Bettelverbote gefährden die Grundrechte.
Ein Beitrag unseres Gastautors: Josef P. Mautner
Das Salzburger Landessicherheitsgesetz spricht im § 29 ein absolutes Bettelverbot aus.
Dieses Salzburger Bettelverbot ist – wie die bestehenden Bettelverbote in anderen Bundesländern – beim Verfassungsgerichtshof (Vfgh.) beeinsprucht worden, und der Vfgh. befasst sich in dieser Frühjahrssession mit den grundrechtlichen Fragen und Problemstellungen, die diese unterschiedlich formulierten Verbote aufwerfen.
Abgesehen von diversen ethischen Fragestellungen muss zunächst im Voraus festgestellt werden, dass ein Bettelverbot kein angemessenes Instrument der Armutsbekämpfung sein kann, im Gegenteil: Armut wird kriminalisiert und eine Gruppe von extrem armutsbetroffenen Menschen zu VerwaltungsstraftäterInnen gemacht. Von prinzipieller Bedeutung für die Diskussion der grundrechtlichen Legitimität bzw. Illegitimität von Bettelverboten sind deshalb die sozialen Grundrechte wie sie etwa in Artikel 23 und 25 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (1948) festgelegt sind. Der Schutz vor Arbeitslosigkeit sowie das Recht auf angemessenen Lebensstandard in Art. 23 und 25 betreffen die Ursachen des Bettelns. Diese sind in den jeweiligen Lebensumständen der Betroffenen zu suchen, nicht in sog. „kriminellen Machenschaften“. Die in Art. 23 und 25 der AEMR formulierten Prinzipien verdeutlichen, dass erst die massive Verletzung von sozialen Grundrechten die Ursachen und Voraussetzungen schafft, die Menschen zum Betteln bzw. zu Bettelmigration zwingen.
In der Stadt Salzburg betteln im Übrigen nicht nur MigrantInnen aus osteuropäischen Ländern, sondern auch InländerInnen, die teilweise von Haus zu Haus gehen, und vielfach sehen sich auch AsylwerberInnen, die mit der Grundversorgung nicht das Auslangen finden, zum Betteln gezwungen. Eine Verletzung sozialer Grundrechte (evtl. in anderen Staaten der EU) bzw. ein Versagen von lokaler Sozialpolitik kann nicht mit dem Verbot des Bettelns kaschiert werden oder mit dem Argument gerechtfertigt werden, die Betroffenen vor dieser durch Not motivierten Tätigkeit bzw. vor Ausbeutung im Rahmen des Bettelns bewahren zu müssen. Im Bezug auf die Bettelmigration haben m.E. auch österreichische Regierungsorganisationen die Verpflichtung, auf weiter reichende Maßnahmen im Rahmen der EU zu drängen, die die Lebenssituation von BettelmigrantInnen in diversen osteuropäischen Ländern grundlegend verbessern3.
Der Artikel ist in der Sommerausgabe des „Kranich“, der Zeitschrift des Salzburger Friedensbüros 2012 erschienen und in voller Länge zu finden auf: www.josefmautner.at
Warum ich Geschichte liebe…
Augenblicke, Europa, Geschichte, Gesellschaft, Kultur, WeltMir ist klar, dass viele Menschen bei diesem Geständnis den Kopf schütteln. Wie kann man etwas lieben, das in der Schule oft ein Fach der Qual war. Unmögliche Namen lernen, sich Jahreszahlen merken, die man nach dem Test gleich wieder vergisst und Völker erforschen, die es schon lange nicht mehr gibt. Ja, so kann Geschichte auch sein. Die Geschichte, die ich liebe, beinhaltet aber viel mehr.
Karthago im heutigen Tunesien
Mein Zugang ist ein anderer. Geschichte ist für mich Zusammenhänge erkennen und verstehen warum die Welt so ist, wie sie ist. Vor zwei Wochen, war wieder so ein Moment. Erstmals in meinem Leben stand ich in Karthago zwischen all den Ruinen. In der Schule haben wir von den Phöniziern, Hannibal und den Punischen Kriegen gelernt, das war es dann. Aber Karthago lehrt mich viel mehr. Als damalige Großstadt im Norden Afrikas, gegründet vor ca. 2800 Jahren, gehörten die Stadt und ihre BewohnerInnen selbstverständlich zum Mittelmeerraum, dort wo die Römer, Ägypter, Griechen und andere Völkerschaften siedelten. Über die Jahrhunderte waren der Handel von Waren, kriegerische Auseinandersetzungen und der Austausch von Wissen selbstverständlich. In dieser Zeit bildeten sich auch die Begriffe Asien, Afrika und Europa heraus. So nannten die Römer ihre Provinz in Tunesien „Africa“, ohne damit einen Kontinent zu bezeichnen und eine Grenze zu Europa zu definieren. Asien, ein alter assyrischer Begriff mit der Bedeutung „Sonnenaufgang“ bezeichnete das heutige Kleinasien. Europa ist der Name einer phönizischen Königstochter und bezeichnet nach Herodot einfach die Landmasse nördlich des Mittelmeers.
Was lerne ich daraus? Vor mehr als 2000 Jahren war der Mittelmeerraum eine selbstverständliche Einheit. Es gab noch keine Flugzeuge, Telefonie oder Internet. Trotzdem waren die Grenzen im Kopf wahrscheinlich noch offener als heute. Wir können innerhalb kürzester Zeit mit fast allen Menschen auf diesem Planeten in Kontakt treten, wir sind innerhalb 24 Stunden an fast jedem Punkt der Erde. Aber wir haben Grenzen im Kopf, die uns als jetzt selbstverständlich erscheinen und die wir als „ewig“ hinnehmen. Aber die Geschichte lehrt uns, dass dies nicht immer so war und darum nicht immer so bleiben muss.
Eine Milliarde = 1.000.000.000
Europa, Gesellschaft, Welt, WirtschaftSpanien braucht Milliarden Euros, Griechenland hat schon ein paar hundert bekommen, Italien weiß ich grad nicht und Portugal und Irland und und und… Ich gebe zu, ich verstehe es nicht mehr. Und ich bin überzeugt, dass ich damit nicht alleine bin. Meine große Befürchtung ist allerdings, dass es auch vielen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ähnlich geht. Indes werden sie es kaum zugeben. Das spüren wir aber alle, darum trauen wir den ganzen Rettungsschirmen und- paketen nicht mehr. Viele von uns haben sich schon geistig von den vielen ESM – Diskussionen und Stabilitätspakten verabschiedet.
Aber das ist der falsche Weg. Da die meisten von uns keine FinanzexpertInnen sind, glauben wir nichts zu einer Lösung beitragen zu können. Vielleicht braucht es doch mehr als das Finanzexpertentum, um das Ruder herum zu reißen. Wo sind die PhilosophInnen, die SoziologInnen, die GeisteswissenschafterInnen, die eine Grundsatzdiskussion über unser Finanzsystem und unsere Gesellschaft führen. Nicht die Definition des Geldes muss im Mittelpunkt stehen, sondern jene Werte, die eine Gesellschaft zukunftsfähig machen. Dazu gehören Gerechtigkeit, Solidarität, Mitmenschlichkeit und Demokratie.
Derzeit sind wir scheint’s jenen Mächten ausgeliefert, deren Denken und Handeln nur um den schnöden Mammom kreisen. Aber jeder einzelne von uns soll darüber nachdenken, was wir außer Geld noch vom Zusammenleben erwarten. Wollen wir weiter wie das Kaninchen vor der Finanzmarktschlange erstarren? Oder wollen wir jene Menschen im Großen und im Kleinen unterstützen, die über Alternativen nachdenken? So wie die Occupy-Bewegung, Attac oder die Engagierten in diversen alternativen Wirtschaftsforen. Ich denke, einen Versuch ist es wert!
Schneller, höher, weiter…und dann?
Europa, Gesellschaft, Welt, WirtschaftDie Olympischen Spiele stehen vor der Tür und damit das Motto „schneller, höher, weiter“. Es gibt wohl keine Zeit in der dieses Motto unser Leben tagtäglich prägt. Beim Sport kann ich das ja noch nachvollziehen, der Sinn der Sache ist ja für die SportlerInnen zu gewinnen. Und für die, die keine Chance auf den Gewinn haben gibt es ja das zweite olympische Motto: „Dabei sein ist alles!“.
In unserer modernen Gesellschaft verhalten wir uns aber oft wie siegeswillige OlympionikInnen, obwohl die wenigsten von uns wohl Olympiareife hätten. Da kann uns der Bus nicht schnell genug kommen, im Facebook kann ein „Gefällt mir“ nicht schnell genug gehen. Wir sollten auf alles sofort eine Antwort haben, ein Problem muss ruckzuck gelöst sein. Wer will schon länger als nötig an der Supermarktkasse stehen? Und wenn die Amazon-Lieferung nicht innerhalb 72 Stunden da ist, dann werden wir ungeduldig. Der Sommer soll schon im März da sein und spätestens Ende Oktober wollen wir eine Schneedecke fürs Skivergnügen.
Was in unserem Alltag vielleicht ein persönliches Ärgernis ist, hat in der Politik fatale Auswirkungen. Das können wir gerade in der verkorksten europäischen Politik erleben. Fast täglich schreit der berühmte „Markt“, dass Feuer am Dach ist und morgen die Welt aus den Fugen gerät. Die Politik versucht alles das Feuer zu löschen. Ist der erste Brand eingedämmt, fängt es am anderen Eck zu glimmen an. Regierungen entscheiden auf dem gefühlt 150. Gipfel und die nationalen Parlamente winken die Entscheidungen durch. Alles unter dem Druck jener, die die Ursache der Krise sind, ob Banken, Hedgefonds oder WirtschaftswissenschaftlerInnen. Es wird Zeit auf die Bremse zu steigen und zu entschleunigen. Es braucht wieder die Zeit über die großen und kleinen Probleme nachzudenken, zu hinterfragen und zu debattieren. Und dem Motto des guten alten Konfuzius zu folgen: „In der Ruhe liegt die Kraft!“
Religionsfreiheit
Gesellschaft, Menschenrechte, MiteinanderLetzte Woche haben wir ein Lehrbeispiel dafür erlebt, wie die Religionsfreiheit wieder in Diskussion gekommen ist. Das Kölner Landgericht hat erklärt, dass die Beschneidung von Jungen eine strafbare Körperverletzung ist. Es hat sich daraus eine spannende Pro- und Kontra Diskussion entwickelt. Die Foren und Kommentarseiten der Medien quollen über, alleine im Standard gab es tausende Leserkommentare.
Das zeigt, wie wichtig vielen von uns Religionsfreiheit im doppelten Sinne ist. Die Freiheit, einer Religion anzugehören, als auch die Freiheit von Religion. Die heutige Tagung steht ja auch im Zeichen von Multikulturalität und Globalisierung. Die Herausforderung unserer heutigen Zeit ist es die religiöse Vielfalt, Agnostizismus und Atheismus unter einen Hut zu bringen. Eine Herausforderung für den Einzelnen, die Gesellschaft, die Politik und die religiösen Gemeinschaften. Es ist eine Entscheidung zwischen dem Nebeneinander oder dem Miteinander der Menschen mit verschiedenen Bekenntnissen. Ein wichtiger Beitrag ist es über Religion und Religionsfreiheit zu debattieren, Kritik zu üben und daraus zukunftsweisende Wege zu finden.
Eine Erkenntnis hatte schon der große Aufklärer des 18. Jahrhunderts Francois Voltaire: „Am Ende dieser friedlichen und freien Versammlung gehen die einen zur Synagoge, die anderen eins trinken; dieser lässt sich in einem großen Bottich im Namen des Vaters vom Sohne für den Heiligen Geist taufen, jener lässt seinem Sohn die Vorhaut beschneiden und über das Kind hebräische Wörter murmeln, die er überhaupt nicht versteht; die anderen gehen in ihre Kirche, um mit dem Hut auf dem Kopf die Inspiration Gottes zu erwarten, und alle sind zufrieden.“
Seine Conclusio daraus ist: „Eine Religion bedeutet Despotismus, zwei den Bürgerkrieg, aber mit 30 Konfessionen kann man glücklich und in Frieden leben.“
„Fight Poverty not the Poor!“
Gesellschaft, MenschenrechteEin Beitrag unseres Gastautors: Josef P. Mautner
Das Salzburger Landessicherheitsgesetz spricht im § 29 ein absolutes Bettelverbot aus.
Dieses Salzburger Bettelverbot ist – wie die bestehenden Bettelverbote in anderen Bundesländern – beim Verfassungsgerichtshof (Vfgh.) beeinsprucht worden, und der Vfgh. befasst sich in dieser Frühjahrssession mit den grundrechtlichen Fragen und Problemstellungen, die diese unterschiedlich formulierten Verbote aufwerfen.
Abgesehen von diversen ethischen Fragestellungen muss zunächst im Voraus festgestellt werden, dass ein Bettelverbot kein angemessenes Instrument der Armutsbekämpfung sein kann, im Gegenteil: Armut wird kriminalisiert und eine Gruppe von extrem armutsbetroffenen Menschen zu VerwaltungsstraftäterInnen gemacht. Von prinzipieller Bedeutung für die Diskussion der grundrechtlichen Legitimität bzw. Illegitimität von Bettelverboten sind deshalb die sozialen Grundrechte wie sie etwa in Artikel 23 und 25 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (1948) festgelegt sind. Der Schutz vor Arbeitslosigkeit sowie das Recht auf angemessenen Lebensstandard in Art. 23 und 25 betreffen die Ursachen des Bettelns. Diese sind in den jeweiligen Lebensumständen der Betroffenen zu suchen, nicht in sog. „kriminellen Machenschaften“. Die in Art. 23 und 25 der AEMR formulierten Prinzipien verdeutlichen, dass erst die massive Verletzung von sozialen Grundrechten die Ursachen und Voraussetzungen schafft, die Menschen zum Betteln bzw. zu Bettelmigration zwingen.
In der Stadt Salzburg betteln im Übrigen nicht nur MigrantInnen aus osteuropäischen Ländern, sondern auch InländerInnen, die teilweise von Haus zu Haus gehen, und vielfach sehen sich auch AsylwerberInnen, die mit der Grundversorgung nicht das Auslangen finden, zum Betteln gezwungen. Eine Verletzung sozialer Grundrechte (evtl. in anderen Staaten der EU) bzw. ein Versagen von lokaler Sozialpolitik kann nicht mit dem Verbot des Bettelns kaschiert werden oder mit dem Argument gerechtfertigt werden, die Betroffenen vor dieser durch Not motivierten Tätigkeit bzw. vor Ausbeutung im Rahmen des Bettelns bewahren zu müssen. Im Bezug auf die Bettelmigration haben m.E. auch österreichische Regierungsorganisationen die Verpflichtung, auf weiter reichende Maßnahmen im Rahmen der EU zu drängen, die die Lebenssituation von BettelmigrantInnen in diversen osteuropäischen Ländern grundlegend verbessern3.
Der Artikel ist in der Sommerausgabe des „Kranich“, der Zeitschrift des Salzburger Friedensbüros 2012 erschienen und in voller Länge zu finden auf: www.josefmautner.at
Michael Jackson-Man in the Mirror
Augenblicke, Entertainment, Gesellschaft, KulturEs gibt immer wieder Augenblicke, die einem im Gedächtnis haften bleiben. Der Tod von Michael Jackson war so ein Augenblick. Viele Menschen wissen noch, was sie getan haben, als sie von seinem Tod erfuhren. Ich weiß es auch noch. Ich war gerade aufgewacht, stellte den Handy-Wecker ab und sah eine SMS von einem lieben Kollegen: MJ ist tot. Zuerst dachte ich an einen Scherz, aber nein. Sein Tod hat mich berührt. Eigentlich eigenartig, denn es sterben täglich unzählige Menschen, die man nicht persönlich kennt. Aber MJ war doch ein Teil des Lebens vieler Menschen, mit seinen Liedern verbindet man schöne und weniger schöne Erinnerungen. Seine Musik hat mich über 30 Jahre begleitet. Dazu kamen noch die vielen Skandale und wunderlichen Dinge, vom beabsichtigten Kauf der Knochen des Elefantenmenschen bis zur skurrilen Heirat mit Lisa Marie Presley. Aber das waren doch nur Nebenschauplätze. Das was bleibt ist seine Musik. Einer meiner Lieblingssongs ist „Man in the Mirror“. Das Lied ist eine Selbsterkenntnis und eine Aufforderung. Ein einfacher Text, eine eingängige Melodie und die Kraft seiner Stimme lassen einen innehalten und nachdenken. „Wenn du die Welt ein bisschen besser machen willst, schau in den Spiegel und fang bei dir selbst an.“ Klingt banal, sagt aber alles darüber aus, wie es wirklich besser gehen könnte. Die beste Version dieses Liedes ist die Performance in Bukarest 1992. Wenn man sich diese 15 Minuten schenkt, in den Spiegel sieht, dann spürt man Kraft. Und dann ist es ganz einfach die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen.