Alle reden jetzt über Köln. Und das ist gut so. Busengrapschen und Potatschen und mehr. Das war vor 25 Jahren als ich im Gastgewerbe gearbeitet habe für viele Frauen Normalität. Ich hatte damals schon einen Chef, der jeden Gast, der übergriffig wurde, vor die Tür gesetzt hat. Keine Selbstverständlichkeit damals. Das wurde oft  als Lappalie abgetan. Es war ein langer Weg auch für die Frauenbewegung das klarzustellen. Hieß es doch oft, dass es einfach ein Emanzen- und FeministInnengejammere sei. Und ich erinnere mich noch gut vor etwa 15 Jahren. Da gab es in unserem Jugendzentrum ein großes Problem. Daneben war ein Beisl. Und die Stammgäste, die schon am Vormittag ins Bierglas geschaut haben, haben unsere Mädchen angemacht, ihnen Geld angeboten, wenn sie mal kurz mitkämen. Das haben die natürlich entrüstet abgelehnt und die Betreuer informiert. Die haben wiederum mit den Gästen geredet. Was denkt ihr haben die gesagt? „Die sollen sich nicht so haben. Wenn sie schon die Nägel lackieren und einen Minirock tragen, dann müssten sie damit rechnen.“

Ekelhaft.

Aber bis heute oft noch ein Argument, wenn eine Frau sich über sexuelle Belästigung beschwert. Und jetzt Köln. Offensichtlich gingen die kriminellen Handlungen von Männern mit Migrationshintergrund aus. Und alle sind sich einig, das geht gar nicht! Genau, das geht gar nicht! Und wenn Köln wieder aus der medialen Aufmerksamkeit draußen ist möchte nie wieder etwas davon hören, dass sexuelle Belästigung ein Emanzengejammere ist. Wenn so etwas vorfällt, in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz oder beim Nachbarn und der Täter ein Mann mit oder ohne Migrationshintergrund ist. Dann soll das einhellig verurteilt werden von allen, so wie jetzt. Das wünsche ich mir!

Ein zauberhaftes Lächeln für Helfer und Gestrandete. Kurzbericht und Video über das Projekt VerschenkeZEIT.

aaa2Da sitzt sie die alte Frau. An einem Tisch, der in einem Eck steht mit Fenstern, durch die Gardinen hindurch kann man auf den Garten sehen. Das ist der alten Frau egal, es interessiert sie nicht. Denn in der Hand hat sie eine Puppe mit schönen braunen Haaren. Immer wieder streicht sie ihr übers Gesicht, fährt ihr in die Haare und lächelt selig dabei. „Sie dürfen ihr die Puppe nicht wegnehmen, dann fängt sie zu weinen an.“, sagt mir die Mitarbeiterin des Seniorenheims, in dem ich einen halben verbringe, um die Arbeit hier kennenzulernen. „Sie ist dement, sie lebt in ihrer Welt, und da soll sie glücklich sein.“, meint sie noch.

Demenz ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Manchmal merkt man sie gar nicht, der Mensch scheint noch ganz „normal“, bei anderen ist es offensichtlich, wenn sie mit Bademantel an der Bushaltestelle stehen. Demenz verstört uns, weil sie nicht heilbar ist. Eine psychische Erkrankung, die nicht wegtherapiert oder mit Tabletten zum Verschwinden gebracht werden kann. Die Demenz bleibt und vieles geht. Vom Menschen, den man kennt. Manche ändern ihre Verhaltensweisen, manche vergessen, wer die eigenen Kinder sind. Andere suchen immer wieder einen Ort der Kindheit oder Jugend auf.

Demenz ist trotz populärer Kinofilme wie „Honig im Kopf“ oder prominenter Betroffener wie Gerd Müller noch immer ein Tabu. Aber was macht die Demenz so anders? Wir leben in Normen und Regeln und Demenzkranke leben sehr oft nur mehr nach ihren Bedürfnissen. Sie wollen essen, wenn sie Hunger haben und nicht wenn Essenszeit ist. Sie kennen die engsten Vertrauten oft nicht mehr. Und dann kommt jemand in ihr Zimmer, will sie ausziehen und duschen! Da muss man sich wehren. Und warum soll man nicht im Bademantel auf die Straße gehen, wenn es warm genug ist?

Das Tabu um die Demenz zu brechen ist eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit. Es betrifft nicht nur die Erkrankten selbst, sondern die ganze Familie, den Freundeskreis, die Nachbarn, die Apothekerin, die Ärztin, die Supermarktkassiererin, den Polizisten und die Busfahrerin. Wir alle sind betroffen und sollten sensibel sein im Umgang mit Demenzkranken, sie nicht in Demenzdörfern und Demenzstationen wegsperren. Denn mit ihren Gefühlen werden sie nicht dement.

aaa3Darum soll die Stadt Salzburg „demenzfreundliche Stadt“ werden. Damit wir mit den tausenden Menschen, die betroffen sind wertschätzend und respektvoll umgehen. Und dort Hilfe und Unterstützung bieten, wo sie benötigt wird.

Damit die alte Frau weiter viele glückliche Momente mit ihrer braunhaarigen Puppe hat. Über die wir nicht lachen, sondern die wir ihr vergönnen und uns freuen, dass es ihr gut geht.

„Weil es 2015 ist.“ Das sagt der frisch gewählte kanadische Premierminister Justin Trudeau auf die Frage, warum in seinem Kabinett tatsächlich halbe halbe Männer und Frauen mitregieren.
Wenn es doch so einfach wäre! Ja es ist 2015, aber in unsren Systemen und Köpfen sind wir noch tief im 20. Jahrhundert. Noch immer herrscht fast Panik vor der Quote zum Beispiel in Aufsichtsräten. In der Politik sind wir weit weg von halbe halbe. Und im alltäglichen Leben ist die Rollenteilung noch in vielen Fällen so wie zu Zeiten meiner Mutter. Wenn ich an Freundinnen von mir denke, die trotz Kinder bald mal wieder arbeiten gegangen sind, dann fallen mir folgende Sätze ein, die sie gehört haben und noch hören: „Du musst wohl arbeiten gehen!“, „Also meine Frau ist gerne bei den Kindern zu Hause!“, Also ich könnte mein Kind ja nicht in die Krabbelstube geben.“

Eh, muss ja niemand sein Kind zwangsweise in die Krabbelstube geben, aber Rabenmutter ist man deswegen auch nicht.

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„Weil es 2015 ist.“ Nicht in Österreich. In der Bundesregierung und im Parlament ein Drittel Frauen. Wir sehen mal großzügig über die 100% Krawattenregierung in meinem Geburtsbundesland hinweg, echt altmodisch, wenn man sich das Bild anschaut, naja zumindest die Krawatten sind ein bisserl bunt.

Und in den Aufsichtsräten der 200 wichtigsten österreichischen Unternehmen schaut es auch sehr düster aus. Nicht ganz 15% Frauenanteil. Und immer noch das große Sträuben gegen die Quote. Weil so eine Quotenfrau ist ja niemals qualifiziert, nie niemals, die ist immer nur Quote. Genau, weil alle Männer immer völlig qualifiziert sind und nie eine Gruppe vertreten (Bauern, Ärzte, Banker, Arbeitnehmer, usw.), sondern wirklich nur wegen der persönlichen Eignung und Fachkenntnisse in einem Gremium sitzen. Immer.

Und eigentlich langweilt mich diese Diskussion schon sehr, die ganze Energie, die immer aufgebracht wird Argumente zu finden, warum das alles nicht geht.

Da ist es doch herzerfrischend und ganz 21. Jahrhundert, wenn ein selbstbewusster Premierminister nicht mehr Worte braucht als: „Weil es 2015 ist.“

 

Und eine ganz andere Geschichte ist die selbstverständliche Vielfalt in der kanadischen Regierung abgesehen von der Geschlechtlichkeit – auch völlig cool und ganz 2015!

Bildnachweis Trudeau: „Justin Trudeau 2014-1“ by Alex Guibord – Flickr. Licensed under CC BY 2.0 via Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Justin_Trudeau_2014-1.jpg#/media/File:Justin_Trudeau_2014-1.jpg

Bildnachweis Regierung OÖ: Denise Stinglmayr, Land OÖ, https://www.land-oberoesterreich.gv.at/12160.htm

 

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Spiegel Special 1/2004

Am Wochenende habe ich in einem alten Spiegel-Spezial Heft über den Ersten Weltkrieg geblättert. Was ich vor Jahren nicht gelesen habe, springt mir beim Durchblättern jetzt sofort ins Auge, ob der aktuellen Diskussion: Ein Artikel über einen Elektrozaun, den die deutsche Besatzung 1915 zwischen Belgien und der Niederlande baute.

Und heute 100 Jahre nach dem Elektrozaun dort und 26 Jahre nach dem Mauerfall in Deutschland diskutieren wir wieder über Zäune und Mauern. Wohl wissend, dass ein Zaun noch nie Menschen davon abgehalten hat, diesen zu überwinden. Das Gleiche gilt für Mauern.

Am belgisch-niederländischen Grenzzaun starben zwischen 1915 und 1918 etwa 2000 Menschen. Über 20.000 konnten den Zaun überwinden. Mit Hilfsmitteln wie Porzellanteller an den Händen und Beinen, da Porzellan den Strom nicht leitete. Andere klemmten Fässer zwischen die Drähte und krabbelten durch. Und nicht wenige bestachen ganz einfach die Wachen, damit sie den Strom abschalteten.

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Spiegel Special 1/2004

An der Berliner Mauer starben 138 Menschen und über 75.000 gelang die Flucht aus der DDR.

Übrigens die USA haben schon länger einen Zaun an der Grenze zu Mexiko, über 700 Meilen lang. Deswegen kommen aber die Mexikaner immer noch illegal in die USA. Die Israelische Regierung hat 2002 mit einem Grenzbefestigungsbau zum Westjordanland begonnen und trotzdem kommen und gehen Menschen, zum Frieden dort hat das auch nicht beigetragen.

Die Europäische Union betreibt schon seit Jahren den mittlerweile 6 Meter hohen Zaun in Ceuta, an der Grenze zu Marokko und immer noch klettern die Menschen drüber.

Und jetzt denken wir wieder über Zäune und Mauern nach. Mir scheint der Mensch lernt nicht dazu oder soll ich es mit Kreisky sagen: „Lernen Sie Geschichte!“

Vier Flüchtlinge aus vier Ländern werden an der Universität Salzburg im Rahmen des Projekts „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ über ihr gefährliches Leben berichten. Darunter auch Gerald Manjuo, der von Kamerun nach Salzburg kam und den wir nun näher vorstellen. 

Früher war Gerald Manjuo als Reiseführer auf der gesamten Welt unterwegs. Er arbeitete unter anderem einige Jahre für die Swiss Air, darum spricht der Kameruner auch sehr gut Deutsch. Im Juni dieses Jahres  kam er nach Traiskirchen, seit Juli wohnt er in Salzburg. Er musste flüchten, weil er in seinem Heimatland Kamerun politisch verfolgt wurde.

Der afrikanische Staat war bis zum Ende des 1. Weltkriegs eine deutsche Kolonie. Danach wurde er zwischen den Briten und Franzosen aufgeteilt. Seit 1960 ist Kamerun eine Präsidialrepublik mit einer eigenen Verfassung, dennoch besteht noch immer eine große soziale Kluft zwischen den beiden Territorien. Gerald Manjuo kommt aus dem ehemals britisch besetzten Teil Kameruns, genauer gesagt aus der Zwei-Millionen-Metropole Douala, das im Südwesten an den Atlantik grenzt.

„Kamerun ist geprägt von Korruption, und es gibt ständig Menschenrechtsverletzungen. Der Westen des Landes steuert vor allem durch die Öl-Vorkommen einen Großteil für das wirtschaftliche Vorankommen bei, dennoch werden wir noch immer unterdrückt“,  erklärt der 43-Jährige.

Also habe er sich mit anderen Gleichgesinnten zusammengeschlossen, um gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Bei einem Treffen der 53 Staaten des Commonwealth hatte er die Möglichkeit, seine Anliegen den ausländischen Politikern zu schildern. „Ich war danach drei Wochen im Gefängnis, konnte mit niemandem sprechen.“ Sie hatten ihm während dieser Zeit auch gedroht, dass er bei einem weiteren Verstoß die Todesstrafe bekommen würde.

Dennoch ließen sich Gerald Manjuo und seine Mitstreiter nicht mundtot machen. „Wir haben eine Gruppe gegründet und versucht, vor allem über die Medien auf die Missstände aufmerksam zu machen.“ Nach einem Bombenanschlag auf ein Studentenheim wurde seine Gruppe als Drahtzieher des Attentats beschuldigt, obwohl es keinerlei Beweise gab. „Das war für die Regierung eine gute Chance, uns loszuwerden.“ Manjuo musste sich daraufhin verstecken, durch gute Kontakte gelang ihm schließlich per Flugzeug die Flucht. Zuerst in die Türkei und dann nach Österreich.

Nun versucht er, den Dialog mit Politikern in ganz Europa zu suchen. „Europa hat an unserer Misere großen Anteil und muss uns endlich helfen“, sagt er. Er hofft, dass der jetzige Präsident in Kamerun, Paul Biya, der bereits seit  1982 im Amt ist, bald Geschichte sein wird. „Er ist  82 Jahre alt. Ich sehne mich nach einem Ende seiner Herrschaft“, sagt Gerald Manjuo, der hofft, in ein paar Jahren zu seiner Familie nach Kamerun zurückkehren zu können.

Informationen zum Projekt: „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ wurde vom Friedensbüro und dem Verein Intersol ins Leben gerufen. Vier Flüchtlinge erzählen in der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät über ihr Leben auf der Flucht. Die Termine der moderierten Gespräche sind am 28. Oktober, 11. November, 25. November und 9. Dezember ab jeweils 17.30 Uhr im Hörsaal 381.