Der weiße Strand von Ipanema. Oder: Kapitel 11 der Leiden des jungen Christian N.
von Christian Namberger, Oberinspektor in Ruhe
Ich hab ja nun schon einiges von meinem Weg der Krebserkrankung und dem durch die Therapie dieser erzählt. Da ich ja mittlerweile im fünften Jahr und im fortgeschrittenen Alter (ich dulde Widerspruch) bin, fallen mir immer wieder mehr oder weniger spannende Episoden ein. Den Grad der Spannung überlasse ich gerne der geneigten Leserschaft. Die Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden.
Meinen jahrelangen Begleiter zum Ablassen des Lulu namens suprapubischer Katheter, hab ich ja schon in Bild und Text vorgestellt. Letztes Jahr im Frühjahr bekam ich ihn endlich raus. Was er mir zurückgelassen hat, waren Keime. Diese entwickelten sich mit der Zeit zu Taubenei großen Harnsteinen. Ich hatte mal mein Schlafzimmer in Taubenblau streichen lassen, das gefiel mir sehr gut. Die besagten Steine allerdings nicht. Man kann sich das scheint’s so vorstellen, dass die eingeführten Keime sich wie Schneebälle entwickelten. Nach Entnahme des Zapfhahnes (diese Bezeichnung ist nicht so Zungenbrecherisch) dachte ich mir, es geht zackig aufwärts. Zusammenzwicken üben beim Lulu-Druck und eine Baustelle ist weniger. Ha, von wegen! Der Wille war da, nur die Harnsteine eben auch. Bei Erschütterungen, wie zum Beispiel auf der Ladefläche des Rot-Kreuz Transporters, hatte ich immer das Gefühl, jetzt kommt es gleich. Und das, obwohl ich vor Abfahrt zu Hause vorsichtshalber alles rauspresste. Ebenso erging es mir, wenn ich per Muskelkraft meinen Rollstuhl über Kopfsteinpflaster schob. Kaum einen Meter drüber gerattert, war schon der Druck da. Also bremste ich mein Vehikel bis zum Stillstand ab und tat so, als würde mich die umliegende Architektur interessieren.
Raus mit den Harnsteinen
Bei meinen regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wurde mir ein niedergelassener Urologe in der Stadt empfohlen. Diesen suchte ich im Juli heim. Ein wahrlich gewissenhafter Mann. Ich erzählte ihm meine Geschichte und den quasi ständigen Lulu-Druck. Beim Ultraschall stellten wir die besagten, taubeneigroßen Harnsteine fest. Die erkannte sogar ich auf dem Ultraschallbild. Ich erschrak und dachte, ich wär Lieutenant Ripley mit Aliens in mir. Aber die Steine waren erschreckend genug. Die lösten bei Erschütterung den Harndrang aus. Dank meiner Zusatzversicherung konnte mich der Privatdozent gleich am Wochenende darauf operieren. Ich checkte an einem Freitag im Diakonissen Krankenhaus in ein Einzelzimmer ein und am Nachmittag wurde ich operiert. Die Operation war für eine Stunde geplant, es wurden zwei daraus. Zum Glück war ich unter Vollnarkose. Mein armes, geliebtes Dödi wurde dermaßen malträtiert, dass es immer noch beleidigt ist. Der Arzt kam nach meinem Erwachen zu mir aufs Zimmer und erzählte mir von der geglückten Operation. Er fuhr mit einer Zange, die an einem langen Metallrohr befestigt ist, über 80 (in Worten ACHTZIG) mal durch die Eichel und die Harnröhre in die Blase ein und zertrümmerte damit die Harnsteine. Bei dieser Erzählung war ich einer Ohnmacht nahe. Die zertrümmerten Steine wurden rausgespült und ich bekam davon was in einer Plastikdose. Somit sind wir beim heutigen Titel des Kapitels angelangt. Als Hausierer war ich ja in einer Vielzahl von Wohnungen. In einigen sah ich Behälter mit verschieden farbigen Sand drin. Ich erfuhr, das sind Mitbringsel aus den jeweiligen Strandurlauben. Meine zertrümmerten Harnsteine sehen auch so aus. Wie der Sand am Strand von Ipanema! Vielleicht sollte ich meinen mühsam erworbenen Sand in ein Kristallglasgefäß von Riedel oder Nachtmann füllen. Mal schauen, was die da so anbieten. Vielleicht gibt es ja was runtergezeichnet.
Aus dem Krankenhaus wurde ich am Mittwoch entlassen. Einzelzimmer war zwar toll und angenehm, nur wurde ich rund um die Uhr gespült. Sprich, drei Schläucherl wurden über das ohnehin schon geschmähte Dödi in die Blase eingeführt. Sah grauenhaft aus. Ich hab ein Bild davon, das mag aber sicher niemand sehen. Thrombosestrümpfe bis oben hin und die Verkabelung. Furchtbar! Außerdem lud an diesem Wochenende meine uralte Freundin Ingeborg zum Geburttagsschmaus in ein Lokal. Und ich konnte nicht dabei sein.
Reinlichkeitsrituale
Danach konnte ich mit dem Üben des Zusammenzwickens richtig beginnen. Allerdings war ich geistig noch ein Hosenpiesler geblieben. Sprich, ich hatte Angst, dass etwas passiert. Somit bin ich weiterhin mit den letztens beschriebenen Einlagen im Hoserl zum Sport oder in die Stadt gefahren. Auch erwähnte ich schon, dass das ganz nett nach Erektion aussah. Allerdings schwitzte ich auch entsprechend im Schritt. Und das mir! Wo ich doch immer schon auf Reinlichkeit großen Wert lege. Beim Einzug in die schattige Pinie bekam ich einen Duschsessel verschrieben und geliefert. Nach langer Zeit der Katzenwäsche endlich wieder Reinlichkeit nach meinen Vorstellungen. Dank Ruhestand kann ich mir hierbei Zeit lassen. Ich brauche so um die 20 Minuten. Manchen Mitmenschen fällt meine glatte Haut auf. Diese bekam ich durch tägliches Schruppen. Nach dem Shampoonieren des großflächigen Körpers mit einem Frottee-Waschlappen, schruppe ich mich von oben bis unten mit einer langstieligen Qualitätsbürste ab. Rosshaar wird meist angeboten, vertrage ich aber nicht. Hengsthaar geht ganz wunderbar! Für die Fussi hab ich eine kleine Bürste mit denselben Qualitäten erworben. Die Schrubberei ist wahrlich gut für die Haut, auch für die Sensibilisierung meines Nervenkostüms. Zusätzlich mache ich seit einiger Zeit Heiß/Kalt-Güsse. Begonnen hab ich die von den Oberschenkeln runter zu den Füßen und wieder rauf. Mit an einem Bügel festhalten. Mittlerweile mache ich die Güsse von unterhalb der Brust runter und wieder rauf, ohne anhalten. Das ganze nennt man auch Kneipp-Kur, benannt nach dem berühmten Pfarrer Kneipp. Früher wussten sie schon, was gut für den Körper ist. Und da ich das ganze am Schluss meiner Reinigung mache, ist es ein wunderbar erfrischter Start in den Tag.
Über Gebühr mein Wortkontingent hier im Blog ausnützend, schließe ich für heute dieses Kapitel. Auch mit dem Hinweis auf das nächste Kapitel. Als älterer Herr (Widerspruch!) bin ich ein Freund alter Ausdrucksweisen. Mit dem nächsten Kapitel, dem zwölften und somit dem vollen Dutzend, schließe ich diese Reihe ab. Mal schauen, was das nächste Thema werden wird.