Vier Flüchtlinge aus vier Ländern werden an der Universität Salzburg im Rahmen des Projekts „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ über ihr gefährliches Leben berichten. Darunter auch Gerald Manjuo, der von Kamerun nach Salzburg kam und den wir nun näher vorstellen. 

Früher war Gerald Manjuo als Reiseführer auf der gesamten Welt unterwegs. Er arbeitete unter anderem einige Jahre für die Swiss Air, darum spricht der Kameruner auch sehr gut Deutsch. Im Juni dieses Jahres  kam er nach Traiskirchen, seit Juli wohnt er in Salzburg. Er musste flüchten, weil er in seinem Heimatland Kamerun politisch verfolgt wurde.

Der afrikanische Staat war bis zum Ende des 1. Weltkriegs eine deutsche Kolonie. Danach wurde er zwischen den Briten und Franzosen aufgeteilt. Seit 1960 ist Kamerun eine Präsidialrepublik mit einer eigenen Verfassung, dennoch besteht noch immer eine große soziale Kluft zwischen den beiden Territorien. Gerald Manjuo kommt aus dem ehemals britisch besetzten Teil Kameruns, genauer gesagt aus der Zwei-Millionen-Metropole Douala, das im Südwesten an den Atlantik grenzt.

„Kamerun ist geprägt von Korruption, und es gibt ständig Menschenrechtsverletzungen. Der Westen des Landes steuert vor allem durch die Öl-Vorkommen einen Großteil für das wirtschaftliche Vorankommen bei, dennoch werden wir noch immer unterdrückt“,  erklärt der 43-Jährige.

Also habe er sich mit anderen Gleichgesinnten zusammengeschlossen, um gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Bei einem Treffen der 53 Staaten des Commonwealth hatte er die Möglichkeit, seine Anliegen den ausländischen Politikern zu schildern. „Ich war danach drei Wochen im Gefängnis, konnte mit niemandem sprechen.“ Sie hatten ihm während dieser Zeit auch gedroht, dass er bei einem weiteren Verstoß die Todesstrafe bekommen würde.

Dennoch ließen sich Gerald Manjuo und seine Mitstreiter nicht mundtot machen. „Wir haben eine Gruppe gegründet und versucht, vor allem über die Medien auf die Missstände aufmerksam zu machen.“ Nach einem Bombenanschlag auf ein Studentenheim wurde seine Gruppe als Drahtzieher des Attentats beschuldigt, obwohl es keinerlei Beweise gab. „Das war für die Regierung eine gute Chance, uns loszuwerden.“ Manjuo musste sich daraufhin verstecken, durch gute Kontakte gelang ihm schließlich per Flugzeug die Flucht. Zuerst in die Türkei und dann nach Österreich.

Nun versucht er, den Dialog mit Politikern in ganz Europa zu suchen. „Europa hat an unserer Misere großen Anteil und muss uns endlich helfen“, sagt er. Er hofft, dass der jetzige Präsident in Kamerun, Paul Biya, der bereits seit  1982 im Amt ist, bald Geschichte sein wird. „Er ist  82 Jahre alt. Ich sehne mich nach einem Ende seiner Herrschaft“, sagt Gerald Manjuo, der hofft, in ein paar Jahren zu seiner Familie nach Kamerun zurückkehren zu können.

Informationen zum Projekt: „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ wurde vom Friedensbüro und dem Verein Intersol ins Leben gerufen. Vier Flüchtlinge erzählen in der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät über ihr Leben auf der Flucht. Die Termine der moderierten Gespräche sind am 28. Oktober, 11. November, 25. November und 9. Dezember ab jeweils 17.30 Uhr im Hörsaal 381.

Ungarn zieht weiter Grenzzäune hoch. Die rechtspopulistische Orban-Regierung will das Land abschotten und bekämpft Flüchtlinge entgegen der Genfer Konvention mit Polizeigewalt. Der junge EU-Mitgliedsstaat nimmt es mit den gemeinsamen europäischen Werten nicht so eng. Sicherheit ist in diesen Tagen wieder ein viel geflügeltes Wort, auch im heimischen Wahlkampf. Das österreichische Innenministerium sieht angesichts des Flüchtlingsstroms eine „Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die massive Bindung des Polizeipersonals“. Tatsächlich ist die Präsenz von Exekutivbeamten auf Bahnhöfen, in Zügen oder an Grenzen enorm und manchmal schon beinah unheimlich. Die Kontrollen betreffen freilich jene Personen, die versuchen auf „illegalem Weg“ nach Österreich zu gelangen. Wer mit der Bahn von Salzburg nach Innsbruck reist, muss sich dennoch einer Gesichtskontrolle stellen. Wachsame Beamtenaugen verfolgen die Fahrgäste schon auf dem Weg zum Bahnsteig, die Kameras zeichnen ohnehin jede Bewegung auf. Im noch stehenden Zug gilt dann das Vier-Augen-Prinzip. Aber egal. Man nimmt die Überwachung durch den Staat in Kauf, lehnt sich zurück und trinkt seinen Frühstücks-Cappuccino, während sich der Railjet sanft in Gang setzt. Man fühlt sich gut aufgehoben, fast schon sicher. Keine Flüchtlingsfamilie überrascht einem auf der Zugtoilette. Gut, dass die alle nach Deutschland fahren oder doch nicht, weil dorthin ja gar keine Züge mehr gehen. Na ja, dann nehmen sie halt einen anderen Weg. Vielleicht über die Autobahn, aber dort ist ja auch bei der Grenze, die eigentlich keine sein sollte, Schluss. Dafür dürfen sich Frau und Herr Österreicher sicherer fühlen. Doch wer sind denn eigentlich Frau und Herr Österreicher? Da wird es dann schwierig. Obwohl, eigentlich ist die Losung ganz einfach. So einfach wie ein Wahlkampfslogan der FPÖ: „Sicherheit für unsere Bürger“.

Nein, ich möchte kein Bürger der FPÖ sein. Eigentlich von keiner Partei oder Regierung. Schon gar nicht dann, wenn diese die Freiheit mit einem Grenzzaun beschneiden will, mehr Polizei fordert und obendrein eine Sicherheitswache.

Aber Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner hat ohnehin seine eigene Definition von Sicherheit. Er meint laut Standard-Interview zu wissen, dass „Viele Leute, die jetzt zu uns wollen“, aus der Sicherheit kämen. Welche Sicherheit er damit meint, bleibt Haimbuchner schuldig. Aber es ist gut zu wissen, dass sie eher verhungern könnten als durch eine Fassbombe getroffen zu werden. Na dann kann es ja nicht so schlimm sein. Und bei aller Tragik dürfe man die Vernunft nicht ausblenden. Ansonsten könne unsere Gesellschaft kippen. Bitte wie?

Wer legt denn immer wieder ein Züngelchen auf die Waage? Wer verhindert die Integration in eine Gesellschaft? Wer nährt den Boden von Neid und Missgunst? Wer schützt eine Gesellschaft vor Politikern, die Menschen gegeneinander aufbringen? Die Feindbilder proklamieren, welche Jahrhunderte alt sind und aus dem Osten kommende Zuwanderer kriminalisieren? Wer kontrolliert Medien, die mit diskriminierenden Zuschreibungen ein vorurteilbeladenes Menschenbild zeichnen?

Fragen, die kein Grenzzaun lösen kann. Aber wenn Vernunft mehr Sicherheit im Sinne von mehr Staatsgewalt bedeutet, nein danke schönes freies Österreich!

Heute war Gemeinderatssitzung mit dem Schwerpunkt Salzburg – für Menschen und mit Menschen mit Behinderung.

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Blind in den Gemeinderatssaal finden

Das habe ich zum Anlass genommen meine erste Rede in leichter Sprache zu halten. Barrierefreiheit gilt nicht nur für Bauwerke sondern auch in der Kommunikation.

Aber vor der Rede hieß es noch in den Gemeinderatssitzungssaal zu kommen. Entweder mit dem Rollstuhl oder mit Dunkelbrille und Stock als blinder Mensch. Ich habe mich für zweiteres entschieden. Eins weiß ich jetzt, jedes Ministüfchen, jede Ecke, jede Kante, jede Türschwelle ist hochriskant. Wer das probieren möchte, sollte sich an die Verantwortlichen vom Projekt „Aus anderer Sicht“ wenden.

Aber nun zu meiner Rede:

„Hoher Gemeinderat!

Ich möchte heute versuchen meine Rede in leichter Sprache zu machen. Die leichte Sprache ist Teil der Barrierefreiheit. Leichte Sprache hilft, dass alle verstehen können. Das brauchen Menschen mit Lernschwierigkeiten oder auch Analphabetinnen. Ihre Vertreter sind in Salzburg Erich Gierlek und Maco Buchinger.

Einige Regeln für leichte Sprache sind zum Beispiel:

  • Verwende nur kurze Sätze
  • Jeder Satz enthält nur eine Aussage.
  • Keine Passivsätze.
  • Im Interesse der Verständlichkeit besteht ein Satz aus den Gliedern Subjekt, Verb und Objekt.
  • Den Konjunktiv vermeiden.
  • Den Genetiv durch präpositionale Fügungen ersetzen.

Ich versuche es jetzt:

Vor einem Jahr haben die Parteien SPÖ, ÖVP, Bürger-Liste, Neos und FPÖ einen Vertrag gemacht.

In dem Vertrag steht: Wir wollen die nächsten 5 Jahre besonders für Menschen mit Behinderung arbeiten.

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Dank Peter Weiser gut angekommen!

Aber genauso wichtig ist unsere Arbeit mit Menschen mit Behinderung.

Dafür gibt es in der Stadt Salzburg den Behinderten-Beirat.

Viele Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten mit.

In den letzten 18 Jahren ist viel passiert.

Viele Gebäude sind jetzt barrierefrei

Zum Beispiel das Rathaus hier.

Das war eine schwierige Aufgabe.

Das Rathaus ist alt und geschützt.

Aber die Stadt hat es geschafft.

Es gibt einen Lift und ein WC für Menschen mit Behinderung.

Auch das Projekt „Mit anderer Sicht“ hat der Behinderten-Beirat gemacht.

Wir konnten heut im Rollstuhl und als Blinde in den Gemeinderats-Saal kommen.

Das war das Projekt mit anderer Sicht.

So erfahren wir wie schwierig es oft ist mit einer Behinderung zu leben.

Für Menschen mit Behinderung gibt es auch Taxi-Gutscheine.

Die Stadt Salzburg zahlt dafür viel Geld.

Das hilft vielen.

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Der Garten ist barrierefrei, viele Gasthäuser sind es nicht!

Es gibt auch oft Baustellen in der Stadt Salzburg.

Für Menschen mit Behinderung ist das schwierig.

Darum machen wir auch Baustellen barrierefrei.

Ich selbst habe viel von Menschen mit Behinderung gelernt.

Und wir müssen noch viel tun.

Ein Freund von mir sitzt im Rolli.

Es ist schwierig in Salzburg gemeinsam essen zu gehen.

Es gibt nur wenige Gast-Häuser für Rollstuhl-Fahrer.

Da müssen wir mehr tun.

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Gabi Pöhacker und ihre Nachfolgerin Barbara Schubert

Im letzten Behinderten-Beirat haben wir Gabi Pöhacker verabschiedet.

Sie geht in Pension.

Sie hat sich an die vielen Jahre im Behinderten-Beirat erinnert.

Gabi hat gesagt: Wir haben vieles geschafft in den 18 Jahren.

Das vergessen wir manchmal im Alltag.

Aber wir dürfen nicht aufhören.

Wir haben viel geschafft und wir werden gemeinsam noch viel schaffen.

Danke an alle für die gute Zusammen-Arbeit!“

Ich weiß, dass diese Rede nicht zu 100 Prozent in leichter Sprache ist. Da gibt es sicher noch einiges zu verbessern. Und ich sage euch, es ist gar nicht so leicht, etwas einfacher auszudrücken. Aber es war wert, es probiert zu haben und ich möchte alle ermuntern es selbst zu versuchen!

12025556_10204492936795197_177902676_n[1]Erwachsene Menschen sind gereifte Persönlichkeiten, meistens jedenfalls. Kinder sind am Lernen, am Erfahrungen sammeln. Kinder sollen noch nicht alles wissen. Kinder sollen auch nicht alles sehen, hören und fühlen. Kinder sollen kindgerecht aufwachsen können. Das ist ein Kindermenschenrecht!

Kinder, die aus dem Krieg kommen, die Flucht erleben sind völlig außerhalb einer normalen Welt, in der ein Kind aufwachsen soll. Angst, Ohnmacht, Ausgeliefertsein, Gewalt, Hunger sind Begleiter der Flucht.

Kinder auf der Flucht müssen erwachsen sein. Sie müssen Gewalt ertragen, Hunger aushalten, Krankheit durchstehen, Angst ertragen, kindliche Bedürfnisse unterdrücken. Sie müssen die Angst ihrer Eltern ignorieren lernen. Kinder auf der Flucht müssen unendlich stark sein.

12022971_10204492937155206_1437836258_n[1]Die Kinder, die ich in den letzten Tagen am Salzburger Bahnhof gesehen habe, waren alle erwachsen. Sie hatten einen wissenden Blick. Das trifft einen tief ins Herz.

Wenn sie allerdings spielen dürfen, dann sind sie wieder ganz Kind. Lächelnd, kreischend, staunend, neugierig, offen, wissbegierig, probierend. Sie sind ganz Kind. Zumindest für eine Stunde, bevor es wieder weiter geht. Bevor sie wieder Kinder auf der Flucht sind.

An dieser Stelle DANKE an die Kinderfreunde, die Pfadfinder und den Verein Spektrum, die den Kindern am Salzburger Bahnhof eine Stunde Kindsein schenken!

Hunderte Menschen zwischen Wien, Salzburg und München haben in den vergangen Tagen Solidarität bewiesen. Sie haben einfach und unbürokratisch geholfen. Der Flüchtlingsstrom nach Europa wird aber auch in den kommenden Monaten nicht abreißen. Menschen auf überfüllten Schlauchbooten werden weiterhin versuchen die griechische Küste anzusteuern, ob auf Lesbos oder Kos. Sie werden trotz Stacheldraht ungarischen Boden betreten und in Kühltransportern ihr Leben riskieren. In Syrien herrscht Bürgerkrieg, der Islamische Staat ist auf dem Vormarsch. Im Sudan tobt ein ethnischer Konflikt. Das an Bodenschätzen reiche Land ist gleichzeitig das weltweit am höchsten verschuldete. Die Nachbarländer dieser Staaten sind überfordert. Allein zwei Millionen Flüchtlinge hat die Türkei aufgenommen. Das Limit ist überschritten. 30.000 Flüchtlinge auf den griechischen Inseln stellen die dortigen Behörden täglich vor Herausforderungen, die mitunter in Ausschreitungen münden. Während ein Teil Europas diese Menschen versorgt und aufnimmt, verschließt sich der andere Teil vor der Realität, will nicht damit konfrontiert werden und zieht Zäune hoch. Laut dem Bericht eines Rechercheteams hat Europa seit dem Jahr 2000 knapp 13 Milliarden Euro ausgegeben, um Menschen davon abzuhalten den Kontinent zu betreten. Schlepper sollen dafür 15 Milliarden von Flüchtlingen eingenommen haben, um diese auf illegale Weise über die Grenze zu bringen.

Dennoch ist das humanitäre Gesicht Europas verglichen zu den klassischen Einwanderungsländern wie den USA, Kanada, Australien oder gar Neuseeland vorbildhaft. In dem Inselstaat kommen auf tausend Einwohner 0,3 Flüchtlinge und auch die USA setzen mit wirtschaftlich gesteuerten Migrationsprogrammen auf eine rigide Einwanderungspolitik, während ein 1125 Kilometer langer, mit Drohnen überwachter Grenzzaun zu Mexiko vergeblich versucht die jährlich 350.000 Einwanderer aus Lateinamerika abzuhalten. Im Vergleich zu manch asiatischen Ländern, deren Volkswirtschaften in den vergangenen Jahrzehnten rapide Zuwächse verzeichnen konnten, sind diese Abschreckungsmaßnahmen aber noch harmlos. So wies das wirtschaftlich starke und an Rohstoffen reiche Malaysia zuletzt Hunderte Bootsflüchtlinge aus Myanmar zurück und schickte diese aufs offene Meer hinaus.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker präsentierte indes am Mittwoch seinen Plan für die Verteilung von 160.000 Schutzsuchenden auf alle EU-Staaten. Ein engagiertes Vorhaben, allerdings nur ein kleiner Mosaikstein in der Frage, wie Europa und vor allem die gesamte westliche Welt künftig mit Menschen auf der Flucht umgehen wird? Die Schaffung legaler Fluchtwege ist eine mögliche Strategie, doch sollten diese nicht an der französischen Atlantikküste enden. Mit einer Einwanderungspolitik wie in Neuseeland, die Massen-Ankünfte, so genannte „mass arrivals“, bereits ab 30 Asylwerber gesetzlich auf die Weise regelt, dass die Menschen für bis zu ein halbes Jahr weggesperrt werden können, wird die Welt nicht voran kommen – weder politisch noch moralisch. Die Europäische Staatengemeinschaft muss in der Flüchtlingsfrage zusammenrücken. Nur so können grenzüberschreitende Lösungen gefunden werden, die rechtspopulistischen Parteien die Argumentationsgrundlage nehmen und der restlichen Staatenwelt als Vorbild dienen können.

Mit elektrischem Rollstuhl ist jede Obusfahrt eine Herausforderung. Daher versuche ich es zu vermeiden. Doch heute war es wieder so weit, mir war nach Abenteuer!

Als Obusnutzerin mit Erfahrung wusste ich, dass das heute möglich ist, weil es erstens nicht regnete und zweitens kein einzuhaltender Termin meine pünktliche Ankunft erforderte, sondern ein lockeres Treffen, wo ein Zuspätkommen keine gröbere Rolle spielt. Ich plante also vom Mirabellplatz bis zu meinem Ziel in Salzburg Süd mit dem Obus zu fahren. Eine Linie und somit ohne Umsteigen.

Ich rechnete zwar ohnehin damit, hatte dann aber doch ein leises Grummeln im Bauch, als der erste Bus der Linie 3 ohne Rampe und sogar einer der ganz alten Generation vorfuhr. So einer, der beim Einstieg Stufen hat und sich das Geländer in der Mitte befindet. In diesem Fall auch für Kinderwägen nicht wirklich nutzbar, von Rollstühlen und Rollatoren ganz zu schweigen.  Der zweite Bus, zehn Minuten später, war schon neuerer Bauart, aber ohne ausklappbare Rampe. Wie soll ein 180 kg schwerer Rollstuhl den Spalt zwischen Gehsteig und Obus überwinden? Flügel als Zusatzausstattung werden nicht bezahlt. So schickte ich meine Assistentin zum Fahrer, mit der Bitte in der Leitzentrale nachzufragen, ob denn der nächste eine Rampe hat. Der Fahrer meinte spontan, dass auf der Linie 3 „nie mehr Rampenbusse“ fahren. Auf das etwas verdutzte Gesicht meiner Assistentin rief er dann doch an und gab zur Auskunft, dass wir Glück (!) haben, der nächste hat eine.

Wieder zehn Minuten später kam dann die ersehnte Transportmöglichkeit … und kaum zu glauben erst der dritte und schon MIT Rampe! Juhuuu!

Der Fahrer dieses Busses gab auf die Bitte die Rampe auszuklappen zur Antwort „ja, ich bin ja ohnehin schon zu spät“. Kurz zog das Wort „Beleidigung“ durch mein Gehirn. Ich wollte über die Bedeutung dieser Aussage aber nicht intensiver nachdenken, also ignorierte ich sie.

Er kam mit dem Eisenhaken den er zum Ausklappen der Rampe benötigt (Anm.: dieser Obusfahrer war ein ganz pfiffiger, da ich ihm nicht sagen musste, wo genau er diesen Haken findet), ich stand schon einfahrbereit, er zog die Rampe mit dem Haken aus dem Bus hoch und …. ließ sie aus dem Scheitelpunkt mit einem lauten Knall außen auf den Boden donnern. Ich stand in einer meterhohen Staubwolke und konnte nur noch schnell die Augen zumachen.CAM00173[1]

Als ich sie wieder öffnen konnte, erblickte ich auf dem für Rollstühle angedachten Platz zwei Kinderwägen und drei Personen mit je einem großen Reisekoffer. Etwas ratlos blickte ich in den Bus und genauso ratlos und auch etwas mitleidig und gelangweilt blickten die im Bus stehenden oder hinter den Fensterscheiben sitzenden Fahrgäste aus dem Bus heraus.

Der Fahrer sagte (wiederum unerwartet), dass sie aussteigen und hinten einsteigen sollen. Menschen und Koffer folgten der Aufforderung, die Kinderwägen blieben stehen. Freundlicherweise wurde mir so viel Platz gemacht, dass ich gerade noch reinpasste – im Einparken bin ich Meisterin meines Fachs! Vor mir das Schild mit dem Rollstuhlzeichen und daneben das mit dem Hund mit Beißkorb ……  Sollte ich darüber nachdenken? Nein, heute nicht!

In meinem Rücken hörte ich das Einklappen der Rampe mit einem Knall. Ich freute mich richtig, dass ich diesmal die Augen nicht schließen musste, da nun meine Rückseite gleichmäßig bestaubt wurde und auch andere Fahrgäste in den Genuss der kostenlosen Staubwolke kamen – so haben mehrere was zum gleichen Preis.

Die Unruhe im Obus legte sich langsam und alle begannen wieder vor sich hinzustarren. Beim Aussteigen war dann nur noch ein einziges Knallen und eine einzige weitere Staubwolke zu überstehen und mit Schwung verließ ich die Busstation fluchtartig. Gestärkt für die nächsten Unbilden des Lebens erreichte ich also nach 45 Minuten meinen Zielort. Das Ziel des Abenteuers zeigte sich durch meinen angestiegenen Adrenalinspiegel ebenso als erreicht.

Ich fahre sicherlich bald wieder mit dem Obus. So viel Abenteuer ist kaum sonst wo für so wenig Geld zu bekommen.

Wenn ein weiteres Abenteuer meine Lebenslinie ziert, werde ich euch wieder berichten. Bis dahin – one life, live it! :)