Wenn man wie ich seit Jahrzehnten mit einer Stadt verbunden ist, dann trifft einen die Meldung über ein Unglück in dieser Stadt ganz besonders. Man kennt ja viele Ecken und besonders viele liebe Menschen dort. Man kennt auch die symbolträchtigen Plätze.
In Istanbul gibt es derer mehrere. Aber neben dem Taksimplatz ist wohl der Platz zwischen der Hagia Sophia und der Blauen Moschee der wichtigste der Stadt. Hier konzentriert sich die Geschichte der Stadt auf einer kleinen Fläche. Topkapi-Palast, das Hippodrom, die unterirdische Zisterne. Römische, byzanthinisch/christliche, islamische und die Geschichte des 20. Jahrhunderts finden sich hier.
Aber Hagia Sophia und die Blaue Moschee sind die beiden weithin sichtbaren Brückenpfeiler, die zwei Religionen symbolisieren.
Die Gotteshäuser stehen sich gegenüber, Auge in Auge blickend, aber auch im Miteinander. Die eine ist ohne die andere nicht denkbar. Seit Jahrhunderten. Die Hagia Sophia war ursprünglich eine christliche Kirche. Sie ist der „Heiligen Weisheit“ gewidmet und als universelles spirituelles Zentrum der Welt gedacht. Ein Wunderwerk der Baukunst der Spätantike mit einer Kuppel, die noch heute jeden zum Staunen bringt. Über 1000 Jahre war die Hagia Sophia die größte Kirche der Welt. Nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen wurde sie zur Moschee. Dann kam der Wunsch gegenüber eine Moschee zu errichten. Nach 7 Jahren Bauzeit wurde die Blaue Moschee oder Sultan Ahmet Moschee 1616 fertiggestellt. Ein Prachtbau mit wunderbaren Nebengebäuden, einer großen Kuppel und einer atemberaubenden Innenausstattung mit kunstvollen Iznikkacheln, die in Blau gehalten sind.
So stehen sich seit nunmehr 400 Jahren zwei der bedeutensten Bauwerke des Christentums und des Islam gegenüber. Und bringen unzählige Menschen zum Staunen und zum Nachdenken. Der Platz dazwischen lädt die Menschen ein tolerant zu sein. Das eine neben dem anderen stehen lassen zu können. Nicht endgültig zu sagen, dieser Bau ist größer und schöner als jener. Und damit eine Vorherrschaft einer Religion zu manifestieren. Sondern es auszuhalten, dass beides existiert.
Und dann explodiert die Bombe genau hier. Menschen sterben, Menschen werden verletzt. Und der Mörder bringt hier auch seinen Unwillen zum Ausdruck, dass er keine Toleranz aufbringt für ein Nebeneinander, Miteinander, für Respekt. Er und seine Terrorkumpane wollen das nicht. Sie wollen den Unfrieden und den Hass und die alleinige Macht. Und sie wollen keine Religion, die den Frieden stärkt und den Krieg verurteilt.
Darum ist der Anschlag in Istanbul zwischen Hagia Sophia und Blauer Moschee auch ein Anschlag gegen das Miteinander und die Offenheit der Religionen. Aber Bomben können den Wunsch und den Willen vieler Menschen, religiös oder ohne Glauben, nicht töten, Frieden und ein respektvolles Miteinander zu haben! Die Mörder täuschen sich wie in Bagdad, Paris, London, Kabul oder Madrid.