FIFA go homeSpitzen-Sportfunktionäre von nationalen olympischen Komitees, vom IOC bis hin zur FIFA halten in Sonntagsreden gerne die olympischen Ideale hoch: Friede, Freude, Fairplay und dabei sein ist alles. Kritik wird mit dem Hinweis „Es geht doch um Sport und nicht um Politik“ abgewehrt. Den schwarzen Peter schieben sie den Politiker/innen zu. Und das zu recht, denn natürlich ist es eine politische Frage, wenn Millionen Steuergelder in Österreich oder Milliarden in Russland und Brasilien für Infrastrukturprojekte ausgegeben werden, die niemand braucht. Die Vergabe der Spiele an Länder in denen massive Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung stehen, liegt jedoch sehr wohl in der Verantwortung der internationalen Sportverbände. Zu Schweigen, wenn Menschen ausgebeutet, unterdrückt oder ermordet werden ist nicht a-politisch, sondern ein klares politisches Statement. Durch Wegschauen, werden die Täter unterstützt und die Opfer ignoriert. Der diesbezügliche Tiefpunkt waren zweifelsfrei die Olympischen Spiele 1936 in Nazi-Deutschland.

2008 war der Kapitelplatz in Salzburg zur Zeit der Fußball EM eine offizielle Fan-Zone. D.h. eine abgesperrte Zone mit großer Leinwand zum gemeinsamen Fußballschauen. In und rund um diese Zone war – genauso wie rund um`s Stadion – bis ins kleinste Detail geregelt, welche Biermarke in welcher Größte beworben werden durfte. Die TV- und Sponsoring-Verträge bei Sportgroßereignissen füllen Seiten und überlassen nichts dem Zufall. Red Bull Salzburg kann davon ein Lied singen: In der Europa League musste der Vereinsname auf FC Salzburg umgeändert werden und in Leipzig steht „RB“ für „Rasenballsport“. Die Vorgaben von UEFA, FIFA und Co sind, was die Stadien, die Fernsehrechte oder Werbeverträge betrifft, genauestens festgeschrieben. Die Vorgaben für Kinderrechte, Arbeitsrechte oder Menschenrechte sucht man vergeblich. Da wird seitens der Sportfunktionäre auf Absichtserklärungen, die Politik, die UNO oder einen „say no to racism“-Werbefilm verwiesen. Während zeitgleich tausende Menschen in Russland oder Brasilien vertrieben werden, Baukonzerne in Katar die Stadien-Arbeiter wie Sklaven halten oder Kinder Fußbälle nähen. Es ist höchst an der Zeit bei Mega Sport Events in den Bewerbungs- und Ausschreibungsverfahren verbindliche Menschrechts-Standards zu verankern und umzusetzen. Nur so kann verhindert werden, dass wie zur Zeit in Katar, die WM-Bauten täglich einen Toten fordern.

 

Andreas Praher

Ein Beitrag von Andreas Praher

Barricada Brasil

Heute, um exakt 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit wird zum größten Fußballereignis des Jahres angepfiffen. Gastgeber Brasilien empfängt Kroatien. Abseits des grünen Rasens hat Brasilien die Weltmeisterschaft schon jetzt verloren. Gesellschaftlich reißt das Mega-Event der Superlative tiefe Wunden auf. Es verdeutlicht einmal mehr die vorherrschenden sozialen Unterschiede in einem der stärksten wachsenden Märkte der Welt. Der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre hat die brasilianische Bevölkerung in falscher Hoffnung gewogen. Sie wird jetzt enttäuscht.Tatsächlich stieg der Mindestlohn in den vergangenen elf Jahren um inflationsbereinigte 80 Prozent. Doch eine Oligarchie bestimmt bis heute die Geschicke des Staates. Sie setzt über politischen Druck auf Kosten der Bevölkerung ihre Interessen durch und geht mit ihren Mafia-Methoden bis ans Äußerste. In den überdimensionalen Stadienbauten tritt dieses Machtgefüge zu Tage.

Um die Interessen der Bundesstaaten zu befriedigen, entschloss sich das Gastgeberland, zwölf Arenen zu errichten. Für die Austragung hätten acht gereicht. 505 Millionen Euro kostete allein das Stadion in der Hauptstadt Brasilia, doppelt so viel wie veranschlagt. Es ist damit die teuerste WM-Spielstätte, die jemals gebaut wurde. Laut Berechnungen des Online-Portals UOL sind die Baukosten auf 2,68 Milliarden Euro explodiert – mehr als Deutschland und Südafrika gemeinsam für die WM-Spielstätten ausgegeben haben.
In Sao Paolo, wo das Eröffnungsspiel stattfindet, sind die Mieten durch den Bau der WM-Arena um mehr als 100 Prozent gestiegen. Immer mehr Areale sind zu Spekulationsobjekten verkommen. Während Aber-Millionen in die Kassen von Bau-Konzernen und Immobilien-Haien flossen und immer noch fließen, wurden Tausende aus ihren eigenen vier Wänden vertrieben und bekommen nicht einmal eine Eintrittskarte für ein Spiel. Landlose haben ein Gebiet in der Nähe des Stadions besetzt. Seit Tagen wird in der U-Bahn gestreikt. „Der Mangel hält das Land zusammen“, analysiert der Schweizer Journalist, Dokumentarfilmer und Brasilien-Kenner Ruedi Leuthold. Das zeigt sich in den landesweiten Protesten.
Um das Leben von Fans, Spielern oder Funktionären muss sich die brasilianische Regierung nur bedingt Sorgen machen. Weit mehr müssen sich die politischen Verantwortlichen die Frage stellen, wie sie mit der eigenen Bevölkerung verfahren. Letztendlich sind im Herbst die brasilianischen Präsidentschaftswahlen und bei diesen braucht Präsidentin Dilma Rousseff der Welt nicht mehr beweisen, welch erstklassige Organisatorin sie in Sachen Fußball-WM ist. Dann muss sich die Staatschefin vor ihrem eigenen Volk verantworten. Denn im Unterschied zu den Besuchern und dem weit entfernten Million-Publikum, werden die 200 Millionen Brasilianer nach dem Schlusspfiff auch noch da sein. Die FIFA interessiert das bekanntlich wenig. Sie verabschiedet sich nach den Weltmeister-Feierlichkeiten in die Wüste und plant für 2022 in Katar ihren nächsten WM-Zirkus.

 

Deutschland11.       Weil ich wieder einen Grund habe ungehemmt Chips, Bier, Gillzeugs etc. zu kaufen. Es gibt es keine Ausreden zwecks gesunder Ernährung mehr. Auch wenn ich weiß, dass ich das wieder büßen werde.

2.       Weil es die erste WM ist, die ich mir – zumindest teilweise – mit meinem Sohn als Experten (7Jahre) ansehen werden kann.

3.       Weil man fast täglich einen Anlass hat sich mit Freunden zu treffen um ein Match zu schauen und somit die perfekte Ausreden für lästige Gartenarbeit (der Rasen kann ruhig einen Monat warten) hat.

4.       Weil die Supermärkte voll von sinnlosen Fußball-Zeugs sind. Da gibt es alles in einer „Fußballedition“: Das Vanille-Schokoeis in Fußballform und -muster schmeckt einfach tausendfach so gut, wie die „normale“ Ausgabe, die man aus einem Becher löffelt.

5.       Weil man offen seine Sympathie für gewisse Arten von Fußball ausleben darf und als Österreicher besonders arrogant auf so Fußballzwerge wie Holland oder Deutschland hinunter blicken kann.

Deutschland 26.       Weil man Freunde mit Oranje-Giveaways überraschen kann und die sich freuen wie ein kleines Kind

7.       Weil eine Fußball-WM in ein Land wie Brasilien gehört. Ähh wo finden die nächsten WM’s  statt und wer bekam dafür Geld?

8.       Weil man ungestraft Fußballtrikots ins Büro anziehen kann und eine Zeit lang war man damit sogar Trendsetter (ich?).

9.       Weil Fernseher so günstig wie nie zuvor sind. Wann geht denn meine alte Kiste endlich ein, so dass ich mir einen 4k-Ultra-HD-3D mit gebogenem Display kaufen kann.

10.   Weil sich die Welt recht einfach einteilen lässt: Die, die Fußball und damit die WM mögen und die, die ihn hassen! (Wir hassen sie!)

11.   Weil selbst der Papst mit einer Mannschaft mitfiebern wird.

Alles in allem einfach wichtige Punkte und ihr müsst bitte verstehen: Ab Donnerstag regiert König „Fußball“. Und frei nach Bill Shankly:

„Football’s not a matter of life and death … it’s more important than that“

Und hier noch schnell meine Tipps wer den Pott mit nach Hause nimmt. So wie es aussieht haben alle (fast) großen Mannschaften (Verletzungs-)Probleme: Bei den Deutschen steht die Vorbereitung unter keinem guten Stern (macht sie das etwa gefährlich auf den Titel?). Bei den Spaniern glaube ich, dass sie einen Generationenwechsel verpasst haben Über England rede ich lieber gar nicht mehr. Brasilien steht brutal unter Druck. Holland plagt der Verletzungsteufel und es fehlen neue Stars. Noch nie wurde ein europäisches Team außerhalb von Europa Weltmeister. Äh außer Spanien in Südafrika natürlich! Damit würde vieles für Argentinien sprechen. ich lege mich aber fest: Ich tippe auf Italien und Spieler des Wettbewerbes wird Angel di Maria von Argentinien.

Und wer nicht bis morgen warten kann, hier ein paar WM-Highlights der letzten Jahre:

www.youtube.com/embed/RFKJA8mnG1E

www.youtube.com/embed/lXicnEYDZsY

www.youtube.com/embed/pIAFE8q83jg

Die Wut in der brasilianischen Bevölkerung wächst: Während für die WM Milliarden locker gemacht werden, haben Volksschulen in Amazonien nicht einmal Tische und Bänke. Die Kinder liegen am Boden. Tag für Tag. Krankenhäuser sind überfüllt und schlecht ausgestattet. Patient/innen werden nicht aufgenommen oder sterben unbetreut am Gang. Foto: Yuri Brito

Die Wut in der brasilianischen Bevölkerung wächst: Während für die WM Milliarden locker gemacht werden, haben Volksschulen in Amazonien nicht einmal Tische und Bänke. Die Kinder liegen am Boden. Tag für Tag. Krankenhäuser sind überfüllt und schlecht ausgestattet. Patient/innen werden nicht aufgenommen oder sterben unbetreut am Gang. Foto: Yuri Brito

Start von Wolfgang Heindl’s WM Serie: Wut Macher WM Die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien beginnt in wenigen Tagen. Erinnern Sie sich noch an die olympischen Winterspielen? Richtig, die waren heuer in Sotschi, Russland. Das war noch vor der Ukraine-Krise. Kritik an Russland und den Veranstaltern gab es da bereits schon – und nicht zu knapp.  Wissen Sie wo die nächste Fußball WM 2018 stattfinden wird? Richtig, in Russland. Dafür dann 2016 halt olympische Sommerspiele in Rio de Janeiro. Korrupte und autoritäre Sportverbände flüchten mit ihren Mega-Events in Schwellenländer bzw. autoritäre Regime: Die Eishockey WM fand heuer in Weißrussland statt, 2016 ist (erraten!) Russland dran. Die Fußball WM 2022 findet (vielleicht) in Katar statt, die Winterolympiade 2018 in Südkorea. Dort wo die Bevölkerung gefragt wird, entscheidet sie gegen Spiele: Zuletzt in Stockholm, davor in St. Moritz, München und Salzburg Stadt. In Ländern wie Brasilien wird nicht gefragt. Aus gutem Grund, denn aktuelle Umfragen belegen, dass die Mehrheit keine Fußball WM will. „Não vai ter copa“ – es wird keine WM geben – ist der Slogan der WM-Kritiker/innen in Brasilien. Seit den Protesten rund um den Confed-Cup letztes Jahr nehmen FIFA und die brasilianische Regierung diese Drohung ernst: 900 Mio. Dollar hat sich die FIFA die Versicherung für einen Ausfall der WM (u.a. durch Proteste und Unruhen) kosten lassen. Und die brasilianische Polizei setzt verstärkt auf Härte.

Diese Serie wird in den nächsten Wochen auf zartbitter.co.at die WM kritisch begleiten und Hintergründe & Zusammenhänge abseits des grünen Rasens in den Blick rücken.

atsv1So nun kann also meine erste U10-Trainingseinheit mit 12 Kindern beginnen. Hab all meine Unterlagen durchforstet und das perfekte Training aufgebaut. Hütchen, Stangen, alles nach dem Vorbild der holländischen Nachwuchsarbeit ausgerichtet. Die Kinder brauchen mindestens 1000 Ballkontakte pro Training, um technisch ähnlich versiert wie brasilianische StrandkickerInnen zu werden. Das kann nicht so schwer sein, denn schließlich haben die Kinder einen ausgebildeten Nachwuchstrainer mit Erfahrung im Kampfmannschaftsbereich und als Leiter einer Fußball-Bambinigruppe. Doch was soll das im ersten Training: Ich soll die Schuhbänder binden, muss mit den Kindern aufs Klo gehen, Nasen bluten, Seitenstechen. Während ich wegschaue, werden die Hütchen umgeschossen oder Blumen gepflückt, zwei Kinder sind aufs Tor geklettert. Wo sind meine sieben Co-Trainer, aso, ich habe ja gar keinen. Muss ich die Kinder jetzt mit Geldstrafen oder Liegestützen bestrafen? Ich glaube, mich überfordert schon das erste Training.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAber bis zum ersten U10-Meisterschaftsspiel werden wir das mit viel Training schon in den Griff bekommen. Bei sommerlichen Temperaturen schauen die Mütter bei jedem Training zu, bestimmen die Trinkpausen, sagen den Kindern, dass sie nicht so viel laufen dürfen und sich mehr im Schatten bewegen sollen. Das sind also meine Co-Trainer. Endlich kommt das erste Meisterschaftsspiel: Ein fulminanter 4:2 Sieg und ein Trainer mit breitgeschwellter Brust. Habe ich doch alles richtig gemacht, die Kinder haben Glück mit dem Trainer, ein Erfolgsgarant. Sieben Spiele später – dazwischen liegen äußerst knappe 2:14 und 2:9-Niederlagen – folgt das das letzte Meisterschaftsspiel: Es geht um den letzten Platz. Mit Ach und Krach 5:3 gewonnen und Platz 7 von 10 Mannschaften belegt. Fazit: Nachwuchstrainer sein ist gar nicht so leicht oder wie viele Mütter als Co-Trainer verträgt ein Trainer oder wie lange muss der Atem als Nachwuchstrainer sein?

ratzenbergerkarteEin Beitrag von Harald Saller:

Gewisse Tage im Leben vergisst man nicht. Einer davon ist der 30. April 1994. Es ist ein herrlicher Frühlingstag mit angenehmen Temperaturen. Ich bin an diesem Nachmittag mit Schulkollegen bei einem Fußballspiel, als plötzlich ein junger Mann zu uns kommt und sagt: „Habt ihr schon gehört, da Ratzenberger ist tödlich verunglückt!“ Geschockt von dieser Meldung schwinge ich mich auf mein Fahrrad, fahre nach Hause und drehe Fernseher und Radio auf. Nach einiger Zeit kommt tatsächlich die Meldung, dass Salzburgs erster und zugleich einziger Formel-1-Fahrer im Qualifying zum Großen Preis von Imola tödlich verunglückt ist. Der 33-Jährige war mit seinem Boliden bei rund 300 km/h aufgrund eines Bruchs des Frontflügels von der Strecke abgekommen und gegen eine Mauer geprallt. Ratzenberger hatte keine Chance zu überleben. Es sollte eines der schwärzesten Formel-1-Wochenenden der Geschichte werden. Nur einen Tag später kommt der dreifache brasilianische Weltmeister Ayrton Senna ums Leben.

Heute jährt sich der Todestag von Roland Ratzenberger zum 20. Mal. Ich hatte leider nicht die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen. Als er starb, war ich erst 13 Jahre alt. Als jemand, der ebenfalls seit frühester Kindheit vom Motorsport fasziniert war, habe ich seine Karriere via Fernsehen, Magazine und Zeitungen verfolgt. Ich habe Bücher gewälzt und später im Internet Videos von früher angesehen. Der stets auf Vollgas getrimmte Rennfahrer machte den Eindruck eines stattlichen Mannes, der mit seiner charismatischen Persönlichkeit jeglichen Raum ausfüllt und obendrein genau weiß, was er will.

Ich habe den traurigen Anlass genutzt und die Eltern von Roland Ratzenberger besucht, um über das Geschehene zu sprechen. Sein Vater Rudolf und seine Mutter Margit leben in der Wohnung in Salzburg-Maxglan, die ihr Sohn eine Woche vor seinem Tod gekauft hatte. Roland ist noch immer allgegenwärtig.

 

Eltern von Roland Fotos, Pokale und Modelle seiner Rennwagen zieren das Wohnzimmer. „Roland lebt noch immer bei uns mit“, sagt sein Vater. Der heute 81-Jährige hat Stress, wie er sagt. Zahlreiche Journalisten aus dem In- und Ausland rufen ihn an, um über seinen Sohn zu berichten. „Ich spreche gerne mit den Journalisten. Für mich ist das eine Art der Trauerbewältigung.“ Er und seine Frau besuchen regelmäßig das Grab auf dem Maxglaner Friedhof, das nach wie vor Fans aus der ganzen Welt besuchen und schmücken. „Ein Mal ist ein ganzer Bus mit Japanern zu uns gekommen. Das war eine herzliche Angelegenheit“, sagt Vater Rudolf und lächelt. Seine Worte klingen so lebendig, dass man den Eindruck gewinnt, Roland würde jederzeit bei der Tür hereinspazieren.

Als Roland Ratzenberger, der im Salzburger Stadtteil Gnigl aufgewachsen ist, seinen Eltern sagt, dass er Rennfahrer werden wolle, sind diese alles andere als begeistert. „Ich wollte eigentlich, dass er die HTL absolviert und einen technischen Beruf erlernt. Leider musste er in der vierten Klasse die Schule verlassen“, so der Vater. Der Junior habe sich aber ohnehin nicht von seiner Idee abbringen lassen. „Er war sehr ehrgeizig, zielstrebig und vor allem geschäftstüchtig. Er wollte sich von uns gar nicht helfen lassen.“

Roland arbeitet unter anderem als Instruktor und Mechaniker in der Rennfahrerschule von Walter Lechner. „Er schraubte oft bis zum Umfallen. Er nahm sich nicht Mal die Zeit, etwas Vernünftiges zu essen“, so der Senior. In Italien schult er Bodyguards von reichen Leuten, wie man den Wagen in Grenzsituationen beherrscht. Mit dem verdienten Geld finanziert er sich seine Karriere als Rennfahrer.

1980 macht er das erste Mal auf sich aufmerksam. Der damals 20-Jährige gewinnt die „Jim Russel Trophy“. Drei Jahre später folgt der erste Sieg in der Formel Ford auf dem Nürburgring. 1986 gewinnt er als bisher einziger deutschsprachiger Rennfahrer beim Formel-Ford-Festival im englischen Brands Hatch. Seine Eltern sowie seine zwei Schwestern verfolgen das Geschehen von Salzburg aus. „Ich war nur bei einem Rennen in der Formel Ford Mitte der 80er dabei.“, erinnert sich Vater Rudolf.

1989 erfolgt der nächste Karriereschub. Roland Ratzenberger wird der erste europäische Werksfahrer bei Toyota. Er pendelt zwischen Japan und Europa, fährt zahlreiche Rennen in der Formel 3000, in der Gruppe A und C und zusätzlich für BMW im Tourenwagensport. In einer japanischen Bar kommt es zu einer brenzligen Situation. Ein Mann bedroht Ratzenbergers deutschen Rennfahrerkollegen Heinz-Harald Frentzen mit dem Messer. Roland schiebt sich mutig dazwischen und entschärft die gefährliche Angelegenheit. Zu diesem Zeitpunkt verdient er bereits gutes Geld und kann ein feines Leben führen. Er kauft sich einen Porsche 911 Carrera, von dem er immer geträumt hatte.

Seinen großen Plan von der Formel-1-Karriere hat er damals schon fast aufgegeben, schließlich ist er bereits über 30 Jahre alt. Durch seine Geschäftstüchtigkeit kommt er mit Barbara Behlau in Kontakt. Die Inhaberin einer Kultur- und Sportagentur in Monaco finanziert ihm den Formel-1-Einstieg beim englischen Team Simtek – vorerst für fünf Rennen für die Saison 1994. Im unterlegenen Wagen des britischen Rennstalls verpasst er die Qualifikation für das Rennen im brasilianischen Interlagos. Beim zweiten Rennen im japanischen Aida schafft Ratzenberger den Sprung ins Starterfeld. Er wird schlussendlich Elfter.

Das dritte Rennen findet in Imola in San Marino statt, die fatalen Ereignisse nehmen ihren Lauf. „Ich habe mich immer damit getröstet, dass Roland bei dem gestorben ist, was er am liebsten gemacht hat. Meine Frau hat das Ganze mehr mitgenommen“, sagt Vater Rudolf, der sich bei unserer Verabschiedung für mein Kommen und der Anteilnahme bedankt.

Ironie des Schicksals: Auf dem Toyota, mit dem Roland Ratzenberger bei den 24 Stunden von Le Mans hätte starten sollen, steht noch sein Name. Ersatzfahrer ist der Amerikaner Jeff Krosnoff. Er wird Zweiter beim Langstrecken-Klassiker, verunglückt aber nur zwei Jahre später bei einem Rennen zur Indycar-Serie in Toronto ebenfalls tödlich.