Interessantes zum Thema Kultur

von Elisabeth Kaplan

Sam Smith ist der Liebling der Stunde in seiner Heimat England und seine stimmlichen Qualitäten sind nicht zu leugnen. Aber folgen wir „Stay With Me“ auf seinem Weg durch die Charts der Welt. Veröffentlicht wurde die Single im April und wurde gleich in einigen englisch-sprachigen Ländern mit großer Begeisterung aufgenommen. Sie erreichte in kurzer Zeit die Spitze der Charts in England, Kanada, Irland und Neuseeland (interessanterweise aber nicht in Australien), und diese Woche nahm sie den ersten Platz auf den Billboard Charts ein. Und seit die USA ihren Gütesiegel draufgeklatscht haben, ziehen weitere Länder allmählich nach, etwa die Schweiz, wo der Song derzeit auf Platz 8 liegt, in Deutschland auf Platz 15, oder Österreich auf Platz 18. Und Smiths Auftritt bei den VMAs diesen Sonntag (24.8.) wird vermutlich die Verkäufe noch einmal ankurbeln.

So ist es offensichtlich, dass „Stay With Me“ beim englisch-sprachigen Publikum spontan auf Anklang stößt. Warum eigentlich? Obwohl dieser Song bei mir persönlich keine Begeisterungsstürme auslöst – ok, ich geb zu, ich find ihn eher austauschbar und er ist für mich einer der schwächeren Songs auf Smiths ansonsten ziemlich soliden Debüt-Album – werde ich versuchen die Qualitäten zu finden, die offensichtlich viele, viele Menschen berühren.

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(Foto: Mr Bulitt)

Danke, Tom Petty!
Das erste, das mir bei „Stay With Me“ auffiel, ist die offenkundige Ähnlichkeit des Refrains mit „I Won’t Back Down“ (1989) von der amerikanischen Ikone Tom Petty. Ehrlich gesagt, bin ich überrascht, dass es (noch) keine rechtlichen Folgen gegeben hat. Gerade diese Woche wurde Shakira des Plagiats für schuldig befunden [„Loca“], also dürfen wir gespannt sein, ob Petty Beschwerde einlegt. Aber prinzipiell ist das Spiel mit vertraut klingenden Elementen eine clevere Marketingstrategie. Für Menschen aus englisch-sprachigen Kulturkreisen ist „I Won’t Back Down“ schließlich ein Klassiker, den wirklich jeder kennt, somit macht sich „Stay With Me“ diesen Wiedererkennungswert zunutze. „Stay With Me“ besteht im Großen und Ganzen aus drei Akkorden, nämlich vi – IV – I (Am – F – C), während Tom Petty seinen Song auf vi – V – I stützt. Das ist aber im gesamten ein winziger Unterschied, wenn man bedenkt, dass die Refrain-Melodien fast ident sind. In der dritten Zeile variiert Smiths Melodie zwar minimal, und Tom Petty fügt da eine unerwartete IV. Stufe als Überraschungseffekt ein, aber im Grunde genommen sind die Refrains gleich. So war es eigentlich vorherzusehen, dass die Vertrautheit des Songs bei vielen Leuten Anklang findet.

Kein Love-Song
Der Einsatz einer Hammondorgel und gospel-artiger Backing Vocals stellt auch eine Verbindung zur US-amerikanischen Kultur her, und Gospel ist ein Musikstil, der viele Menschen tief berührt. Für mich ist die Verwendung dieser Elemente aber eigenartig und einfach fehl am Platz. Grundsätzlich verleiht ein Gospelchor einem Song sofort Power, denn schließlich ist es nicht nur eine Person, die uns da etwas mitteilen möchte, sondern gleich zwanzig – also muss es ja stimmen. Der Chor hat die Aufgabe, die Aussage des Leadsängers zu bestätigen und zu bekräftigen, genauso wie es im traditionellen kirchlichen Rahmen der Fall ist. Aber: „Stay With Me“ handelt von einem jungen Mann, der sich nach einem One-Night-Stand unendlich leer und einsam fühlt. So ist die Idee, diese Verletzlichkeit und Einsamkeit durch einen Gospelchor zu untermauern, für mich einfach absurd.

Sam Smith live in Boston (Foto: Xavier Miró Bruix; Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Sam Smith live in Boston
(Foto: Xavier Miró Bruix; Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Ich glaube, das Arrangement führt die Zuhörer auch in Bezug auf den textlichen Inhalt in die Irre. Ich bin mir ziemlich sicher, viele Brautpaare werden sich diesen Song auf ihrer Hochzeit wünschen, weil sie denken, „Stay With Me“ wäre ein Liebeslied. Ich empfehle, den ganzen Text durchzulesen. „Oh, won’t you stay with me? / ‘Cause you’re all I need“ klingt ja noch ganz nett, aber „This ain’t love, it’s clear to see“ wäre aber dann eine eher unangemessene Botschaft bei einer Verehelichung.

Letzten Endes ist es Sam Smiths Stimme, die den Song trägt, obwohl ich finde, dass sie in Songs wie „I’m Not the Only One“, „Not In That Way“, oder auch „Restart“ besser zur Geltung kommt. Smith hat selbst gesagt, dass sein Debüt-Album, „In the Lonely Hour“, für einsame Menschen geschrieben wurde. Und für mich hat er als Person immer etwas Trauriges an sich, was vielleicht gerade den Zauber seiner Stimme ausmacht. Aber wenn ich ihn in Interviews sehe, fürchte ich ein bisschen um diesen traurigen, sensiblen Jungen und hoffe inständig, dass er dem Ruhm nicht zum Opfer fällt.

Seht hier das Video zu „Stay With Me“: https://www.youtube.com/watch?v=pB-5XG-DbAA

Die englische Originalversion dieses Blogeintrages lest ihr hier: http://www.elisabethkaplan.com/Blog/Entries/2014/8/23_Stay_With_Me_-_Sam_Smith.html

NICHT VERGESSEN: Unser AUFRUF AN ÖSTERREICHISCHE POP ACTS endet am 15.9.! Reicht eure Songs ein und seid im Oktober „Unter der Lupe“! Infos dazu hier: http://zartbitter.co.at/allgemein/aufruf-oesterreichische-pop-acts/

Sommerzeit ist Lesezeit, auch wenn es wettermäßig eher Herbst ist. Was wiederum zum Buch passt, das mir unter die Finger gekommen ist. Der Titel klingt eher nach Science Fiction Roman: Apokalypse Jetzt! Aber die Autorin Greta Taubert beschreibt einen Selbstversuch. Ein Jahr lang will sie allem Konsum entsagen. Damit sie vorbereitet ist auf die Apokalypse, wo jeder auf sich selbst gestellt ist, um zu überleben. Ich mag ja Menschen, die Ungewöhnliches machen, also ist es das richtige Buch, um in eine ganz andere Welt einzutauchen. Eine Welt, die nicht Science Fiction ist, sondern real ist.

buchUnd das was sie in diesem Jahr kennenlernt ist manchmal freakig und manchmal eigentlich schon Teil des Mainstream. Sie beginnt mit dem Notwendigsten, um zu überleben. Es gibt im Internet genug Anbieter von „Überlebenspaketen“, das sieht sie sich an. Ich mir auch! Da gibt’s unzählige Listen mit Vorschlägen, was man alles braucht. Ganz wichtig scheinen Dosennahrung und Trockenfrüchte zu sein. Natürlich auch Wasser und eine Wasserfilter. Spannender wird das Buch, wenn Greta Taubert über ihre Besuche bei Menschen berichtet, die einfach anders leben. Menschen, die sich in einem Leben mit wenig bis gar keinem Konsum, wie wir ihn tagtäglich leben, eingerichtet haben. Menschen, die von zweierlei leben: Dem was unsere Konsumgesellschaft an Müll produziert und der Solidarität mit anderen. Man mag ja über diese Aussteiger denken, was man will, aber sie haben eines geschafft: Sie halten uns den Spiegel vor! Wir kennen alle die Berichte über das „Waste diving“. Meist junge Leute holen sich aus den Mülltonnen der Supermärkte Nahrungsmittel, die nicht verdorben sind. Alleine die Tonnen von Brot, die täglich im Müll landen, nur weil wir um halb sechs noch frisch aufgebackenes Gebäck aller Sorten haben wollen. Am nächsten Tag ist das natürlich unverkäuflich.

Die Autorin gibt auch Einblicke in „nomad bases“, das sind Wohnungen und Häuser, die für jeden offen stehen. Hier ist man Gast und Gastgeber zugleich, alle tragen etwas bei. Diese Idee hat es schon in unsere Konsumwelt geschafft, natürlich etwas exquisiter. Wohnungstauschbörsen, wie AirBnb, sind hip, die ersten Hotels klagen schon über Umsatzrückgänge.

Was auch aus dieser Szene kommt und jetzt schon überall zu finden ist sind diverse Tauschbörsen, Gemeinschaftsgärten und Repaircafes, das alles gibt’s auch hier bei uns in Salzburg. Was ich sofort nachgegoogelt habe war die Idee der Earthships. Menschen bauen Häuser aus weggeworfenen Sachen und konstruieren sie so, dass sie energieautark sind. Wer meint, das müssten durchwegs windschiefe Hütten sein, der irrt. Manches dieser Häuser könnte einen Architekturpreis gewinnen: https://www.google.at/search?q=earthship&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ei=W4fzU4rsI-X5yQPd3oKYCA&ved=0CB0QsAQ&biw=1366&bih=581

Was Taubert unter anderem nach einem Jahr feststellt ist:

Im Konsumstreik habe ich gelernt, meine Sucht nach immer Neuem zu kanalisieren. Nach Dingen jenseits der Kaufhausregale zu fahnden, ist ein neues Hobby geworden…und… bei mir ist Do-it-Yourself nur als Do-it-Together möglich.

Empfehlenswert das Buch!

von Elisabeth Kaplan

Seit einigen Wochen nehme ich bei Zartbitter österreichische Bands unter die Lupe. Viele Newcomer-Bands haben mir seither geschrieben, mit der Bitte, auch mal unter die Lupe genommen zu werden. Darum startet Zartbitter einen öffentlichen Aufruf an Popbands bzw. -musiker, die sich in der Grauzone zwischen Ö3 und FM4 bewegen. Bands, die in Österreich Popmusik machen, haben es sehr schwer, da sie wenig mediale Unterstützung erfahren.

„Ihr verdient Anerkennung dafür, dass ihr euch in diesem schwierigen Umfeld nicht entmutigen lasst, dass ihr nicht aufgebt oder ins Ausland geht. Wie groß muss da wohl eure Leidenschaft sein, wenn ihr weitermacht, obwohl ihr wisst, dass die Chancen auf den für die Publicity so wichtigen Airplay gleich null stehen.“

Pop logo_mediumIch kenne kein anderes Land, das seine heimischen Popbands so belächelt und vernachlässigt wie Österreich. Anderswo ist man stolz auf die heimische Popmusik und bringt sie an die Bevölkerung, man fördert die Vielfalt und unterstützt die Musiker. Die Behauptung, dass es in Österreich zu wenig gute Musik gibt ist schlichtweg eine Frechheit. Wie gibt es das sonst, dass manch eine österreichische Band im Ausland großen Erfolg hat und im Inland kaum Beachtung findet? Ein Armutszeugnis ist das für uns.

Fest steht, dass Popbands in Österreich mehr Anerkennung und Exposure brauchen – besonders neue Acts. Wir von Zartbitter möchten einen Beitrag dazu leisten und auf unserer Plattform auch Newcomer-Popbands vorstellen.

DAHER UNSER AUFRUF

Schickt uns:
* Eine kurze Biographie
* Die Lyrics zum eingereichten Song
* Einen Internet-Link (z.B. YouTube oder Soundcloud) zu eurem Song

Schickt diese Infos bitte bis 15.09.2014 an:
office@zartbitter.co.at
Wir stellen dann die drei Bands/Musiker vor, die uns am besten gefallen haben.

Im Oktober ist es dann soweit und vielleicht seid ihr
auf zartbitter.co.at “Unter der Lupe”!

Unter der Lupe waren schon:
Fijuka
The Makemakes
Bilderbuch
Tyler
Camo & Krooked

Ein Held befreit sein Volk von seinen Unterdrückern und wird zum König. Er regiert in einer Zeit des Friedens – bis ein Mann des Nachbarvolks (die ehemaligen Unterdrücker) sich versehentlich in das Reich dieses Königs begibt und aus Angst einen jungen Mann erschießt. Anstatt den ängstlichen Mörder zu töten, lässt ihn der König nur aus seinem Reich fortjagen. Ein Fehler, denn ein bislang treuer Gefolgsmann unterstellt dem König Schwäche. Ihm dürstet nach Rache und Macht. Vordergründig noch immer den treuen Vasallen spielend, vereitelt er wiederholt das friedliche Nebeneinander mit dem Nachbarvolk und wiegelt sogar den jugendlichen Sohn des Königs gegen seinen Vater auf.

Ach ja, bei dem Film, den ich hier gesehen habe, handelt es sich nicht um ein Fantasy-Epos in einer pseudo-mittelalterlichen Welt, sondern um „Planet der Affen – Revolution“ (Rise of the Planet of the Apes).

Will er genauso wie ein Mensch sein? (Foto: Thomas Lersch/http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Will er genauso wie ein Mensch sein?
(Foto: Thomas Lersch http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)


Viele Verfilmungen

Ich mochte die „Planet der Affen“-Filme der 70er Jahre, wobei natürlich der erste Film ein unsterblicher Klassiker ist. Das Remake mit Mark Wahlberg aus dem Jahr 2001 war uninspiriert. Einzig das Ende hätte originell sein sollen, doch leider war es nur völlig unsinnig. Als vor drei Jahren „Planet der Affen – Prevolution“ (Rise of the Planet of the Apes) in den Kinos lief, war ich überrascht: Der Film bot eine wirklich gute Geschichte. Das Schicksal des im Pharma-Labor geborenen Schimpansen, Caesar [in beiden Filmen: Andy Serkis], war berührend und dramatisch. Die gesellschaftskritische Geschichte war gut aufgebaut und ein überzeugendes Prequel, das die Auslöschung der Menschheit und den Aufstieg der Affen ankündigte.

Nach so einem Film durfte man sich von der Fortsetzung einiges erwarten. „Planet der Affen – Revolution“ setzt 10 Jahre nach dem Ende des ersten Teils an: Die Menschen sind fast vollständig ausgelöscht und die Affen, dank früherer Medikamenten-Versuche nun mit stark erhöhter Intelligenz, haben die Wälder außerhalb San Franciscos besiedelt. Dort haben sie sich eine Burg gebaut, Waffen gefertigt, Pferde zugeritten. Sie beleuchten ihr Zuhause und jagen Wild, das sie dann über offenem Feuer braten.
Das Leben ist ein bisschen wie das der Wildlinge in der Fantasy-Serie „Game of Thrones“. Ich wurde ich den Vergleich die ganze Zeit über nicht los. Der einzige Unterschied ist: Wäre die Geschichte von „Game of Thrones“ so konventionell und ihre Charaktere so platt, wäre die Serie nie zum weltweiten Hit geworden.

So schön war San Francisco mal – bevor die Menschen fast ausgestorben waren

So schön war San Francisco mal – bevor die Menschen fast ausgestorben waren


Nachahmenswerte menschliche Gesellschaft?

Ich habe den Eindruck, dass man sich bei „Planet der Affen – Revolution“ ein bisschen zu sehr darauf verlassen hat, dass das Publikum sich von den aufwändigen computer-generierten Bildern und den Affen (in beeindruckender Motion bzw. Performance Capture-Technik) blenden lässt.

Auch wenn man bereit ist, die Handlung als sehr konventionell aber grundsätzlich solide zu akzeptieren, bleibt ein Makel: Würde der Film die Geschichte zweier Menschenvölker erzählen, müsste man nichts daran verändern. Sprich: Es gibt keinen Grund, warum die Geschichte überhaupt von Affen handelt. Offenbar haben sich die Drehbuchautoren keine Gedanken dazu gemacht, wie Affen ihre Gesellschaft organisieren könnten. Würden sie diese wirklich 1:1 so gestalten wie die Menschen es tun würden? Bei aller Ähnlichkeit zwischen Hominiden und Menschen: Ist genau wie ein Mensch zu sein das einzig erstrebenswerte Ziel intelligenter Affen? Und wäre ihre Einstellung anderen Tieren gegenüber genau dieselbe, wie jene des Menschen?

Doch das sind nur Nebenfragen. Im wesentlichen geht es darum, wie Menschen und Affen einander als Feinde betrachten. Die jeweils andere Spezies gehört vernichtet, so die Propaganda der Unruhestifter auf beiden Seiten. Der Film bietet psychologische Erklärungen für das Handeln der Kriegstreiber – das ist auf der Seite der Affen das ehemalige Versuchtstier, Koba [Toby Kebbell], und auf Seite der Menschen Dreyfus [Gary Oldman]. Doch anstatt Vielschichtigkeit wurden diesen Figuren nur platte Klischees aufgestülpt. Und wo diese zu finden sind, bleiben reichliche Sentimentalitäten auch nicht weit.

Computer- oder Schauspielkunst?
Wo der Film überzeugt, ist natürlich die technische Perfektion, mit der die Affen sich bewegen. Die Mimik ist freilich ebenso großartig. Es gibt auch schauspielerische Glanzleistungen. Da die Menschen eher auf Statistenrollen reduziert sind (schade um Keri Russel), findet man diese bei den Affen. Koba hat zwei sehr starke, sehenswerte Szenen. Er erinnert Caesar daran, was Menschenwerk ist, und zeigt auf seine Entstellungen, die ihm ein unheimliches Aussehen geben – wie das eines Affenzombies. In einer anderen wandelt er sich vom gerade noch ziemlich furchteinflößenden Eindringling bei den Menschen in einen lustigen Zirkusaffen, der Späße macht und die ängstlichen, schwerbewaffneten Menschen mit seinen Kunststücken köstlich unterhält.
Wie viel davon die CGI und wie viel Schauspielerei ist, ist zwar schwer zu sagen. Aber bei aller Tricktechnik: Ich denke, dass das ohne eine tolle Leistung von Toby Kebbell nicht möglich gewesen wäre.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Punkte
„Planet der Affen – Prevolution“ (Rise of the Planet of the Apes) hätte eine interessantere Fortsetzung verdient. Doch gibt es sehenswerte, atemberaubende Bilder und ein paar wenige, schauspielerisch packende Momente.

Hier der Link zum Trailer

von Elisabeth Kaplan

Camo & Krooked (Reinhard Rietsch und Markus Wagner), zwei DJs aus Salzburg bzw. Niederösterreich, begannen 2007 zusammen zu arbeiten und konnten sich seither als begehrtes Drum ’n’ Bass Produzententeam international etablieren. Ihr Track „Watch It Burn“ (feat. Ayah Marar), zum Beispiel, wurde bisher über 6 Mio. Mal auf YouTube angesehen, und ihr Remix von Lana Del Reys „West Coast“ hat vor kurzem die Spitze der FM4-Charts erreicht. Außerdem sind sie international begehrte DJs. Ein Blick auf ihren Terminkalender beweist das. Und ihre mehr als 320.000 Facebook-Likes sprechen für sich! In ihrer Heimat, Österreich, kennt man sie aber nur in ganz bestimmten Kreisen. Das liegt wieder einmal daran, dass sie von den Sendern in diesem Land als nicht passend für Radioplay angesehen werden. Das ist freilich vollkommener Blödsinn – ein Sender der z.B. Daft Punk, Modjo oder Stardust im Programm hat, kann genauso gut „Loving You Is Easy“ spielen.

Mit ihrem aktuellen Album „Zeitgeist“ haben Camo & Krooked ihre Bandbreite erweitert. Im Interview haben sie erklärt, dass sie einfach gelangweilt waren von dem, was zurzeit im Electronic-Dance-Bereich so zu hören ist. Sie wollten darum ein bisschen Frische und organische Elemente reinbringen. So schafften sie es, ein geschmackvolles Album zu machen, dass in den Klubs funktioniert und trotzdem nicht nervt, wenn man es auch mal Zuhause auflegt.

Reinhard Rietsch und Markus Wagner sind Camo & Krooked

Reinhard Rietsch und Markus Wagner sind Camo & Krooked


Disco triff Minimal House

Nach ihren Einflüssen gefragt, nennen Camo & Krooked immer Disco, French House und Minimal. Diese Einflüsse sind unüberhörbar in „Loving You is Easy“. Diesen Track habe ich deswegen gewählt, weil er so einnehmend und tanzbar ist. Dabei ist er völlig unaufdringlich. Ich finde, er ist auch eine perfekte musikalische Untermalung für eine nette Sommerparty auf der Terrasse. Der Track macht mich schlicht und einfach glücklich. Außerdem haben C&K selbst schon öfter behauptet, dass er ihr Lieblingstrack auf ihrem Album „Zeitgeist“ ist. Was ich am meisten an „Loving You Is Easy“ liebe ist der starke Kontrast zwischen den lebensfrohen Disco-Teilen und den extrem zurückhaltenden, nüchternen Minimal-Teilen. Darauf, wie C&K diesen Kontrast maximieren, gehe ich später ein.

Ich bin ganz selig

Die ersten paar Sekunden des Tracks stellen bereits klar, was auf uns zukommen wird. Der langgehaltene Ton in den Blechbläsern und die arpeggierten Streicher geben eindeutig zu verstehen: C&K lassen hier die Disco-Ära hochleben! Im Intro wird dann das Klavier-/E-Bass-Riff vorgestellt, das den Kern des gesamten Tracks bildet. (Ich habe das Riff notiert, allerdings ohne die Ghost Notes, die den rhythmischen und funky Charakter ausmachen.) Wenn ihr genau hinhört, werdet ihr außerdem kurze Atmer hören, die sozusagen wie Perkussion eingesetzt werden. Danach setzt bald das Vocal-Sample ein (es könnte durchaus ein originales Vintage-Sample sein, oder einfach ein mörder-guter Studiosänger), das die Disco-Teile mit souliger Wärme und Emotionalität erfüllt.

Von ABBA abgeschaut? ;-)
C&K geben sich nicht damit zufrieden, einfach gegensätzliche Teile aneinanderzureihen, sondern setzen Tricks ein, um den Kontrast zu verstärken: Bevor ein Minimal-Teil kommt, bauen sie Elemente ein, die mehr Dichte erzeugen, und schneiden diese dann abrupt ab. So setzen sie in der zweiten Hälfte des Vocal-Teils (ab 0:27) vermehrt Effekte ein und einen crescendierenden „Swoosh“-Sound (also ein lauter werdendes Rauschen), der dann mit dem Einsatz des Minimal-Teils (0:33) abgeschnitten wird. Was danach kommt, wirkt dadurch umso trockener und karger. Das ist genau der Effekt, der mir schon immer bei „One Night in Bangkok“ (Murray Head, 1984) so gefallen hat: Der Refrain („One night in Bangkok and the world’s your oyster“) setzt ein, mit seiner ausladenden Instrumentierung und jeder Menge Hall, und in der zweiten Zeile („The bars are temples but the pearls ain’t free“) wird mit dem Wort „temples“ alles abgeschnitten und es bleibt nur eine nackte Basslinie über. Dann wird wieder aufgebaut und wieder abgewürgt. Ich liebe diesen Effekt. Wenn er gekonnt ausgeführt wird, erzeugt er Abwechslung, Überraschung, Excitement, Intensität. Er ist einfach unwiderstehlich.

Loving you is easy – music
In der Zurückhaltung liegt die Macht

Genug geschwelgt. Zurück zu „Loving You Is Easy“. Also, wir waren beim überraschenden Einsatz des Minimal-Teils. Dieser Teil besteht nur aus Bass, Drums und einem Minimal-Sound in der Oberstimme, der einfach die F-Moll-Tonart – F – G – As – B – C – (Des fehlt) – Es – F – spielt. Minimaler geht’s wohl kaum. Und auch hier vermehren sich gegen Ende der 8-taktigen Form die Effekte und der Hall, und der Melodie wird außerdem ein Delay gegeben, und wieder wird vorm Übergang erbarmungslos alles abgeschnitten. Es lohnt sich übrigens, die weiteren Übergänge auch genau anzuhören, denn C&K machen es jedes Mal ein bisschen anders.

In den nachfolgenden Disco-Teilen untermauern C&K den Disco-Charakter mit der Einführung einer von Chic inspirierten Gitarre und später mit Disco-typischen „Falls“ in den Streichern (z.B. um 2:36). Und dann, als wäre ich noch nicht glücklich genug, lassen C&K den Track mit einem Synth-Sound auslaufen, dem ein Giorgio Moroder bestimmt seinen Segen geben würde.

Fazit
Mein Glück ist vollkommen. Danke, C&K, für diesen lebensfrohen Track, der nichts anderes will, als gute Laune zu verbreiten! Ich bin ganz selig …

Hier der Link zu „Loving you is Easy“ auf YouTube

Was wäre der Sommer in Salzburg ohne die Festspiele? Und was wären die Festspiele ohne Jedermann? Jedenfalls wären wir alle um eine Klatsch-Story ärmer, denn das Interesse am Jedermann ist nicht zuletzt wegen der Buhlschaft sehr groß. Tritt „eine Neue“ die Rolle an, gibt es im Vorfeld aufgeregte Spekulationen. Dabei geht es weniger darum, wie sie die Rolle wohl anlegen wird. Viel mehr wird darüber geredet, wie gut sie wohl das Mieder ausfüllen und Männerträume als Superweib erfüllen wird. Zumindest in der Zeit vor #aufschrei war das so. Erst in zweiter Linie erregt die Besetzung des Jedermann Aufsehen.

Ich selbst hatte bisher erst zweimal den Jedermann gesehen. Einmal mit Klaus Maria Brandauer. Und ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wer die Buhlschaft spielte. Und einmal mit Veronika Ferres. Komischerweise kann ich mich hier nicht mehr erinnern, wer den Jedermann gab. Ebenfalls beim besten Willen nicht. Insgesamt muss ich auch zugeben, ich bin kein großer Fan des Stücks.

Der Tod (Peter Lohmeyer) reißt allen irdischen Firlefanz mit sich mit fort – ein starker und gruseliger Abgang

Kein großartiges Stück?
Hugo von Hofmannsthal hat sich mit seinem Mysterienspiel an eine spätmittelalterliche Form des Theaters fürs Volk angelehnt. Und da gehören die etwas hölzernen Versreime genauso dazu wie der mahnende Zeigefinger, mit dem Allegorien wie der Tod, der Mammon und die Werke dem Publikum den Weg zum Heil aufzeigen. Alles zusammen ist das ein wenig schwerfällig – und die Moralbotschaft nicht gerade subtil.

Was freilich den stärksten Eindruck hinterlässt, ist die Stimmung auf dem Domplatz. Wenn man das erlebt, wird schon klar, warum dieses Stück in Salzburg ein derartiger Publikumsmagnet ist. Für mich stand trotzdem fest: Öfter als zweimal muss man es nicht gesehen haben im Leben. Zumindest ich nicht.

Letzten Sonntag wurde ich dann unverhofft zum Jedermann eingeladen. Wie könnte ich so etwas ablehnen? Noch dazu, wo die Inszenierung ein echtes Spektakel sein soll. Anscheinend sind doch aller guten Dinge drei.

Es kommt immer anders
Doch der Abend begann mit einer Enttäuschung: Um halb 9 wurde bekannt gegeben, dass die Aufführung ins Große Festspielhaus verlegt wird. Völlig unnötigerweise, wie wir fanden. Es regnete doch gar nicht und wir und unsere Wetter-Apps waren sicher, es hält aus. So trotteten wir Richtung Festspielhaus.
Kaum im Saal angekommen wurden wir gleich mit der nächsten schlechten Nachricht begrüßt: Die Buhlschaft, Brigitte Hobmeier, hat sich einen Mittelfußknochen gebrochen. Zugegeben, für Frau Hobmeier muss das eine noch größere Hiobsbotschaft gewesen sein als für uns. Aber ausgerechnet die Buhlschaft wird einen Gipsfuß hinterherschleifen? Oder einfach nur dastehen?

Der Vorhang geht hoch und alle Darsteller tanzen mit lauter Musik in einem großer Umzug von Bürgern, Dämonen und riesenhaften Knochengerüsten durchs Publikum auf die Bühne. Das Stück beginnt. Obwohl ich es kenne und es mich bisher nur mäßig begeistert hat, lasse ich mir diesmal – zum ersten Mal – keinen einzigen Vers entgehen. Ob man sich im Festspielhaus einfach besser konzentrieren kann als vor dem Dom?

So hätten wir sie gern gesehen – diesmal gabs Brigitte Hobmeier ohne Radl-Akrobatik

So hätten wir sie gern gesehen – diesmal gabs Brigitte Hobmeier ohne Radl-Akrobatik

Wie man sein Publikum erobert
Auftritt Buhlschaft: Anstatt, wie vorgesehen, auf dem Fahrrad angefahren zu kommen, wird die Buhlschaft mit einer Scheibtruhe hereingekarrt. Dabei hebt sie grazil das verletzte Bein, an dessen Ende sich ein klobiger Vorfußentlastungschuh befindet, abwechselnd an und lässt es wieder sinken. Sie „winkt“ damit und flirtet fröhlich mit dem Publikum – bis die Scheibtruhe abgesetzt wird. Das Publikum ist begeistert. Als erste Worte erklärt die Buhlschaft Jedermann (Cornelius Obonya), dass ihr Mittelfußknochen gebrochen sei und dass er einen Kuss drauf geben müsse, damit die Verletzung besser heilt – selbstverständlich alles in passenden Knittelversen. Kokett streckt sie ihm anstatt der Hand das Bein zum Gruß entgegen, den Fußkuss erwartend. Tosender Applaus!

Teufel und Glaube – man siehts hier nicht, aber das spielte sich in schwindelnden Höhen ab

Teufel und Glaube – in schwindelnden Höhen

Auch sonst beweist diese Jedermann-Inszenierung viel Einfallsreichtum und bringt einen zum Staunen. Ob durch die allegorischen Gestalten – wie Tod (gruselig und Ehrfurcht gebietend), Mammon (frech), Werke (mit gebrechlichem Puppenkörper), Glaube (über allem stehend) – oder durch die ausgelassenem Tanzeinlagen zu mittelalterlich anmutenden oder Balkanklängen, die das Geschehen immer wieder unterbrechen. Und auch die Freundin, die mich auf den Abend eingeladen hat, kommt als Salzburgs größter Michael Jackson-Fan auf ihre Kosten, als plötzlich sehr moderne Rhythmen von einer Thriller-ähnlichen Choreografie begleitet werden.

Wer kann, der kann eben
So wurde in beiden Fällen meine erwartete Enttäuschung … nun ja … enttäuscht. Und als Salzburger, der schon etwas stolz darauf ist, dass so etwas Einmaliges jeden Sommer bei uns stattfindet, bin ich geneigt zu sagen: Aus widrigen Situationen ein großartiges Erlebnis zu zaubern, das bringen nur unsere Salzburger Festspiele mit ihrem Aushängeschild, dem Jedermann, fertig.

Beim Verlassen des Hauses regnet es. Mitunter sogar heftig. Auch das können die Festspiele also gut: Das Wetter richtig vorhersagen.

Link zu mehr Infos zum Jedermann

Link Salzburger Festspiele

Alle Bilder: Salzburger Festspiele – Forster