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Die erste Frage stellen sich oft junge Flüchtlinge, wenn sie Mädchen und Frauen Radfahren sehen. Die zweite Frage stellen sich viele Menschen, die wenig mit jungen Flüchtlingen zu tun haben. Es gibt verschiedene Vorstellungen davon, wie denn die jungen Syrer, Afghanen, Iraker oder Somalier sind. Besonders von Interesse ist, wie diese jungen Männer eigentlich über Mädchen und Frauen denken.

Das wissen wir ein bisschen besser, seit der Verein Selbstbewusst für die Stadt Salzburg das Projekt „Vom Du zum Wir“ durchführt. Da geht es um Wertevorstellungen in  unserer Kultur, Gesetze, aber auch über Aufklärung, Verliebtsein, Heiraten, Homosexualität und Jungfräulichkeit.

Gerade hat die dritte Workshopreihe mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen begonnen. Und alle sind voll motiviert, die jungen Flüchtlinge und die TrainerInnen. Wir reden so viel über die Menschen. Und wir haben Erwartungen: was sie sein sollen, wie sie handeln sollen, was sie denken sollen. Dazu müssen wir sie besser kennen und wissen, was sie jetzt denken und fühlen. Und in einem zweiten Schritt können wir unsere Erwartungen, Werte und Moralvorstellungen sagen. Und das funktioniert mit unserem Projekt gut. Da sind die jungen Männer, die in ihrer Heimat etwa gelernt haben, dass der erste Sex, der schönste ist und es dann einfach bergab geht. Darum sind die Hochzeitsnacht und die Jungfräulichkeit so wichtig. Mit Staunen und Erleichterung erfahren sie, dass das anders ist. Dass nicht jede Frau Jungfrau ist, weil sie dieses Jungfernhäutchen einfach nicht hat. Und, dass es auch nach der ersten Nacht nicht schlechter sondern durchaus besser wird. Da stellen die Jungs ganz ehrlich die Frage an die Trainerin, wie das mit dem Radfahren geht, ob das nicht weh tut? Denn in ihrer Heimat fährt kein Mädchen mit dem Fahrrad, da könnte ja was passieren, etwa mit der Jungfräulichkeit. Und natürlich  geht es auch um ganz normale biologische Vorgänge im Körper.

Und was wünschen sich die Jungs von ihrer Zukünftigen?

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Wünsche an die Zukünftige

Die jungen Flüchtlinge sind wissbegierig und auch dankbar, dass sie ehrlich und offen Fragen stellen können. Die TrainerInnen von Selbstbewusst gehen sehr sensibel mit den Themen um, stellen aber auch immer wieder klar, welche Werte und Gesetze hier in Österreich herrschen. Das ist Prävention, Aufklärung und Wertevermittlung im besten Sinne. Und dann stellen die Trainer immer die Frage, was die Jungs sich in einer zukünftigen Partnerschaft oder Ehe von ihrer Freundin oder Frau wünschen. Und das deckt sich mit den Wünschen vieler Burschen und Männer aus allen Kulturkreisen und Herkunftsländern: Liebe, Respekt und Ehrlichkeit.

Titelfoto: Facebook Stadt Salzburg 

von Diana Visin

Mich „kriegen“ hier auch die Medien mit den aktuellen Nachrichten rund um Terror, Krieg und Integrationsproblemen und obwohl ich mich immer wieder entscheide, dass „sie“ mich nicht kriegen mit der Angst und ich mir bewusst keine Nachrichten mehr anschaue, lässt mich dieses Thema nicht los und beschäftigt mich. Ich stelle mir immer wieder die Frage, was wir tun können und wie wir am Besten wirken können.

Nach dem ich hier in Seekirchen/Salzburg Umgebung tagtäglich so viel Wertvolles erlebe, möchte ich das gerne teilen und dass auch solche Nachrichten um die Welt gehen. Es ist mir ein großes Anliegen, dass viele Menschen von diesen Bereicherungen und dem Wohlwollen unserer neuen Nachbarn erfahren.

Ich möchte gerne davon berichten, wie viel Bereicherung wir hier vor Ort erfahren um das in die Welt zu bringen, was alles möglich ist.  Möge es auch Menschen erreichen, die sich noch unsicher sind oder Angst haben.

Fast genau vor einem Jahr hat hier in Salzburg alles begonnen, als tausende Menschen mit den Zügen durchgereist sind und Hilfe gesucht haben. Durch meine Mutter und andere Vorbilder kam ich einfach dorthin. Ich habe immer schon gerne geholfen und Menschen unterstützt doch ehrlich gesagt, habe ich mir die „Flüchtlingshilfe“  nicht ausgesucht. Jetzt im Nachhinein gesehen beziehungsweise mitten drinnen, kann ich nur sagen; ich bereue keinen einzigen Tag.

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Wertvolle Begegnungen

Es kam alles ganz anders als gedacht aber zutiefst bereichernd. Alles ging hier eigentlich  ganz schnell; von den Zügen am Bahnhof zu den Notschlafstellen, Duscheinrichtungen, Kinderbetreuungen etc… Da war es einfach nur – in der Not da zu sein und zu helfen, was für mich möglich war. Dabei erlebte ich von der 1. Stunde an so viel Berührendes, so viel Dankbarkeit von all diesen Menschen aus Afghanistan, Syrien, Irak, Iran etc. Die Begegnungen waren von Beginn an sehr wertvoll. Meine Welt wurde auf den Kopf gestellt und ich habe mich bewusst dazu entschieden, mit all dem auseinander zu setzen und zu konfrontieren und nicht wegzusehen. Ich hatte genauso Hemmungen und Berührungsängste vor dem Fremden und der doch so anderen Kultur. Mit Hilfe und Unterstützung habe ich mich eingelassen und mein Horizont wurde wirklich erweitert.

Durch all diese Aktionen entstanden Beziehungen und Freundschaften, die meine Welt so sehr bereichern. Unsere Familie wird immer größer und ich habe mittlerweile afghanische Brüder und Schwestern und eine syrische Familie mit Kindern, die mir sehr am Herzen liegen. Sie haben mich in ihre Welt hineingelassen. Mittlerweile gehen sie in unserem Haus ein und aus. Neben diesen engen Kontakten gibt es viele weitere wertvolle Bekanntschaften und Freundschaften.

Miteinander leben

Gemeinsam feiern wir Feste, tanzen, kochen, singen und lachen miteinander. Wir lernen von einander und tauschen Essen, Sprache sowie unsere Geschichten aus. Ich muss ehrlich sagen, ich fühle mich so wohl in deren Umgebung, d4vieles fällt so leicht und ist schon natürlich und selbstverständlich geworden.

Es gibt so viele Begegnungen, Einladungen und Wertvolles, dass ich das gar nicht alles hier in Worte fassen kann.

Nachdem wir viele persönliche Geschichten von den Menschen gehört haben, die uns ihr Vertrauen schenken, finde ich am Berührendsten, dass nach all dem, was viele von ihnen erlebt haben, sie trotzdem so viel Spaß und Freude im Leben haben und dies in unser Leben bringen. Davor habe ich immer wieder große Achtung und kann darüber nur staunen.

Wir leben hier wirklich einen Alltag miteinander, da genau zwei Flüchtlingshäuser in unserer Siedlung gebaut worden sind und sie direkt in unserer Nachbarschaft wohnen. Wir sind so oft zum Essen und Tee trinken eingeladen, werden mit ihren Speisen sowie ihrer Gastfreundschaft verköstigt und verwöhnt. Wir genießen die Gemeinschaft sehr mit Ihnen. In unserem Leben sind sie offen, dankbar und hilfsbereit. Es ist oft so, dass sie ein Lachen und ein Strahlen in unser Leben bringen!

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Aus „Arbeit“ wird Beziehung

Mittlerweile ist es keine „Flüchtlingsarbeit“ mehr, es sind Beziehungen entstanden, wir helfen ihnen, sich hier zu integrieren und wohlzufühlen. Wir versuchen sie bei den enormen Anforderungen die hier an sie gestellt werden zu unterstützen.
Diese beinhalten unter anderem: Deutsch zu lernen, Arbeits-, Wohnungssuche, Frauentreffen, Freizeitaktivitäten etc. Neben all ihren persönlichen Problemen und Familiensituationen durch Trennungen oder Verlust. Dabei stoßen wir selber an unsere Grenzen, können auch nicht ihre gesamten Probleme lösen, doch haben wir beschlossen, ihr Leben hier etwas schöner zu machen, so weit es für uns möglich ist.

Möge diese Bereicherung weitergetragen werden!

Fotos: privat

Vor einer Woche hat Europol eine erschreckende Zahl veröffentlicht: 10.000!

Zehntausend Kinder, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Europa verschwunden sind. Da gab es einen kurzen lauten medialen Aufschrei. Das Kindererschießen an der Grenze überdeckte aber bald die verschwundenen Kinder. Und andere viel wichtigere Themen.

Ein Teil dieser Kinder, so ExpertInnen, sind bei Verwandten in Europa, die die Kinder nicht melden. Andere sind weiter auf der Flucht. Ein Teil der Kinder soll sich in den Händen Krimineller befinden. Menschenhändler, Sklaventreiber und Zuhälter. Kinder und Jugendliche sind eine leichte Beute, wenn sie alleine unterwegs sind. Sich durchschlagen vom Nahen Osten bis nach Deutschland und Schweden. Sie sehen vieles, was ein Erwachsener nur schwer erträgt. Und sie durchleben manchmal ein tägliches Grauen, müssen schuften, um weiterzukommen. Oder Erwachsenen sexuell zu Diensten sein. Sie sind alleine. In fremden Ländern, zwischen fremden Menschen und ohne Gewissheit, ob die Zukunft besser wird.

Wo bleibt der #aufschrei?

Das ist uns einen Aufschrei von höchstens zwei Tagen wert. Dann gehen wir wieder zum medialen Alltag über. Aber wo sind die Kinder? Europol meint, dass sie mitten unter uns leben und nicht irgendwo versteckt. Also sollten wir weiter darüber berichten, reden, die Menschen informieren. Wenn wir schweigen, dann bleiben die Kinder verschwunden. Dann existieren sie nicht mehr, obwohl sie da sind.

Das wollen wir wohl alle nicht- 2016 mitten in Europa!