ChackerEin Beitrag von Gastautor Christian Hacker

Was macht man als leidenschaftlicher Fußballer, Kampfmannschaftstrainer  und Jungvater? Man versucht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diese Leidenschaft an den Sohn weiterzugeben. Besucht mit dem Kinderwagen bereits diverse Fußballplätze im Innviertel, kauft Fußbälle noch und nöcher und hofft, dass es klappt. Tja, um auf ganz Nummer sicher zu gehen, wird eine Bambini-Ballsportgruppe gegründet. Die Mütter geben die Kinder ab, gehen brav einkaufen, und statt der Muttermilch gibt es Fußballtraining für die Mini-Kids. Mit 6 Jahren fängt der Sohn dann planmäßig beim Verein ATSV Laab – sollte jedem Experten/jeder Expertin ein Begriff sein – an, Fußball zu spielen.

Doch was machen die Trainer bei den ersten Turnieren? Spielen doch keine Viererkette, Spieler werden auf einer falschen Position eingesetzt, sie geben keine taktischen Anweisungen und fast alle Spiele gehen verloren. Weiterer Schuldiger ist natürlich der Schiedsrichter, weil der doch glatt einen Einwurf übersehen hat. Die Spieler können sich den Ball nicht stoppen. Was machen eigentlich die Trainer? Na ja, da muss man sich das Training anschauen. Oh meine Herren bzw. Frauen, das Training ist ebenfalls  komplett verkehrt aufgebaut. Keine Disziplin bei den Kindern, haben die Trainer sich das Nachwuchs-System in Holland nicht angeschaut? Mit den Trainern kann mein Sohn niemals Profi werden. Scheibenhonig. Es gibt doch nur einen idealen Trainer für die Kids und das bin ich. Ich weiß alles, ich kann alles, ich werde sie zu Stars machen. Was? Beide Nachwuchstrainer wollen aufhören. Ha, jetzt schlägt meine Stunde! Ich übernehme die Kids und ab jetzt wird alles besser: Wir werden jedes Turnier gewinnen, ATSV Laab wird in 10 Jahren noch bekannter als der FC St. Pauli und mir werden die Kinder, Trainer aber vor allem die Mütter zu Füßen liegen. Ja, so hat meine Nachwuchs-Trainer-Karriere begonnen.

Mein Tipp: Es kommt (nicht nur) im Fußball immer anders als man denkt!

„Das teuflische Internet“, meinte Franz Beckenbauer kürzlich (9.12.13) im Hangar 7 beim Sport und Talk auf Servus TV. Damit meinte er nicht NSA & Co, sondern die protestierenden Brasilianer/innen während des Confed Cup 2013. „Früher hatte man einen Brief geschrieben, der hat 2 Wochen gedauert. Aber heute mit dem teuflischen Internet geht´s so schnell …“. In diesem Ton ging´s gemeinsam mit Paul Breitner weiter, so nach dem Motto: „Jetzt haben sie eh genug protestiert und sollen gefälligst die WM nicht stören.“ Das obwohl die WM in Brasilien soviel kostet wie die WMs in Deutschland und Südafrika zusammen. Finanziert durch brasilianisches Steuergeld. Paul Breitner dazu sinngemäß: „Den Unterschied zw. 1,5 Mrd. und 2,5 Mrd. verstünden die Favela-Bewohner/innen sowieso nicht“.Logo Brasil copa 2014

 

Apropos Teufel: Was meint die Katholische Kirche Brasiliens zu diesem Thema? Ein paar Tage zuvor (4.12. kathpress), sagte der Träger des alternativen Nobelpreises und langjähriger SEI SO FREI – Projektpartner Bischof Erwin Kräutler in einem Pressegespräch: „Was da an Geld hinaus geschmissen und wie mit den Leuten umgegangen wird, das ist Wahnsinn.“ Und: „Wenn man sieht, wie im Umfeld von Stadien Häuser abgerissen werden und die Leute nicht wissen, wo sie hin sollen – das schreit zum Himmel“. Der austro-brasilianische Bischof zeigt sich besorgt, dass es rund um die Fußball-WM zu massiven Protesten kommen werde. Statt einer WM wollten die Menschen Bildung, Gesundheit, funktionierende Infrastruktur und Sicherheit im Land.

Was das WM Stadion in Brasilia und das EM Stadion in Klagenfurt gemeinsam haben, was Brasilien 2014 erwartet und was das alles mit 7 Cent zu tun hat, können Sie in der Reportage „Fußballwunder andersrum: Sozialproteste statt Jubelparty“ nachlesen unter:

 

http://www.kirchen.net/upload/60829_INFO_3_2013_WEB.pdf

Barricada Brasil

Foto: Yuri Brito

 

Offene Briefe an die Regierung verlangen ein besseres Bildungssystem, bessere medizinische Versorgung, soziale Gerechtigkeit. Und besonders eines:die Abkehr vom Neoliberalismus.

Dies alles passiert in einem Land, das durch seine Bodenschätze, durch seine Agrarflächen autark sein könnte, würde nicht so viel Geld in Korruption versickern.

Als ich vor zwei Tagen meiner Freundin Ariane die Frage:“Also hat sich seit 15 Jahren nicht wirklich etwas geändert?“ stellte, bekam ich die Antwort:“Infelizmente nao(unglücklicherweise nicht)“!Karte Brasilien

Brasilien ist das Land, das wie ein leichtfüßiger Sambatänzer die wirklichen Probleme abstreifte und lieber direkt an die Welt anschloss, die Internet, TV, Facebook, Smartphones bot. Der Untergrund jedoch blieb ein sandiger, wie das Straßennetz, das ebenfalls auf Sand gebaut, ohne richtige Fundamentierung ein Schlagloch nach dem anderen bietet. So sieht auch die wirtschaftliche und politische Situation aus, notdürftig geflickt.

Man kann zwar per Internet und Einlogcode von zu Hause aus wählen, aber gewählt werden können auch Kandidaten, die als Präsident zehn Jahre zuvor mit den Rentenkassen nach Amerika flüchteten, dort die Verjährung abwarteten und dann eben wieder zurückkehrten, ohne dass man gegen sie vorgehen konnte.

Der Präsident/ die Präsidentin ist führend in einer Föderation von eigenständigen Staaten, und wenn die governadores nicht wollen, was von der Regierung vorgeschlagen wird, passiert gar nichts. So stehen die Probleme des Bildungssystems und der convenios (Krankenkassen) seit jeher an, ohne dass es Lösungen gibt. Es wurde die Sozialversicherung INCC eingeführt, die Menschen vertrauen den Versicherungen jedoch nicht mehr und wollen schwarz angestellt werden und den Arbeitgeberbetrag bar in die Hand bekommen.

Lehrer an öffentlichen Schulen unterrichten im Schnitt die doppelte Lehrverpflichtung an mehreren Schulen, da sie von einer Anstellung nicht leben können. So sieht auch die Ausbildung aus. Es entfallen im Schnitt die Hälfte der Unterrichtsstunden durch Abwesenheit der Lehrer.

Privilegiert sind die anderen, die an Privatschulen lehren. Sie haben kleine Unterrichtsgruppen, Bibliotheken mit Computern und Unterrichtsmaterialien. Der Druck auf sie ist allerdings groß- sie stehen unter Erfolgszwang.Flagge Brasilien

Diese Schulen kann sich kein Normalbürger leisten, sie werden besucht von Kindern aus Wirtschaft und Industrie oder Großgrundbesitzern, die in bewachten Bollwerken wohnen, aus Angst vor Überfällen oder Entführungen.

Die medizinische Versorgung entspricht von den Kenntnissen her absolut europäischem Level, ja, in manchen Bereichen sind die Ärzte wesentlich besser, können sie doch durch die Häufigkeit gewisser Operationen bei der Größe der Population wesentlich mehr Praxis vorweisen.

Hier gibt es jedoch ebenfalls Privatkrankenhäuser und öffentliche, in die wir Europäer nicht gehen würden. Es fehlt diesen an Apparaten, Pflegepersonal, am Notwendigsten.

Nirgends hatten internationale Firmen und amerikanische Großkonzerne einen so fruchtbaren Nährboden wie in Brasilien, das aus der „terceiro mundo“ in die Erste Welt aufsteigen wollte, ohne aber sein Volk mitzunehmen. Plakate in Rio waren daher auch beschriftet:“Man wollte in die erste Welt, hat aber vergessen einen funktionierenden Staat dazu aufzubauen.“brita

Wenn Dilma Roussef nun die Erträge aus den Ölvorkommnissen dem Volk und den Reformmaßnahmen zur Verfügung stellen kann, sieht man, welcher Reichtum in Wirklichkeit in diesem Land vorhanden ist. Er wird bisher in die falschen Kanäle geleitet.

Das brasilianische Volk ist pazifistisch, ein beliebter Ausspruch ist “ Sou de paz (ich bin für Frieden)“, ja es ist sogar gottesergeben gewesen. In den letzten sieben Tagen, die als zukunftsweisend gesehen werden und am 1. Juli im ersten Generalstreik in Brasilien ihren Höhepunkt finden, hat sich viel geändert unter dem Kampfesruf “ Vem pra rua ( komm auf die Straße)!“

Brasilien ist durchaus am Puls der Zeit. Es war seit 20 Jahren vorhersehbar, dass das alte Wirtschaftssystem, mehrmals notdürftig geflickt, weltweit nicht haltbar sein wird. Ich frage mich, was die Ultrareichen mit ihren Milliarden und Millionen wollen, wenn hier auf der Erde alles drunter und drüber geht? Wollen sie sich zum Mond ausfliegen lassen?

 

Wieder mal Deutschkurs. Wieder mal ein Wort, das die Schülerinnen nachfragen: Rummelplatz! Und dann passiert es wieder mal. Ich komme vom Hundertsten ins Tausendste. Als erstes fällt mir bei Rummelplatz natürlich das tolle Lied von Simply Red ein- Fairground. Das hilft aber nicht, denn wir haben ja Deutsch- und nicht Englischkurs. Also muss einnäherliegendes Beispiel her.geschichte

Es ist kurz vor Pfingsten, da ist es ein Leichtes mit Hilfe der Salzburger Dult das Wort Rummelplatz zu erklären. Hier könnte jetzt Schluss sein mit dem ganzen Worterklärungsrummel. Aber ich werfe eine Frage in den Raum: Was ist denn der meistbesuchte Rummelplatz der Welt? Meine Schülerinnen antworten prompt mit „Oktoberfest“. Jetzt könnten wir dann weitermachen mit der Grammatikübung.

Aber jetzt geht es mit mir durch. Da muss ich doch von der Gründung des Oktoberfestes erzählen, von der bayrischen Prinzessin Theresia, nach der auch die Theresienwiese benannt ist. Und diese Theresia hat mit ihrem Ehemann zur Zeit der bayrischen Herrschaft in Salzburg vor 200 Jahren im Schloss Mirabell gewohnt. Ihr Sohn Otto ist hier zur Welt gekommen. Nicht der Rehagel Otto, sondern der Otto, der der erste griechische König war. Damals als die Griechen nach der Befreiung von den Osmanen unbedingt einen König brauchten. Und der König Otto hat den Griechen die weißblauen Nationalfarben und das Wissen ums richtige Bierbrauen hinterlassen. Und dann meinte eine Schülerin: „Jetzt kennen wir den ersten griechischen König Otto. Den letzten griechischen König deutscher Herkunft kennen wir sowieso, den Otto Rehagel!“

So ist das im Deutschkurs, wenn man das Wort Rummelplatz erklärt.

 

Mehr als drei Wochen wird der Fußball Europa regieren. Millionen begeisterte Fans drücken ihren Mannschaften die Daumen, meine beiden Daumen gehören traditionell der deutschen Elf. Ich freue mich aber auch über und für andere Mannschaften, über spannende Spiele und coole Tore. Zwei Dinge regen mich im Vorfeld aber auf.

Da ist einmal die hohe Politik, die schon Monate darüber diskutiert die Europameisterschaft in der Ukraine zu boykottieren und von den Spielern und Fans verlangt ein Zeichen für die Demokratie zu setzen. Ich frage mich aber, wie Sportler etwas ausrichten sollen, wenn jahrelang die internationale Politik versagt in der Ukraine demokratische Besserungen herbeizuführen. Ich bin immer noch so naiv zu glauben, dass Sport völkerverbindend ist. Dass die Begegnung der Menschen unterschiedlichster Kulturen, Sprachen und Religionen uns einander wieder ein Stückchen näher bringt. Wenn ich jemanden aus einem anderen Land kenne, dann bekommt das Fremde ein Gesicht. Dann entdecke ich in den meisten Fällen viele Gemeinsamkeiten,  bin offener und verliere die Angst.

Was ich nicht verstehe, ist das Anheizen von Ressentiments gegen ein Land.  So gemacht  von einer Wettfirma. Ein riesiges Plakat zeigt eine Voodoopuppe mit der deutschen Flagge auf der Brust, gespiekt mit Nadeln. Im ersten Moment mag das eine lustige Idee sein, aber beim zweiten Mal hinsehen, bleibt einem doch das Lachen im Hals stecken. Ich finde es entbehrlich auf diese Weise Werbung zu machen, egal welche Flagge auf der Brust der Voodoopuppe klebt.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen (zumindest denen, die es interessiert) ein spannende und menschenverbindende Europameisterschaft. Möge die beste Elf gewinnen ;)