In aller Herrgottsfrühe geh ich am Donnerstag immer auf die Schranne für den Wocheneinkauf. Ich hab da meinen Weg, schließlich brauch ich Obst, Gemüse, Wurst, Käse und Brot.

Bei einem Stand hat sich heute folgendes zugetragen.

aaa1Ein älteres Ehepaar und ich werden freundlich bedient. Das Ehepaar schimpft dann ein bisschen vor sich hin: über die EU und die unfähigen PolitikerInnen überhaupt. Zahlt und geht. Ich bin noch nicht fertig mit meinem Einkauf. Da meint die Standlerin: „Mei Sie müssen sich auch immer viel anhören, auch net so leicht.“ Ich beschwichtige sie und sage, dass das dazu gehört. Und dann sagt sie:

„Da sind Sie eh nicht alleine. Mir ist es letzte Woche ähnlich ergangen. Da geht so um halb Acht eine Mutter mit ihrem Kind an der Hand bei mir am Stand Richtung Volksschule vorbei. Da zeigt sie mit dem Finger auf mich und meint ganz laut zu dem Kind: Du musst schon was lernen, sonst musst du da auch im Standl verkaufen!“

Setzt ihre Mitarbeiterin noch eins drauf: „Und bei mir war’s so. Steh ich in aller Früh da, verkauf meine Sachen. War’s schon sehr kalt. Sag ich zur Kundschaft: Ja, frieren tut’s mich schon ein bisserl. Meint die Kundschaft: Frieren tun nur die Armen und die Dummen.“

Ja, da haben wir, die Standlerin, ihre Mitarbeiterin und ich, die Kundschaft,  folgendes festgestellt:

Etwas zu verkaufen ist ein ehrbarer Beruf und da braucht man keinem Kind Angst machen. Frieren ist meist nicht selbstverschuldet. Niemand der friert, verdient so verachtende Worte. Und außerdem sollten wir alle zusammen ganz dankbar sein, dass es uns in Österreich im Großen und Ganzen sehr gut geht. So war das heut in aller Herrgottsfrühe auf der Schranne.

Ich arbeite am Hauptbahnhof in Salzburg in einem Mobilfunk-Shop. Zur Zeit kommen sehr viele Flüchtlinge zu uns, die verschiedenste Dinge brauchen, um mit ihren Familien, Freunden und Kindern Kontakt zu halten oder, wichtiger, wieder aufzunehmen.

Foto Alfred Aigner

Foto Alfred Aigner

Gestern gab es eine Begebenheit, die mich sehr berührt hat.

Ein junger syrischer Mann kam zu mir in den Shop, weil sein Handy auf der Flucht kaputt ging. Er erzählte mir, dass er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern unterwegs war. Sie mussten sich trennen, da die Route die sie gingen, für seine Frau und Kindern zu gefährlich wurde. Er ging die gefährlichere Route, um schneller zu uns zu kommen – in ein sicheres Land. Er hat es geschafft. Er war dann drei Tage in Wien und nun bei uns in Salzburg. Dadurch, dass sein Handy kaputt ging, konnte er nicht mit seiner Frau kommunizieren. Das war das Schlimmste für ihn. Ich kann das verstehen.

Seine Geschichte berührte mich sehr. Darum half ich ihm sein neues Telefon einzurichten, das er bei mir kaufte – etwas, das wir normalerweise nicht tun (können). Noch dazu war die Kommunikation mit ihm nicht so einfach. Er sprach nur Arabisch und ein zweiter Mann übersetzte in gebrochenes Englisch. Ich habe eigentlich keine Ahnung von Viber oder anderen Internet-Telefonie-Apps, aber letztlich schafften wir drei das, auch wenn wir teilweise zu dritt durcheinanderredeten. Nun sollte er wieder Kontakt zu seinen Lieben aufzubauen können. Er hatte einen kleinen, halb verschmierten Karton dabei, auf dem in arabischer Schrift Namen und die dazugehörigen Telefonnummern geschrieben waren. Mit zittrigen Händen wählte er eine Nummer. Er bedankte sich sehr herzlich bei mir und ging aus dem Geschäft. Nach drei Minuten kamen der Mann und sein Übersetzer wieder und erklärten mir, dass es nicht funktioniert. Ich war ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht von mir selbst. Immerhin wollte ich ihm ja helfen. Aber der Fehler war schnell gefunden.
Nun hatte er ein Lächeln auf den Lippen und er wählte wieder die Nummer seiner Frau. Ich konnte noch sehen, wie seine Augen glänzten, als er am Telefon zu reden begann. Ich freute mich mit.Bahnhof.salzburg

Fünf Minuten später kamen die beiden ein drittes Mal zur Tür herein. Ich befürchtete, dass doch wieder etwas nicht funktioniert. Ganz im Gegenteil! Ich erfuhr, dass er nun nach zehn langen Tagen endlich wieder mit seiner Frau und seinen Kindern sprechen konnte. Er weiß jetzt, dass es Ihnen soweit gut geht. Auch sie haben es geschafft. Allerdings nur nach Ungarn. Dort sitzen sie jetzt fest und kommen derzeit nicht weiter. Trotzdem sah er mich mit freudigen Augen an und sagte: „Du bist bis jetzt der netteste Österreicher, den ich kennen gelernt habe. Du bist ab jetzt mein Freund.“ In diesem Moment bekam ich vor Freude Gänsehaut. Ich bedankte mich bei ihm und wünschte ihm eine gute sichere Weiterreise, wo auch immer diese hingehen soll.

Es sind so kleine Dinge, die Menschen verbinden.

12025556_10204492936795197_177902676_n[1]Erwachsene Menschen sind gereifte Persönlichkeiten, meistens jedenfalls. Kinder sind am Lernen, am Erfahrungen sammeln. Kinder sollen noch nicht alles wissen. Kinder sollen auch nicht alles sehen, hören und fühlen. Kinder sollen kindgerecht aufwachsen können. Das ist ein Kindermenschenrecht!

Kinder, die aus dem Krieg kommen, die Flucht erleben sind völlig außerhalb einer normalen Welt, in der ein Kind aufwachsen soll. Angst, Ohnmacht, Ausgeliefertsein, Gewalt, Hunger sind Begleiter der Flucht.

Kinder auf der Flucht müssen erwachsen sein. Sie müssen Gewalt ertragen, Hunger aushalten, Krankheit durchstehen, Angst ertragen, kindliche Bedürfnisse unterdrücken. Sie müssen die Angst ihrer Eltern ignorieren lernen. Kinder auf der Flucht müssen unendlich stark sein.

12022971_10204492937155206_1437836258_n[1]Die Kinder, die ich in den letzten Tagen am Salzburger Bahnhof gesehen habe, waren alle erwachsen. Sie hatten einen wissenden Blick. Das trifft einen tief ins Herz.

Wenn sie allerdings spielen dürfen, dann sind sie wieder ganz Kind. Lächelnd, kreischend, staunend, neugierig, offen, wissbegierig, probierend. Sie sind ganz Kind. Zumindest für eine Stunde, bevor es wieder weiter geht. Bevor sie wieder Kinder auf der Flucht sind.

An dieser Stelle DANKE an die Kinderfreunde, die Pfadfinder und den Verein Spektrum, die den Kindern am Salzburger Bahnhof eine Stunde Kindsein schenken!

von Edwin Zappe

Ich liebe das Fremde, das Ungewöhnliche, so auch den Fremden, den Anderen, ob von Europa, Asien oder Afrika, aber nur dann, wenn ich in Harmonie mit mir selber bin. “Fremd Bist Du Dir Selbst” lautet der Titel eines faszinierenden Buches.

Ach ja, liebte ich mich doch selber! Ja, dann könnte ich die gesamte Welt umarmen, und nicht nur meine Familie. Ach ja, würde ich mich kennen, meine Gedanken und Gefühle, dann wüsste ich, dass” der Fremde” ich selber bin. Warum? Ist nicht die Pupille eines Fremden, ja sogar die Pupille eines Tieres, genauso wie meine Pupille? Was heißt das? Die Pupille eines jeden Menschen und Tieres ist ein wirklicher Spiegel! Also, ein jeder Mitmensch spiegelt mich, und was ich von ihm oder von ihr halte, halte ich von mir. “Ich bin ein Spiegel und werauchimmer von mir spricht, gut oder schlecht, er spricht immer von sich selber”, sagt ein großer persischer Dichter.

Und unsere Politiker, die Guten und nicht so Guten? Diese sind nicht so viel anders wie ich, ja, wie wir alle.  Warum?

Haben nicht wir selber sie ausgesucht und gewählt?  Haben sie nicht dieselbe Luft wie wir geatmet, die gleichen Schulen besucht, dieselben Fernsehsendungen gesehen, das gleiche gesunde oder ungesunde Essen verschlungen? Und was ist zu tun? Bitte, lasset uns in Güte und Liebe unsere Familie, unsere Nachbarn und Freunde, die Fremden in unserem Lande und all die anderen Fremden auf unserem schönen, ja wunderschönen Planeten in unser Herz aufnehmen. Und dann? Ja dann, dann schaffen wir keine Probleme mehr, denn dann sind wir glücklich. Und der Glückliche “umarmt” sich selber, und damit die gesamte Welt und sagt dadurch: “Ich bin Du, und Du bist Ich.”

(Prof. Edwin Zappe, Salzburg, hat Vorträge in 19 Ländern gehalten, davon 12 in Asien, und lebte 18 Jahre in der „Fremde“ –Orient und Asien).

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Christian Wallisch Breitsching erzählt begeisternd von der Kollegienkirche

Tägliche Meldungen von Terror, Grexit, Krise und Streit lassen uns oft vergessen, dass im Kleinen die Welt schöne Momente, gute Gespräche, Hilfe, Miteinander und Respekt bereit hält. Heute war so ein Tag mit vielen Momenten. Menschen sind sich begegnet, haben eine schöne Zeit miteinander verbracht oder sind füreinander da gewesen. Ich habe heute nichts Weltbewegendes erlebt, aber gespürt, dass jeder Augenblick des Miteinanders einen bösen Augenblick löscht.

Schon seit drei Jahren organisiere ich mit Pavo vom Verein Ikubik interkulturelle Spaziergänge. Heute stand die wunderbare Kollegienkirche am Programm, eigentlich die schönste Kirche Salzburgs, nur oft nicht genug beachtet. Über 100 Menschen kamen, neugierig auf dieses Juwel. Es war schön dem Kirchendirektor Christian Wallisch Breitsching zuzuhören. Seine Begeisterung für die Kirche übertrug sich auf uns alle. Salzburger wie Zugewanderte genossen die Geschichten rund um die Kirche. Und es war zu spüren, dass ALLE stolz darauf waren die Kirche in Salzburg zu haben und sie nun ein bisschen besser zu kennen. Unsere Spaziergänge „Miteinander Entdecken“ bringen den Menschen Freude, die Kollegienkirche war heut ein besonderer Höhepunkt dieser Reihe.

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Im Kost Nix Laden Salzburg

Aber das war noch nicht alles an guten Momenten. Das JUZ Iglu und der Verein Synbiose haben vor einiger Zeit etwas Geniales ins Leben gerufen: den Kost-Nix-Laden! Menschen bringen ihre Sachen, die sie nicht mehr brauchen und die noch in Ordnung sind. Die vielen Freiwilligen sortieren und schlichten. Und dann holen sich Flüchtlinge, die Dinge, die sie brauchen. Für eine gerade anerkannte Familie sind das vielleicht Geschirr, Lampen oder Kindersachen. Ein Asylwerber braucht möglicherweise eine zweite Garnitur Kleidung und ein kleines Wörterbuch Deutsch-Englisch. Im Kost-Nix-Laden findet sich fast alles. Es geht sehr leise zu. Die Freiwilligen helfen unaufdringlich und freuen sich auch ein kurzes Gespräch zu führen. Von Mensch zu Mensch.

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Repair Cafe Salzburg feiert den 2. Geburtstag!

Ja und dann war da noch ein kleiner aber bedeutender Geburtstag heute. Das Repair Cafe ist knackige zwei Jahre alt. Ich weiß noch wie heute, als wir beim ersten Repair Cafe vor der Stadtbibliothek in Lehen mit drei ehrenamtlichen Reparateuren begannen. Damals fiel gleich die erste halbe Stunde der Strom aus. Und trotzdem konnte den meisten geholfen werden, die mit ihrem Lieblingsstück da standen und hofften, es nicht wegwerfen zu müssen. Mit jedem Repair Cafe kamen mehr Leute. Über 40 ehrenamtliche ReparateurInnen engagieren sich heute. Sie helfen, wenn das Lieblingsspielzeug kaputt ist. Als Belohnung gibt es strahlende Kinderaugen. Oft kommen Menschen, die ganz wenig Geld haben, sich weder eine teure Reparatur noch einen Neukauf leisten können. Und bei den Ehrenamtlichen gibt es ein unglaubliches Miteinander. Alle gehören dazu und jeder kann seine Stärken einbringen. Ob schwer parkinsonkrank, 12 Jahre alt, arbeitslos oder aus Syrien geflüchtet, es ist egal, alle sind ein Team. Und mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich dabei sei darf.

Und trotz der Horrormeldungen in den Nachrichten, war das ein guter Tag. Weil einfach viele Menschen bei vielen Begegnungen viele schöne Momente hatten.

Arbeiten wir gemeinsam daran, dass diese Momente noch mehr werden!

Autofasten, Schokofasten, keinen Alkohol trinken und eine fünfwöchige Rauchpause einlegen. Fleischverzicht und den Fernseher im Keller zwischenlagern. Alles Möglichkeiten zu entsagen und Verzicht zu üben. Ich will es heuer anders angehen. Ich liebe Michael Jacksons Musik. Und da gibt es ein Lied, das mir immer besonders nahe geht. Dieses Lied soll mich durch die Fastenzeit begleiten und meine Sinne schärfen: Man in the Mirror!
MJ singt vom Leiden der Kinder, der Männer und Frauen. Von Hunger, Kälte und Obdachlosigkeit. Und von Verantwortung. Der Verantwortung, die jeder einzelne von uns trägt:

I’m starting with the Man In The Mirror, I’m asking him to change his ways.
And no message could have been any clearer, if you wanna make the world
a better place, take a look at yourself and then make a change

Er singt von der Möglichkeit etwas zum Besseren zu ändern. Schauen wir uns in den Spiegel und beginnen wir mit uns selbst. Was können wir, was kann ich dazu beitragen die Welt ein Stückchen besser zu machen. Reden wir uns nicht raus auf andere, auf die dort oben, dort drüben, die, die nach uns kommen. So will ich es halten in der Fastenzeit und darüber hinaus. Ich will am Morgen mit Man in the Mirror in den Tag starten. Und ich will mir bewusst machen, genau an diesem Tag etwas dazu beizutragen, für einen Menschen oder mehrere etwas besser zu machen. Und ich will versuchen mich nicht hinauszureden, dass man eh nichts ändern kann. Ich weiß, das wird nicht so einfach. Ich weiß, ich werde immer wieder scheitern. Aber ich weiß auch, dass ich es immer wieder versuchen werde.