Interessantes zum Thema Gesellschaftspolitik

von  Michael König

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Selbst ist der Mann. Auch in der Waschküche.

Was für Ängste waren da im Vorfeld zu kalmieren. 60 Männer aus mehreren Nationen bezogen vor 15 Monaten das Diakoniewerk-Flüchtlingsquartier in der Münchner Bundesstraße in der Stadt Salzburg. Heute, am 23. November 2016, wurde das Quartier geschlossen. Wie ein Film laufen die Monate nochmals in mir ab. „Ihr werdet euch noch anschauen“, sagten uns manche vor einem Jahr. „Die werden die Autos der Nachbarn zerkratzen“, meinten andere. „Die Ratten sollen heimgehen“, schrie der bierbauchige Herr in die Anrainerversammlung hinein. „Die werden uns unsere Töchter wegnehmen“, wandte eine besorgte Dame ein.

Und nichts von alldem ist passiert. Es gab keine Belästigungen, es gab keine Beschädigungen irgendwelcher Art. Es gab im Quartier keine Gewaltszenen, die nur annähernd an das heranreichen, was sich am Salzburger Rudolfskai jede zweite Nacht abspielt.

Es ist gut gegangen. Es ist so gut gegangen, dass sich das eigentlich für einen Doppelseiter jeder Zeitung eignen müsste. Aber, mir ist die Medienlogik unserer Zeit natürlich bekannt: Es ist ja nichts passiert.

Und doch: Es ist viel passiert. Das war nämlich kein humanitärer Spaziergang. Es hätte auch ganz anders kommen können. Da waren einmal die 35 Schlüsselkräfte aus dem Diakoniewerk, die sich im Sommer 2015 innerhalb von 48 Stunden mit vollem Einsatz hinter den Aufbau dieses Quartiers gestellt haben und angepackt haben. Da waren Beamte des Landes Salzburg, mit denen wir oftmals unkonventionelle, rasche und praktikable Lösungen gefunden haben, damit dieses kahle, leerstehende Bürogebäude innerhalb von wenigen Wochen zu einem Flüchtlingsquartier umgewandelt wurde. Seither weiß ich, wie das geht, wenn man über seinen eigenen Schatten springt. Da war eine Eigentümerfamilie, die 60 Matratzen gespendet hat und auch sonst stets hilfreich zur Stelle war.

Was ist wirklich passiert im Flüchtlingsquartier?

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Miteinander im Quartier in der Münchner Bundesstraße

Und da waren unsere 150 Freiwilligen. Sie haben sich ab der Quartierseröffnung beherzt und tatkräftig eingebracht: In der Organisation des Materiallagers, beim Essensdienst, beim Bewohnerempfang, beim Aufbau von zahlreichen Integrationsaktivitäten und bei der Bildung von 25 Sprachtrainingsgruppen. Da waren die evangelischen Pfarrmitglieder von Salzburg, die auf die Bewohner zugegangen sind und für sie da waren. Ungezählte SpenderInnen sind einfach vorbeigekommen und haben gefragt, was wir brauchen. Und sie haben geliefert. Einer hat binnen zwei Wochen eine hHmepage erstellt, eine andere hat ein Kunstatelier aufgebaut, die Mitarbeiter einer Firma, gleich nebenan, haben 60 Fußballdressen vorbeigebracht und jemand anderer spendete wöchentlich reichlich frisches Obst und Gemüse.

Da war ein Konzept, das getragen war von Klarheit, Wertschätzung, aber auch mit einem strengem Reglement. So ein Männerquartier ist kein Experimentierfeld für gruppendynamische Übungen. Rasch war klar: Die Bewohner brauchen Sicherheit – in mehrerlei Hinsicht. Und diese Sicherheit muss erlebbar sein, vom ersten Tag an. „Null Toleranz gegenüber Gewalt“. Die Botschaft wurde verstanden.

Würde und Respekt

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Einfach dankbar.

Und noch was war da: Ein MitarbeiterInnenteam, das von Tag zu Tag sich vorgearbeitet hat, Ordnung in das anfängliche Chaos zu bringen und das Quartier von A bis Z gut zu organisieren, die Doku aufzubauen, Notfalllisten zu erstellen, interne Rufbereitschaften aufzubauen und diese auf lückenloses Funktionieren zu überprüfen; Kontakt mit Traumaexpertinnen herzustellen u.v.a.m. Und es war eine hochkooperative Bewohnerschaft, die sich in der Quartiersorganisation eingebracht hat, die Verantwortung übernommen hat dafür, dass dieses, in den Rahmenbedingungen nicht einfache Quartier, von einer guten Atmosphäre geprägt war. Wir haben die Betroffenen immer wieder zu Beteiligten gemacht. Manche Prinzipien bewähren sich in allen Feldern sozialen Engagements.

1000ende Stunden haben die vielen Freiwilligen mit den Bewohnern verbracht, sind in Beziehung gegangen, haben sie unterstützt am Weg in unsere Gesellschaft, haben Ausflüge gemacht, sie zu sich nach Hause eingeladen und haben vor allem eines vermittelt: „Ihr habt Würde und wir behandeln euch mit Würde“. Sie sind in Beziehung getreten. Das ist gelebte Integration! Viele Bewohner sind zwischenzeitlich schon ausgezogen und werden auch jetzt noch am Weg in unsere Gesellschaft von diesen Freiwilligen begleitet. Wir haben bald die Übersicht verloren, wie viele unterstützende Netzwerke entstanden sind. Und das ist auch gut so. 80% unserer Freiwilligen waren Frauen zwischen 20 und 80 Jahren. Angstfrei sind sie täglich in das Quartier gegangen und angstfrei sind aus dem Quartier gegangen. Auch das gehört zur Geschichte dieses Flüchtlingsquartiers und sollte gerade in Zeiten wie diesen deutlich gesagt sein.

So viel ist passiert

Die Bewohner erlebten wir dankbar für die behelfsmäßige Herberge ebenso wie gefrustet vom langen Warten und von den schlimmen Nachrichten aus ihren Heimatländern. Sie waren erleichtert, endlich sicher zu sein, so wie viele unter der Trennung von ihren Familien schwer litten. Manche lernten hoch motiviert Deutsch, manche waren dafür zu blockiert, aus vielen Gründen. Manche waren sehr hilfsbereit, manche waren es nicht. Manchmal gab es ernüchternde Erfahrungen und oftmals bewegende, bereichernde und sinnstiftende Erfahrungen. Eine lange Narration von Erlebnissen zwischen und mit den Bewohnern könnte hier noch fortgesetzt werden.

Das Projekt „Flüchtlingsquartier Münchner Bundesstraße“ ging jetzt zu Ende. Zurück bleibt am heutigen Tag bei mir ein dominierendes Gefühl: Jenes tiefer Dankbarkeit. Für das Diakoniewerk wird dieses Flüchtlingsquartier wohl immer zu einem besonderen Stück seiner Organisationsgeschichte zählen. Man geht aus so einer Erfahrung letztlich gestärkt hervor. Wir haben unsere humanitäre DNA gekräftigt. Wir haben das getan, worin unser Urauftrag liegt. Diakonie ist Nächstenliebe in unserer Zeit. Ich verneige mich vor allen MitarbeiterInnen, Freiwilligen und UnterstützerInnen, die dieses Flüchtlingsquartier 15 Monate lang getragen haben. Ich danke Ihnen. Ich danke euch, dass so viel passieren konnte.

dann kann sie was über ihren samsonite paradiver erzählen.

der samsonite paradiver begleitet mich ab jetzt auf reisen. paradiver, das klingt wunderbar, wie fliegen und tauchen zugleich. meiner ist knallgelb – sehr scharfe optik. wasserdicht, kabinen-tauglich, mit rollen, rucksack-riemen die eine seitentasche werden können: vielseitig.

die kabinen-maße hat er nur, wenn er nicht zu dick gepackt wird – er ist ja kein hartschalen-koffer, voll ist hier ein dehnbarer begriff.

seeeeehr groß.

seeeeehr groß.

regen oder sonne –  was kümmert mich das?

die erste reise geht nach südtirol – im bus mit der ganzen truppe von der arbeit: betriebsausflug. sehr gut zu packen – er bewährt sich auch wenn eine garnitur schöneres gewand mit muss. in der früh regnet es, also trag‘ ich ihn ein stück mit den riemen – komfortabel und innen bleibt alles trocken. in südtirol scheint die sonne und er wird zum trolley. perfekt für ein wochenende.

dann eine woche libanon, flüchtlingsprojekte besuchen mit der caritas salzburg. platz genug: neben sommerlicher casual wear und schuhen für alle lebenslagen stopf ich am flughafen noch locker 30 malbücher für die kinder rein – dehnbar ist er wirklich. handgepäck ist er jetzt keins mehr, am baggage-drop-off fällt er seitlich immer wieder um. das ist nicht sehr elegant.

für flugreisen: ein trolley

für flugreisen: ein trolley

zwei wochen sind zu viel

dann nach rom für einen sprachkurs. für zwei wochen ist er als koffer zu klein, als handgepäck muss aber die umhängetasche mit, für die bücher und hefte. schweren herzens bleibt er daheim.

nach wien kommt er wieder mit: eine weinverkostung und das funny-van-dannen-konzert rufen. die wettervorhersage ist kalt, windig, feucht (wie immer in wien). mir doch egal, mein koffer ist wasserfest  und groß genug für ein paar wärmere und winddichte sachen.

 

als rucksack

als rucksack

schön und praktisch – so soll es sein

fazit: der samsonite paradiver ist: schön. wasserfest. dehnbar. ein trolley. ein rucksack. eine umhängetasche. er taugt für reisen bis zu einer woche als hauptgepäckstück. für städtereisen könnte er auf der hinreise handgepäck sein, um beim warten auf das gepäck keine minute zu verlieren. zurück fasst er dann dafür die ganzen einkäufe…

er ist jeden cent wert – egal ob online mit mehr farben zur auswahl oder im samsonite shop in der linzer gasse in salzburg mit superfreundlicher beratung. bald ist ja weihnachten…

unverwechselbar

unverwechselbar

anmerkung: der samsonite paradiver wurde der autorin von samsonite zur verfügung gestellt.

In einer Woche ist die Wahl geschlagen und wir dürfen davon ausgehen einen neuen Bundespräsidenten zu haben. Aber noch ist es nicht so weit und ich werde die Zeit nutzen, um möglichst viele Menschen zu motivieren zur Wahl zu gehen.

Meine Stimme gehört Alexander van der Bellen, dabei bleibe ich natürlich. Immer wieder kommt die Frage, warum ich van der Bellen wähle. Für mich gibt es drei einfache Gründe:

1.       Mein Bundespräsident muss die Menschen mögen. Und er soll allen mit gleichem Respekt begegnen. Die Unterscheidung in „DIE und WIR“ macht mein Bundespräsident nicht. Darum Van der Bellen.

2.       Mein Bundespräsident soll die Zukunft mögen. Was ich gar nicht mag ist die ewige Jammerei, dass früher alles besser war und es in Zukunft noch schlechter wird. Die Zukunft können wir alle mitbestimmen. Ich möchte eine Zukunft mit vielfältigen Chancen, mutigen Lösungen für Probleme und ein innovatives Österreich. Darum Van der Bellen.

3.       Mein Bundespräsident soll ein Staatsmann sein. Ich will stolz sein, wenn mein Bundespräsident unser Österreich vertritt. Das Österreich der Vielfalt, Solidarität, Innovation und des Miteinanders. Darum Van der Bellen.

Und wen wählt ihr?

Bildnachweis: Homepage Van der Bellen 

Ich habe in den letzten Tagen hier in San Diego mit mehreren Leuten darüber gesprochen, wie sie sich nach dem Ergebnis der Präsidentenwahlen fühlen. Sie erzählen von sich selbst, von ihren Ehepartnern, Kindern, ihren Schulen und Universitäten. Der Ehemann, der nach bekanntwerden des Ergebnisses vor Sorge nicht schlafen konnte (kein Angehöriger einer Minderheit), die Uni-Professorin, die in der Wahlnacht vor Ärger und Verzweiflung einen Herzinfarkt erlitt (auch keine Angehörige einer Minderheit), Mitschüler, die weinten und einfach diejenigen, die sich Sorgen machen, was eine Trump-Regierung alles anrichten kann. So geht es sehr, sehr vielen. Und viele davon demonstrieren auf den Straßen. Auch hier in San Diego – ob in Downtown, im beliebten Balboa-Park oder im hippen Schwulenviertel Hillcrest.

Ihre Sorgen sind berechtigt, denn während die einen demonstrieren, häufen sich verbale und physische Übergriffe auf Minderheiten wie Schwarze, Muslime, Latinos und Homosexuelle.

Donald Trump betonte nach der Wahl, er wolle ein Präsident für alle Amerikaner sein. Man müsse das Land jetzt einen und die Wunden heilen. Am Arsch, Mr Trump! Wer hat denn die Ressentiments gegen Minderheiten so geschürt? Es ist nicht genug, dann zu sagen, ich möchte alle einen. Das Problem ist: Die hartgesottenen Trump-Anhänger fühlen sich jetzt zu ihren Übergriffen legitimiert. „Wir haben ja gewonnen, jetzt geht’s euch Schwarzen, Muslimen und Schwulen an den Kragen.“ Sie fühlen sich im Recht und als Ausführende ihres neuen starken Führers.

Wie reagiert Trump darauf? Auf die Übergriffe angesprochen, sagt er: „Wenn es was nützt, dann werde ich sagen: Hört auf damit.“ Er selbst habe seit seiner Wahl nur ganz wenige rassistische Äußerungen wahrgenommen – nur eine oder zwei. Und gleich darauf redet er lieber über die Proteste gegen ihn. Er findet das „einfach schrecklich“. Er will doch das Land einen.

Tut mir leid, Mr Trump. Ihr angebliches Anliegen, die USA zu einen, kann niemand ernst nehmen. Wer das zum Ziel hat, spaltet die Gesellschaft erst gar nicht. Gegen alles und jeden hat Trump mit markigen Worten Härte angekündigt. Es wäre jetzt die richtige Zeit Härte anzudrohen. Und zwar gegen diejenigen seiner eingefleischten Fans, die Minderheiten drangsalieren, bedrohen und körperlich angreifen.

Ein Präsident für alle könnte den Gedanken nicht ertragen, dass so etwas in seinem Namen passiert. In den letzten Tagen haben wir von vielen Politikern gehört: „Wir müssen Trump eine Chance geben, ihn mal machen lassen und dann urteilen.“ Nein. Das Urteil können wir uns sehr gut jetzt schon bilden. Wie unser Bundeskanzler schon des öfteren betont hat, führt die Gewalt der Worte rasch zur Gewalt der Taten. Donald Trump hat diese Gewalt der Worte gesät und tut sich jetzt schwer, deren Folgen anzuerkennen. So jemand ist auf keinen Fall tragbar und kein Partner.

Die Situation in den USA ist eine Warnung für andere Staaten. Je stärker die minderheitenfeindlichen, rassistischen Parteien wie der Front National, die AfD oder die FPÖ in ganz Europa werden, desto legitimierter fühlen sich auch ihre Anhänger, zu pöbeln, zu drangsalieren und anzugreifen, was ihnen nicht passt.

In zwei Wochen bin ich wieder zurück in Österreich. Nur eine Woche darauf wird unsere Bundespräsidentenwahl stattfinden. Ich mache mir Sorgen, ob Österreich ein freies, liberales Land bleibt.

Die nächste Debatte steht in Österreich an. Deutschland diskutiert seit einigen Tagen über  die Kinderehe. Knapp 1500 Asylsuchende unter 18 Jahren sind in Deutschland als verheiratet registriert. Davon sind 361 unter 14Jahren. Das heißt für Österreich, dass etwa 150 Jugendliche verheiratet sind, 35 von ihnen sind unter 14 Jahren.

Aber wie umgehen mit dieser Tatsache. Wegsehen finde ich nicht gut. Die einen plädieren dafür, Ehen von 16-18 Jährigen auch anzuerkennen, um insbesondere die Ansprüche von Mädchen zu schützen. Die anderen wollen alle Ehen für nichtig erklären lassen. Einig sind sich eigentlich alle, dass die Ehen von unter 14jährigen zu annullieren sind, auch wenn die Ehepartner jetzt schon über 18 Jahre alt sind. Das sieht auch der Entwurf des deutschen Justizministers Heiko Maas so vor. Für 16-18 Jährige sieht der Entwurf allerdings vor, dass die Ehe nicht automatisch für nichtig erklärt wird, um Ansprüche nicht zu verlieren und etwaige Kinder nicht zu benachteiligen.

Beim zweiten Mal freiwillig?

Ein juristischer Eiertanz, allerdings auch eine Frage der Werte. Anerkennen wir, dass Kinder geheiratet haben? Haben sie das freiwillig getan? Würden die Mädchen, aber auch die Jungen zugeben, dass sie unter Zwang geheiratet haben?

Mir scheint der Weg die Ehen für nichtig erklären zu lassen eigentlich der vernünftigste. Das gibt die Chance die Mädchen und Jungen eindringlich darüber aufzuklären, dass weder in Deutschland noch in Österreich jemand zur Ehe gezwungen werden kann. Und auch, dass jeder Mensch mit 18 Jahren selbst über sein Leben bestimmen kann. Und wenn beide mit über 18 Jahren nach Aufklärung über die Werte und Gesetze in Deutschland oder Österreich noch immer miteinander leben wollen, dann können sie jederzeit heiraten. Aber dieses Mal legal in Deutschland oder Österreich und hoffentlich auch aus freien Stücken.

von Manfred W.K. Fischer

Fast alle politischen Parteien drängen in die Mitte. Gar Links will kaum jemand stehen, außer die Linke in Deutschland. Vermeintlich linke Parteien, wie die SPÖ in Österreich oder die SPD in Deutschland positionieren sich allerhöchstens ein wenig links der Mitte. Dies nicht in ihren Grundsatzprogrammen oder bei Parteitagsreden, aber in ihrer realen Politik. Ähnliches gilt für die Wähler. Was ist geschehen?

Wegen Überfüllung geschlossen

Durch das Gedränge in der Mitte fällt es dem Wähler schwer, die Parteien zu unterscheiden. Gewählt werden in der Folge populistische Gruppen und Politiker, die das Blaue vom Himmel versprechen, deren reale Politik jedoch am Wählerinteresse vorbei geht. Die FPÖ etwa, die mit ihrem Abstimmungsverhalten im Nationalrat eine andere Sprache als in den Bierzelten spricht. Oder auch Gruppierungen die ihre Politik nach gewonnen Abstimmungen gar nicht mehr umsetzen wollen. Nigel Farange etwa machte sich nach gewonnener Brexit-Abstimmung in Großbritannien nicht mit Elan daran, den Brexit umzusetzen, sondern suchte das Weite und trat zurück.

Grundwerte als Basis realer Politik fehlen

Viele finden es schlimm, als Linke/Linker bezeichnet zu werden. Warum?

Ein politischer Standpunkt sollte auf grundlegenden Werten aufbauen. Was sind linke Werte? Die Solidarität mit den schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft etwa. Pflegegeld und Mindestsicherung dürfen nicht ausschließlich als Kostenfaktoren gesehen werden, wie dies das rechte politische Spektrum tut. Deren Bezieher sind nicht faule Menschen, die sich in der „sozialen Hängematte“ des Staates ausruhen. Es sind ältere Arbeitssuchende, denen die Wirtschaft keine Chance mehr gibt. Oder Menschen mit unterschiedlichen Krankheiten, die Unterstützung brauchen, um die dadurch entstehenden Kosten abzudecken. Geht aufgrund von Gesetzesänderungen die Zahl der Pflegegeldbezieher zurück, ist das kein politischer Erfolg, sondern ein Armutszeugnis für einen reichen Staat wie Österreich.

Man hat dann nicht unrechtmäßige Bezieher ausgesondert, wie das oft anklingt, sondern hat Bürgern die staatliche Unterstützung in einer schwierigen Situation entzogen. In einer Gesellschaft, deren Durchschnittsalter steigt, sind steigender Pflegebedarf und damit –kosten eigentlich logisch. Dies sei allen rechten „Möchtegern-Realisten“ ins Stammbuch geschrieben, die Empfänger von Sozialleistungen pauschal als Sozialschmarotzer verdächtigen.

Zu den Kosten des Sozialstaates sei gesagt, das einzige Was wir uns nicht leisten können, ist es KEINEN Sozialstaat zu haben, weil wird damit Menschen an Rand der Gesellschaft drängen.

Mittelstand hinters Licht geführt

Wie wären die steigenden Sozialausgaben zu finanzieren? In Österreich fehlen etwa Steuern auf große Vermögen und Erbschaften. Hier wird von der rechten politischen Seite immer argumentiert, man wolle den „Mittelstand“ (Besserverdiener im mittleren Management, Hausbesitzer) nicht abzocken – und dieser Mittelstand glaubt dies dankbar. Doch die kluge Besteuerung von großen Erbschaften und Vermögen würde den Mittelstand gar nicht treffen – dies zeigen Studien. Weil diese Besteuerung fehlt und es derzeit leicht ist sein Vermögen zu anonymisieren, ist die Steuerlast auf die erarbeiteten Einkommen des Mittelstandes so hoch. Dieser zahlt also die Zeche dafür, dass er sich von rechten „Wirtschafts- und Steuerexperten“ verschaukeln läßt. Der Mittelstand schreibt die Schuld aber nicht diesen, sondern fälschlicherweise steigenden Sozialausgaben wie Mindestsicherung, Pflegegeld und Kosten für Asylwerber zu.

Neoliberales Dogma ist falsch

Die soziale Marktwirtschaft ist heute abgemeldet. Fast alles wird dem Wirtschaftlichkeitsdenken neoliberaler Zeitgenossen untergeordnet. Die freie Wirtschaft mit ihrem Gewinnstreben könne alles besser, wenn sie der Staat nicht störe, hört man mantraartig. Diese Meinung bahnte sich seit den 1980er Jahren ihren Weg in den Mainstream. Auch sozialdemokratische Regierungen wie jene von Schröder in Deutschland, Vranitzky und Klima in Österreich oder Blair in Großbritannien sind dieser Fehleinschätzung unterlegen.

Wohin das führt, zeigte die Finanzkrise 2007/2008. Der deregulierte Finanzsektor brach zusammen. Plötzlich war der Staat wieder gefragt, denn dieser musste mit Zuschüssen die ins Trudeln geratenen Banken retten. Die Spekulationsgewinne vor 2007 hatte man individualisiert und dem Staat noch vorgeworfen, dafür zu hohe Steuern und Abgaben zu kassieren. Die Verluste aus der Finanzkrise wurden jedoch sozialisiert und dem kleinen Steuerzahler aufgehalst. Gleich war auch wieder davon die Rede, dass der Staat nun sparen müsse – vornehmlich bei Sozial-, Gesundheits- und  Bildungsausgaben. Also bei Institutionen, die Dienstleistungen und Unterstützungen für den Normalbürger anbieten. Bei denen also, die von den Spekulationsgewinnen nie profitiert haben.

Sparwut verursacht Unzufriedenheit

Die Übernahme der Verluste aus der Finanzkrise wurde von kaum einer politischen Partei thematisiert. Man wollte nicht „Wirtschaftsfeindlichkeit“ unterstellt bekommen. Gleiches galt für die Sparnotwendigkeit. Diese ergriff auch die staatliche Investitionstätigkeit. Keine sozialdemokratische Regierung lehnte sich dagegen auf. Folgen waren/sind die steigende Arbeitslosigkeit, weniger Unterstützung für Bürger in Notsituationen und geringere Löhne. Letzteres senkte die Konsumausgaben, was die Wirtschaftsflaute verstärkte, da der wichtige private Konsum zurück ging.

Populisten erhielten Meinungsführung

Die Folge war eine steigende Unzufriedenheit der Bürger. Diese nützten rechte und populistische Bewegungen aus, die die Regierungen zu Sündenböcken machten. In neuester Zeit kam die Fluchtbewegung aus dem Nahen Osten dazu. Hurra, jetzt hatte man einen Sündenbock, der an allem Schuld war – die Asylwerber, die vor gräßlichen Zuständen in ihren Heimatländern flohen.

Niemand wollte erkennen, dass die dadurch entstandenen Kosten minimal waren im Vergleich zu denen, die die Finanzkrise verursacht hatte. Gierige Banker und neoliberale Wirtschaftsgurus tauchten unter. Kein politisches Lager griff dies auf. Stattdessen begann man, damit auf den Zug des Flüchtlingsbaschings der populistischen Gruppen (FPÖ, AfD) aufzuspringen. Den Wählern werden Asylwerber als Schuldige präsentiert. Parteien wie die ÖVP aber auch die SPÖ erkennen nicht, dass  damit keine Wähler zu gewinnen sind. Dieses Themenspektrum ist besetzt und das Original dieser Denkweise kommt eben besser an als die Kopie, also werden FPÖ und AfD gewählt.

Resümee – Populismus vor Visionen

Linke Werte wie Solidarität, das Eintreten für die Schwächeren in der Gesellschaft, mäßige Regulierung der Wirtschaft und Umverteilung haben keine Abnehmer mehr, meint man links der Mitte. So entfernt man sich von den eigenen Idealen und Visionen der Parteiprogramme. Man klopft lieber die öffentliche Meinung danach ab, was populär ist, anstatt Politik nach den eignen Grundsätzen zu machen und diese dem Wähler nahe zu bringen und populär zu machen.

Dabei wären genau die genannten linken Werte gefragt, denn sie bieten andere Antworten auf die zu lösenden Probleme. Jene, die sich an diese Werte erinnern, verunglimpft man als „Gutmenschen“ und unterstellt ihnen realitätsferne Naivität. Sich selbst hingegen, sehen die Denker rechts der Mitte als „Realisten“, die die Probleme mit Zäunen und anderen untauglichen Mitteln lösen wollen. Das nenne ich „Möchtegern-Realismus“. Dieser hatte für den Flüchtlingsstrom im letzten Jahr keine realen Lösungen, denn die Menschen kamen und mussten versorgt werden. Hier zeigten glücklicherweise die „Gutmenschen“ Realitätssinn, packten an und halfen die anstehenden Probleme zu lösen.

Daher: Keine Angst ein LINKER zu sein und zu Werten wie der Solidarität mit den schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft zu stehen.