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Ein Beitrag von Martina Zidek

Susi1Die meisten und vor allen Dingen die schönsten Erinnerungen meiner Kindheit haben mit Hunden zu tun. Im ländlichen Oberösterreich gab es zu dieser Zeit noch eine Unzahl von Hunden, die sich frei in der Umgebung bewegen durften und oft und gerne auf einen Imbiss oder eine Spielstunde bei uns Kindern vorbeischauten. Manche Hunde wollten mit uns auch nichts zu tun haben, und auch das war in Ordnung.

Die Herzen der Kinder schlagen nahe am Puls der Schöpfung und mühelos erkennen sie die uralten Codes, die in unsere Säugetiergene eingeschrieben sind, wenn sie Gelegenheit bekommen, diese kennen zu lernen. So wussten wir, dass der Kreiner-Arco ein Einzelgänger war, der auch an Menschen kein Interesse zeigte, der Maier-Spitzi sich hingegen mit Freuden im Puppenwagen herumkutschieren ließ und es auch nicht krumm nahm, wenn er mal ein paar Haare seines unwiderstehlich buschigen Schwanzes lassen musste.

Die meisten Hunde genossen den Umgang mit uns Kindern ebenso sehr, wie wir den mit ihnen und behandelten uns kaum anders als Hundekinder, denen sie fast unendliche Geduld entgegenbringen. Dann und wann bekamen wir auch einen Rüffel, zum Beispiel als wir versuchten unseren Dackel Susi in Puppenkleider zu stopfen. Wir wussten ohne den geringsten Zweifel, dass wir den Bogen überspannt hatten und ihr Knurren keine Drohung, sondern eine wohlverdiente Zurechtweisung war. Hätten wir unseren Müttern davon erzählt, so hätten sie im besten Fall gelacht und im schlechtesten Fall mit uns geschimpft, weil wir gegen die eiserne Regel verstoßen hatten, tierische Bedürfnisse ebenso wichtig zu nehmen, wie menschliche.

a touch, that never hurts

SusiManche Kinder ängstigen Franzi. Er hat eine sanfte Seele, die Grobheit und Unartigkeit wehrlos gegenübersteht, weshalb er es vorzieht, sich hinter mir zu verstecken, wenn eine lärmende Gruppe von Kindern unseren Weg kreuzt. Nähert sich ihm jedoch ein Kind sanft und liebevoll, dann ist er glücklich, so wie die Hunde meiner Kindheit es waren. Er lässt sich füttern und streicheln und fordert mit Nasenstüberln noch mehr Zuwendung ein. Wenn das Kind dann noch zu lachen beginnt, ist sein Glück perfekt: er wedelt mit dem Schwanz, das Hinterteil in der Luft, den Oberkörper auf den Boden gepresst.

In solchen Momenten stehe ich daneben und denke zurück und hoffe, dass zu jeder Zeit die liebevolle Allianz zwischen Hunden und Menschenkindern die Welt ein bisschen freudvoller machen wird. Ich habe viele Wünsche für die kommenden Generationen: sauberes Wasser, genügend Nahrung und Rohstoffe sowie Liebe und Toleranz für Mensch und Tier. Wer weiß? Vielleicht hat der zärtliche Franzi schon das eine oder andere Saatkorn in ein Kinderherz gelegt.

Ein Beitrag von Martina Zidek

franzi 2Nach Jahren der Hundeabstinenz war ich nun wieder ein Frauli und ich war schockverliebt. Jede Regung von Franzi wurde kommentiert und analysiert und mehr als einmal habe ich das Radio abgedreht, um seinem Schnarchen zu lauschen (ich bin übrigens bis heute davon überzeugt, dass er das schönste Schnarchen der Welt hat). Wir karrten Spielzeuge heran und kundeten Gassirouten aus, aber Franzi blieb ein ernster und  nachdenklicher kleiner Hund, der sein Leben in Geborgenheit als Intermezzo betrachtete, das jederzeit zu Ende gehen konnte.

Meine Begeisterung für unser Leben als Minirudel hingegen war ungebremst und schließlich sprang der Funke über: Ich sang vor mich hin (das tue ich ebenso gerne wie grauenvoll) und bemerkte seinen interessierten Blick. Über die Hälfte der Dauer des Songs schaute er verdutzt zu mir auf und dann: sein erstes, zaghaftes Schwanzwedeln. Es war das erste von unzähligen Malen aber für uns war es ein Meilenstein, mit dem ein neues Kapitel begann.

La vita e bella

franzi3Der Bann war gebrochen und wenn auch noch das Herrli zu unseren Spielen kam und wir ihn mit Quietschis durchs Haus jagten, war Franzi meist so vom Glück überwältigt, dass er sein Spiel unterbrach, den Kopf in den Boden bohrte und wie ein Kreisel rundherum lief  – der Ausdruck seines ungläubigen Staunens darüber, dass das Leben so lustig sein kann. Diese freudige Erkenntnis führte zu großem Vertrauen und seine Lust auf neue Abenteuer war geweckt: er entdeckte den Spaß am Autofahren (mit Hilfe einer Rückbankverbreitung und eines darauf befestigten Bettis), wurde zum Shopaholic (um ihm die Angst vor fremden Menschen zu nehmen, gehen wir einmal wöchentlich ins Hundegeschäft, wo er sich bewundern und verwöhnen lässt), fand Spielkameraden und Lieblingsbeschäftigungen (wie zum Beispiel Fährten suchen) und lehrte mich Zug um Zug Geduld zu haben und nichts erzwingen wollen, dessen Zeit noch nicht gekommen ist. Heute verständigen wir uns in einer gemeinsame Sprache, die wir in drei Jahren des partnerschaftlichen, respektvollen Umgangs mit- und füreinander entwickelt haben. Wir stützen und beschützen einander und gehen achtsam mit den Bedürfnissen des jeweils anderen um. Wir haben Glück, einander zu haben und sind dankbar dafür.

Um es mit Robyn Davidson zu sagen: Der liebe Gott in seiner unendlichen Weisheit gab uns drei Dinge, um das Leben erträglich zu machen: Hoffnung, Humor und Hunde. Das Wichtigste aber waren die Hunde.

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Eine Geschichte unserer Gastautorin Martina Zidek

Manche von uns sind Hundemenschen und ich gehöre dazu. Hunde haben meine Kindheit reich gemacht und mir durch die komplizierte Jugend geholfen. Als junge Erwachsene gaben sie mir die Sicherheit, die meine noch mangelnde Erfahrung mit der Welt mir nicht geben konnte.

Nach meiner Übersiedlung von Salzburg nach Niederösterreich brauchte ich lange um Wurzeln zu schlagen und traute mir in dieser Zeit nicht zu, einem Hund ein schönes Zuhause zu bieten. Doch auch diese Phase ging vorüber und plötzlich war er da: der übermächtige Wunsch, mit einem Hund mein Leben zu teilen.Hugo6

Ich verhandelte lange mit meinem Mann, wer welche Aufgaben übernehmen sollte, bis wir uns schließlich einigten, dass ich alles machen sollte (ich war zu wirklich jedem Kompromiss bereit) und stöberte nächtelang durch jede nur denkbare Tierschutzseite auf der Suche nach dem perfekten Hund. In meiner Phantasie sah ich mich mit einem ungeheuer folgsamen Dackel durch den 1. Bezirk promenieren – wenn ich mich heute mit derben Schuhen und schmutzigem Anorak durch ein Gebüsch kämpfe, muss ich jedes Mal darüber lachen, dass ich mich nicht mehr an die Realität eines Hundemenschen erinnern konnte (oder wollte).

Jedenfalls, ich werde den Moment wohl nie vergessen, blätterte ich durch eine Tierschutzseite und da war er: klein, rötlich, abgeknickte Ohren, Ringelschwänzchen, kurz: das Ja Natürlich-Ferkel in Hundeform.

Noch am selben Tag fuhren wir durch Eis und Schnee und holten ihn heim. Es war der 28. Dezember, wir feiern ihn jedes Jahr als Frauli-Komm-Tag.

 Liebe auf den ersten Blick – von wegen!

Unser Kennenlernen verlief natürlich völlig anders, als erwartet: der kleine Hund wollte nicht adoptiert werden.

Als Straßenhund in Spanien aufgewachsen, vom Hundefänger eingefangen und von der spanischen Perrera in einen österreichischen Gnadenhof transportiert, fand er, dass sein kurzes Leben bereits genug Wechselfälle geboten hatte und klammerte sich verzweifelt an seinen Tierheimpapa. Ich war ernüchtert: eigentlich sollte er mir in die Arme springen, mein Gesicht lecken und lebenslänglich dankbar für seine Rettung sein – so hatte ich es mir jedenfalls ausgemalt.

Auf Drängen meines Mannes (ich wollte frustriert die Segel streichen und mich auf den Heimweg machen) unterschrieben wir die Adoptionspapiere und trugen den sich sträubenden Kerl ins Auto, wo er sich unzählige Male übergab, bis wir ihm endlich sein neues Zuhause zeigen konnten.fra

Unsere Bemühungen, ihn mit Wasser, Futter und Spielzeug zu beglücken ignorierte er, einzig eine Decke nahm er dankend an um sich darin zu verkriechen. Ein wenig ratlos beschloss ich ihn zu baden, da seine Kotzerei im Auto natürlich Spuren auf seinem derben, borstigen Fell hinterlassen hatte (übrigens auch auf meinen Schuhen, meiner Hose, der Jacke, dem Autositz, den Fußmatten….).

Das erste Bad im Leben eines Hundes ist naturgemäß ein schreckliches Erlebnis: der Initiationsritus in die Welt der Haushunde, aber in unserem Fall war es beinahe traumatisch: er verfiel in eine Art Schockstarre und wagte nicht einmal sich das Wasser aus dem Fell zu schütteln, als es vorüber war.

Da stand er: der arme kleine Kerl, der noch nie Schönes oder Liebe erfahren hatte, der von den Menschen auf der Straße geprügelt und von den Hunden im Tierheim gemobbt worden war und zitterte vor Angst, weil ihm schon wieder Schreckliches angetan wurde.

Ich schloss ihn in meine Arme und in mein Herz, legte mich mit ihm auf die Badematte und hielt ihn fest, bis er wieder trocken war. Seitdem sind drei Jahre vergangen und das Band, das wir in diesen Stunden knüpften hält uns noch immer fest umschlossen.

Er braucht einen Namen

Dieses Baderlebnis machte uns zu Freunden, zu Mutter und Sohn, zu Seelengeschwistern – mir gehen die Vergleiche aus, drum kurz: zu Frauli und Hund.

Für die nächsten Monate wich mir der Wicht nicht von der Seite. Er überwand seine Angst vor dem Keller, wenn ich Wäsche aufhängte und seine Abscheu vor Kosmetikdüften, wenn ich ins Bad ging, nur damit wir uns auch nicht für ein paar Minuten trennen mussten. Doch an diesem ersten Abend, musste eine wichtige Sache noch geklärt werden: Er brauchte einen Namen.Martina&Franzi_[11.1.2014]-17

Im Tierheim hieß er Hugito – was soll ich sagen: ich kann nicht Spanisch, aber ich singe gerne Weihnachtslieder und da die stille Nacht gerade erst vorüber war, wurde er kurzerhand Franz-Xaver benannt. Ein bisschen holprig, war’s schon, ihn so zu rufen, also wurde bald ein Franzi aus ihm. Heute hat er, wie jedes geliebte Kind, viele Namen: Schneckiwutz, Stutzi, Augenstern, Prinz Franz und manchmal auch Mistvieh um nur ein paar Bespiele zu nennen.

Viele meiner Bekannten sind der Meinung, dass wir ihn durch diesen Namen vermenschlichen. Ich finde das nur gerecht: in unseren besten Momenten kann ich durch ihn die Welt ein bisschen durch Hundeaugen sehen, warum also sollte er nicht auch ein paar menschliche Attribute von mir verpasst bekommen?