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Mitte Januar wurde ich von einem lieben Freund angerufen. Es war ein kurzes Palaver, mir wurde mitgeteilt, dass ich mir vom 8. bis 17. April Zeit nehmen und mir das in den Kalender eintragen soll. Nun, die Verbindung hier in Grödig ist nicht immer die Beste, ich verstand vom 7. bis zum 10. April. Gut, dachte ich, fahren wir also da zum Gardasee, wie im Vorjahr schon mal für heuer geistig gesponnen. Ich fragte danach und bekam die Antwort: „Nein, nicht zum Gardasee. Nach Südfrankreich!“ „Hmmmm“, kam es mir über die Lippen. Vier Tage ist ein bisserl knapp für Südfrankreich. Jetzt wurde der 17. April noch mal laut und deutlich erwähnt. Huch! Sogleich bekam ich Schnappatmung! Wie? Was? Wiiie lange? Mit dem Automobil? Ja, es war tatsächlich der Zeitraum und nein, nicht mit dem Wagen, sondern mit dem Flugzeug!

Wieder einmal mit dem Flugzeug verreisen – zum ersten Mal seit 8 Jahren

Nun hatte ich ja ein Quartal Zeit, mein zartes Gemüt darauf vorzubereiten. Aber nach kurzer Zeit wich der Bammel der Freude. Ich erwarb einen Reiseführer und informierte mich in den Weiten des Internets, wie man denn mit einem Rolli reist. Just drei Tage vor Abreise postete der Salzburger Flughafen auf Facebook ein Video, wie Menschen mit Rollstuhl ins Flugzeug gebracht werden. Sehr spannend und fast ein bisserl First Class. Man kommt separat und als erstes ins Flugzeug.

Am Tag vor unserer Abreise teilte uns die Dame unseres Vertrauens vom Stammreisebüro mit, dass Air Berlin den Flug Salzburg Düsseldorf ersatzlos gestrichen hat – und das um 17:50 Uhr. Mann, da war die Aufregung groß! Die Gute machte Überstunden und letztendlich konnte die Reise doch noch am Samstag angetreten werden, nur halt den ganzen Tag dauernd. Geplant war Salzburg-Düsseldorf-Nizza, nun flogen wir Salzburg-Frankfurt-Stuttgart-Nizza. Mit drei verschiedenen Airlines. Das nenn ich aufregend!

Am Flughafen angekommen waren wir alle gut gelaunt, die Luft ist schon eine ganz andere. Wohlgeruch schwängerte die Luft. Gleich mal eingecheckt, durch die Sicherheitskontrolle und im Wartebereich ein zweites Frühstück genommen. Dann war es so weit. Ich wurde von den Wartenden separiert und in ein spezielles Gefährt gerollt. Über das Rollfeld gefahren und mittels Hydraulik direkt an die Eingangstüre des Flugzeuges gedockt. In dem Hubwagen musste ich auf einen speziellen, sehr schmalen Rollstuhl umsteigen. Mein Rolli kam in den Frachtraum. Ruckzuck war ich im Flugzeug und auf meinem Platz. Ein Fensterplatz. Den wollte ich sowieso, erfuhr später aber auch, dass unsereins immer einen hat, damit andere Passagiere nicht eingeschränkt werden. Wenn zum Beispiel wer auf die Keramik muss. Man kann natürlich auch boshaft sagen, bei einer Notlandung sollen erst die Gehenden fliehen können und den Maroden zerren wir zum Schluss raus. Aber so denke ich natürlich nicht!

Im VIP-Fahrzeug für Rollstuhlfahrer

Der Flug nach Frankfurt war denkbar kurz. Kaum auf Reiseflughöhe ging es schon wieder in den Sinkflug. Hüpf quasi! In Frankfurt war es toll und interessant für mich. Ich wurde aus dem Flugzeug geholt, da jetzt natürlich als letzter, und in einen Mercedes (Transporter) gehievt. Der Frankfurter Flughafen ist dermaßen groß, da fährt man schon eine zeitlang. In meinem Fall zum VIP Bereich direkt am Rollfeld zur Passkontrolle. Man, das hat schon was, das First Class Reisen: roter Teppich und Limousinen von Bentley und BMW der 7er Reihe. Das erlebe ich hoffentlich auch noch mal in diesem Leben. Der Fahrer brachte meinen Pass und mein Flugticket zur Kontrolle und weiter ging es zum Flugzeug. Schnell von Frankfurt nach Stuttgart und von dort weiter nach Nizza.

Endlich in Nizza angekommen hieß es sich erstmal orientieren, wo ist der Ausgang und der Autoverleiher. Wir landeten beim Terminal 1, der Verleiher war bei Terminal 2. In Salzburg zu Fuß erreichbar, in Nizza braucht man hierzu eine Viertelstunde mit dem Bus. Bei diesen Bussen fährt die Rollstuhlrampe elektrisch aus. Die Verleihstation wurde relativ schnell gefunden. Den Voucher für den gebuchten Wagen vorgelegt und wir erhielten den Wagenschlüssel. Leider nicht ganz ohne Komplikation, aber das erzähle ich im zweiten Teil. Unser Wägelchen, ein Blau-Metalise farbener Citrööön C4 Gran Picasso, war nagelneu. Ich liebe neue Autos, kann ich doch da als erstes in die Polster furzen. Dies tat tatsächlich einer meiner Freunde zuhauf.
Das Navi, wir tauften es Lieutenant Uhura, stellten wir auf Marseille ein und fuhren direkt dort hin.

Am Abend angekommen stellten wir fest, dass unser Hotel keinen Parkplatz hatte. Wir fuhren also gleich in eine nahegelegene Tiefgarage. Mit Sack und Pack ging es dann zum Hotel. Die Rezeptionistin war freundlich und gab uns unsere Schlüssel. Mir den zu meinem vorbestellten barrierefreien. Meines war im ersten Stock situiert, die der anderen verteilt auf die anderen Stockwerke. Beim Öffnen meines Zimmers traf mich fast der Schlag! Ein Mickey Maus-Zimmer, so klein, dass ich nicht mal zum Fußende des Bettes rollen hätte können. Geschweige denn jemals ins Bad. Was aber auch nicht gegangen wäre, hätte ich dort hinfahren können. Die Türe war viel zu schmal. Also blieb ich mitsamt Gepäck der anderen im Flur des ersten Stocks und hörte, wie die anderen mit der Dame am Empfang diskutierten. Die Gute hatte mir doch tatsächlich einen Schlüssel zu einem normalen Zimmer gegeben, da die vorhandenen drei barrierefreien Zimmer belegt waren. Ich weiß nicht, wie sich manche ein Leben im Rollstuhl vorstellen!

Herbergsuche mit Robert und Robert von solongsuckers.us

Die Diskussion im Parterre wurde immer lauter, ein Mix aus Englisch und Französisch. Letztendlich schickte uns die Rezeptionistin von diesem Hotel in ein anders, mit dem sie noch vorher telefoniert hatte. Dieses hatte auch tatsächlich ein rollstuhlgerechtes Zimmer. Hier checkten wir alle ein, mussten aber hier noch einmal bezahlen. Das schon bezahlte Geld holen wir uns von dem anderen Hotel zurück.

Halleluja! Endlich angekommen und die Fussi hochgelegt. Jetzt kann der Urlaub beginnen. Allerdings war der holprige Start noch nicht alles. Ich hab noch einiges zu erzählen. In Teil 2. Und 3. Und 4 und und und.

Teil 1 über meine erste Reise im Rolli ist schon eine Weile her: Lest hier: Der Anreisetag

Die erste Nacht im französischen Bett war sehr angenehm. Gut, ich kann eigentlich immer und überall schlafen. Aber hier war es trotzdem schön. Bei Beginn der Reise, vereinbarten wir, dass wir nicht im Hotel, sondern jeden Tag woanders in einem kleinen, typisch französischen Cafe unser Frühstück zu uns nehmen. Ich kann ja ohne Frühstück gar nichts! Die Idee mit den kleinen, niedlichen Cafés gefiel mir sofort, hatte ich doch noch die wunderbare alte American Express Werbung mit Alfred Biolek aus den 90ern im Gedächtnis.

Allerdings haben wir dahingehend die Rechnung ohne den Wirt gemacht, dass wir nicht wussten, wie weit unser Hotel vom Zentrum entfernt ist. Ängstlich wie wir allesamt waren, nahmen wir das erste Frühstück doch lieber im Hotel ein. Gut, die Angst der anderen bestand darin, dass ich in buntesten Farben schilderte, wie zickig ich ohne Frühstück sein kann! Das Gebotene war den Preis wert, kurz gesagt gut und preiswert. Gestärkt bestiegen wir unseren eleganten, silbermetallicfarbenen Bus und starteten zeitgleich das Handy-Navi. Die Fahrt führte uns über die Autobahn durch eine schöne Landschaft. Sehen konnten wir die schöne Gegend, weil es hier keine Verschachtelung der Autobahn wie bei uns gibt.

Ich hab mir alles aus der Ferne angesehen

Ich hab mir alles aus der Ferne angesehen

Ohne Verfahren kamen wir im Laufe des Vormittags an der Kriegsgräber-Gedenkstätte nahe Verdun an. Alleine die Zufahrt war schon sehr beeindruckend. Tausende weiße Kreuze und Grabsteine in Reih und Glied! Als wir anreisten, waren nur wenige Besucher da und wir konnten direkt an der Gedenkstätte parken. Kaum war der Turbodiesel abgestellt, ging schon die hintere Schiebetür auf. Mein Rollstuhl wurde mir schnell hingestellt und nicht wie sonst gewartet, bis ich aus dem Wagen rutschte. Nein, zwei der Jungs zischten sofort mit der Kamera los und bestaunten die Anlage. Die anderen zwei hatten noch Hunger und stürzten sich auf die Reste der Jause, die noch vom Anreisetag übrig waren. „Gut“, dachte ich mir. „Schwingst dich halt alleine aus der Fuhre!“ Ich rutschte wie schon zuvor nicht sonderlich elegant aus dem Wagen. Fest hielt ich mich an der offenen Tür. Das war ja kein Problem. Im Hintergrund hörte ich die beiden anderen schwatzen und schmatzen. Vorm hinsetzen in den Rollstuhl musste ich mich aber zurecht machen. Das Unterhemd gehörte in die Hose gesteckt und diese raufgezogen. Nur ist das Ganze schwierig, wenn man sich festhalten muss. Also lehnte ich mich mit der Stirn an den Fensterrahmen des Busses und versuchte, die Prozedur zu erledigen. Nun ist es bei mir so, dass ich mich beim Stehen und Gehen auf meine Fussi konzentrieren muss. Während ich mit beiden Händen an meiner Hüfte hantierte, ließ die Spannkraft in meinen Knien nach und ich rutschte mit der Stirn langsam über die Seitenscheibe nach unten. X-beinig lehnte ich da. Ich sah aus wie eine Giraffe am Wasserloch! Die beiden hinter mir stehenden Mitreisenden, nahmen davon keine Notiz. Leises bitten um Hilfe wurde von ihren Schmatzgeräuschen übertönt. Ich musste also etwas lauter auf mich aufmerksam machen, während ich mit der Stirn immer weiter übers Seitenfenster runterrutschte. Endlich. Die Schwatzenden und Schmatzenden, wandten sich mir zu. Sicherlich gleich mit helfender Hand, aber auch schallend lachend! Gerade noch gerettet und schnaufend im Rollstuhl angekommen, konnte ich mir mindestens fünf Minuten lang schallendes Gegacker über meine schiefe Optik anhören! Furchtbar und nicht der Gedenkstätte angemessen!

Alles in Verdun dreht sich um den ersten Weltkrieg. Die Souvenirläden sind voll mit solchen Dingen. Der Schrecken: ein Geschäft

Alles in Verdun dreht sich um den ersten Weltkrieg. Die Souvenirläden sind voll mit solchen Dingen. Der Schrecken: ein Geschäft

Als die Lachtränen letztlich doch noch versiegten, ging es dann doch los, die Gedenkstätte zu erkunden. Sehr spannend und bedrückend. In einem Raum sind abertausende, nicht zuordenbare Gebeine aufgetürmt. Die sterblichen Überreste der gefallenen Franzosen liegen in den Gräbern mit den weißen Kreuzen und Grabsteinen. Die identifizierten, gefallenen Deutschen wurden außerhalb beerdigt, hier unter schwarzen Kreuzen. Dieser Friedhof war an einem ziemlich steilen Hang angelegt und ich betrachtete ihn nur vom Auto aus, während die anderen den Hügeln hinaufstiegen und interessiert die Inschriften lasen. Nach ausgiebiger Besichtigung, fuhren wir los zu einer anderen Sehenswürdigkeit in der Nähe. Nämlich die Schützengräben. Wieder konnte ich nicht mit, da die Anlage nicht barrierefrei war. Wieder blieb ich derweilen wie ein zurückgelassener Pudel in dem Auto sitzen. Die Ruhe war dann doch ganz gut, schließlich wurde während der Fahrt noch mal mein Türerlebnis breitgetreten! Meine treusorgenden Freunde kamen bald wieder, die Gräben waren nicht sehenswert. Also fuhren wir los um das Fort Vaux zu besichtigen. Das ist eine alte Wehranlage aus dem 17. Jahrhundert.

Wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist, hält man zuerst Ausschau, wo denn eine barrierefreie Keramik ist. Bei dieser Anlage war überhaupt keine, weder eine normale, noch eine barrierefreie. Unsere mitreisende Freundin ging in den Touristenshop und erkundigte sich, ob und wo denn eine Toilettenanlage sei. Die Dame verneinte und sagte gleichzeitig, dass das Wildpinkeln strengstens verboten sei. Nun, das kommt ja im Rollstuhl sitzend ohnehin nicht infrage. Wir rollten weiter und nach ungefähr zehn Metern kam die besorgte Dame aus der Touristenfalle und plärrte uns nach, dass wir auf gar keinen Fall Lulu machen dürften. Also Leute gibts! Wir beschwichtigten sie, dass wir das eh nicht vor hatten und nur zur Vorsicht gefragt hatten. Somit war für mich der Besichtigungstag vorüber.

Zum Abschied köstlich gegessen im sehr urigen Chez Mamie

Zum Abschied köstlich gegessen im sehr urigen Chez Mamie

Bereits bei der Anfahrt zur Gedenkstätte, waren wir in „Downtown” Verdun an einem kleinen, typisch französischen Lokal mit dem klingenden Namen „Chez Mamie“ vorbeigefahren. Ob das wohl gut ist? Es gab jedenfalls einige Treppen rauf in das Lokal im alten Häuschen. Für mich nicht ideal. Nach unserem Sightseeing-Tag bei den Kriegsgedenkstätten fuhren wir nochmals nach Verdun hinein und schlenderten 15 Minuten herum. Zufällig kamen wir zu einer kleinen, aber feinen Chocolaterie. Dort stöberten wir ein wenig und machten natürlich Beute. Die zwei Herren darin, der Schokomeister und sein Angestellter, waren sehr freundlich und hilfsbereit. Bevor wir mit unseren vollen Taschen das Geschäft verließen, fragten wir, wo wir denn in Verdun zum Essen gehen könnten. Das sei schwer. Sie nannten ein, zwei Lokale, die in Ordnung seien. Es sei schwierig, in Verdun richtig gut essen zu gehen. Auf Nachfrage, was sie von „Chez Mamie“ halten, erhellten sich die Antlitzer der beiden. Wenn wir einen Platz bekämen, seien wir dort bestens aufgehoben. Wir riefen an und das Glück war uns tatsächlich hold.

Die Treppe hinauf ins Lokal hielt uns nicht ab, denn manchmal geb ich meine Selbstbestimmtheit gerne auf. Ich ließ mich mitsamt meinem Rollstuhl von den anderen hochhieven und genoss unseren Platz mitten unter den Einheimischen. Herrlich würziges Brot, Foie Gras, Miesmuscheln, Entrecote und Rotwein. Aber nicht nur Essen und Trinken waren wie im französischen Film – auch die Stimmung.

Nach der wunderbaren Labung ging es hauptsächlich über die Landstraße zurück nach Metz – durch eine Gegend so stockfinster wie man es selten erlebt. Nach der Ankunft zogen sich alle erschöpft, zufrieden und eindrucksschwanger in unsere französischen Betten zurück. Gute Nacht Mary-Ellen!