Interessantes zum Thema Gesellschaftspolitik

Ein Interview von Gabriele Rothuber mit Lucy Ludwig, Anton Wittmann & Franziska

Seit 15 Jahren bietet die HOSI Menschen mit Trans-Themen die Möglichkeit der Beratung durch das Pink Bonsai Beratungsteam und des Austausches in ungezwungener Atmosphäre jeden Mittwoch im Vereinszentrum. Grund genug, diese Aktivitäten mal genauer zu beleuchten…

LUCY, du bist von Anfang an dabei – bist sozusagen auch Initiatorin des Stammtisches. Wenn du dich zurückerinnerst an die Anfänge, wie war das so? Wie schnell wurde aus der Idee ein richtiger Stammtisch?

Lucy: Der erste Stammtisch fand im September 2001 statt. Er wurde von Dani (Vivian) und Maria gegründet. Anfangs blieb es bei den beiden, doch schon in den folgenden Monaten kamen immer mehr dazu – unter anderem Franziska und ich.
Durch unsere Internetseite bei transgender.at wurde der Stammtisch immer bekannter und der Einzugsradius immer größer und erstreckt sich über die Salzburger Gaue ins benachbarte Bayern bis Neuötting und München aber auch nach Oberösterreich und sogar bis Kärnten.

Salzburg ist ja eine „kleine Großstadt“, gab es da überhaupt Bedarf vor 15 Jahren? Trauten sich Menschen zu Euch? Wie war allgemein die Situation von Menschen mit Trans*Themen zu der Zeit?

Unser Stammtisch war einer der ersten Treffpunkte dieser Art in einem weiten Umkreis und durch Internet und Weitersagen sprach sich das bald weiter rum. Vielfach lernte man sich vorab schon auf transgender.at kennen, bevor man sich zum ersten Mal in realiter in die HOSI traute. Gesellschaftlich war das Thema noch sehr viel stärker tabuisiert und man wurde von Kolleg*innen, Bekannten oder auch Unbekannten oft noch verbal angegriffen. Vor 15 Jahren war auch die Meinung, Trans*Menschen müssten psychisch krank sein noch kaum hinterfragt. Auch rechtlich und medizinisch war man noch stärkeren Hürden ausgesetzt. So musste man sich vor der Personenstandsänderung zwingend einer geschlechtsangleichenden und sterilisierenden OP unterziehen und diese in einer Untersuchung auf der Wiener Gerichtsmedizin bestätigen lassen.

Lucy, du warst ja auch bis 2015 Transgenderreferentin der HOSI und hast ein enormen Wissen: was hat sich gesellschaftlich / medizinisch / rechtlich in den letzten 15 Jahren für Transgender gebessert? Hat sich auch was verschlechtert?

Die gesellschaftliche Akzeptanz ist besser geworden, wobei transidente Menschen gerade im Arbeitsumfeld oft immer noch viele Schwierigkeiten bewältigen müssen. Auch rechtlich hat sich einiges getan. Durch mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen mussten rechtliche Voraussetzungen immer wieder nachgebessert werden. So fiel z.B. im Jahr 2006 der Scheidungszwang und im Jahr 2009 der Operationszwang. Um die medizinische Situation für Trans*Menschen in Salzburg zu verbessern wurde in Zusammenarbeit von Dr. Stelzig und der HOSI Salzburg ein Qualitätszirkel mit Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen aus verschiedenen Fachrichtungen im Landeskrankenhaus gegründet.
Zur Bekanntmachung und Aufklärung in der Gesellschaft trugen sicher auch unsere Auftritte im öffentlichen Fernsehen z.B. bei Thema, Salzburg Heute oder im Bad Ischl TV bei. Vorureile abzubauen und Verständnis und Akzeptanz für die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten zu vermitteln war auch mein Bestreben, als ich 2009 begann, Schulen im Raum Salzburg und Landkreis Berchtesgaden zu besuchen.

Darüber hinaus wenden sich immer wieder auch Studierende an uns, die Unterstützung bei wissenschaftlichen Arbeiten suchen.

ANTON: du bist Nachfolger von Lucy als Transgenderreferent im Vorstand der HOSI Salzburg und ehrenamtlich sehr engagiert. Was hat dich bewogen, im Pink Bonsai Beratungsteam, im Projekt „Schule der Vielfalt“ und auch für den Stammtisch so viel Energie einzubringen?

15-jahreAnton: Ich kam Ende 2012 zum ersten Mal als Gast zum Trans*Stammtisch n die Hosi. Der Anschluss an die Trans*Gruppe, vor allem aber auch die Begegnungsmöglichkeiten mit anderen Menschen aus dem LGBTI* Spektrum haben mich in meinem eigenen Weg unterstützt. In der Auseinandersetzung mit meiner eigenen sexuellen Identität wurde mir bewusst, wie wenig die meisten Menschen zum Thema LGBTI* wissen und wie stark Themen, die damit zusammenhängen, nach wie vor tabuisiert und stigmatisiert werden. Um diese Ausgrenzungen abzubauen sind Aufklärungsprojekte wie zum Beispiel „Schule der Vielfalt“ so wichtig. Der Zugang zu Informationen ist in den Zeiten des Internets wesentlich besser geworden. Leider finden sich aber oft auch viele veraltete Informationen, die Menschen verunsichern. Hier ist der persönliche Kontakt immer noch unverzichtbar.

Anton, du leitest ja gemeinsam mit Hannelore Salis-Samaden auch die Young-Trans-Gruppe in der COURAGE Salzburg: kommen auch Jugendliche mit Trans-Themen zu Eurem Stammtisch in die HOSI? Gibt es auch Abende speziell für Trans*Männer / Trans*Frauen?

Anton: Unsere Stammtischabende sind jeweils am 2. und 4. Mittwoch im Monat im Vereinszentrum der HOSI Salzburg. Zu diesen Abenden ist grundsätzlich jeder willkommen, wobei der überwiegende Teil der Gruppe trans*weiblich ist.
Ein spezieller Stammtisch für Trans*Männer ist im Entstehen, wobei dieser aus Termingründen derzeit nur auf Vereinbarung (transgender@hosi.or.at) einmal im Monat stattfindet. Wir wollten auch eine Jugendgruppe in der HOSI Salzburg gründen, aber dazu fehlen derzeit leider die Kapazitäten. Ich bin jedoch sehr froh, dass hier eine Kooperation mit der Familienberatungsstelle Courage gefunden werden konnte.

Wie stell ich mir so einen Abend vor? Gemütliches Beisammensein? Oder jeweils spezielle Thematiken, die behandelt werden? Ladet Ihr auch manchmal Menschen zu Vorträgen ein? Habt Ihr gemeinsame Unternehmungen?

blumenDie Abende bieten Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Meist treffen wir uns dazu im Roten Salon, einem separaten Raum des Vereinszentrums, um ungestört über z.T. auch sehr persönliche Themen sprechen zu können. Gleichzeitig bietet das Vereinszentrum aber auch die Möglichkeit Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen zu treffen.
Außerdem versuchen wir immer wieder spannende Vorträge z.B. zum Thema Stimme und Stimmtraining oder Workshops, z.B. Schminkkurse, anzubieten. Ein Fixpunkt im Transgender-Jahreskalender ist darüber hinaus unsere jährliche Trans*Weihnachtsfeier. Bei interessanten Veranstaltungen in der Salzburger Kulturszene organisieren wir auch gemeinsame Besuche von z.B. Filmen oder Kabarett-Programmen.

FRANZISKA, du bist Besucherin des Stammtisches: stell dich doch ein bisschen vor. Seit wann kommst du zum Trans*Stammtisch in die HOSI – und was schätzt du daran?

Franziska: Zur Transgendergruppe in Salzburg komme ich seit ca 13 oder 14 Jahren, ganz genau weiß ich es nicht mehr, kann mich noch erinneren dass es damals im Barraum gebrannt hatte und das Treffen in der Bibiothek im Stehen stattfand.
Vier oder fünf Trans-Mädls waren wir da an diesem für mich ersten Abend in der Hosi.

An den regelmäßigen Treffen gefällt mir besonders die ganz zwanglose Atmosphäre unter uns, sich mit Gleichgesinnten sich zu unterhalten, nicht nur über das Thema Trans, wir reden auch viel über uns persönlich und über evtl vorhandene Familien und andere Themen.
Wie schon von Lucy und Anton gesagt versuchen wir auch immer gemeinsame Unternehmungen auf die Beine zu bringen, unter anderem konnte ich auch ein paar Motorradtouren einrichten. Auch Freundschaften können in der Hosi geknüpft werden.

Da ich inzwischen seit über 30 Jahren als Frau auch unterwegs bin gebe ich gern meine Erfahrungen weiter. Damals als ich noch jung war gab es keine Hilfe oder Erfahrungswerte von anderen und ich hätte diese so sehr gebraucht und benötigt.
Mußte mir alles selber und alleine erarbeiten. Heute sind wir in der Hosi einige mit viel Erfahrung, die wir gern an jüngere oder welche, die noch am Anfang stehen weitergeben und unsere Hilfe, falls gewünscht, anbieten.

Mein Wunsch wäre die regelmäßigen Treffs so wie bisher zwanglos, offen, und für alle zugänglich weiter am Laufen zu halten.
Besonders dass wir alle „bunt gemischt“ uns treffen, also Transmänner, Transfrauen, Anfänger, TV oder auch DWT.
Ich glaube diese Mischung macht eben das Tolle bei uns aus, dass auch diese Transgendergruppe sich insgesammt so gut untereinander versteht und wir erfahrenere auch auf andere gut zu gehen können. Das war auch der Geist der Gruppe von Anfang an als ich neu dazu gekommen bin.

Für die Zukunft würd ich mir eine kleine Auffrischung für den Roten Salon wünschen, Wände neu streichen und ein besseres oder zusätzliches Licht …

ANTON. was soll die Zukunft bringen? Weiter so voller Power wie bisher? Oder stehen Veränderungen an? Anton: Ich freue mich auf viele weitere gemeinsame Abende und darauf, gemeinsam auch noch viele weitere Geburtstage zu feiern.

Das Interview führte Gabriele Rothuber.

Jugendliche und Senioren begegnen sich singend bei den „72 Stunden ohne Kompromiss“

Das Petersbrünnele macht am meisten Spaß

Das Petersbrünnele macht am meisten Spaß

Unter dem Titel „Longboard trifft die Rollatoren“ kamen neun SchülerInnen der BAfEP Salzburg (ehemals BAKIP) in das Seniorenwohnhaus Hellbrunn. Ziel war es, zwei Tage miteinander zu singen, mit zu leben und gegenseitig in die jeweiligen Lebenswelten von SenorInnen und Jugendlichen einzutauchen. Dieses Generationenprojekt war Teil der österreichweiten Sozialaktion „72 Stunden ohne Kompromiss“ der Katholischen Jugend.

Bis auf mich selbst – ich steckte im typisch Salzburger Morgenstau – waren beim Start alle pünktlich da. Die Schülerinnen ebenso wie das junge Filmteam um Daniel Kux. Die Mädchen waren voller Motivation und Tatendrang. Ich war gespannt, wie die erste Begegnung mit unserem Bewohnerchor „Die Rollatoren“ sein werde. Meine Sorgen verflogen sich in Windeseile, als ich die Einsatzbereitschaft der Jugendlichen, aber auch jene unserer alten Menschen sah. Eine Bewohnerin bewirtete alle mit Getränken und die Jugendlichen begleiteten ohne Umschweife die Rollstuhlfahrer in unseren Probenraum. Bei allen Treffen holten sie die Chormitglieder selbständig ab. Vom ersten Lied an breitete sich ein toller Klangraum aus, der Alt und Jung miteinander verband.

Die gegenseitige Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft dieser zwei Tage wird mir besonders in Erinnerung bleiben.  Gerade beim gemeinsamen Essen konnten wir das erleben. Es ist eine hoffnungsvolle Generation, die heranwächst und die Zukunft meistern wird.

Ps: Bei dem Projekt wurde auch mitgefilmt. Sobald das Musikvideo fertig ist, gibt es mehr auf zartbitter …

Die Schülerinnen vom BAKIP Salzburg präsentieren ihre Lieder

Die Schülerinnen vom BAKIP Salzburg präsentieren ihre Lieder

Die schönsten Lieder Österreichs

Die schönsten Lieder Österreichs

Schnell entsteht durch das Singen Gemeinsamkeit

Schnell entsteht durch das Singen Gemeinsamkeit

Daniel Kux beim Filmen des Musikvideos

Daniel Kux beim Filmen des Musikvideos

Vier volle Tage Libanon mit der Caritas Salzburg. Wir sind an einem ganz besonderen Ort untergebracht. Broumanna. Das liegt etwa 800 Meter über Beirut und ist ein Luftkurort der Hauptstädter.

St Vincent Libanon

v.r.n.l.: Stefan Maier, Marija Ghia, Schwester Zahia

Mitten drin liegt St. Vincent, ein Kloster mit Schule und Internat. Das Haus ist ein alter Palast einer reichen drusischen Familie, die im 19. Jahrhundert den christlichen Glauben angenommen hat. 1884 konnten die Barmherzigen Schwestern das Gebäude kaufen, damals wurde es als Waisenhaus und Krankenstation für die Bevölkerung genutzt. Jetzt ist es eine Privatschule mit Internat. Die Waisen von heute sind Sozialwaisen. Familien, die in großer Armut leben, können ihre Kinder in die Schule schicken. Knapp 400 Kinder zwischen drei und 12 Jahren bekommen in St. Vincent Unterricht. Etwa ein Drittel von ihnen lebt im Internat. Das Besondere hier ist die Zusammensetzung der Kinder. Bis vor wenigen Jahren waren es nur libanesische Kinder, christlich und muslimisch und eine kleine Zahl irakischer Flüchtlingskinder.

Unerwünschte Flüchtlingskinder

Mit dem Krieg in Syrien und den vielen Flüchtlingen beschlossen der Orden unter Leitung von Schwester Zahia auch syrische Flüchtlingskinder in die Schule und in das Internat aufzunehmen. Die Widerstände waren anfangs groß. „Die Kinder nehmen uns Plätze weg. Sie sind ungebildet, haben kein Benehmen. Die machen nur Probleme. Das sind die Kinder unserer alten Feinde. Wir wollen sie hier nicht.“ Meinten viele Nachbarn, Lehrer und die Familien libanesischer Schüler. Es kostete die Schwestern und auch Marija Ghia, Koordinatorin der Caritasprojekte viel Überzeugungskraft. Ihr Ansatz ist die Integration der syrischen Kinder in die libanesische Gesellschaft. „Wir wollen die Kinder nicht für die Vergangenheit der Eltern verantwortlich machen. Auch diese Mädchen und Buben haben ein Recht auf Bildung. Aber es gibt eine Obergrenze, mehr als ein Drittel dürfen es nicht sein.“, so Schwester Zahia. Das ist ein Leuchtturmprojekt hier im Libanon. Aber wie geht das hier mit den verschiedenen Religionen? Die muslimischen Kinder haben andere Aktivitäten, wenn die christlichen Kinder im Religionsunterricht sitzen. „Wissen Sie was der beste Religionsunterricht ist? Wenn die muslimischen Kinder als Erwachsene an ihre Zeit in der katholischen Schule zurückdenken, denn sie haben erfahren, dass es ein friedliches Miteinander zwischen den Religionen geben kann.“, erklärt Schwester Zahia überzeugt. Und nach vier Tagen im Zusammenleben mit den Schwestern und den Kindern, habe ich das auch so erlebt.


Spenden und Gottvertrauen für Baskinta

img_2013

Schwester Mona erzählt über ihre Schule, die mitten im Libanon-Gebirge liegt.

An einem Nachmittag fahren wir hoch ins libanesische Gebirge. Dort unterstützt die Caritas eine weitere Schule. Die Schwestern hier haben eine ähnliche Richtung. Auch hier sind die Kinder gemischt. Schwester Mona hält alles im Gange. Ihre herzliche, aber durchaus beharrliche Art hilft den Kindern. Aus dem alten Haus macht sie Schritt für Schritt eine moderne Schule, damit die Kinder Zukunftschancen haben. Ob in Broumanna oder in Baskinta im Libanongebirge, ich blicke in offene Kinderaugen. Alle sprechen neben Arabisch und Französisch auch Englisch. Wenn ich die Kinder frage, erklären sie immer mit Stolz ihre Schule, es sind zufriedene Kinder. Glücklich kann ich sie nicht nennen, denn die meisten von ihnen leben in ärmlichsten Verhältnissen oder haben unvorstellbare Erlebnisse hinter sich. „Aber wir sind ein Ort des Friedens und der Hoffnung. Damit das so bleibt gebe ich meine Kraft, überzeuge immer wieder unsere Geldgeber, um Altes renovieren und neue Projekte beginnen zu können. Und mein Gottvertrauen hilft mir, dass es so bleibt.“, so Schwester Mona.

Im Libanon arbeiten 300.000 Menschen aus Asien und Afrika als Hausmädchen, Tankwart, Reinigungskraft oder Wächter. Meist illegal, unterbezahlt, ohne Rechte. Man nennt sie auch moderne Sklaven.

Wir sitzen bei Mestawet zu Hause. Sie kommt aus Äthiopien, ist 31 oder 32 Jahre alt. So genau weiß sie das nicht. Seit 10 Jahren ist sie im Libanon. Damals haben ihr Freunde gesagt, dass sie hier gutes Geld verdienen kann. Damit kann sie ihre Familie unterstützen, denkt sie hoffnungsvoll. Ihr erster Arbeitgeber meinte: „Ein Sandwich am Tag reicht für dich. Du bist nicht zum essen hier, du bist hier um zu arbeiten.“ Neben ihr sitzt Dina, ein aufgewecktes Mädchen, keine drei Jahre alt. Den Vater kennt sie nicht, es war der Taxifahrer damals, sie konnte sich nicht wehren. Aber das Kind wollte sie nicht abtreiben.

Eine Chance für Dina

img_2161

Trotz bitterer Armut ist das Zimmer von Mestawet und Dina liebevoll dekoriert

Dina geht jetzt in den Kindergarten von Beth Aleph. Das Projekt in Beirut wird unterstützt von der Caritas Salzburg. 107 Kinder spielen und lernen hier. Die meisten sind Kinder von Arbeitsmigrantinnen wie Mestawet. Aber auch syrische Flüchtlingskinder sind hier. Dina und die anderen bekommen die Chance auf Bildung. Die Sozialarbeiterinnen von Beth Aleph helfen den Menschen ihre Kinder registrieren zu lassen, damit sie später eine reguläre Schule besuchen können. „Ich wünsche mir ein sauberes Haus und eine Zukunft für Dina. Sie soll nicht so leben müssen wie ich. Nach Äthiopien zurück kann ich nicht. Meine Familie weiß nichts von Dina.“, erzählt Mestawet. Mestawet und Dina leben in einem kleinen Zimmer in Beirut. Ärmlich ausgestattet, vielleicht 12 Quadratmeter. Die Küche und das Bad, es sind Verschläge am Gang, teilt sie sich mit zwei anderen afrikanischen Frauen, die ein ähnliches Schicksal haben.

Sehnsucht Europa

Oft haben die Frauen Probleme mit den Nachbarn. „Erst gestern versuchte ein Nachbar die Tür einzutreten. Wir Frauen sind mit den Kindern allein. Gott sei Dank ist die Polizei schnell gekommen. Aber ich habe Angst. Auch um meine kleine Dina.“, sagt Mestawet. „Der Sonntagsgottesdienst der äthiopisch-christlichen Kirche ist fixer Bestandteil in ihre Woche. „Dafür nehme ich den langen Fußmarsch in einen anderen Stadtteil Beiruts gerne in Kauf. Denn hier kann ich andere treffen, wir sind eine gute Gemeinschaft, wir halten zusammen. Aber am liebsten möchte ich nach Europa. Dort hätte meine Dina Chancen für ihre Zukunft.“, wünscht sie sich.

Wie soll man sich auf den Besuch informeller Flüchtlingslager vorbereiten? Darüber lesen wir alle, sehen die Bilder im Fernsehen. Aber was ist die Realität? Wie geht es den Menschen wirklich? Wie schaut es dort aus? Wie riecht es? Gibt es Wasser? Strom? Wie organisieren die Menschen ihren Alltag? Wie kommen die Flüchtlinge dort hinein? Und gibt es eine Hoffnung auch wieder rauszukommen? Viele Fragen. Ich habe viele Antworten gefunden.

img_1728

Die Bekaa-Ebene im Libanon

img_1741

Ramsi aBojzid, Leiter der Caritas in der Bekaa-Ebene

Wir fahren nach Zahle , eigentlich bekannt für seinen Weinanbau, in der Bekaa-Ebene im Libanon. Dort hat die Caritas einen Stützpunkt und betreut Menschen in mehreren informellen Flüchtlingslagern. Der Caritasleiter für die Bekaa-Ebene, Ramsi aBojzid, empfängt uns in seinem Büro. Er ist Jurist, war Manager und ist seiner Berufung gefolgt in einer NGO zu arbeiten. Über ein Jahr macht er den Job. „Unsere Mission ist helfen. Unabhängig von der Religion oder Herkunft der Menschen. Unsere größte Schwierigkeit ist es, dass wir jeden Tag entscheiden müssen, wer Hilfe bekommt. Es ist nie genug für alle da.“

Ein besonders großes Problem ist die medizinische Versorgung. Wenn Menschen körperlich oder geistig erkranken, ist die Situation noch unerträglicher. Besonders für Kinder und Alte. Dazu kommen Rahmenbedingungen, die die Zukunft der Flüchtlingskinder, die im Libanon auf die Welt kommen fast hoffnungslos machen. Sie können nicht registriert werden. Der libanesische Staat tut das nicht. Nach Syrien können nur die allerwenigsten zurück, um ein Baby registrieren zu lassen. Aktuell sind es um die 300.000 Kinder im Libanon, deren Existenz im besten Fall durch eine Krankenhausbestätigung nachgewiesen ist. Alle anderen sind illegal. Kein regulärer Schulbesuch, keine Identifikation, keine richtige Arbeit oder Heirat ohne Papiere. Das heißt, keine Zukunft als Mensch des 21. Jahrhunderts.

Offiziell gibt es knapp eine Million registrierte Flüchtlinge im Libanon, doppelt so viele sind hier. In einem Land mit 4,5 Millionen Einwohnern. Unvorstellbare Realität.

Die Schawis sind die Chefs

Aber warum kommen so viele in den Libanon? Schon vor dem aktuellen Krieg gab es viele syrische Saisonarbeiter, besonders in der Landwirtschaft und am Bau. In der Bekaa-Ebene haben viele dieser Menschen von ihren alten Arbeitgebern gegen gutes Geld Land gepachtet. 30.000 Dollar zahlen sie für ein Grundstück.

img_1761

Das erste Lager, das wir in Zahle besuchen

Hier entstehen die informellen Lager, die die Menschen selbst bauen und die nicht etwa von der UNHCR errichtet werden. Schawis heißen diese Pächter, die anderen Flüchtlingen wiederum ermöglichen Zelte zu errichten. Für ein Zelt kassieren sie bis zu 1000 Dollar im Jahr. Die Schawis sind die Lagerchefs. Sie sorgen für Strom und Wasser. Sie vermitteln Saisonarbeit, dafür kassieren sie einen Teil des Lohns. 4-5 Dollar verdienen die Menschen am Tag in der Landwirtschaft. 1-2Dollar davon gehören dem Schawis. Es sind vor allem die Frauen, die raus müssen zur Arbeit. Auch der kleine Lagerladen gehört dem Schawis, hier gibt es Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel.

img_1791

Unser Besuch ist eine willkommene Abwechslung für die Kinder

Mit diesem neuen Wissen fahren wir zum ersten Lager. Als wir ankommen bildet sich innerhalb von Sekunden eine Traube von Kindern. Da stehen wir nun, mitten unter ihnen. In einem Lager mit Zelten aus Plastikplanen über die Stromleitungen laufen. Die Wege dazwischen staubig. Ein Vertreter des Schawis kommt. Wir setzen uns mit ihm zusammen, stellen Fragen über Fragen. Ein Caritasmitarbeiter übersetzt.

Die größte Sorge der Menschen hier ist, wie sie sich auf den Winter vorbereiten können. In der Bekaa-Ebene kann es bis zu minus 10 Grad haben. Sie brauchen Decken, warme Kleidung, kleine Öfen und Heizmaterial.
Im Zelt einer Familie


Wir dürfen uns ein Zelt anschauen. Es ist kein gutes Gefühl, ich fühle mich unwohl. Frauen und Kinder sitzen am Boden. Ich gehe wieder raus. Ein Junge folgt mir. Er nimmt mich an der Hand und sagt „mutfak.“ Das verstehe ich. „Küche“ Das Zelt hat Nebenzelte. Zwei Schlafräume, ein kleiner Waschraum. Eine Miniküche. Stolz zeigt er mir den Kühlschrank, der nicht funktioniert. Darin sind Essen und ein paar Medikamente. Für Grippe erklärt er mir. Ich gebe ihm zu verstehen, dass er ein sehr höflicher und gastfreundlicher Junge ist.

img_1755

Freundlich verabschieden uns die Kinder – es gibt auch einen Luftkuss

Wir verlassen das Lager nicht ohne noch viele Bilder mit den Kindern gemacht zu haben. Jedes von ihnen will auf jedes Bild.

Keine Gebetsräume in den Flüchtlingslagern

img_1832

Der Gehilfe des Schawis führt uns durch das Lager

Das zweite Lager ist wesentlich schlechter. Es gibt nicht für jeden Strom. Das Wasser muss beim Wasserlastwagen gekauft werden, der jeden Tag vorbei kommt. Auch hier gehen wir mit dem Gehilfen des Schawis durchs Lager. Aus einem Lautsprecher tönen religiöse Gesänge. Es ist eines der ganz wenigen Lager, das auch einen kleinen Gebetsplatz hat. Das ist den guten Beziehungen des Schawis zu den Behörden geschuldet. Ansonsten verbietet der libanesische Staat Gebetsräume und kleine Moscheen, sie fürchten die Freitagspredigten, die die Menschen radikalisieren könnten. Oft werden informelle Lager auch um einige hundert Meter verlegt, weil die Armeeposten in der Nähe angegriffen werden könnten. Auch dieses Lager wurde verlegt.

img_1827

Wie ist es erst bei Regen hier im Flüchtlingslager?

Die Wege zwischen den Zelten sind uneben. Vor manchen Zelten steht eine Feuerschale, hier wird Wasser erhitzt. Bei einer unbeaufsichtigten Feuerstelle liegen glühende Kartonteile herum. Der Gehilfe schreit die Menschen aus dem Zelt heraus, deutet auf die glühenden Kartons, zertritt sie energisch. Es ist ein größeres Lager.

img_1840

Ein Schluck Kaffee für alle – Gastfreundschaft auch in größer Armut

Wir werden ins Empfangszelt gebeten und bekommen einen Kaffee serviert. Der Schawis-Helfer schenkt abwechselnd in zwei Tassen je einen kleinen Schluck starken Kaffees ein. Diese Zeremonie kenne ich aus der Südosttürkei. Und wieder stellen wir viele Fragen. „Möchten Sie weg aus dem Libanon? Nach Europa?“ Seine Antwort verblüfft uns:“Ich hätte für die ganze Familie eine Ausreise der UNHCR für Kanada bekommen. Ich, meine Frau und die 13 Kinder. Das wollte ich nicht. Dort habe ich keine Kontrolle über meine Familie. Mein Cousin ist schon dort. Er musste in Kanada für vier Tage ins Gefängnis, weil er eines seiner Kinder geschlagen hat.“

„Die Hoffnung, dass es besser wird, treibt uns an. Jeden Tag!“

Es wird uns klar, dass die Menschen sich auf längere Zeit im Libanon einrichten. Ihr Leben ist davon bestimmt, das Überleben für den nächsten Tag zu sichern. Die Caritas unterstützt in diesem Lager vor allem die Kinder, sie sorgt für den Transport in verschiedene Schulen, wo Flüchtlingskinder Unterricht bekommen. Dazu gibt es Nahrungsmittelspenden und manchmal eine kleine Geldsumme für die Familien.

img_1816

Stolz zeigt das kleine Mädchen ihr Bild in einer Publikation der Caritas Salzburg. Mit Hilfe von Spenden aus Salzburg kann sie eine Schule besuchen.

Ohne die Hilfsorganisationen wäre ein Überleben für den Großteil der Flüchtlinge nicht möglich. Sie sorgen dafür, dass es eine fragile Stabilität gibt. Ansonsten würde im Libanon das Chaos ausbrechen.

Wir haben zwei Lager gesehen von unzähligen, die es in der Bekaa-Ebene gibt. Mir wird klar, dass hier auch ein Teil der Zukunft Europas bestimmt wird. Wenn der Libanon zusammenbricht, dann steht Europa vor einer Herausforderung, die das Jahr 2015 nur als kleines Vorspiel erscheinen lässt. Es liegt auch in unserer Hand, dies zu verhindern. Oder um es mit den Worten eines Caritasmitarbeiters zu sagen: „Die Hoffnung, dass es besser wird, treibt uns an. Jeden Tag!“

Wir sollten alle unseren Beitrag leisten, dass der Funken der Hoffnung weiterglüht.

Konnten nach der sexuellen Revolution noch Tabus gebrochen werden? Ja – das Bühnen-Musical The Rocky Horror Show bewies das Anfang der 70er Jahre. Männer in Frauenkleidern gab es auf Bühnen und in Filmen zwar immer – doch nur in harmlosen Verwechslungskomödien. Ein sexuell aktiver bisexueller Transvestit war allerdings eine völlig neue Kategorie. Dennoch erreichte diese Art Provokation eine sehr breite Masse. The Rocky Horror Picture Show von 1975 ist daher sowohl für die Babyboomer-Generation sowie für die Generation X ewiger Kult. Egal wie schlecht andere Filme mit Tim Curry sind – er wird für Rocky Horror-Fans der einzig wahre laszive, anziehend-abstoßende Dr. Frank-N-Furter bleiben.

Der Fernsehsender Fox hat dieses Jahr eine Neuauflage des Klassikers gewagt. Warum auch nicht?

Transsexuell vs Transvestit

Was könnte die Neuauflage also Neues bieten? Hauptsächlich Laverne Cox – sie ist die erste offen lebende transsexuelle Darstellerin und LGBT-Aktivistin, die einem breiteren Publikum bekannt ist – und zwar aus der hocherfolgreichen Netflix-Serie Orange Is The New Black [Anm.: empfehlenswert]. Kann die Neuauflage der Rocky Horror Picture Show mit Laverne Cox in der Hauptrolle provozieren? Ich hatte mich auf den Fernsehabend gefreut. Doch schon nach den ersten Minuten stellte ich fest: Hier wirkt nichts frisch, frech oder auch nur annähernd anrüchig oder provokant. Alleine der Frank-N-Furter-Look ist nicht mit dem von Tim Curry zu vergleichen – das skurrile Make-up und das trashige Outfit haben viel zum Kult-Status der Figur beigetragen. Und, sorry, Ms Cox: I did not „shiver with antici… … … … [oh well – say it already, dammit] …pation“. Niemand wird an dieser Stelle Tim Curry je das Wasser reichen können.

Transsexualität könnte für Rocky Horror durchaus als Steigerung zu Transvestismus angesehen werden und zu einer geeigneten Adaption des Stoffs für die heutige Zeit anregen. Warum ist das nicht passiert? Seit den 70er Jahren sind viele Tabus gebrochen worden. Cross-Dresser oder Trans-Personen führen heute viel öfter kein verstecktes Leben mehr und sind längst auch in unserer alltäglichen Wahrnehmung angekommen. Das große Manko bei Laverne Cox war letztlich, dass sie durch und durch die Frau spielt, die sie heute auch tatsächlich ist. Ich meine damit, dass ihr Frank-N-Furter es an Ambivalenz fehlt. Sie setzt in der Rolle zwar auch ihre männliche Stimme ein, doch äußerlich dringt kein Fünkchen einer männlichen Ausstrahlung durch. Kostüm und Makeup lassen das nicht zu – anders als in Orange Is The New Black, wo ihr Gesicht nicht völlig hochglanzlackiert ist. Wo in Rocky Horror das Kostüm die richtigen Stellen quetscht und puscht, verrät ihr Gefängnisoutfit in Orange trotz der Brüste noch verbliebene Hinweise ihres biologischen Geschlechts, wie Taille oder Schultern. Die Kostüm- und Maskenbildner der Rocky Horror-Neuauflage haben es einfach zu gut gemeint.

[Seht euch hier den Trailer an oder scrollt runter und lest weiter]

 

Colour Boosting vs Talent

The Rocky Horror Picture Show – Let’s Do The Time Warp Again hätte dennoch noch ein unterhaltsamer Film werden können. Woran es fehlte, war sexuelle Spannung. Das liegt nicht nur an Laverne Cox‘ Darstellung von Dr. Frank-N-Furter. Das dröge Paar Brad und Janet wird mit einer neuen Welt und einer völlig anderen Lebensart konfrontiert, die beiden machen neue, aufregende sexuelle Erfahrungen und bleiben am Ende doch farblos und uninteressant. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Ach ja, von wem wurden Brad und Janet in der modernen Fassung nochmal gespielt? Egal, es werden keine Weltkarrieren daraus werden, wie seinerzeit die von Susan Sarandon.

Der Tiefpunkt bei den Besetzungen war für mich Reeve Carney als Riff Raff ohne Buckel. Ok, Buckel ist nicht notwendig, aber Riff Raff ist als Charakter ein verschlagener, abstoßender Kretin. Reeve Carney ist geschminkt und trägt Perücke, bleibt aber fade und uncharismatisch, wie immer. Er bringt nichts davon mit, wodurch er als gruseliger Widerling überzeugen könnte.

Einzige Überraschung: Adam Lambert als Eddie! Wer hätte das gedacht? Eine Rolle anzunehmen, die vor ihm Meat Loaf mit viel Körper- und Stimmvolumen ausgefüllt hat, war mutig. Doch Adam Lambert hat die Show für ein paar Minuten so richtig gerockt und zeigte außerdem, dass in ihm ein richtiger Comedian steckt.

Zu Tim Currys Rolle als Erzähler möchte ich nicht viel sagen. Nur so viel: Jeder muss sein Geld verdienen, daher verstehe ich, weshalb er sich für das Projekt zur Verfügung gestellt hat. Er soll uns allen aber lieber als Frank-N-Furter in Erinnerung bleiben.

Whatever happened to Fay Who?

Bleibt noch ein Thema. The Rocky Horror Picture Show ist auch eine nostalgische Hommage an die klassischen Horror B-Movies der 1930er bis 50er Jahre. Waren diese in den 70er und 80er Jahren noch fixer Bestandteil des Fernsehprogramms, hat ein junges Publikum von heute keinen Bezug mehr dazu. Schon allein deshalb ist die Neuauflage der Rocky Horror Picture Show völlig aus der Zeit gefallen. Und seien wir ehrlich: Bei allem Kult. Wenn man heute die Ur-Version der Rocky Horror Picture Show ansieht, dann tut man es ebenfalls aus purer Nostalgie. Eine nostalgische Hommage an diesen Klassiker aus den 1970er Jahren wäre im Jahr 2016 sicher interessanter gewesen.

 

The Rocky Horror Picture Show – Let’s Do The Time Warp Again (2016) lief in den USA am 20. Oktober 2016 auf Fox

Meine Bewertung auf IMDB: 4 Punkte
Insgesamt hat diese Neuauflage des kultigen Rocky Horror Musicals nicht viel mehr zu bieten als aktuell bekanntere Gesichter und sattere Farben, damit die bunten Kostüme und Make-ups gut rüberkommen. Es fehlt die Seele.