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Nach längerer Bauphase ist der untere Teil der Linzergasse in Salzburg fertig gestellt. Die Investitionskosten dafür belaufen sich auf 2,6 Millionen Euro. Politiker der Stadt und ein großer Teil der Geschäftsleute zeigten sich mit dem Ergebnis zufrieden. Also alles eitel Wonne? Nein, keineswegs. Ein Rundgang durch die Linzergasse offenbart die fehlende Barrierefreiheit. Nur ein winzig kleiner Teil der Geschäfte und Lokale bieten einen ungehinderten Zugang.

Ein Armutszeugnis für Salzburg, das sich damit rühmt, eine moderne Touristenstadt zu sein. Dazu gehört allerdings auch ein Zugang für alle Menschen. Es wird das große wirtschaftliche Potenzial verkannt, das durch die Schaffung von Barrierefreiheit entsteht. Rund ein Fünftel der Menschen haben eine Behinderung, dazu kommen noch zahlreiche ältere Menschen und Eltern mit Kinderwagen, für die der Zugang zu den Geschäften und Lokalen erschwert oder gar unmöglich gemacht wird.

Ein Experte, der sich mit der Materie intensiv befasst, ist Manfred Fischer. Der Oberösterreicher, der Schulungen und Sensibilisierungskurse abhält, sitzt im Rollstuhl und setzt sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein. „Die Linzergasse ist ein gutes Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Ich fahre zum Beispiel viel lieber mit meiner Frau und meinen Kindern in den Europark, weil dort alles barrierefrei ist.“

Doch wer trägt Schuld an diesem baulichen Desaster? Aus dem Bauamt kam die Aussage, dass man mit den Hausbesitzern darüber gesprochen habe, aber niemanden zur Umsetzung zwingen könne. „Es wäre so einfach. Man hätte die Investitionen zwischen den Hausbesitzern und den Geschäftsleuten aufteilen können. Alle hätten davon profitiert“, so Fischer weiter. Oftmals wird auch der Denkmalschutz als Ausrede hergenommen. „Das ist Blödsinn, in den meisten Fällen wird die Fassade gar nicht berührt“, sagt der Experte.

„Es war eine Bedingung von mir, dass der Eingang barrierefrei gemacht wird, wenn ich weiterhin hier die Apotheke führen soll“

Es gibt zumindest einen, der auf die Umsetzung von Barrierefreiheit gepocht hat. Werner Salmen, der Inhaber der Engel Apotheke in der Linzergasse 5. „Es war eine Bedingung von mir, dass der Eingang barrierefrei gemacht wird, wenn ich weiterhin hier die Apotheke führen soll“, so Salmen.

Nun wurde von der Stadt in Aussicht gestellt, dass bei der Renovierung ab dem ehemaligen Standort des Centralkinos hin zum Cornelius-Reitsamer-Platz und der Bergstraße die Barrierefreiheit umgesetzt werden soll. Ein kleiner Anfang, man darf gespannt sein.

monikaJede und jeder von uns ist von irgendwas abhängig. Davon, dass der Zug pünktlich kommt, damit der Anschlussbus erwischt wird. Dass das Gehalt pünktlich am Konto einlangt, damit die Miete bezahlt werden kann oder dass die Sonne scheint, damit der Urlaubstag genutzt werden kann. Meine Abhängigkeit ist anderer Natur. Ich bin von meinem elektrischen Rollstuhl abhängig. Vielmehr davon, dass er funktioniert. Er macht möglich, dass ich selbstständig essen, Dinge vom Boden aufheben, von A nach B kommen, kopiere, Geld abheben, Toilette benutzen und mich selbstbestimmt im Alltag bewegen kann.

Nun haben aber Rollstühle auch ein Eigenleben und dramatisch wird’s, wenn sich die Elektronik verabschiedet oder ein Teil bricht. Dann heißt es ab in die Werkstatt. Grundsätzlich kein Problem, aaaaber was ist mit mir? Soll ich mich nun bis zur Rückkehr meines Hilfsmittels tiefkühlen lassen? Manche werden nun denken, na dann halt einen Ersatzrolli nehmen. Wenn das so einfach wäre. Mein Rolli ist auf mich persönlich zugeschnitten und da gibt es leider keinen Ersatz. Wenn dann gäbe es nur die Möglichkeit eines zweiten Rollstuhles, doch das verwehrt mir der Sozialversicherungsträger – seit eineinhalb Jahren.

Und so fühlte ich mich ohne meinen E-Rolli die letzten zehn Tage wie amputiert und „ans Bett gefesselt“. Wobei fesseln müsste mich da niemand, wenn mensch mich ins Bett reinlegt, kann ich sowieso nichts selbständig ausführen – nicht mal Nasenbohren. Wie sehen nun die Tage ohne meinen E-Rolli aus? Morgens in einen Schieberolli setzen und wissen, dass ich spätestens nach drei Stunden Verspannungen am ganzen Rücken habe. Nichts trinken. Wenig essen. Mittags warten, dass mein Mann oder mein Sohn schnell von der Arbeit nach Hause kommt und mir hilft die Toilette zu benutzen. Danach wieder warten, bis mein Mann von der Arbeit nach Hause kommt. Diese Stunden dazwischen ziehen sich wie bester Kaugummi. Jetzt habe ich meinen E-Rolli wieder zurück und fühle mich wie neugeboren.

Schnell verschiebe ich die Gedanken, dass er bald wieder defekt ist, doch sie sind da …

Monika Schmerold ist 49 Jahre, gelernte Finanzbuchhalterin, studierte Sozialarbeiterin und Gründerin des Vereins Knack:punkt. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Zartbitter: Du führst ein Leben aus einer anderen Perspektive. Wie kann man sich das vorstellen?Monika

Monika: Mit Behinderung ist man in der Minderzahl, überall trifft man auf Barrieren. Die Umwelt ist auf das Gros der Menschen ausgerichtet. Wäre es umgekehrt, dann hättest du jetzt die Minderheitenperspektive.

Zartbitter: Du hast den Verein Knack:punkt gegründet. Was macht der Verein?

Monika: Das ist ein Verein von und für Menschen mit Behinderung. Wir haben uns dem Selbstbestimmt-Leben Paradigma verschrieben.

Zartbitter: Was heißt das?

Monika: Selbstbestimmt-Leben heißt die selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Und wir wollen mitbestimmen, das heißt es geht nichts über uns und ohne uns.

Zartbitter: Warum der Name Knack:punkt? Und wie viele engagieren sich im Verein?Monika Schmerold

Monika: Wir wollen Probleme knacken und die wichtigen Punkte suchen, die Nachteile, die man durch eine Behinderung hat, aufzeigen. Im Vorstand sind wir 3 Personen. Mitglieder haben wir 32 Menschen mit den verschiedensten Behinderungen. Nichtbehinderte können unterstützende Mitglieder werden.

Zartbitter: Wie gehst du mit den Blicken um, die dir und deinem Rollstuhl gelten?

Monika: Ich bemerke sie nicht mehr, früher hat es mich gestört. Man fällt ständig auf und ist im Mittelpunkt, man geht nicht in der Masse unter, es gibt keine Anonymität. Kinder sind anders, sie schauen interessiert. Manchmal überhole ich einen Kinderwagen und das Kind schaut direkt und fragt ganz offen. Bei Erwachsenen ist die Hundertstel Sekunde, die sie länger schauen unangenehm, da fühlt man sich beobachtet. Eigentlich wie ein Promi, nur bei mir schauen keine Paparazzi.

Zartbitter: Was rätst du Menschen, die etwa durch einen Unfall erst als Erwachsene plötzlich behindert sind?

Monika: Gerade nach einem Unfall muss man das Selbstbewusstsein stärken. Das Leben ist auch mit Behinderung lebenswert und man kann viel erreichen.

Zartbitter: Hast du eigentlich durch deine Behinderung ein besonderes Potenzial?Monika Verein Knackpunkt

Monika: Ja, ich setze mich intensiver mit dem Leben, der Umwelt und dem Alltag auseinander. Mein größter Wunsch wäre es auch nicht, keine Behinderung zu haben. Ich habe eine besondere Sichtweise durch meine Behinderung und ich lerne immer Menschen kennen, die ich sonst nie kennengelernt hätte.

Zartbitter: Was wünscht du dir für Menschen mit Behinderung in Zukunft?

Monika: Den Abbau von Barrieren und das beginnt im Kopf. Man muss wissen, dass es jeden in der nächsten Sekunde mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung treffen kann. Nichts ist eine Selbstverständlichkeit. Und am schönsten wäre es, wenn unser Verein nicht mehr notwendig wäre.

Zartbitter: Danke für das Gespräch und den Perspektivenwechsel.

im Facebook und im Internet findet ihr den Verein Knack:Punkt unter:

http://www.facebook.com/pages/Knackpunkt-Selbstbestimmt-Leben-Salzburg/202366959881249?fref=ts

www.knackpunkt-salzburg.at