Anfangs war es mir unangenehm. Die bittende Haltung, die Unterwürfigkeit, das zur Schau Stellen einer massiven körperlichen Beeinträchtigung. Wie sollte ich damit umgehen? Wenn ich etwas gebe, so hilft es ihnen auch nicht weiter. Will ich sie hier haben in meiner Stadt? Kommen da nicht noch mehr, wenn ich etwas gebe? Ich wandte mein Gesicht ab.

Dann schaue ich aber hin und mein Blick wandelt sich: Menschen, die im Grunde die gleichen Bedürfnisse haben wie du und ich. Menschen, die ein Geschichte haben und vom Schicksal geschlagen werden. Sie zeigen mir, dass Armut bitter schmeckt und auch in einer der reichsten Städte der Welt Realität ist. Der Großteil des Elends spielt sich im Verborgenen hinter den Kulissen ab. Meine (Groß-) Elterngeneration hat diese grausame Armut noch selbst am eigenen Leib gespürt.

Wenn ich heute morgens durch die Innenstadt zur Arbeit gehe, treffe ich bekannte und unbekannte Gesichter. Ich werde freundlich gegrüßt. Ich nicke und lächle respektvoll zurück. Manchmal gebe ich etwas, manchmal nicht. Mein Leistungsdenken macht mich nicht zu einem besseren Menschen. Ich bin der Meinung, dass die Bettelmigranten Salzburg vielfältiger und solidarischer machen. Das zeigen auch die unterschiedlichen Beiträge hier auf Zartbitter u.a. von Alexandra Schmid und Astrid Steindl. Mich bereichern sie auf jeden Fall.

Deshalb unterstütze ich die Kampagne www.hinschauen-statt-verurteilen.at.

Wichtige Basisinfos finde ich bei Josef P. Mautner und natürlich in der Studie über Bettelmigration von Heinz Schoibl. Sie liefern Grundlagen für eine menschenwürdige Diskussion, den Abbau von Ängsten und die Basis für politisches Handeln, das nicht auf dem Rücken der Schwächeren ausgetragen wird.

Folgt man der Logik des freien Marktes, so müsste man jetzt, wo mehr Menschen aus der Kirche austreten, wieder eintreten. Es ist ein günstiger Zeitpunkt. Also worauf warten?

Klar ist, dass auf dem religiösen und spirituellen Marktsegment, die Kirche ein Anbieter unter vielen geworden ist. Es ist schon lange nicht mehr selbstverständlich, dass ich einer Religionsgemeinschaft angehöre. Mehr Bekenntnis ist gefragt. Die bewusste Entscheidung für den Glauben wird zentral. Das Kriterium – besonders für junge Menschen – ist ein pragmatisches: Was bringt mir die Kirche? Was bietet sie mir? Ich kann ja auch später wieder eintreten.

Taizé Kreuz der ökumenischen Jugendbewegung

Taizé Kreuz der ökumenischen Jugendbewegung

Für mich stellt sich die Frage nicht. Ich habe einfach sehr viel Positives in dieser Kirche erlebt. Ich habe von Medjugorje, über Assisi bis Taizé fast alles „ausprobiert“. Mir entsprechen eher die offenen Formen von Spiritualität. Ich bin weiter auf einem suchenden Weg. Das ist in der katholischen Kirche möglich, weil es ein breites Spektrum an religiösen Angeboten gibt. Manchmal ist es einfach ein stilles Gebet in einer mystischen Kirche, das mich tief berührt.

Ich spüre, dass Gott mit dieser Kirche auf dem Weg ist. Das erfahre ich täglich mit Menschen, mit denen ich arbeite und lebe. Denn eines ist für mich klar: Ohne unsere Kirchen – das sehe ich bewusst ökumenisch – wäre unsere Gesellschaft spirituell, gesellschaftspolitisch, sozial und kulturell um vieles ärmer.

 

Ein Beitrag von Ubbo Goudschaal

Schon wieder melden Medien, die Lage von Arbeitssuchenden in Europa sei prekärer geworden. Österreich kann sich aus dieser Misere nicht herausnehmen, obwohl die landeseigenen Medien immer wieder behaupten, Österreich stehe, was die Arbeitslosenzahlen betrifft sehr gut da. Ich finde diese Behauptung nicht tröstlich, wenn von 8.500.000 ÖsterreicherInnen rund 370.000 ohne Erwerbsarbeit sind. Hinzu kommt, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist. PensionsvorschussbezieherInnen, Arbeitslose im Krankenstand oder mit Bezugssperre, Lehrstellensuchende und ÜbergangsgeldbezieherInnen sowie SchulungsteilnehmerInnen, um nur einige zu nennen, werden beim AMS in der Statistik der vorgemerkten Arbeitslosen nicht berücksichtig. – Müsste mir nicht auch schon langsam dämmern, dass auch ich selbst in meiner Existenzgrundlage gefährdet bin?

Arbeitslosigkeit Kommen wir doch zu den Arbeitslosen selbst. Die meisten von ihnen können bereits über längere Zeiträume keine gesicherte Anstellung in einem Unternehmen vorweisen. Vielfach sind es Menschen, die nur die Pflichtschule absolviert bzw. die Schule abgebrochen haben. Immer wieder höre ich, dass Bildung vor Arbeitslosigkeit schützt bzw. die Gefahr dazu mindert. Im übertragenden Sinne heißt das: „Bemüht euch, dann werdet ihr auch was finden!“ Soweit, so gut! Was unerwähnt bleibt, ist, dass auch AkademikerInnen mit guten Abschlüssen auf der Straße sitzen. Gründe gibt es dafür viele: Übersättigung der Berufssparte, Überqualifizierung, keine Berufserfahrung, um nur drei zu nennen. Bildung ist demnach also doch nicht das Allheilmittel, um die Arbeitslosigkeit in unserem Land zu beseitigen. Bildung befähigt den Arbeitssuchenden zwar, konkurrenzfähig zu bleiben und sich irgendwann gegenüber anderen durchzusetzen, hilft aber nicht, einen gesicherten Arbeitsplatz zu finden bzw. die Arbeitslosigkeit im allgemeinen zu lösen. Die Parole liberaler Wirtschaftsexperten „Bemüht euch“ geht nicht auf.

Wenn also das Problem der Arbeitslosigkeit nicht durch bessere Qualifikation der ArbeitnehmerInnen gelöst werden kann, wie dann? Laut Clemens Sedmak gibt es in unserer Gesellschaft genug Arbeit. Gemeint ist damit Familienarbeit oder ehrenamtliche Arbeit in Vereinen, in Kirchen, in politischen Parteien und anderes mehr. Aus meiner Erfahrung hat sich aus Mangel an Arbeit noch niemand beschwert. Das Problem liegt somit nicht im Vorhandensein von Arbeit, sondern an adäquaten Zugängen zur Erwerbsarbeit. Aber wie sieht es denn mit den Zugängen weitestgehend aus? Eine Marktwirtschaft besteht aus einer Vielzahl von Märkten, die von Angebot und Nachfrage bestimmt sind. Der Staat setzt Rahmenbedingungen für diese Märkte fest, greift selbst aber nicht in das Marktgeschehen ein. Das Unternehmen besitzt autonome Entscheidungsgewalt über die Produktion von Güter und Leistungen sowie über Rationalisierungsprozesse. Somit kontrolliert es auch die Zugangsmöglichkeiten zur Erwerbsarbeit. Das Hauptproblem der Arbeitslosigkeit ist also ein Mangel an Arbeitsplätzen innerhalb der Marktwirtschaft.

Warum lese ich also so oft, dass Arbeitslosigkeit ein individuelles Problem jedes einzelnen Erwerbslosen sei? Genaue Antworten lassen sich hier nicht finden! So wird vielfach vom eigentlichen Problem abgelenkt und die wahren Verursacher werden nicht zu Verantwortung gezogen. Stattdessen trifft jene das Unglück extremer Existenzangst und prekärer Lebenssituationen, die am wenigsten Schuld an ihrer Miserere haben – die Arbeitslosen selbst. Verurteilen wir also nicht die Menschen, die in unserer Gesellschaft ohne Erwerbsarbeit dastehen, empören wir uns vielmehr darüber, dass für diese Menschen von Seiten der Politik und des Staates nicht mehr getan wird.

 

Im Laufe meiner Dienstzeiten unterrichtete ich an einem brasilianisch- schweizer College in Sao Paulo auf der Stufe colégial ( mit Abschluss mit Bachelor-Titel ). Gleichzeitig war sie eine International School.Flagge Brasilien

Diese Einrichtung hatte eine gemeinsame Schule vom Kindergarten bis zur 12. Schulstufe mit verschränkter Ganztagsschule zu bieten. Die einzige Unterscheidung fand dadurch statt, dass es im Deutsch- und Englischunterricht unterschiedlich zu erreichende Sprachniveaus gab.

Die LehrerInnen der Sekundarstufe I hatten etwa dieselbe Ausbildung wie bei uns in Österreich bisher Lehrer der NMS, für die Stufe colégial brauchte man ein abgeschlossenes Universitätsstudium sowie kontinuierlich durch die brasilianische Schulbehörde vorgeschriebene fachliche und methodische Weiterbildungen. Das Niveau war in Deutsch und Englisch  sehr hoch, Bachelors schlossen mit Kompetenzniveau C und alle anderen mit B- Level ab. Es war vom Lehrenden ein differenzierter Unterricht vorzubereiten und zu halten, der sich auch bei der Matura und der brasilianischen formatura zu Buche schlug.

Die Schüler wechselten problemlos danach auf die staatliche Universität mit einem sehr strengen Auswahlverfahren, viele von ihnen kamen in amerikanischen Universitäten, ja sogar Stanford und Harvard unter.

Da gerade der Zeitpunkt ist, an dem sich die neue Lehrerbildung von PH und Universität mit Inhalten füllen sollte, sich neue Kooperationen der beiden Bildungseinrichtungen herausbilden, finde ich es nicht schlecht, das Konzept des Stufenlehrers mit der Möglichkeit der Wissensvertiefung und Spezialisierung bis hin zur wissenschaftlichen Befähigung nicht ganz fallenzulassen.brita

Vieles kann Hand in Hand gehen, vor allem bei der Ausbildung zum Bachelor. Da wird man wahrscheinlich gut daran tun, Didaktik, Sozialpädagogik und Fachwissen sich die Waage halten zu lassen. Das Masterstudium, das alle absolvieren müssen, sollte speziell auf die Schulstufen, für die ein Lehrer/ eine Lehrerin vorbereitet wird, eingehen. Es ist immens wichtig, Kenntnisse über Projektunterricht, Offenes Lernen, alternative Formen der Wissensvermittlung zu erlangen, wobei immer zu berücksichtigen ist, dass sich auch hier in der Pädagogik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Weiterentwicklungen ergeben werden, die in der Lehrerfortbildung vermittelt werden müssen.

Genauso wichtig ist es, einen Stock an Fachkräften zu haben, die ein gutes Maturaniveau mit ihren SchülerInnen erreichen, ihnen z.B. bei der vorwissenschaftlichen Arbeit helfen können, weil sie selbst wissenschaftlich arbeiten können.

Durch die Zentralmatura werden natürlich andere Maßstäbe angelegt werden als die bisher bekannten: Von außen werden Kenntnisse eingefordert, auf die Pädagogen und SchülerInnen hinarbeiten. Ich kenne das vom Konzept der International Schools, dort wird ebenfalls für den Abschluss der Kanon und die Prüfung von außen vorgegeben. Trotzdem gibt es Bereiche, in denen nicht alles vorgegeben werden kann und auch z.B. bei mündlichen Prüfungen auf die Individualität der Kandidaten eingegangen wird (Ich denke hierbei im Sprachbereich daran, dass es über die Jahre kaum ohne eine individuelle Leseliste aus der Weltliteratur gehen kann.) Hier ist der Lehrer/ die Lehrerin weiterhin mit der ganzen Fachkompetenz gefragt, um zu fördern und zu lenken. Es ist auch durchaus nicht weniger Fachwissen vonnöten, wenn man als Lehrender mit den SchülerInnen im gleichen Boot sitzt, denn, man gestatte mir den Vergleich, der Kapitän sollte die Nautik  in bekannten wie unbekannten Gewässern sehr wohl beherrschen.

Mit großem Interesse sehe ich der Weiterentwicklung der Lehrerausbildung und Fortbildung entgegen, wie sie nun zwischen PHs und Universitäten, wie mir bekannt ist, durchaus nicht in allen Bundesländern gleich, abgesprochen werden wird.

Was mir in Österreich derzeit Sorge bereitet, ist bisher das Fehlen von Muster-Curricula, die man begutachten könnte.

Was mir fraglich erscheint, ist, wie man ein Mehr an Curriculum in eine kürzere Studienzeit unterbringen will. Ich sehe auch realistischerweise eine Belastung auf das Schulsystem insgesamt zukommen, wenn eine ganze neue Lehrergeneration ihre Ausbildung während und neben der Arbeitszeit fertigzustellen beginnt. Es wird in wenigen Jahren zu einer zeitlichen Überschneidung mit der bereits beginnenden Pensionierungswelle der 60- bis 65 Jährigen kommen. Wer springt für die jungen LehrerInnen ein, die neben dem Studium arbeiten sollen?

Das Stufenlehrersystem hätte den Vorteil, dass es keine zeitliche Begrenzung gäbe, um sich weiterzubilden. Es hätte den Vorteil, keine Drop- Outs zu schaffen. Es lässt die Möglichkeit zur Orientierung des einzelnen offen, wie viel er sich zumuten möchte. Und ich glaube nicht dass dadurch 2 Klassen von LehrerInnen entstehen. Ich habe selbst erlebt, wie friktionsfrei der Alltag abläuft, wenn alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um weiterzukommen, aber kein Druck vorhanden ist, entweder zu entsprechen oder das Ziel zu verfehlen.

Ein Beitrag von Monika Rattey

Grau ist die Straße in der Nähe des Salzburger Hauptbahnhofs. Keine bunt herausgeputzten Barockbauten für aufgeregt herumwuselnde Touristen, die täglich in Reisebusgrößen aus allen Teilen der Welt in die Altstadt kommen, sondern unscheinbare Vor- und Nachkriegsbauten säumen die Plainstraße. Es ertönt kein helles, fröhliches Gebimmel vom Glockenspiel-Turm auf dem Salzburg Museum. Nein, hier zischt und rauscht es in den Ohren, wenn der ICE langsam auf Touren kommt und auf dem Weg von Wien nach München beschleunigt.SOMA_7_Rattey

Es ist Mittwoch, 14.00 Uhr, und eine lange Traube von Menschen sammelt sich um das Haus Nummer Zwei in der Plainstraße, ganz ähnlich wie vor Mozarts Geburtshaus. Aber hier sprechen die Menschen eine andere Sprache nicht jene der Touristen in Salzburgs Altstadt. Sie sprechen deutsch, serbokroatisch, bosnisch oder türkisch. Manchmal auch yoruba, vietnamesisch, bulgarisch, mongolisch oder arabisch. Sie stehen Schlange. Sie warten darauf, dass sich endlich die Tür zum SOMA (Sozialmarkt) öffnet.

Es reicht net aus

In der Reihe steht auch die 82-jährige Theresia G. Gebückt, vom Alter gezeichnet, hält sie sich mit ihren zittrigen Händen an ihrem Rollator fest und wartet wie die anderen mit blasser, geduldiger Miene. Es ist soweit, die Ladentür öffnet sich und die Menschen strömen in das Geschäft. Frau G. schiebt sich auf ihren wackeligen Beinen langsam hinterdrein.SOMA_6_ChristineWeißkind_ChristineSteiner_Rattey

„I kauf hier einmal die Woche ein, weil’s billig is, und i mir sunst nix leisten kann“, sagt die Salzburger Pensionistin aus Itzling, die erzählt, dass sie mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung, das sind für den Lebensunterhalt 596,18 Euro und fürs Wohnen 380 Euro auskommen muss. Davon gehen für die Miete und Betriebskosten ihrer 50-Quadratmeter-Wohnung allein 450 Euro weg. „Was bleibt, reicht net aus, um im Supermarkt ums Eck einz`kaufen“, so die alte Dame.

Im Sozialmarkt in der Elisabeth-Vorstadt darf nicht jeder einkaufen. Es ist ein Lebensmittelmarkt für Menschen mit geringem Einkommen. Die Kunden müssen vor dem ersten Einkauf darüber einen Nachweis den Mitarbeitern des Geschäftes vorlegen. Dann erhalten sie eine Einkaufskarte, mit der sie dort jeweils am Montag, Mittwoch oder Freitag, von 14.00 bis 17.00 Uhr günstig Lebensmittel einkaufen können. Die Waren werden nicht kostenlos an bedürftige Menschen abgegeben, sondern zu einem fairen Preis. Durch die Ersparnis beim Einkauf im Sozialmarkt, werden Mittel frei, sodass anderweitig etwas Nötiges gekauft werden kann.

50 Freiwillige engagieren sich

Die alte Dame hat heute ihre Lebensmittelkarte in ihrer Zweizimmerwohnung vergessen, doch Georg Steinitz, Obmann vom SOMA kennt sie bereits und grüßt sie freundlich: „Grüß sie Frau G., i schick gleich meine Kollegin, die wird ihnen helfen“,  sagt Steinitz, der den SOMA vor elf Jahren mitgegründet hat und dort seither wie 50 andere Freiwillige ehrenamtlich tätig ist und er ist stolz darauf: „Wir sind der einzige Sozialmarkt in Österreich, der sich alleine – ohne Subventionen durch die öffentliche Hand trägt und alleine durch ehrenamtliche Hilfe ermöglicht wird.“SOMA_5_MairHelga_Rattey

Frau G. kramt in ihrem dunkelgrauen Lodenmantel nach dem Einkaufszettel: „Heut bräucht i Joghurt, Butter, Nudeln. Da Kaffee is ma a ausgangen. Habens vielleicht wieder einen kriegt?“ Die ehrenamtliche Mitarbeiterin ist schon zur Stelle, muss die Seniorin jedoch vertrösten: „Heute haben wir leider keinen Kaffee, aber am Freitag soll eine Lieferung kommen.“

Im Sozialmarkt ist nicht immer alles parat. Dieser wird von verschiedenen Firmen, wie etwa Recheis, Hipp, Efko, Inzersdorfer oder Pfanner und einigen mehr gratis beliefert. Die Produkte, die falsch etikettiert wurden, kurz vor dem Ablaufdatum stehen, oder aus dem Verkaufssortiment genommen wurden, werden dem SOMA geschenkt. Es kann dann schon mal passieren, dass sich Paletten mit Essig-Kombucha Getränken stapeln, oder Zitronenteegranulat in der Größe eines Kleinlieferwagens im rund 60 Quadratmeter großen Geschäftsraum untergebracht werden muss. „Aber die Menschen sind dankbar für alles und wir werden auch das ganze Sortiment los“, erklärt die SOMA-Mitarbeiterin und durchsucht aufmerksam das Kühlregal nach den Milchprodukten für Frau G.

Auf der Kühlregalleiste sind die Preise verzeichnet: vier Becher Bio-Joghurt von der Firma Alpro kosten 30 Cent, ein viertel Kilo Butter auch nur 30 Cent. In den Regalen daneben ist heute Machland Apfelmus um 20 Cent pro Viertelglas zu haben. Die Packung Tortellini von Barilla gibt’s um 40 Cent. Und das Schwarzbrot vom Bäcker Ketter ist heute gratis, weil es gestern abgelaufen ist.

Aber der Andrang ist groß und Frau G. kann gerade noch ein viertel Kilo Brot ergattern. Denn durchschnittlich 100 Menschen aus der Stadt Salzburg aber auch aus dem Umland kaufen in den drei Stunden, in denen das Geschäft offen hat, ein. Insgesamt sind es 1.200 Menschen, die eine Einkaufskarte des SOMA besitzen.

Viele  Jüngere schämen sichSOMA_4_Einkaufskörberl

„Nach einer neuester Erhebung sind in Salzburg fast 13 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, sie leben also unter der Armutsgrenze“, erklärt Robert Buggler, Leiter der Salzburger Armutskonferenz. „In absoluten Zahlen sind das 66.000 Menschen; das ist rund jede beziehungsweise jeder Achte“, so Buggler.

„Nicht nur Mindestrentnerinnen und -rentner sind darunter, auch viele Alleinerzieherinnen mit Kindern. 60 Prozent der Kunden kommen aus anderen Ländern, hauptsächlich aus Ex-Jugoslawien und der Türkei. Sogar ausländische Studenten aus der Mongolei oder Flüchtlinge aus Nordkorea kaufen hier billig ein“, erklärt Steinitz.

Viele Österreicher, besonders Jüngere würden sich jedoch nach wie vor schämen in einem Sozialmarkt einzukaufen, obwohl laut Steinitz, in den letzten Jahren ein Anstieg an Bedürftigkeit auch unter Jüngeren zu bemerken war.

Frau G. hingegen schämt sich ihres Einkommens nicht: „I kauf hier ein, weil i mir was von meiner klanen Rente zammsparen kann, des Leben is einfach z` teuer und i hab schon zu viel erlebt, als dass i mi schämen müsst.“ Sie wackelt, den Rollator vor sich hinschiebend, zur Kasse, sucht ihr Geldbörsel und zahlt ihren Einkauf. Ein viertel Kilo Butter, ein Glas Marmelade, vier Joghurt,  zwei Packungen Tortellini, ein Apfelmus und ein Packerl Sauerkraut und zahlt 1,70 Euro. „Des Brot zahl i ah noch“, meint sie bestimmend.

„Nein Frau G.“, antwortet die Mitarbeiterin von SOMA, „das brauchen s` nicht. Das Brot ist heute gratis.“

INFOBOX:

Im Land Salzburg gibt es an insgesamt vier Standorten Sozialmärkte, in der Stadt Salzburg, Hallein, in St. Johann im Pongau und in Zell am See. Zusätzlich wird im Pinzgau ein mobiler Sozialmarkt angeboten. Weitere Informationen und Öffnungszeiten auf der Website der Laube GmbH. Die Laube GmbH ist Träger der Sozialmärkte in den Bezirken. In der Stadt Salzburg betreibt der Verein SOMA den Sozialmarkt. Informationen dazu unter der Website vom SOMA Salzburg Stadt.

Die Sozialmärkte suchen laufend Firmen, die ihre Lebensmittel und Produkte, statt diese teuer zu entsorgen, zur Verfügung stellen und damit soziales Handeln beweisen. Vor allem Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel oder Waschmittel werden benötigt.

Ein Beitrag von Gastautor Josef P. Mautner

Inzwischen ist mein Notizbuch zur Menschenrechtsarbeit „Agenda Menschenrechte“ erschienen. Ich habe eine Reihe von schönen und wichtigen Reaktionen bekommen. Das Buch wurde besprochen und mehrfach in einer Weise beurteilt, die von einem klaren Verständnis der Sache zeugt; ein Beispiel dafür:  agenda 2

„mautner will (nicht nur hier) grenzen überwinden. sowohl die grenzen zwischen autor und leserInnen, als auch jene zwischen unterstützerInnen und hilfsbedürftigen werden hier in frage gestellt. mautner glaubt daran, dass das dilemma grundrechtsverletzungen in unserer gesellschaft nur durch ein konsequentes aufheben dieser grenzen erreicht werden kann. erst die solidarische verbundenheit von menschen auf einer ebene, auf gleicher augenhöhe könnte uns weiterbringen.“ (Bernhard Jenny)

Bei einer kreativ gestalteten Veranstaltung im Salzburger Literaturhaus, zu der auch Ute Bock aus Wien angereist ist, wurde „Agenda Menschenrechte offiziell vorgestellt. War das ein schöner Abschluss für einen längeren Arbeitsprozess, wie bei einer Buchpublikation üblich? – Keineswegs! Denn die Agenda, das was in dem Notizbuch behandelt ist, geht weiter. Weiterhin sind in Salzburg hunderte Menschen von Abschiebung bedroht, die mit ihren Familien bereits seit agenda 1Jahren hier leben. Weiterhin stehen noch viel zu wenige Plätze in einer Winternotschlafstelle für bettelnde Menschen zur Verfügung, obwohl die nächtlichen Temperaturen unter Null sind. In der Antidiskriminierungsstelle melden sich jede Woche neuerlich Menschen, die von Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen betroffen sind: wenn sie mit einem fremd klingenden Namen auf der Suche sind nach einem Arbeitsplatz („Zigeuner nehmen wir keine!“) oder wenn muslimische Frauen ihr Kopftuch nicht abnehmen wollen bei der Arbeit: „Putzen kannst gehen mit dem Kopftuch, aber als Regalbetreuerin arbeiten – das geht nicht!“

Die Arbeit für Menschenrechte geht weiter. Nicht nur ich – viele andere auch können an diesem Notizbuch weiterschreiben. Vielleicht kommt mal eine Zeit, in der solche Notizen weniger düster und „schwarzmalerisch“ ausfallen, als sie es jetzt sind – wer weiß?

Mehr findet ihr unter:  www.josefmautner.at