaftlichen Gerede) und linear. Erst am Ende wirft eine Wendung diese Linearität über den Haufen – und mit ihr höchstwahrscheinlich auch das Raum-Zeit-Kontinuum, befürchte ich. Übrigens: Genau über diese Wendung, wie sie umgesetzt ist und was sie bedeutet, lässt sich nach dem Kino leidenschaftlich diskutieren und vortrefflich streiten.

Nichts zu streiten gibt es über die visuelle Kraft des Films, der zu zwei Dritteln im Weltall spielt. Und dieses All ist großartig anzusehen: Ein schwarzes Loch, die atemberaubende Fahrt durch das Wurmloch und fremdartige Planeten. Ich befand mich in einem 2 Stunden und 48 Minuten dauernden Zustand des Staunens.

INTERSTELLARAll You Need Is Love
Und dennoch ist die wichtigste Dimension des Films die menschliche. Sie ist nicht nur Beiwerk, um die Geschichte abzurunden – sie IST die eigentliche Geschichte. Im All beginnt Amelia über die Liebe zu philosophieren – darüber, welche Bedeutung sie hat. Was ist der Grund, dass sie eine solche Kraft besitzt, dass sie Distanzen von Milliarden Lichtjahren sowie die Zeit überwindet und sogar über den Tod hinausgeht? Die Liebe als innere Antriebskraft zieht Amelia zu einem fernen Planeten. Cooper, der Rationale, glaubt nicht daran, dass die Liebe eine Art höhere Macht ist und will sich nicht von ihr leiten lassen. Doch als ihm bewusst wird, was es wirklich bedeutet, dass in den für ihn wenigen Monaten seiner Reise auf der Erde viele Jahrzehnte vergangen sind, gerät er ins Wanken. Das Herz treibt ihn nach Hause zu Murph.

Erschreckend real?
In einer anderen Aussage über die Menschen fand ich den Film besonders interessant – und zwar darüber, wie die Gesellschaft damit umgeht, dass die Erde ihr keine Heimat mehr bieten kann. Sie beschäftigt sich nur mehr mit Dingen, die das Überleben sichern. Begabten Schülern wird vom Staat die Universitätsbildung versagt – sie sollen lieber Bauern werden, denn wir müssen essen. Nur nicht mehr hoch hinaus. Nur keine kostspieligen Innovationen mehr. Vielleicht können wir uns das später wieder einmal leisten. Irgendwann. Wenn ich daran denke, wie manche Probleme unserer Gesellschaft mit kurzsichtigen Entscheidungen und Einsparungen aufgehalten werden sollen, dann ist dieses Szenario gar nicht so weit hergeholt.

Meine Bewertung auf IMDB: 9 Punkte
Technisch perfekt, aber nicht überfrachtet, und mit einer Handlung, die ausgefeilt, durchgehend spannend und auch auf der menschlichen Ebene glaubwürdig ist.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter – der etwas andere Kinohit
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Carpe diem. Dieses Motto stammt aus einem anderen Film, doch es passt sehr gut hier. Denn: Jeder Tag wird besonders kostbar, wenn man weiß, dass die eigene Zeit begrenzt ist. „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ war nicht auf der Wunschliste für meinen Kinosommer. Keine Superhelden oder Monster, kein Tschin-Bumm und kein 3D. Der Film hat mich aber dadurch interessiert, dass er sich mit dem Thema des Sterbens beschäftigt. Ein gesellschaftliches Tabuthema, das nicht oft in einem Jugendfilm vorkommt. Dabei sind Jugendliche offenbar bereit, sich auch mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Der Film liegt weltweit an den Spitzen der Kino-Charts, genauso wie seine Romanvorlage von John Green zuvor schon die Bestseller-Listen anführte.
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Hazel Grace [Shailene Woodley] ist 16. Sie hat Lymphdrüsenkrebs und weiß, dass sie daran sterben wird. Ihre Lungen sind bereits voller Metastasen, so muss sie stets eine Sauerstoffflasche mit sich führen. Ihre besorgten Eltern [Laura Dern und Sam Trammell] schicken sie zu einer Selbsthilfegruppe, da sie deprimiert wirkt. No na, wie soll es einem schon gehen, wenn man langsam stirbt. So ungefähr ist Hazels Reaktion. Sie geht trotzdem hin.
Hazel lernt dort den 17-jährien Gus [Ansel Elgort] kennen. Er war Footballspieler, ist cool drauf und optimistisch, und das obwohl der an Knochenkrebs leidet. Stolz zeigt er sein Cyborg-Bein, das er erhalten hat, nachdem sein eigenes Bein amputiert werden musste. Und wie es so kommen muss, verlieben sich die beiden. Hazel will sich nicht binden, weil eine Beziehung keine Zukunft hat. Die Ängste von Gus sind andere: Er will der Welt in Erinnerung bleiben – um nichts möchte er vergessen werden.

Von der Story möchte ich nicht zu viel verraten, denn „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ zeichnet sich nicht dadurch aus, dass die Handlung sehr dicht ist. Seine Stärken liegen wo anders. Er teilt viel über die Gedanken und Wünsche der jungen Protagonisten mit, die sympathisch und ohne Schwermut dargestellt werden. Überhaupt wirkt der Film nicht bedrückend oder gar pathetisch. Gerade deshalb ging er mir viel näher, als ich das erwartet hatte. Ein bisschen Kitsch in der Mitte des Films kann man da schon nachsehen. Sagen wir, dadurch wird das Glück besser nachfühlbar, das die beiden jungen Leute empfinden, als es ihnen gelingt, aus ihrer gewohnten Umwelt auszubrechen, bei der sich fast alles um ihre tödliche Krankheit dreht. Und umso mehr empfindet man mit, wenn eine herbe Enttäuschung sie jäh aus diesem Glücksgefühl herausreißt.

In Amsterdam soll ein Lebenstraum von Hazel Grace in Erfüllung gehen

In Amsterdam soll ein Lebenstraum von Hazel Grace in Erfüllung gehen

Abschließend noch ein Tipp für junge Frauen und Mädchen, die dieses Jahr schon in allerlei Monster- und Superhelden-Filme mitgehen durften. Wenn ihr mit euren Boyfriends endlich mal was anderes sehen wollt, dann könnt ihr sie damit überreden, dass der Wandler aus „True Blood“ mitspielt und der Film gegen Ende äußerst Tempo-reich wird. Dass es sich dabei um Taschentücher handelt, müsst ihr ja nicht unbedingt dazuerwähnen.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Punkte
Eine schöne, einfühlsame Geschichte, die fast durchgehend zwei Stunden lang ein Thema behandelt, das keinem lieb ist. Besonders, wenn junge Menschen von einer tödlichen Krankheit betroffen sind. Mit ein bisschen Kitsch, aber ohne Schwermut. Vielleicht ein wenig zu konventionell im Verlauf.

Hier der Trailer zu „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“

 

Ein Beitrag unseres Gastautors Alois G. Auinger!

Für Anfang Mai ist es ein bisschen kalt, aber vielleicht sind das bereits die vorgezogenen Eisheiligen. Auf dem Weg zurück vom Briefkasten ein kurzer Blick auf die Titelseite der Morgenzeitung. Skandal und königliches Glitzern. Links unten eine kleine Notiz: Ein junger Mann geht für seinen in Amerika tödlich verunglückten Freund auf eine Pilgerreise. alois

Meine Gedanken schwirren um diesen nur oberflächlich wahrgenommenen Einleitungstext. Trotz des für die Betroffenen bestimmt traurigen Anlasses überkommt mich eine Welle von Dankbarkeit, fast Heiterkeit. Ich spüre in mich hinein, will wissen, woher dieses paradoxe Glücksgefühl kommt.

Peter Roseggers Gedicht kommt mir in den Sinn, und mir wird klar, warum ich so heiter bin.

Ein Mensch wollte seinen Lebenstraum verwirklichen, verließ seine Heimat und wurde Amerikaner. Mit Migrationshintergrund, wie es so technokratisch heißt. Und verunglückt tödlich.

Sein Freund nimmt im Gedenken an ihn die großen Strapazen einer Pilgerreise auf sich. Vielleicht um ihm nahe zu sein, seine eigenen Gedanken und Gefühle zu klären, einen Sinn in dieser Tragödie erkennen zu können.

Ist es nicht wunderbar tröstlich, dass es auch in unserem schnelllebig und oft beliebig gewordenen Leben unverrückbare Werte gibt? Zu allen Zeiten stehen über allem Geschehen Menschlichkeit, Liebe, Freundschaft.

Auch wir hier in Österreich sind neue Heimat für Menschen mit Migrationshintergrund, die ihren Lebenstraum verwirklichen wollen. Nehmen wir sie auch so offen und interessiert auf, wie Amerika den leider verunglückten Österreicher aufgenommen hat?

Können wir das Potential sehen und die neuen Fähigkeiten, die diese neuen ÖsterreicherInnen mitbringen? Die Bereicherung unseres Lebens, die wir so erfahren können?

Versuchen wir es, wir alle sind Menschen. Alle.