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Seit einigen Tagen gibt es Horrornachrichten aus Tschetschenien. Eigentlich nichts Neues würde man meinen. Ein Diktator von Gnaden Russlands regiert seit Jahren mit eiserner Hand. Die Unterdrückung der Menschen ist Alltag. Und jetzt geht das Regime massiv gegen Homosexuelle und Transgender vor.

Dass in vielen Ländern der Erde nicht-heterosexuelle Menschen kein leichtes Leben haben ist uns allen bekannt. Aber Folter und Mord gehörte in Tschetschenien noch nicht zum Alltag. Man könnte nun meinen: „Was geht uns die LBGTIQ-Community in Tschetschenien an? Die haben dort so schon genug Menschenrechtsverletzungen, Probleme und Unterdrückung.“ Genau deswegen, meine ich, muss es uns ein besonderes Anliegen sein, dieses Unrecht, die Folter und die Tötungen aufzuzeigen.

Liebe ist normal

Weil eine Minderheit es immer noch schwerer hat und man ihre Rechte oft zu Gunsten der Bedürfnisse und Anliegen  der Mehrheit bei Seite schiebt. Denn erst wenn Menschen, die nicht der vermeintlichen Norm entsprechen, volle Rechte und Akzeptanz genießen, gibt es auch volle Rechte für alle. Diese Rechte, diesen Respekt und diese Akzeptanz müssen wir einfordern. In Tschetschenien, in Europa. Von staatlichen und religiösen Institutionen. Weil uns allen klar sein muss, dass Liebe normal ist und jeder Mensch sich entscheiden darf, wen er liebt und mit wem er oder sie oder es leben will.

Demo in Wien am 21.4. 2017

Fotos: Hosi, Soho

Von Gabriele Rothuber
Ich kenne Paul Haller seit einigen Jahren, zusammengebracht hat uns das Thema Intergeschlechtlichkeit. Er war schon 2013 auf der Abendveranstaltung als Gast, 2014 dann als Workshopleitender bei der österreichweit 1. Intersex-Tagung in Salzburg. Gemeinsam sind wir Gründungsmitglieder der Plattform Intersex in Österreich. 

 

Wir sahen uns einige Male im Jahr, bei Plattform-Treffen oder Tagungen zum Thema LGBTI. Paul lebte in Wien, studiert Soziale Arbeit an der FH St. Pölten, arbeitete zuletzt im Flüchtlingswerk und ehrenamtlich in der „queerconnexion“, einem Schulprojekt für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.

Im Herbst ergab es sich, dass Bernhard Damoser, der das Office der HOSI Salzburg leitete, eine Stelle in der Diakonie Salzburg annahm.

Und da Paul seit Jahren immer wieder mit Erstaunen festgestellt hatte, was wir in der HOSI Salzburg denn so alles auf die Beine stellen, hat er umgesattelt: vieles, was Paul im ehrenamtlichen Aktionismus bereits realisiert hatte, kann er nun zu seinem Beruf machen. Er wird auch das Projekt „Schule der Vielfalt“ der HOSI leiten. Somit ist er kurzerhand nach Salzburg übersiedelt und übernimmt mit Dezember die neu geschaffene Geschäftsführungsstelle der HOSI Salzburg.

Auch in der Watchgroup gegen sexistische Werbung wird Paul sich einbringen – war er ja bereits in Wien Mitglied.
Erfreulicherweise bleibt uns Berni als Vorstandsmitglied und Leiter des Interkulturellen Referates erhalten.

Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Paul und die Realisierung vieler toller Ideen! Und da Paul ein extrem guter Vernetzer ist, werden ihn bestimmt viele von Euch bald mal kennenlernen…

Bild Hosi Salzburg – von links nach rechts:
Obmann Josef Lindner, Paul Haller, Obfrau Gabriele Rothuber, Bernhard Damoser

von Thomas Höllerer

Es war vergangenen Freitag im Vereinszentrum der Homosexuellen Initiative (HOSI) in der Gabelsbergerstraße und es war der Vorabend vom HOSI Fest. Ich und einige Kolleg*innen waren gerade schwer mit den Vorbereitungen dieses großen Events beschäftigt und natürlich ging es wie immer etwas hektisch zu, damit für den nächsten Tag alles vorbereitet ist. Also fuhr ich mit einem Kollegen noch zum Großhandel, um Einkäufe zu erledigen und erst dort merkte ich das Missgeschick: Ich hatte meine teure Tasche samt mehreren Kreditkarten, Bankomatkarten, Buchhaltungsbelegen, iPad sowie Bargeld auf der äußeren Fensterbank des Vereinszentrums stehen lassen. Ich rief sofort in der HOSI an, doch die Tasche war weg! Der Schock war groß und beim Gedanken an den materiellen Verlust und den zeitlichen Aufwand, der auf mich zukommen würde, wurde ich wütend, frustriert und traurig.

Serag, der ehrliche Finder

Natürlich gingen wir von einem Diebstahl aus, welcher in der stark frequentierten Straße absolut im Bereich des Möglichen liegt. Wir fuhren sofort zurück in die Stadt, suchten erfolglos die Gegend um das Vereinszentrum ab und ich erstattete Anzeige bei der Polizei in Gnigl. Wieder im Vereinslokal bemerkten wir einen Mann, der durch die Glastür schaute, schließlich hereinkam und mich fragte, ob ich etwas verloren hätte. Es war ein syrischer Mann namens Serag A., der die einsame Tasche bemerkte und zur Polizeiwache am Bahnhof gebracht hatte. Meine Erleichterung war riesig und ich bekam die Tasche samt vollständigem Inhalt wieder. Hätte dieser Mann nicht so ehrlich und couragiert gehandelt, wären diese Wertsachen womöglich für immer verschwunden. Ich bedanke mich hiermit nochmal herzlich bei Serag und möchte durch dieses Erlebnis auch dazu aufrufen, mehr über schnell gefasste Vorurteile und Hetze gegenüber Menschen mit ausländischen Wurzeln nachzudenken.

von Gabriele Rothuber

Alex Jürgen war schon mal sehr medienpräsent: 2006, als  mit dem Film „Tintenfischalarm“ von Elisabeth Scharang die eigene Geschichte als öffentlich gemacht wurde.

Und seit einigen Tagen ist Alex Jürgen in allen Medien, nicht nur österreichweit: Alex möchte als erster Mensch in Österreich den Geschlechtseintrag  im Geburtenbuch auf „inter“, „anderes“, „X“ oder eine ähnliche Bezeichnung berichtigen.

Alex Jürgen ist intergeschlechtlich. Intergeschlechtliche Menschen passen nicht in die starre Zweigeschlechternorm, sie haben Anteile beider Normgeschlechter oder ihre Geschlechtsmerkmale (Genitalien / Keimdrüsen / Hormone / Chromosomen) weichen von der medizinisch definierten Norm ab.

Es wird davon ausgegangen, dass rund 1,7 % der Bevölkerung intergeschlechtlich ist – das sind in etwa so viele wie Rothaarige. Und trotzdem ist dies nach wie vor ein extremes Tabu in unserer Gesellschaft, das so weit geht, dass Neugeborene mit intergeschlechtlichen  Genitalien medizinisch einer Norm „angepasst“ werden. Ihre Genitalien werden verändert, um eines der beiden „Kästchen“ männlich oder weiblich ankreuzen zu können. Dabei wäre dies nicht nötig und würde den betroffenen Menschen ein Leben ohne Fortpflanzungsfähigkeit (bei Entnahme gesunder, hormonproduzierender Keimdrüsen), ohne Verlust sexueller Empfindsamkeit (etwa bei der Amputation einer „zu großen“ Klitoris oder eines „Micropenis“) und ohne Posttraumatischen Belastungsstörungen durch traumatisierende Eingriffe in ihre gesunden Körper ersparen.

Noch müssen Eltern und Mediziner*innen nach der Geburt eines Kindes entscheiden, welchem Geschlecht es zuzuordnen ist. Hierzu muss jedoch kein Kinderkörper verändert werden! Kinder sollen so aufwachsen dürfen, wie sie sind: „Babies are born in a perfect way“. Sie können später – aufgeklärt, informiert – immer noch entscheiden, daran etwas zu verändern.

Die auch heute noch in 21 EU-Mitgliedsstaaten durchgeführten OPs an einwilligungsunfähigen Kleinkindern sind eine Verletzung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit. Im Völkerrecht gelten medizinisch nicht notwendige OPs, die ohne Einverständnis vorgenommen werden, als inhuman, grausam und erniedrigend.

Das Gerichtsurteil, das Alex Jürgen anstrebt, trägt wesentlich zur Enttabuisierung der Realität bei, dass es nicht nur die beiden Normgeschlechter gibt.

Dieser Gerichtsfall wird wegweisend für die Zukunft intergeschlechtlicher Menschen.

Der Film „Tintenfischalarm“ ist in der Mediathek der HOSI Salzburg entlehnbar.

Mehr Infos:

Hosi

Vimoe

Plattform Intersex

Bild: thinkoutsideyourbox

Ein Beitrag unserer Gastautorin Gabriele Rothuber

Unter dem Begriff Intersex fasst man biologische Besonderheiten bei der Geschlechtsunterscheidung zusammen. So können IntersexNeugeborene sichtbare, wie die Genitalien und/oder von außen nicht sichtbare Merkmale, wie Keimdrüsen, Hormone oder Chromosomen beider Geschlechter aufweisen. Bei vielen IntersexPersonen verändert sich der Körper jedoch erst in der Pubertät, wenn etwa eine Verweiblichung bei Burschen oder Vermännlichung bei Mädchen einsetzt. Intersex_nurLogo

Aber: IntersexPersonen sind keine Gruppe von behandlungsbedürftigen Kranken, sondern einfach „anders“, also „von der zweigeschlechtlichen Norm abweichend“ geboren!

Intersex ist in Gesellschaften stark tabuisiert, die fast alles auf eine Beziehung von Mann und Frau ausrichten, von Werbung bis zu Heiratsmöglichkeiten. Die Betroffenen leben oft in der Isolation, aus Angst vor Stigmatisierung. Zudem mussten viele von ihnen „geschlechtsangleichende“ Operationen über sich ergehen lassen: auch heute noch werden 90 % aller Intersex-Neugeborenen diesen in den allermeisten Fällen nicht notwendigen, sondern rein kosmetischen Behandlungen unterzogen! Damit einher gehen oft der Verlust der Zeugungs- oder Gebärfähigkeit sowie der sexuellen Empfindungs-fähigkeit. Vorrangiges Ziel der Intersex-Interessensgemeinschaften ist deshalb ein Verbot von Zwangsoperationen an Kindern! Jedes Kind sollte mit seinen eigenen, individuellen Geschlechtsmerkmalen aufwachsen dürfen.

Die HOSI Salzburg möchte neben ihrem Beratungs- und Vernetzungsangebot verstärkt mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf die Lebensrealität intersexueller Personen aufmerksam machen und veranstaltet heuer erstmals den INTERSEX SOLIDARITY DAY am 8.11. im Unipark Nonntal in Kooperation mit der Österreichischen Hochschülerschaft und dem GendUp der Universität. Neben der Hoffnung, mit dem Programm Interessierte aus den Bereichen Politik, Medizin und Pädagogik zu erreichen, ist es ein großes Anliegen, Betroffenen und Angehörigen Mut zu machen, aus der Isolation zu treten.

Die Menschenrechtsinitiative HOSI Salzburg (Abk. für Homosexuellen-Initiative) wurde 1980 gegründet. Im Sommer 2012 nahm der Vorstand das I für Intersex in seine L(esbian)G(ay)B(i)T(rans)-Statuten auf und erarbeitete 2013 ein Positionspapier. Das heißt die „Beschäftigung“ mit der Thematik rund um Intersex ist relativ jung – und trotzdem ist die HOSI Salzburg eine der ersten österreichischen Organisationen, die „Zwischengeschlecht“ thematisiert und somit ihr Beratungsangebot auf Inter* Personen und deren Angehörige erweitert.

Wer mehr darüber wissen möchte kann sich an mich wenden:

Mag.a Gabriele Rothuber                           intersex@hosi.or.at

Dipl. Sexualpädagogin

Intersex-Beauftragte der HOSI Salzburg

http://www.hosi.or.at/

Logo_Intersex_mitText

  

INTERSEX SOLIDARITY DAY

 

8. NOVEMBER 2013

Leben zwischen den Geschlechtern

Gehen Sie ruhig davon aus, eine Intersex-Person zu kennen,

ohne es zu wissen – darüber wird nicht gesprochen.

18 Uhr im UNIPARK NONNTAL, Hörsaal Georg Eisler, Salzburg 

* „Intersexualität – geschlechtliche Vielfalt anerkennen“

Impulsreferat Mag.a Gabriele Rothuber, Sexualpädagogin beim Verein Selbstbewusst, Intersex-Beauftragte der HOSI Salzburg

* „Die Integration des „I“ in die HOSI Salzburg“

Mag. Josef Lindner, Obmann HOSI Salzburg

* Österreichpremiere des Animationsfilms „Hermes & Aphrodite“ von Gregor Zootzky, 2013, 9:50 Min.

* Podiumsdiskussion: Zur Situation von Intersex-Personen in Österreich: Mag.a Andrea Gruber (Politikwissenschafterin), Alex Jürgen (österreichischer Intersex-Aktivist, Betroffener), Teresa Lugstein (Runder Tisch Menschenrechte Salzburg, Mädchenbeauftragte des Landes Salzburg – make it Büro für Mädchenförderung)

Moderation: Mag.a Alexandra Schmidt (Frauenbeauftragte der Stadt Salzburg)

Pause mit Erfrischungen und Imbiss

Ausklang: Film „Tintenfischalarm“ von Elisabeth Scharang, mit Alex Jürgen, 2006, 107 Minuten

Büchertisch der Rupertus Buchhandlung

Anmeldung und Zählkarten unter: intersex@hosi.or.at

Eine Kooperation der HOSI Salzburg, des Gendup und der ÖH