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Salzburg will demenzfreundliche Stadt sein. Das heißt bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen, die an Demenz erkrankt sind und ihre Angehörigen Unterstützung finden.

In Salzburg gibt es Tageszentren, Pflegedienste, Beratung, Selbsthilfegruppen und die Initiative der Stadt Salzburg „Konfetti im Kopf – demenzfreundliche Stadt“. Und heute gab es erstmals einen OPERetten-Nachmittag im Marmorsaal. Es kamen Menschen mit und ohne Demenz ins Schloss Mirabell. Fein gewandet, die Herren in Anzug oder Sakkos, die Damen hatten guten Schmuck angelegt. Es  herrschte eine erwartungsvolle Atmosphäre. Wie würde dieses Konzert verlaufen?


Adrian Kelly, Leiter der Opernsparte am Salzburger Landestheater, saß am Klavier. Seine Sängerinnen und Sänger präsentierten Klassiker aus Oper und Operette. Vom ersten Stück „In diesen heil’gen Hallen“ aus Mozarts Zauberflöte an, waren alle gefesselt. Musik und Stimmen berührten die Herzen. Immer wieder huschte ein Lächeln übers Gesicht des einen oder der anderen. Welche Erinnerungen kamen da wohl hoch? Manch Finger tippte im Takt mit und da gab es diese Dame, die den Text einer Arie leise mitsprach. Und gegen Ende des Konzerts fiel eine Frau in eine kurze Ohnmacht. Sie wurde auf Sesseln gelegt, ihr Mann kümmerte sich um sie. Und bei „Dein ist mein ganzes Herz“, das Franz Supper vortrug, schlug sie auch ihre Augen wieder auf.

Das war nicht das letzte Konzert, das es in Salzburg für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen gab. Der Applaus war Auftrag für eine Fortsetzung.

Wenn Andrea Sigl, Chefin vom Seniorenwohnhaus Hellbrunn, aus dem Nähkästchen plaudert, bringt sie einem zum Nachdenken.

Sie ist seit ihrem 18. Lebensjahr im Bereich der Pflege und Betreuung von Menschen tätig, davon lange Zeit in diversen Seniorenwohnhäusern. Ihr ist nichts Menschliches fremd und ihr täglich Brot ist die Zusammenarbeit mit Menschen. Natürlich mit alten Menschen und mit deren Angehörigen. Viele Bewohnerinnen in ihrem Haus sind dement. Demenz heißt in vielen Fällen, dass Menschen sich nicht mehr so benehmen, wie es „die Gesellschaft“ eigentlich erwartet. Gerade diese Woche hat die Polizei eine Bewohnerin ins Seniorenwohnhaus zurückgebracht, weil sie sie in der Stadt aufgegriffen haben. Mit zwei verschiedenen Schuhen an den Füßen. Ja, geht denn das? Ja, das geht, meint Andrea Sigl. Und wenn Menschen mit Demenz einfach nicht mehr mit dem Besteck essen wollen oder können, dann ist das auch gut, ergänzt Peter Speringer von der Küche, dann machen wir halt Fingerfood.

Warm, satt, sauber. ist das genug?

Die größten Sorgen der Angehörigen, aber auch mancher Mitarbeiter kann man mit „Sind die Senioren satt, sauber und haben sie es warm?“ zusammenfassen. Andrea Sigl erzählt, dass die Fragen der Angehörigen sich immer um das Körperliche drehen: Hat meine Mutter ihre Tabletten bekommen? Wann wird meinem Vater wieder der Bart gestutzt? Warum hat er schon wieder das gleiche Hemd an? Hat meine Mama zu Mittag alles aufgegessen?

Was sie in ihren langen Berufslaufbahn noch nie gehört hat: „Hat meine Mutter heute schon gelacht?“ Und genau so führt sie ihr Haus, der Mensch im Mittelpunkt, das Wohlfühlen die Basis, die Entscheidungsfreiheit der Bewohnerin Normalität und das Lachen eine Selbstverständlichkeit.

Mehr dazu bei Konfetti im Kopf

Von 27. Bis 31. März setzen 20 Salzburger Apotheken einen wichtigen Schwerpunkt: Information über Demenz.

Noch immer ist Demenz ein großes Tabu in unserer Gesellschaft. Am Anfang scheint es nur eine leichte Vergesslichkeit zu sein. Aber das ist nicht zu stoppen, kein Medikament kann Demenz heilen. Menschen mit Demenz machen viele merkwürdige Sachen und oft schämen wir „Gesunden“  uns dafür. Und wir glauben das Beste ist es einen Menschen mit Demenz nicht mehr zu oft hinaus zu lassen. In die Öffentlichkeit, ins Geschäft, in den Bus oder ins Museum. Aber das kann nicht der richtige Weg sein. Wir müssen gemeinsam Strategien entwickeln, um Menschen mit Demenz einen Platz in der Gesellschaft zu geben. Dazu gehört es aufzuklären und zu informieren. Seit 2015 ist die Salzburg auf dem Weg zu einer demenzfreundlichen Stadt – das Projekt heißt Konfetti im Kopf. Und seither sind auch die Apotheken an Bord.

Warum sind die Apotheken so wichtig?

Eine Apotheke ist eine besonders wichtige Gesundheitseinrichtung. Man braucht keinen Termin, man geht einfach hin. Meist geht man immer in die gleiche Apotheke, man kennt sich also. Und der Apothekerin fällt oft als Erster auf, dass ein Mensch sich ändert. Da ist die alte Frau, die jeden Tag kommt und das gleiche Medikament kauft. Da ist der Mann, der verschämt nach einem Hausmittel gegen Gedächtnisschwäche fragt. Und immer ist da ein Apotheker, der hinschaut, sich die Zeit nimmt, versucht ins Gespräch zu kommen. Das ist nicht so einfach. Die Apotheken in der Stadt Salzburg haben sich „Demenzfreundlichkeit“ verschrieben. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen  haben sich fortgebildet, in der Apotheke gibt es Informationen zur Demenz. Und eine Woche lang, von 27. -31. März, gibt es in 20 Apotheken der Stadt Salzburg Angebote für Interessierte, Betroffene und Angehörige. Das geht vom Demenzcafe, über Ernährungsberatung bis zu Gedächtnistraining.

Also: Schau in die Apotheke!

Bildnachweis: Neumayr/Leo

2016 war ein Jahr, das es in sich hatte. Meinen viele Menschen. Und in den Medien ist es auch so zu lesen. Die Historiker der Zukunft werden darüber ein Urteil fällen, ob das wirklich so ist. Mein 2016 war ein durchwachsenes Jahr. Ich habe viel erlebt, gesehen und gelernt. Drei Dinge haben mich besonders beschäftigt. Das wird mich auch 2017 begleiten.

Die Demenzaktivistin

Helga Rohra

Die demenzfreundliche Stadt oder Konfetti im Kopf, wie wir es jetzt nennen ist mir ein großes Anliegen. Ich habe nie viel mit Demenz zu tun gehabt. Aber jetzt lerne ich wöchentlich dazu. Ich lerne Betroffene und Angehörige kennen. Die Familien und die Menschen, die in ihrem Beruf mit demenziell erkrankten Personen arbeiten, haben meinen größten Respekt. Und meine Begegnung mit Helga Rohra, Demenzaktivistin und selbst an Lewy Body erkrankt, hat mir alle Scheu und Angst genommen. Und mich ermutigt weiter zu machen, auch wenn Demenz vielleicht kein Thema ist, das politisch besonders attraktiv ist. Aber für die Menschen, die betroffen sind, ist es wichtig. Tabus zu brechen, Unterstützung zu geben und die Stadt Salzburg demenzfreundlich zu machen. Diesen Weg gehen wir weiter.

Das verhüllte Mädchen

Im Frühjahr war ich in einem Kindergarten, um ein Projekt zu veröffentlichen. Mitten in der großen Kinderschar war ein Mädchen, 5 Jahre alt. Sie trug ein Kopftuch, alle Haare waren verhüllt, der Hals bedeckt. Ein Kopftuch trägt eine Frau, damit sie nicht attraktiv für fremde Männer ist. Aber ein Mädchen, mit 5 Jahren? Das vor lüsternen Blicken geschützt werden sollte? Nein, das kann es nicht sein. Das unterstellt auch Männern, dass sie nur triebgesteuert sind. Nach Jahrzehnten des Feminismus und des Kampfes für Gleichberechtigung, für ein Miteinander der Geschlechter auf Augenhöhe, hat ein verhüllendes Tuch nichts auf dem Kopf einer Fünfjährigen zu suchen. Dort wo ich Verantwortung trage, in den städtischen Kindergärten, will ich freie Mädchen und Jungen. Auch 2017 und darüber hinaus.

Mutter und Kind

Mestawet und Dina

Im Oktober war ich mit der Caritas im Libanon. Viel habe ich dort gesehen, was sich tief in mir eingebrannt hat. Aber besonders die Frauen und Kinder, die ich kennengelernt habe, sind mir immer noch sehr präsent. Zwei davon waren Mestawet und Dina. Eine starke Mutter, die unter widrigsten Umständen ihrer Tochter Dina eine Zukunft ermöglichen will. Und als ich mit der kleinen Dina ihr erstes Selfie machte und wir beide einfach nur herumblödelten, war mir klar, dass der Libanon nicht nur eine Erinnerung wird. Beirut, Rayfoun und die Bekaaebene sind aus den Nachrichten in mein Leben gekommen und haben einen Platz. Ich werde auch 2017 versuchen von Salzburg aus zu helfen.

Vielleicht ist es Demenz, wenn jemand:

1)      Das Dessert vor der Hauptspeise isst.

2)      Das volle Wasserglas als Brillenetui gebraucht

3)      Mit 65 Jahren nie ohne Teddybären im Arm die Semmeln beim Bäcker kauft

4)      Im Restaurant die Blumen mit Bier gießt

5)      Immer wieder in den Vorgarten vom Nachbarn pinkelt

6)      Den Kellner nicht von der Bettkante stoßen will und ihm das auch bei der Bestellung der Pizza mitteilt

7)      Als besten Freund einen Baum hat, von dem er jedes Blatt kennt.

Das Carecamp Demenz hat mir wieder gezeigt, dass Normalität eine Sache der Definition ist. Wenn Michael Schmieder darüber spricht, dass dement nicht bescheuert heißt versucht man die drei wesentlichen Fragen zu beantworten, die Demenz an uns stellt:

Michael Schmieder hinterfragt Normalität

Michael Schmieder hinterfragt Normalität

Sind 50 Paar Schuhe normal?

„Wer bin ich, wenn ich nicht weiß, dass ICH bin?“, „Was ist normal?“ und „Wie autonom sind wir Menschen?“. Es sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die uns durchs Leben leiten. Grenzen, Gesetze, soziale Normen, die uns das Zusammenleben erleichtern sollen. Was ist jetzt, wenn jemand diese  Normalität nicht mehr kennt? Oder wer sagt wirklich was normal ist. Ein Mensch, der 12 Packerl Butter im Kühlschrank hat? Oder ein Mensch, der 50 Paar Schuhe im Schrank hat? Was ist für uns normaler? Und wie lange halten wir es aus, wenn die Normalität durchbrochen wird? Das sind auch die grundsätzlichen Fragen, die Erich Schützendorf bei seiner „Reise ins Anderland stellt.“ In seinem einstündigen Vortrag kommt ihm nicht einmal das Wort Demenz über die Lippen. Es sind die Menschen im Anderland und die „Normalos“. Und wir „Normalos“ können die Menschen im Anderland treffen, Reisebegleiter sein, aber wir dürfen sie nicht bevormunden.

Erich Schützendorf nimmt uns mit auf die Reise ins Anderland

Erich Schützendorf nimmt uns mit auf die Reise ins Anderland

Das schwarze Loch vor der Tür

Und was mir so klar geworden ist beim Carecamp Demenz in den vielen inhaltlichen Diskussionen ist  mir auch ein politischer Auftrag: Die Menschenrechte müssen für ALLE gelten, auch für Menschen, deren Verstand entschwindet. Auch diese Menschen haben etwa das Recht nicht belogen und getäuscht zu werden. Etwa mit einer Bushaltestelle vor der Pflegeinrichtung, an der nie ein Bus hält und sie aber Stunde um Stunde warten. Und jene, die vor ihren Türen Fußmatten mit dem Bild eines großen schwarzen Lochs haben und die niemals darüber gehen können, weil sie Angst haben hineinzufallen. Ja, ihre Türe kann offen bleiben und trotzdem werden sie nie herauskommen können. Wir „Normalos“ müssen kreativ sein fordert Michael Schieder ohne diese Menschen in ihren Rechten zu verletzen. Das ist eine tägliche Gratwanderung, ein Abtasten, ein Probieren, auch ein Grenzüberschreiten, ein Scheitern, ein Gelingen. Und ich kann nur allen mit großem Respekt danken, die sich dieser Aufgabe stellen als Angehörige oder in der Arbeit von Einrichtungen und Pflegediensten. In ihrem Zusammensein mit Menschen mit Demenz oder ihrer Mitreise ins Anderland.

Mehr auf:  Konfetti im Kopf – Salzburg wird demenzfreundliche Stadt

In leichter Sprache!

Habt ihr schon mal von Demenz gehört?

Demenz ist eine Krankheit. Das Gehirn ändert sich. Dann hat ein Mensch Demenz. Viele Menschen vergessen etwas. Andere Menschen finden einen Weg nicht mehr. Diese Menschen erkennen manchmal auch die eigenen Kinder nicht mehr.

Viele Menschen sind 65 Jahre und älter, wenn sie Demenz bekommen.

Ein Mann mit Demenz hat gesagt: Das ist wie Konfetti im Kopf haben.

Wenn ein Mensch Demenz hat, kann er nicht wieder ganz gesund werden. Gegen Demenz gibt es keine Spritze, keine Tablette und keine Tropfen.

Manchmal ist das Leben schwierig, wenn man Demenz hat.

Auch für die Familie und die Freunde kann das sehr schwierig sein.

Ingeborg Modell, 82, und Helmut Faust, 74 (Senioren-Wohnpark Erkner) sind mehr als nur gute Freunde. Die beiden unternehmen viele Spaziergänge und wissen immer, wo der andere ist. Durch die gemeinsame Zeit hat sich eine Art Seelenverwandtschaft entwickelt.

Ingeborg Modell, 82, und Helmut Faust, 74 (Senioren-Wohnpark Erkner) sind mehr als nur gute Freunde. Die beiden unternehmen viele Spaziergänge und wissen immer, wo der andere ist. Durch die gemeinsame Zeit hat sich eine Art Seelenverwandtschaft entwickelt.

Die Stadt Salzburg möchte diesen Menschen helfen. Darum will die Stadt Salzburg demenzfreundlich sein.

Dieser Plan heißt „Konfetti im Kopf“:

Auf der Homepage Konfetti-im-Kopf gibt es viele Informationen.

Wenn jemand Demenz hat gibt es eine gute Beratung.

Wenn die ganze Familie Hilfe braucht gibt es viele Angebote.

Niemand darf mit seiner Angst alleine bleiben.

Viele Organisationen helfen mit, zum Beispiel:

Diakonie, Caritas, SGKK, Apothekerkammer, Erzdiözese Salzburg, Rotes Kreuz, Selbsthilfegruppe Alzheimerangehörige, carecamp demenz

Die Idee für Konfetti im Kopf kommt aus Hamburg. Herr Michael Hagedorn und seine Freunde wollen, dass viele Menschen etwas über Demenz wissen. Sie wollen auch, dass die Angst vor der Krankheit nicht so groß ist. Sie sagen, dass auch ein Mensch mit Demenz noch viele schöne Dinge erleben kann. Das will die Stadt Salzburg auch. Jetzt arbeiten die Hamburger und Salzburger zusammen. Sie machen viele Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Familien. Wer eine Idee hat oder etwas braucht kann sich hier melden:

Konfetti-im-Kopf

Bilder: Info-Z, Konfetti im Kopf