Wenn Keller Dover [Hugh Jackman] auf der Jagd ein Tier anvisiert, dann spricht er ein Vater Unser. Diesmal spricht Keller das Vater Unser anstelle seines Sohns, der sein erstes Reh schießen soll. Keller lehrt seinem Sohn alles, was schon er selbst von seinem Vater gelernt hat. Auch, dass man auf schlechte Zeiten vorbereitet sein muss, um unabhängig existieren zu können, wenn alle Menschen sich gegeneinander wenden.
Das vom Sohn erlegte Reh kommt zum gemeinsamen Thanksgiving bei einer befreundeten Familie, den Birches, auf den Tisch. Nach dem Festmahl unterhalten sich die Erwachsenen und die Teenager sehen fern. Anna und Joy, die kleinen Töchter der Dovers und der Birches, verlassen ohne Begleitung das Haus – nur um kurz ins Haus der Dovers rüberzugehen. Sie kommen nicht zurück.
Detective Loki [Jake Gyllenhaal] übernimmt den Fall und bald ist ein Verdächtiger festgenommen – ein junger Mann, Alex Jones [Paul Dano], der jedoch auf dem geistigen Niveau eines 10-Jährigen stehengeblieben ist. Ohne Beweise und weitere Spuren muss die Polizei ihn aus dem Gewahrsam entlassen.
Keller Dover will das nicht hinnehmen. Selbstgerecht „ermittelt“ er parallel zu Detective Loki auf eigene Faust. Mit jedem Tag wächst Kellers Verzweiflung und damit auch die Brutalität seiner Vorgehensweise. Denn mit jedem weiteren Tag sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Mädchen lebend gefunden werden. Keller Dovers und Detective Lokis getrennte Ermittlungen werden für beide zu einem Wettlauf gegen die Zeit.
Prisoners ist ein Film, wie man ihn aus Hollywood gar nicht gewöhnt ist. Mit langen Einstellungen und wenigen Kamerafahrten bedient der kanadische Regisseur Denis Villeneuve nicht die sonstigen Sehgewohnheiten der Zuschauer. Die bedrohliche Atmosphäre wird dadurch aber noch eindringlicher – und atemlose Spannung am Schluss ist trotzdem garantiert. Die Kamera hält oft lange auf die Gesichter der Charaktere. So kann der Zuseher das Düstere erahnen, das in jeder Figur schlummert – vom Priester bis zum ermittelnden Detective Loki [Jake Gyllenhaal kann mit seinem stoischen Gesichtsausdruck oft richtig unheimlich dreinschauen]. Man erlebt auch, zu welchen Grausamkeiten die Figuren tatsächlich fähig sind. Grausamkeit, das bedeutet mitunter, seine Hände in Unschuld zu waschen und bewusst wegzusehen.
Keller Dover ist ein Mann mit starkem Glauben an die himmlische Instanz (ohne aufdringliche Bigotterie fabelhaft gespielt) – den Glauben an die irdischen Instanzen hat er verloren. Wenn er unabhängig und allein vorgeht und sowohl Moral als auch Gesetz hinter sich lässt, kann man seine naive Herangehensweise nicht gutheißen, aber verstehen. Vielleicht gerät dabei auch so mancher Zuschauer ins moralische Dilemma. Hat Keller recht, so wie er handelt? Hat er dadurch nicht mehr erreicht als die Polizei?
Am Ende können wir vermuten, dass Gott ihm seine Taten verziehen hat, er aber keine Vergebung durch das Gesetz erwarten kann. Doch das möge jeder für sich selbst interpretieren.
Meine Bewertung bei IMDB: 8 Punkte
90 % des Films verdienen zwar 9 Punkte, aber es gibt ein paar vorhersehbare Wendungen, die man durchaus hätte vermeiden können. Auf alle Fälle ein spannender Film und nicht nur für Thrillerfans sehenswert.