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von Alexandra Schmidt und Robert Gisshammer

Der neue Star Trek-Film ist der dritte jener Art, die VOR der Original Serie Raumschiff Enterprise spielt, mit James T. Kirk [Chris Pine] als Captain und Lieutanant Commander Spock [Zachary Quinto] als ersten Offizier. Der junge Kirk zweifelt, ob er Captain bleiben will, denn die Missionen seien zwar interessant, aber doch recht episodenhaft. Spock zweifelt, ob er Sternenflotten-Offizier bleiben will, denn sein Heimatplanet ruft. Gut, wir wissen, wie die Entscheidungen letztlich fallen, aber Star Trek – Beyond liefert auch gute Erklärungen dafür.

Die Handlung

Eine Mission geht durch eine unerwartete Wendung schief und schon zerlegt Captain Kirk sein Schiff (wie auch in den Filmen davor). Die Enterprise-Crew sitzt auf einem unerforschten Planeten fest und trifft auf eine neue Spezies mit unerwarteten Fähigkeiten und Waffen und auf ihren Anführer: den sinistren und zornigen Krall [Idris Elba]. Viele Mitglieder der Crew werden getötet, der Rest gekidnappt, und die wichtigsten Offiziere werden getrennt. Doch man findet auch Hilfe – in Gestalt der mutigen und wehrhaften Jaylah [Sofia Boutella], die prompt von Scotty [Simon Pegg] liebevoll „Lassie“ (Mädel) genannt wird. Ob es Captain und Crew gelingt, sich aus den Fängen Kralls zu befreien und überhaupt aus der Nummer herauszukommen?

[Seht hier den Trailer – oder scrollt runter und lest unser Gespräch über den Film weiter]

Alexandra und Robert im Gespräch

Robert: Alexandra, als echter Trekkie kennst du alle Filme und Serien. Du gehst sogar in deiner Next-Generation-Uniform zur Premiere. Was ist Star Trek für dich und wie passt der neue Film dazu?
Alexandra: Für mich ist Star Trek eine Vision, was und wie Gesellschaften sein können. Die Sternenflotte und die Föderation selbst sind ein riesiges Friedensprojekt: diplomatische Lösungen, einer der ersten Fernsehküsse zwischen einem Weißen und einer Schwarzen fiel auf der Enterprise, ganz nebenbei ein schwules Paar mit Tochter und viele Frauen in Führungspositionen. Sich durch Neugierde, Austausch und echtem Interesse aneinander zu entwickeln, das mag ich. Lernen von der fremden Spezies, sie verstehen, ihre Eigenheiten anerkennen und so die Föderation bereichern: das wünsche ich mir auch für die Erde, meinen Lieblingsplaneten. Star Trek – Beyond könnte da ruhig noch deutlicher werden.

Aber du, Robert, kennst von Star Trek nur Raumschiff Enterprise – die hast du dafür rauf und runter geschaut. Wie ist es für dich, jetzt zu sehen, wie alles begann – mit den Star Trek Technologien der 1970er Jahre aber der Film-Technologie des 21. Jahrhunderts? Und der ganzen Action? Dem Plot und wie er umgesetzt ist?

Robert: Ja, die Folgeserien wie The Next Generation oder Deep Space Nine, hab ich nie gesehen. Aber Raumschiff Enterprise gehört einfach zu den wichtigsten Fernseh-Erinnerungen meiner Kindheit. Deshalb ist die Original-Serie mit William Shatner und Leonard Nimoy mein Maßstab für die aktuellen Star Trek Filme. Star Trek – Beyond ist von der Geschichte her wie eine sehr lange Folge Raumschiff Enterprise. Insofern finde ich den Film sehr gelungen.
Der größte Unterschied ist freilich die Action. Die Möglichkeiten der modernen Computergrafik werden voll ausgeschöpft. Nach J.J. Abrams hat diesmal der Fast and Furious-Regisseur Justin Lin Regie geführt. Man merkt es an den Action-Szenen, die sehr an Fast and Furious erinnern. Menschen überstehen spektakuläre Stürze völlig unversehrt und oft sind die Action-Szenen so geschnitten, dass man sich momentan als Zuseher fragt: Moment? Wie ist das jetzt zugegangen? Was ist da jetzt genau passiert? Das sind handwerkliche Nachlässigkeiten, als hätte sich der Regisseur gedacht: Bei dem Tempo merkt das eh niemand.
Ich habe außerdem den Eindruck, Justin Lin will seine Fast and Furious-Fangemeinde für Star Trek gewinnen. Es gibt Motorrad(!)-Stunts und schrillen Punk von den Beastie Boys. Nach meinem Empfinden wirkt beides deplaziert.

Alexandra, du bist auch Feministin. Wie gefällt dir Star Trek – Beyond aus feministischer Sicht?

Als echter Trekkie war Alexandra natürlich in Uniform auf der Premiere in Salzburg – als einzige

Als echter Trekkie war Alexandra natürlich in Uniform auf der Premiere in Salzburg – als einzige

Alexandra: Die Geschlechterrollen der Figuren sind gut gemacht. Die weibliche Hauptfigur ist super-sexy, das ist aber nicht im Mittelpunkt. Es zählen ihre Hartnäckigkeit, ihr Mut und wenn sie einem nicht ganz unberühmten Sternenflotten-Ingenieur das Werkzeug aus der Hand nimmt und etwas selbst repariert, das hat was. Uhura und Spock, ja, was soll ich sagen – ein Hetero-Paar wie es im Buche steht. Aber Spock ist verletzlich wie nie und Uhura muss eben noch schnell die Welt retten. Sie hätte dafür gern noch mehr Raum haben können, nicht wahr? Und, ja, Pilot Sulu hat einen Mann und die beiden haben eine Tochter, kein Thema. Wohl aber, dass Kirk als der ärgste Draufgänger der ganzen Weltraumgeschichte im Bild ist – na ja, er ist nicht nur als junger Captain ein Wildling, aber hier wurde zu dick aufgetragen. Er ist eigentlich ein kühner, guter und auch mutiger Entscheider. Immerhin sind das auch Szenen, bei denen ich viel lachen konnte – es passt schon.

Wie hast du denn die Figuren so empfunden?

Robert: Die gesamte Enterprise Stamm-Crew ist toll besetzt. Man erkennt alle beliebten Charaktere wieder, aber niemand versucht die berühmten Vorbilder zu kopieren. Besonders auffallend in diesem Film: Pille [Karl Urban] und Spock kommen mit ihren berühmten Schlagabtauschen in die Gänge. Pille ist Spock gegenüber hämisch und sarkastisch. Mit entwaffnender Logik schlägt Spock Pille seinen Sarkasmus wieder um die Ohren. Das sind die komischsten Augenblicke des Films.
Schade nur, dass Lieutenant Uhura [Zoe Saldana] hinter Jaylah zurückstehen musste. Sie bekommt zwar einige wichtige Szenen, aber insgesamt wird ihre Geschichte unzusammenhängend erzählt, was der Figur Überzeugungskraft wegnimmt.
Ein völliger Nebenschauplatz wurde im Vorfeld völlig aufgeblasen. Sulu [John Cho] ist also schwul und hat Familie. Na und? Ich hoffe, dass die Star Trek-Fans sich darüber beruhigen und über etwas ganz anderes reden: Sulu hat Nerven wie Drahtseile, ist taff und entschlossen wie nie zuvor. Respekt, Sulu – weiter so!

Aber Star Trek hat immer auch grundsätzliche Fragen verhandelt. Ist für dich die Balance gut gelungen, Alexandra?

Alexandra: Ja, neben der ganzen Action stellt der Film natürlich auch große Fragen: Ist die Angst vor dem Tod unlogisch? Oder hält uns die Angst vor dem Tod am Leben? Macht uns kämpfen stärker? Was ist Heldentum? Für die Rettung wessen Leben lohnt es sich, sich selbst in Lebensgefahr zu bringen? Und würde der so Gerettete dasselbe für mich tun? Wieso ist eine vulkanische Leber so wichtig wie das menschliche Herz? Gut, die letzte Frage ist vielleicht nicht so relevant ;-)
Aber, ja: ich musste oft lachen und der Film gibt zu denken mit auf den Weg nach Hause. Aber ich bin ein großer Fan und höre auch sehr genau zu bei Star Trek. Wer nicht so vertraut mit den Serien und Filmen ist, für den ist die Action schon sehr dominant, diesmal.

Robert, du bist Anglist. Was sagst du zum Titel?

Robert: „Beyond“, das heißt: darüber hinaus, über der Grenze, jenseits, außerhalb … Es bezieht sich darauf, dass die Crew der Enterprise sich in unerforschtes Gebiet begibt. Ansonsten sprengt der Film keine Grenzen. Trotzdem ist er als Star Trek-Abenteuer solide und sehenswert.

Die Bewertung

Robert: Ich gebe immer bei IMDB meine Bewertung ab und ich vergebe an Star Trek – Beyond 7 von 10 Punkten.

Und du, Alexandra? Wie würdest du ihn bewerten?

Alexandra: Nun, der Film ist gut und er reiht sich würdig in die Star Trek Filmographie ein, ist aber nicht der allerbeste. 7 von 10 Punkten – da kann ich mich anschließen.

Vor einigen Wochen wurden die Server von Sony Pictures gehackt. E-Mails, Dokumente und ganze Filme wurden dabei gestohlen. Fast täglich geben die Hacker Informationen aus kompromittierenden E-Mails preis, für die Sony weltweit Häme erntet.

Das ist unangenehm, aber sehr harmlos zu dem Wirbel, um den durch die Hacker gestohlenen Film „The Interview“. Der Film stammt von Seth Rogen, und der ist für ziemlich brachialen Bad Taste-Humor bekannt. Auch der Trailer von „The Interview“ lässt nicht darauf schließen, dass Rogen hier mit mehr Subtilität vorgegangen ist. Ganz kurz zum Inhalt: Es geht es darum, dass zwei vertrottelte US Journalisten im Auftrag der CIA den Präsidenten Nordkoreas umbringen sollen: Kim Jong-un.

Bereits im Juni hat Nordkorea auf den Affront reagiert. Und nun drohten Hacker, die sich „Guardians of the Peace“ nennen, mit Anschlägen auf Kinos, in denen der Film gezeigt wird. Sony Pictures musste rasch reagieren: Die unmittelbar bevorstehende Premiere des Films wurde abgesagt und der Film überhaupt zurückgezogen.

Ausgestoßen von Hollywood
Der Komiker Steve Carell postete darauf nur ein Bild von Charly Chaplin in „Der große Diktator“ – ohne Kommentar. Das ist ein starkes Symbol. Charly Chaplin stellte 1940 eine Hitler-ähnliche Figur dar (und in einer Doppelrolle einen jüdischen Barbier) und nahm die Politik des Dritten Reichs ordentlich auf die Schippe.

Schauspieler und Regisseur Seth Rogen (Foto: Angela George, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Schauspieler und Regisseur Seth Rogen
(Foto: Angela George, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Es gab jedoch einen Unterschied: Hitler, hieß bei Chaplin Hynkel, und die Handlung spielte im erfundenen Staat Tomanien. Der Diktator plante die Invasion des Nachbarstaats Osterlitsch. Auch die Juden wurden in dem Film verfolgt – sofern Hynkel nicht gerade ein Darlehen von jüdischen Bankiers benötigte. Es war eindeutig: Hitlers Art zu reden, die Symbole der Nazis usw. – es wurde alles persifliert. Sollte Sony sich lieber ein Beispiel an Chaplins Mut nehmen? Ist Seth Rogen am Ende gar der Charly Chaplin unserer Zeit? Wohl kaum.

Ohne die Art des Humors zu vergleichen, ist der größte Unterschied, dass „Der große Diktator“ – bei aller Eindeutigkeit – kein reales Land und keinen realen Menschen. Was aber noch mehr zählt: Der Film zeigt nicht, wie ein reales und regierendes Staatsoberhaupt eines Landes umgebracht werden soll. Noch dazu auf Geheiß Amerikas, dem Land in dem der Film produziert wurde.

In „Der große Diktator“ plant die jüdische Bevölkerung zwar auch einen Anschlag auf den Diktator, doch sie besinnen sich und kommen zu dem Schluss:

Freiheit kann nicht durch Mord und Zerstörung erreicht werden.

Das ist eine wichtige Botschaft des Films, eine Botschaft des Autors und Regisseurs Charly Chaplin. Das war seine Einstellung. Charly Chaplin wäre mit der Gesinnung des Films „The Interview“ sicher nicht einverstanden gewesen. Das sollte auch Steve Carell wissen. Die Todesszene von Kim Jong Un kursiert inzwischen übrigens auch bereits im Internet. Es ist ganz gewiss nicht lustig, wie er in Flammen aufgeht.

Nach dem Trailer geht es weiter …

Schelte bekam Sony für auch vom Komiker Ben Stiller und von Talkshow Host Jimmy Kimmel. Sie nannten diese Entscheidung „unamerikanisch“ und „feige“. Haben sie Recht?

Bedroht Terror die künstlerische Freiheit?
Klar, die Hacker und Terroristen haben mit ihrer Erpressung gewonnen. Ich verstehe die Kritik. Es ist bitter und zutreffend, dass Sony hier vor Hackern und möglichen Terroristen in die Knie gegangen ist. Terror gewinnt gegen künstlerische Freiheit – wirklich kein schöner Gedanke (auch wenn ich persönlich gern auf die Produkte von Seth Rogens künstlerischer Verwirklichung verzichte). Aber in diesem Fall der Erpressung durch Terroristen weiß man nicht, mit wem man es wirklich zu tun hat. Es gibt daher kein Gegenüber, dessen weiteres Verhalten man richtig abschätzen könnte. Der Filmstart war bereits für den 25. Dezember geplant. Sony musste also äußerst rasch entscheiden.

Sony Pictures ist jedenfalls durch das Zurückziehen des Films zum Buhmann der Branche geworden. Doch, man weiß immer erst nachher, welche Reaktion richtig gewesen wäre. Stellt euch vor, der Film läuft an und ein Anschlag wird verübt – ganz wie angedroht. Der Aufschrei gegen das Studio wäre dann noch viel größer als der Protest jetzt. Statt nur Häme und Kritik gäbe es Anschuldigungen, dass Sony den Tod unschuldiger Menschen fahrlässig in Kauf genommen hätte. „Aus Profitgier“ würde es heißen.

Ein Staat würde und muss anders handeln. Aber ich verstehe die Entscheidung des Unternehmens. Sony wird es überleben, auch wenn „The Interview“ vielleicht ganz in der Versenkung verschwindet, werden alle darüber hinwegkommen und die Vorwürfe der Feigheit werden auch rasch vergessen sein. Der Ruf, dass das Studio Menschen auf dem Gewissen hat, würde ewig haften bleiben.